Archiv des Autors: Anatol Stefanowitsch

Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

Aufbruch zu den Sternen

Von Anatol Stefanowitsch

Ich habe ger­ade gele­sen, dass der Sci­ence-Fic­tion-Autor und Visionär Arthur C. Clarke gestern im Alter von 90 Jahren in sein­er Wahlheimat Sri Lan­ka gestor­ben ist. Er war ohne Zweifel ein­er der ganz großen Denker unser­er Zeit und ist dafür im Laufe seines Lebens mit zahllosen Ehrun­gen bedacht wor­den (unter anderem wur­den ein Aster­oid, eine Ausze­ich­nung für Sci­ence-Fic­tion-Autor/in­nen und ein Dinosauri­er nach ihm benannt).

Mir wird vor allem seine Kurzgeschichte The Nine Bil­lon Names of God in Erin­nerung bleiben, in der eine Gruppe tibetanis­ch­er Mönche einen Com­put­er bestellt, der die neun Mil­liar­den Namen Gottes, die sie son­st über einen Zeitraum von fün­fzehn­tausend Jahren von Hand hät­ten auf­schreiben müssen, in weni­gen Stun­den für sie errech­nen soll. Warum sie diese Namen auf­schreiben wollen, möchte ich hier nicht ver­rat­en, aber wer die Geschichte sel­ber lesen möchte, find­et sie bei Google (ein­fach den ersten Link anklicken).

Man muss nicht trauern, wenn jemand nach so einem lan­gen und erfüll­ten Leben von uns geht, aber mir wer­den seine Worte und Gedanken fehlen.

Dialektcharts

Von Anatol Stefanowitsch

Das Allens­bach-Insti­tut hat eine inter­es­sante Umfrage zum Zus­tand und zur Wahrnehmung deutsch­er Dialek­te durchge­führt, auf die ich in den näch­sten Tagen noch ein­mal aus­führlich­er zurück­kom­men werde. Heute möchte ich aber nicht aus­führlich über die Umfrage selb­st sprechen, son­dern über die Schlagzeilen, mit denen die Zeitun­gen sie verkauft haben.

Die Agen­turen haben in ihren Schlagzeilen offen­sichtlich auf den (ver­meintlichen) Sieger konzen­tri­ert — „Bay­erisch ist die beliebteste deutsche Mundart“ titelt die AFP und Asso­ci­at­ed Press meldet „Bay­erisch ist der beliebteste deutsche Dialekt“. Viele Zeitun­gen im deutschsprachi­gen Raum haben diese Schlagzeilen über­nom­men, z.B. die WELT, die Ful­daer Zeitung und die Neue Zürich­er Zeitung. Weit­er­lesen

Barocke Blutarmut

Von Anatol Stefanowitsch

Über die Sprache der ehe­ma­li­gen DDR wer­den ja häu­fig Dinge erzählt, die mehr mit Vorurteilen als mit der sprach­lichen Wirk­lichkeit zu tun haben. Let­zte Woche habe ich dieses Juwel auf Welt Online gefunden:

Dann erfand die ost­deutsche Wirk­lichkeit neue Wörter für neue Sachver­halte. Vielfach han­delte es sich dabei um Abkürzun­gen, die man im West­en schon deshalb nicht ver­stand, weil das, was sie benan­nten, dort nicht vorkam: VEB und VVB, LPG und NVA, zum Beispiel. Die Beziehung der Staatspartei SED zur deutschen Umgangssprache war gekennze­ich­net durch Blu­tar­mut und barocke Formel­haftigkeit. Gern erfand sie auch Neol­o­gis­men, etwa wenn ein­fache Berufe durch eine neue Beze­ich­nung aufgew­ertet wer­den soll­ten. Da gab es etwa den Fachar­beit­er für Bürotech­nik. Es han­delte sich um die Steno­typ­istin. Auch die Ver­suche, christlichen Fes­ten den athe­is­tis­chen Garaus zu machen, führten zu sprach­lich­er Ver­renkung. Eine gewisse Promi­nenz erlangte die Jahre­send­flügelfig­ur, die nichts anderes beze­ich­nete als den Wei­h­nacht­sen­gel. Ein ander­er tabuisiert­er Bere­ich war das Ster­ben. Der DDR-Beitrag zum The­ma war ein neues Wort für den Sarg: Erdbestat­tungsmö­bel. [Welt Online]

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Eisenberg über Sick

Von Anatol Stefanowitsch

Über Ines Bal­cik bin ich auf ein Inter­view im Deutsch­land­funk aufmerk­sam gewor­den, in dem der Pots­damer Sprach­wis­senschaftler Peter Eisen­berg über den Zus­tand der deutschen Sprache spricht. Sein Urteil, dem ich mich nur anschließen kann: das deutsche Sprach­sys­tem „ist so groß und so umfan­gre­ich und so dif­feren­ziert wie es noch nie war“. Weit­er­lesen

