Archiv des Autors: Anatol Stefanowitsch

Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

My home is my castle

Von Anatol Stefanowitsch

Ein paar Nachgedanken zu meinem Beitrag vom Fre­itag.

Der Nach­druck, mit dem einige Kom­men­ta­toren auf der Idee bestanden haben, die USA seien ein englis­chsprachiges Land, hat mich ver­wun­dert. Nein, eigentlich nicht. Diese Idee ist nun ein­mal fest in unseren Köpfen ver­ankert. Selb­st meine Stu­den­ten (die ja immer­hin zu einem beträchtlichen Teil Amerikanis­ten wer­den wollen), glauben es mir schlicht nicht, wenn ich es in meinen Sem­i­naren erwähne. Aber es ist eine Tat­sache: die USA haben keine Nation­al­sprache (die Ver­fas­sung ist zwar in englis­ch­er Sprache abge­fasst, aber sie sagt nichts zum Sta­tus dieser Sprache) und sie haben auch keine Amtssprache. Weit­er­lesen

Mi casa es su casa

Von Anatol Stefanowitsch

Welche der fol­gen­den Aus­sagen ist kein pop­ulär­er Irrtum: a) Die chi­ne­sis­che Mauer kann man vom Mond aus sehen, b) Spinat enthält viel gesun­des Eisen oder c) die USA sind ein englis­chsprachiges Land.

Dass a) und b) nicht stim­men, hat inzwis­chen wohl jed­er mit­bekom­men. Die chi­ne­sis­che Mauer ist zwar sehr lang, aber natür­lich viel zu schmal, um sie aus ein­er Ent­fer­nung von 385.000 Kilo­me­tern mit bloßem Auge sehen zu kön­nen (wer das nicht glaubt, soll ein­mal ver­suchen, sie in Google Earth zu find­en, ohne die Koor­di­nat­en zu ken­nen). Bei dem ange­blich so hohen und gesun­den Eisen­ge­halt von Spinat han­delt es sich um einen Mess­fehler. Also muss c) stim­men — die USA sind wirk­lich ein englis­chsprachiges Land. Weit­er­lesen

Aktionäre, ans Telefon!

Von Anatol Stefanowitsch

Die vier Sprachau­toritäten von der Aktion Lebendi­ges Deutsch tra­gen mit ihren messer­schar­fen Wortschatzbe­darf­s­analy­sen und stil­sicheren Neube­wor­tun­gen über­flüs­siger Lehn­wörter seit vie­len Jahren dazu bei, die deutsche Sprache vor dem sicheren Nieder­gang zu bewahren. Ohne ihren uner­müdlichen Ein­satz wäre das Deutsche längst voll­ständig durch das Englis­che ver­drängt wor­den, oder noch schlim­mer, auf das Niveau eines Bana­nen­händler­pid­gins gesunken. Weit­er­lesen

Ich bin (k)ein Pfannkuchen

Von Anatol Stefanowitsch

Im Blog Paper Cuts der New York Times fragt sich Steve Coates, ob Kennedys berühmter Satz „Ich bin ein Berlin­er“ zwin­gend so etwas bedeutet wie „Ich bin ein mit Marme­lade gefüll­ter Krapfen/Pfannkuchen“, und ob er nicht eigentlich hätte sagen müssen Ich bin Berlin­er. Anscheinend ist dies eine Frage, die schon seit langem disku­tiert wird — Coates zitiert den Ver­fass­er von Kennedys Rede, Ted Sorensen, wie fol­gt: Weit­er­lesen

Mehr veredeltes Leder

Von Anatol Stefanowitsch

Es passiert nicht oft, dass ich eine Aus­sage aus ein­er Zeitungsmeldung kri­tisiere, und der Kri­tisierte sich dann hier zu Wort meldet. Um ehrlich zu sein, es ist noch nie passiert — so wichtig ist das Bre­mer Sprach­blog dann wohl doch (noch) nicht im öffentlichen Diskurs.

Aber heute hat sich der Frank­furter Unternehmer Eduard Ble­sius, über den ich am Fre­itag geschrieben habe, in einem Kom­men­tar gemeldet. Damit der nicht unbe­merkt unterge­ht, und natür­lich weil ich ihm eine Antwort schulde, zitiere ich diesen Kom­men­tar hier kom­plett. Weit­er­lesen

Veredeltes Leder

Von Anatol Stefanowitsch

Die Net­zaus­gabe der Frank­furter All­ge­meinen Zeitung berichtet über den Frank­furter Unternehmer Eduard Ble­sius, der mit sein­er Fir­ma Cori­um Ober­flächen­tech­nik GmbH auch den asi­atis­chen Markt erobern möchte. Dabei wün­sche ich ihm viel Glück, aber darum geht es heute nicht, son­dern darum, wie er über sein Pro­dukt spricht:

Das Start­up-Unternehmen entwick­elt Schuh-Fin­ish, das von Allessa in Lohn­pro­duk­tion hergestellt wird. Fin­ish ist ein Mit­tel zur Vered­lung von Led­er, aus dem Schuhe gefer­tigt wer­den. Bei dieser Umschrei­bung muss es bleiben: „Ich bin kein Fre­und von Anglizis­men, aber einen deutschen Begriff gibt es dafür nicht“, sagt Ble­sius. Diese beson­dere Art ein­er Creme wird ver­wen­det, wenn ein Schuh fer­tigt ist. Denn während das Led­er über den Leis­ten ges­pan­nt und ver­ar­beit­et wird, erlei­det es Kratzer – außer­dem sind Nähte nicht einge­färbt. Wird danach Fin­ish aufge­tra­gen, glänzt ein Schuh so, wie die Kun­den es erwarten.

Mit anderen Worten: der Mann stellt Schuhcreme her. Warum sagt er das dann nicht ein­fach? Weit­er­lesen

Public Viewing

Von Anatol Stefanowitsch

Der Aktion Lebendi­ges Deutsch ist es wieder ein­mal gelun­gen, nicht nur sinnlose, son­dern auch pein­liche Verbesserungsvorschläge bezüglich der deutschen Sprache zu machen:

Unter den über 1800 Ein­sendun­gen für das Such­wort „Cof­fee-to-go“ hat die Jury „Geh-Kaf­fee“ aus­gewählt (mit Sym­pa­thien für „Fersen-Kaf­fee“ und „Kaf­fee entführt“).

Fersen-Kaf­fee — davon abge­se­hen, dass das eklig klingt, schwingt hier, eben­so wie bei Kaf­fee ent­führt, wie so oft eine grund­sät­zliche Kri­tik an der beze­ich­neten Sache durch. Die vier Aktionäre kom­men offen­sichtlich nicht klar mit der Tat­sache, dass es Kaf­fee über­haupt zum Mit­nehmen gibt. Weit­er­lesen

Präskriptive Wissenschaft?

Von Anatol Stefanowitsch

Mark Liber­man denkt im Lan­guage Log darüber nach, ob es eine präskrip­tive Wis­senschaft geben kann. Seine Antwort ist ein vor­sichtiges Ja. Dabei hat er aber nicht etwa eine Syn­these im Sinn, wie wir sie hier disku­tiert und abgelehnt haben. Er weist vielmehr darauf hin, dass prinzip­iell das Meth­o­d­en­in­ven­tar zur Ver­fü­gung ste­ht, um die Behaup­tun­gen von Sprach­nör­glern wis­senschaftlich zu über­prüfen. Nach­dem er eine Fall­studie aus der Forschungslit­er­atur dargestellt hat, kommt er zu fol­gen­dem Faz­it: Weit­er­lesen