Archiv des Autors: Anatol Stefanowitsch

Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

Jahreszeitliche Grüße

Von Anatol Stefanowitsch

Ein­er Rei­he von Fir­men und öffentlichen Insti­tu­tio­nen in den USA ist aufge­fall­en, dass man in der heuti­gen Zeit noch nicht ein­mal mehr in den Vere­inigten Staat­en automa­tisch davon aus­ge­hen kann, es bei seinem Gegenüber mit einem Chris­ten zu tun zu haben, und dass es deshalb angemessen wäre, die Floskel Mer­ry Christ­mas („Fröh­liche Wei­h­nacht­en“) durch eine neu­tralere For­mulierung zu erset­zen — etwa Hap­py Hol­i­days (Fröh­liche Ferien) oder Season’s Greet­ings („Jahreszeitliche Grüße“) zu ersetzen.

Was für einen neu­tralen Beobachter wie eine vernün­ftige und gerechte Entschei­dung wirkt, ist für die fun­da­men­tal­is­tis­che christliche Rechte in den USA ein Grund, sich einen Krieg gegen Wei­h­nacht­en zusam­men­z­u­fan­tasieren. Man hat den leisen Ver­dacht, dass es sich bei diesem einge­bilde­ten Krieg um ein medi­al insze­niertes Spiegel­ge­fecht han­deln kön­nte, um von den sehr realen Kriegen abzu­lenken, die die USA in den let­zten Jahren geführt hat, aber darum soll es hier heute nicht gehen. Stattdessen würde ich mir wün­schen, dass die christlichen Fun­da­men­tal­is­ten wenig­stens ihre eigene Reli­gion und deren Tra­di­tio­nen ken­nen wür­den. Weit­er­lesen

Sprachnörgler: Eine kurze Typologie

Von Anatol Stefanowitsch

Es gibt drei Typen von Sprach­nör­glern. Als ich heute zum let­zten Mal vor Wei­h­nacht­en an der Uni war, habe ich sie alle drei in ein angeregtes Gespräch ver­wick­elt angetrof­fen — an ein­er Toilettenwand.

Aus­lös­er für den sprachkri­tis­chen Fachdiskurs war fol­gende Unmut­säußerung eines anony­men Stu­den­ten (Name der Beschimpften und ihres Fach­es geändert):

Fuck for Eri­ka Mustermann!!!

Weg mit der „Muster­fach-Hexe“

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Die Mamas und die Papas

Von Anatol Stefanowitsch

Der schot­tis­che Schrift­steller Craig Rus­sell schreibt Krim­i­nal­ro­mane, die in Ham­burg spie­len und deren Haupt­fig­ur ein Polizeikom­mis­sar mit deutsch-schot­tis­chem Fam­i­lien­hin­ter­grund ist. Die Romane (derzeit gibt es drei) sind denen, die psy­chol­o­gis­che Thriller mögen, wärm­stens zu empfehlen, aber darum geht es heute nicht.

Rus­sell webt eine Vielzahl deutsch­er Wörter in seinen englis­chen Text ein und offen­sichtlich spricht er sel­ber sehr gut Deutsch und hat einen guten Lek­tor, denn man erwis­cht ihn kaum bei sprach­lichen Miss­grif­f­en, wie sie son­st häu­fig bei Autoren zu find­en sind, die ihre Texte mit fremd­sprach­lichem Wort­ma­te­r­i­al garnieren.

Aber manch­mal find­en sich doch extrem sub­tile Hin­weise darauf, dass Rus­sell eventuell doch nicht alle Schat­tierun­gen der deutschen Sprache beherrscht. So ist mir heute in seinem zweit­en Roman, „Broth­er Grimm“, der fol­gende Abschnitt aufge­fall­en: Weit­er­lesen

Falsus in unum, falsus in omnibus

Von Anatol Stefanowitsch

Aus ein­er alltäglichen Per­spek­tive ist das Latein schon deshalb unin­ter­es­san­ter als andere Sprachen, weil es im Prinzip eine tote Sprache ist — auch wenn sie in ein­er sehr eingeschränk­ten Funk­tion, als Amtssprache des Vatikan, kün­stlich am Leben gehal­ten wird. 