1000 Kommentare

Von Anatol Stefanowitsch

Ein Blog lebt vom Zusam­men­spiel der Beiträge und der Kom­mentare, und deshalb freue ich mich über die aktive Kom­men­tarkul­tur, die sich im Bre­mer Sprach­blog entwick­elt hat. Vor eini­gen Tagen hat­ten wir den ein­tausend­sten Kom­men­tar, näm­lich diesen hier, der mich rel­a­tiv sprach­los macht, der aber die Denkweise viel­er Sprach­nör­gler auf inter­es­sante Weise offen­legt. Mir fehlt lei­der oft die Zeit, mein­er­seits wieder auf Kom­mentare zu antworten, aber zum Glück gibt es mit­tler­weile eine Rei­he von Stammkommentator/innen, die das häu­fig ohne­hin tre­f­fend­er tun, als ich das sel­ber kön­nte. Weit­er­lesen

Schweinehund

Von Anatol Stefanowitsch

Dass ich in den let­zten Tagen nichts gepostet habe, lag nicht an meinem inneren Schweine­hund, son­dern an ein­er Kon­ferenz in Biele­feld, auf der es keinen Inter­net­zu­gang gab (übri­gens: Biele­feld gibt es tat­säch­lich). Nun ver­suche ich, mich auf den neuesten Stand der Welt­geschehnisse zu brin­gen, und lese ein Inter­view mit Stef­fi Graf auf Welt Online, in dem sie von ihrem neuem Buch „Das Mrs. Sporty-Konzept mit Ste­fanie Graf: Lebenslust und Energie in 30 Minuten“ erzählt (gut, dass ich mich über englis­che Wort­deko­ra­tio­nen ein­fach nicht aufre­gen kann, son­st würde dieser Titel meinen Puls bes­timmt höher schla­gen lassen). Die Welt Online möchte nun wis­sen, ob es ihr schw­er­falle, sich an ihre eige­nen Ratschläge zu hal­ten und klärt zunächst eine Über­set­zungs­frage: Weit­er­lesen

Hotline

Von Anatol Stefanowitsch

Die Aktion Lebendi­ges Deutsch will ja vorge­blich zur Aufhüb­schung des deutschen Wortschatzes beitra­gen, in dem sie Alter­na­tiv­en für englis­che Lehn­wörter sucht. Aber ab und zu ver­weigert die Aktion sich ihrer selb­st gestell­ten Auf­gabe und dann merkt man, worum es eigentlich geht.

Im Dezem­ber 2006 woll­ten die Aktionäre von den Lesern zunächst eine Ein­deutschung des Begriffs Anti-Aging haben, fan­den dann aber: „Was da stat­tfind­et, ist nichts, was ein­er Benen­nung bedarf, in welch­er Sprache auch immer“. Weit­er­lesen

Bahnbashing

Von Anatol Stefanowitsch

Zugegeben, die Deutsche Bahn ist schon schw­er ver­liebt in die englis­che Sprache. An satirischen Verdich­tun­gen dieser Lei­den­schaft beste­ht deshalb kein Mangel:

Wer eine „Mobil­i­ty Bah­n­Card“ hat, kann bald über „Touch & Trav­el“ ein „Tick­et“ für den „City Night­line“ ordern und sich nach dem Trip am „Ser­vice Point“ über den „Call-a-bike“-Standort informieren. Viele dürften da nur noch Bahn­hof ver­ste­hen.[ZDF son­ntags]

Aber selb­st solche Verdich­tun­gen kön­nen mit der Wirk­lichkeit kaum konkur­ri­eren. Weit­er­lesen

7 + 38 + 55 = 0

Von Anatol Stefanowitsch

Ich freue mich immer, wenn ich in irgen­dein­er Zeitung etwas über die wichtige Rolle lese, die die Sprache in unserem Leben spielt. So wie let­zte Woche im Lokalteil des Min­den­er Tage­blatts, in dem unter der an sich schon diskus­sion­swürdi­gen Über­schrift „Sprache ist viel mehr als nur Worte“ über einen Vor­trag zu eben diesem The­ma berichtet wurde:

Wir reden miteinan­der, um uns auszu­tauschen, um zu kom­mu­nizieren. Mit unser­er Sprache ver­mit­teln wir Wis­sen, klären Fra­gen, geben Antworten, erschließen uns die Welt. Wir pfle­gen mit ihr Beziehun­gen oder zer­stören sie“, erk­lärte Annegret Tesche.

Dem kann ich mich nur nach­drück­lich anschließen. Es ist schön, dass so etwas auch ein­mal in der Zeitung ste­ht. Aber dann fol­gt sofort die Ernüchterung: Weit­er­lesen