Archiv des Autors: Anatol Stefanowitsch

Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

taz gegen Sick

Von Anatol Stefanowitsch

Ich musste mit Schreck­en fest­stellen, dass es in mein­er Buch­hand­lung kein einziges Buch über die Ein­rich­tung und Admin­is­tra­tion von FTP-Servern unter Lin­ux gibt, aber sieben ver­schiedene Büch­er über Win­dows Serv­er 2008 und zwei über Win­dows Exchange Serv­er. Dafür habe ich auf dem Tisch mit den sprachkri­tis­chen Büch­ern einen schö­nen Stapel von Andre Mei­n­ungers Sick of Sick ent­deckt, genau zwis­chen dem fün­ften Band von „Der Dativ ist dem Gen­i­tiv sein Tod“ und „Hap­py Aua“. Das erfreut und deshalb sei dem Buch­händler sein man­gel­hafter Servergeschmack vergeben und vergessen. Weit­er­lesen

Care for a little linguistic necrophilia?

Von Anatol Stefanowitsch

Angesichts der Aufre­gung, mit der jede Phase der deutschen Rechtschreibre­form öffentlich disku­tiert wurde, hätte es ja sein kön­nen, dass wir uns auch für die Rechtschreibre­for­men unser­er europäis­chen Nach­barn inter­essieren. Das ist aber nicht der Fall: fast unbe­merkt hat das por­tugiesis­che Par­la­ment vor zehn Tagen eine der radikalsten Refor­men in der Geschichte der por­tugiesis­chen Orthografie verabschiedet.

Die Reform, auf die sich Por­tu­gal mit sieben weit­eren por­tugiesis­chsprachi­gen Län­dern (näm­lich Brasilien, Ango­la, Mosam­bik, Ost­ti­mor, den Kapver­den, Guinea-Bis­sau und São Tomé e Príncipe ver­ständigt hat), ist die bis­lang let­zte in ein­er lan­gen Rei­he von manch­mal mehr, aber meis­tens weniger gut koor­dinierten Refor­men, die Por­tu­gal und Brasilien seit 1911 an ihren jew­eili­gen Orthografien durchge­führt haben (die englis­chsprachige Wikipedia hat einen eige­nen Ein­trag zu diesen Refor­men). Weit­er­lesen

Abkürzungsgefährdet

Von Anatol Stefanowitsch

Die SMS ist den Briten ihr Anglizis­mus. Während hierzu­lande die Angst umge­ht, die deutsche Sprache kön­nte unter der Last einiger Lehn­wörter und sprach­lich fehlgeleit­eter Werbe­sprüche zusam­men­brechen, glaubt man im Vere­inigten Kön­i­gre­ich (und, wie wir hier erwäh­nt haben, auch in Irland) ern­sthaft, dass SMS-typ­is­che Abkürzun­gen dabei sind, in die All­t­agssprache junger Men­schen einzu­drin­gen und dort altherge­brachte Wörter zu ver­nicht­en. Weit­er­lesen

Die sprachliche Vermessung der Welt

Von Anatol Stefanowitsch

Der öffentliche Diskurs über Sprach­sys­teme hängt sich häu­fig an ober­fläch­lichen Aspek­ten wie der Orthografie und Inter­punk­tion oder aber an Fra­gen der „kor­rek­ten“ Aussprache oder des Wortschatzes auf. Für den Wis­senschaftler ist dage­gen die gram­ma­tis­che Struk­tur von Sprache und Sprachen ein wesentlich inter­es­san­ter­er Forschungs­bere­ich. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber unter anderem liegt es daran, dass sich Aussprache und Wortschatz rel­a­tiv schnell verän­dern und über ver­schiedene Sprachen hin­weg rel­a­tiv unsys­tem­a­tisch vari­ieren (lexikalis­che Seman­tik­er, Phonetik­er und Phonolo­gen mögen mir diese grobe Vere­in­fachung verzei­hen). Gram­ma­tis­che Struk­turen verän­dern sich dage­gen zwar stetig aber rel­a­tiv langsam, und vor allem vari­ieren sie in höchst sys­tem­a­tis­ch­er Weise. So gibt es Bere­iche, in denen Sprachen bes­timmte struk­turelle Eigen­schaften stark bevorzu­gen — zum Beispiel haben über 95 Prozent aller Sprachen einen grundle­gen­den Satzbau, bei dem das Sub­jekt im Satz irgend­wo vor dem Objekt auftritt (wir haben hier ein­mal darüber disku­tiert); andere Eigen­schaften bedin­gen sich gegen­seit­ig, sodass sich fest­stellen lässt, dass eine Sprache, die Eigen­schaft A hat, mit hoher Wahrschein­lichkeit auch Eigen­schaft B hat (wenn eine Sprache beispiel­sweise die Satzstel­lung Sub­jekt-Objekt-Verb hat, ist es sehr wahrschein­lich, dass sie Post­po­si­tio­nen hat (dass also Wörter wie von, in oder bei hin­ter dem Sub­stan­tiv ste­hen, auf das sie sich beziehen).