Aus sprach­wis­senschaftlich­er Sicht ist das Latein zunächst eine Sprache wie alle anderen. Für Sprach­wis­senschaftler, die sich mit den mod­er­nen Nachkom­men dieser Sprache befassen, ist es natür­lich ein Glücks­fall, dass sie recht umfan­gre­ich doku­men­tiert ist. Für alle anderen ist sie als Objekt sprach­wis­senschaftlich­er Stu­di­en sich­er etwas weniger inter­es­sant als lebendi­ge Sprachen, weil ihr die Mut­ter­sprach­ler fehlen (für Lin­guis­ten ist die Arbeit mit Mut­ter­sprach­lern ein unverzicht­bares Werkzeug), weil die Gesamt­menge der in dieser Sprache vor­liegen­den Texte beschränkt ist und weil sie sich nicht mehr weit­er­en­twick­eln kann. Trotz­dem — grund­sät­zlich ist sie uns gle­ich viel Wert. Weit­er­lesen

Wie man den Nobelpreis nicht gewinnt

Von Anatol Stefanowitsch

Doris, Doris, ich bin ent­täuscht von dir. Da bekommst du den Lit­er­aturnobel­preis ver­liehen und erhältst die Chance, der Welt deine Gedanken mitzuteilen, und dann fällt dir nichts besseres ein, als dich über die ange­bliche „Lese­faul­heit“ der Jugend in der „reichen Welt“ auszu­lassen. Und die Medi­en greifen das natür­lich dankbar auf: Weit­er­lesen

Netzplauderei

Von Anatol Stefanowitsch

Das kalte Win­ter­wet­ter und die Arbeit­slast machen mir immer noch zu schaf­fen. Wie gut ist es da, dass es die „Aktion Lebendi­ges Deutsch“ gibt, die zuver­läs­sig ein­mal im Monat für gute Laune sorgt.

Im lezten Monat war eine Alter­na­tive für chat­ten gesucht. Ich hat­te hier das Schlimm­ste befürchtet, näm­lich, dass der Alther­ren­club mit der Sprachkri­tik auch Kri­tik an der Kul­turtech­nik Inter­net verknüpfen würde, so wie es der „Anglizis­menin­dex“ des VdS tut. Ganz so schlimm ist es dann aber doch nicht gekom­men: Weit­er­lesen

Awesome

Von Anatol Stefanowitsch

Ange­blich hat George Bern­hard Shaw ein­mal gesagt, dass Eng­land und Ameri­ka zwei Län­der sind, die ihre gemein­same Sprache tren­nt. Vielle­icht stammt das Zitat auch von Oscar Wilde oder Win­ston Churchill, oder von allen dreien. Wer auch immer der Urhe­ber dieser Beobach­tung ist, er hat nicht ganz Unrecht. Wenn wir uns schon Sor­gen machen, dass unsere von Scheinan­glizis­men ver­wirrte Jugend sich englis­chen Mut­ter­sprach­lern gegenüber durch das Gerede von Handys, Foto­shoot­ings, Longsellern oder Talk­mas­ter lächer­licht macht, wie muss es dann erst Briten in den USA oder Amerikan­ern in Eng­land ergehen?

Ganz fürchter­lich, wie David Beck­ham fest­stellen muss: Weit­er­lesen

Unwörter und Undinge

Von Anatol Stefanowitsch

Die Sprachkri­tis­che Aktion nimmt seit dem 18. Okto­ber mal wieder Vorschläge für das „Unwort des Jahres“ ent­ge­gen. „Unworte“ wer­den von den sprachkri­tis­chen Aktionären dabei definiert als

… sprach­liche Miss­griffe in der öffentlichen Kom­mu­nika­tion, die 2007 beson­ders neg­a­tiv aufge­fall­en sind, weil sie sach­lich grob unangemessen sind und möglicher­weise sog­ar die Men­schen­würde verletzen.

Wie der Stern diese Woche berichtet, haben sich bis­lang etwa 860 Ein­sender an der Suche beteiligt. Allerd­ings stoßen nicht alle Ein­sendun­gen auf die ungeteilte Begeis­terung des Haup­tak­tionärs, Prof. Horst Dieter Schloss­er: Weit­er­lesen

Kreationismus vor Gericht

Von Anatol Stefanowitsch

Am Anfang war das Wort“, heißt es ja bekan­ntlich im Johan­ne­se­van­geli­um — als Sprach­wis­senschaftler sollte mich das ja freuen. Ich weiß aber natür­lich, dass am Anfang der Urk­nall stand, und später dann die Evo­lu­tion. Christliche Fun­da­men­tal­is­ten in den USA sehen das anders und ver­suchen seit vie­len Jahren, den Kreation­is­mus (die Vorstel­lung, dass das Uni­ver­sum und das Leben auf der Erde von einem „höheren Wesen“ geschaf­fen wurde) als legit­ime Alter­na­tive zur Evo­lu­tion­s­the­o­rie im Biolo­gie­un­ter­richt an staatlichen Schulen zu verankern.

Der ober­ste Gericht­shof der Vere­inigten Staat­en hat mehrfach entsch­ieden, dass diese Ver­ankerung ver­fas­sungswidrig wäre, da sie die Tren­nung von Staat und Kirche ver­let­zen würde. Das hält die Kreation­is­ten nicht davon ab, ihr Ziel weit­erzu­ver­fol­gen. Weit­er­lesen