Solche all­ge­meinen Regeln sind deshalb inter­es­sant, weil sie all­ge­me­ingültige, also sprachüber­greifende oder gar spra­chun­ab­hängige Erk­lärun­gen ver­lan­gen. Aber solche Regeln zu find­en ist häu­fig schwierig. Es erfordert oft monate­lange Lek­türe gram­ma­tis­ch­er Beschrei­bun­gen von vie­len hun­dert Sprachen, die dann auf eine Art zusam­menge­fasst wer­den müssen, die es dem Forsch­er ermöglicht, all­ge­meine Regeln oder Ten­den­zen auch als solche zu erken­nen. Weit­er­lesen

Sprachnörgler und Sprachwissenschaftler

Von Anatol Stefanowitsch

Zu den let­zten paar Beiträ­gen hier im Sprach­blog haben sich inter­es­sante Diskus­sio­nen entspon­nen, an der sich neue und alte Sprach­blogleser rege beteili­gen. Das freut mich natür­lich und ich werde über die näch­sten Wochen ver­schiedene Aspek­te dieser Diskus­sio­nen auf­greifen und genauer disku­tieren um (noch) deut­lich­er zu machen, wo aus mein­er Sicht die Unter­schiede zwis­chen einem sach­lichen und einem sprach­nör­g­lerischen Umgang mit Sprache liegen (ein „sach­lich­er“ Umgang muss dabei übri­gens nicht unbe­d­ingt sprach­wis­senschaftlich sein — es gibt ja eine Rei­he von Diszi­plinen und Beruf­s­grup­pen, die sich pro­fes­sionell mit Sprache beschäftigen).

Aus zwei Kom­mentaren zum let­zten Beitrag möchte ich hier aber kurz schon ein­mal einen Aspekt auf­greifen. Weit­er­lesen

Neidlos

Von Anatol Stefanowitsch

Vor ein paar Tagen hat ein gewiss­er „Jeeves“ — ver­mut­lich nicht sein richtiger Name — dieses Blog ent­deckt und wie fol­gt kom­men­tiert:

Huch, wohin hab’ ich mich denn hier verlaufen?

Studierte oder studierende Humor­lose sind offen­sichtlich eifer­süchtig auf einen Erfol­gre­ichen (näm­lich: Sick)?

Das mach auf mich als Außen­ste­hen­den jeden­falls diesen Eindruck.

Beson­ders gründlich kann er sich nicht umge­se­hen haben, denn über Sick reden wir hier nur sehr selten.

Aber zum Kern des Vor­wurfs: Sind Sprach­wis­senschaftler — studiert oder studierend — nei­disch auf die promi­nente Sprach­nör­gler wie Bas­t­ian Sick? Weit­er­lesen

Eine Aktion zum Canceln

Von Anatol Stefanowitsch

In den let­zten Tagen habe ich her­aus­ge­fun­den, dass es mit dem Bloggen bei mir so ähn­lich ist, wie mit dem Joggen — wenn man ein- oder zweimal die Zeit dazu nicht find­et, wird es schw­er, sich wieder aufzu­raf­fen. Aber jet­zt nehme ich die Aktion Lebendi­ges Deutsch, da sie schon nicht zur Lebendigkeit der deutschen Sprache beiträgt, zum Anlass, wenig­stens das Bre­mer Sprach­blog vor der dro­hen­den Leichen­starre zu bewahren. Weit­er­lesen

Gewinnmitteilung

Von Anatol Stefanowitsch

Und hier die über­fäl­lige Entschei­dung unseres Gewinn­spiels. Um mir die Entschei­dung ein­fach­er zu machen, habe ich die Wet­tbe­wer­ber in drei Kat­e­gorien eingeteilt:

  1. Sick-Geplagte
  2. Wiss­be­gierige
  3. Spaßvögel

Dann habe ich in jed­er Kat­e­gorie eine/n Sieger/in gekürt. Weit­er­lesen

Stimmen aus der Vergangenheit

Von Anatol Stefanowitsch

Ob die Nean­der­taler eine Sprache hat­ten, wer­den wir nie mit Sicher­heit wis­sen. Wis­senschaftler des Max-Planck-Insti­tuts für Evo­lu­tionäre Anthro­pol­gie in Leipzig fan­den im let­zen Jahr her­aus, dass der Nean­der­taler die gle­iche Vari­ante des Gens FOXP2 besaß, die beim Men­schen eine entschei­dende Rolle beim Gram­matik­er­werb spielt. Weit­er­lesen

Wörter zu Pflugscharen

Von Anatol Stefanowitsch

Angeregt von den Kom­mentaren zu unser­er Ver­losung (die mit­tler­weile been­det ist) habe ich darüber nachgedacht, ob Sprach­wis­senschaftler nei­disch auf Sicks Erfolg sind und warum sie sich manch­mal so über ihn aufre­gen. Die kurze Antwort ist „Nein“ und „Weil er etwas triv­i­al­isiert, was ihnen am Herzen liegt“. Die lange Antwort muss noch ein paar Tage auf sich warten lassen, da ich die Naturge­walt des ger­ade ange­fan­genen Semes­ters noch in den Griff bekom­men muss. Hier aber ein schönes Zitat zum The­ma, das ich in Randy Allen Har­ris’ The Lin­guis­tics Wars gefun­den habe (meine Über­set­zung): Weit­er­lesen