Archiv des Autors: Anatol Stefanowitsch

Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

Ein sprachlicher Bildungsauftrag

Von Anatol Stefanowitsch

In einem Kom­men­tar hat Leser/in „mus“ darauf hingewiesen, dass der NDR den „Tag der deutschen Sprache“ (den es natür­lich nicht wirk­lich gibt und der nur der über­hitzten Fan­tasie der Sprach­nör­gler entsprun­gen ist) mit ein­er Umfrage würdigt, in der nicht etwa die Schön­heit und Vielfalt der deutschen Sprache gefeiert wird son­dern in der die Leser zum sprach­lichen Sno­bis­mus aufge­fordert wer­den. Weit­er­lesen

Sprachnörglerische Scheinheiligkeit

Von Anatol Stefanowitsch

Das Ham­burg­er Abend­blatt lässt seine Leser aufgeregt darüber abstim­men, ob die neue S‑Bahn-Sta­tion am Ham­burg­er Flughafen wie geplant „Ham­burg Air­port“ heißen soll, oder ob nicht ein rein­deutsches „Flughafen“ bess­er wäre (klein­er Hin­weis: der Flughafen selb­st nen­nt sich bere­its Ham­burg Air­port und „Flughafen“ ist kein inter­na­tion­al gebräuch­lich­er Begriff).

Neben­bei schaf­fen es die Mach­er auch noch, in einem Artikel über einen Franzö­sis­chkurs einen über­flüs­si­gen Seit­en­hieb auf englis­che Lehn­wörter einzubauen. Nur eins schaf­fen sie nicht: selb­st auf diese zu verzicht­en. Weit­er­lesen

Ahnungslos lahme Denglischjäger

Von Anatol Stefanowitsch

The unspeak­able in pur­suit of the ined­i­ble“ — die Unsäglichen auf der Jagd nach dem Unge­nießbaren –, so hat Oscar Wilde ein­mal die Fuch­s­jagd beschrieben. Die Jagd der Aktion Lebendi­ges Deutsch nach Alter­na­tiv­en zu englis­chen Lehn­wörtern kön­nte man ana­log als „die Unbelehrbaren auf der Jagd nach dem Unnöti­gen“ definieren.

Jeden Monat beglück­en die vier Aktionäre die deutsche Sprachge­mein­schaft mit Wortschöp­fun­gen, die die Welt nicht braucht (denn anders als der Wortist suchen sie immer nur nach Beze­ich­nun­gen für Dinge, für die es bere­its etablierte Begriffe gibt). Weit­er­lesen

Grammatik ist mehr faszinierend als alles andere

Von Anatol Stefanowitsch

Vor ein paar Wochen habe ich im Fernse­hen beim Sender­sur­fen den fol­gen­den Satz gehört (ich weiß lei­der nicht mehr in welch­er Sendung, ich glaube, es war eine Krim­is­erie mit Laiendarstellern):

(1) Ich weiß gar nicht, wer mehr nervös war — er oder ich.

Der Satz kam mir komisch vor. Mehr nervös klingt wie eine umständliche und unkon­ven­tionelle Umschrei­bung für nervös­er.

Wäre ich ein Sprach­nör­gler, es wäre klar, was ich zu tun hätte: ich müsste mich über die „immer häu­figer zu beobach­t­en­den“ und „falschen“ Ver­gle­ichs­for­men von Adjek­tiv­en im Beson­deren und über junge Men­schen und das Pri­vat­fernse­hen im All­ge­meinen echauffieren und die Schuld für den Ver­fall der deutschen Sprache beim Englis­chen suchen, wo man ja schließlich auch more ner­vous sage. Weit­er­lesen

Stil(l)stand

Von Anatol Stefanowitsch

Mein treues Apple Power­Book Tita­ni­um ist nach sieben Jahren fast unun­ter­broch­enen Betriebes an ein­er kor­rupten PDF-Datei gescheit­ert und ließ sich erst nach ein­er kom­plet­ten Neuin­stal­la­tion des Betrieb­ssys­tems wieder starten. Da ich regelmäßig Sicherungskopi­en anlege, sind dabei keine Dat­en ver­loren gegan­gen, aber da ich meine Sicherungskopi­en nicht beson­ders sys­tem­a­tisch ver­walte, bin ich noch damit beschäftigt, die Dat­en zu ord­nen (bzw., sie in den Zus­tand der mir ver­traut­en Unord­nung zu brin­gen, die sie vor dem Absturz hat­ten). Weit­er­lesen

Sprache als Werkzeug oder Zuflucht

Von Anatol Stefanowitsch

In der Schule ler­nen wir, Sprachen, vor allem fremde, als kom­mu­nika­tives Werkzeug zu betra­cht­en — als Mit­tel zur Ver­ständi­gung oder als Tor zu anderen Kul­turen. Für diejeni­gen von uns, die ihr Leben der Beschäf­ti­gung mit Sprache und Sprachen wid­men, sind Sprachen aber häu­fig weniger als das, und gle­ichzeit­ig viel mehr. Helen De Witt bringt es auf den Punkt: Weit­er­lesen

Bitte nicht öffnen

Von Anatol Stefanowitsch

Nochmal ein wenig Schilderkunde: in meinem Hotel in Brighton waren solche Schilder an den Zwis­chen­türen, die einem in englis­chen Hotels ständig den Weg versperren:

Fire door keep shut

Fire door keep shut

Das ist ja nachvol­lziehbar. Wenn man nicht dafür sorgt, dass die Tür zu ist, kann sie ihre Funk­tion als Feuer­schutztür nicht erfüllen. Weit­er­lesen

Et tu, FR?

Von Anatol Stefanowitsch

Eigentlich arbeite ich ger­ade an ein paar Sprach­blog­beiträ­gen, in denen es tatäch­lich um Sprache gehen soll und nicht immer nur um das sprach­liche Unver­ständ­nis der Sprach­nör­gler. Aber die Kolumne in der Frank­furter Rund­schau, auf die Kristof gestern in einem Kom­men­tar hingewiesen hat, ist so verblödet, dass ich sie nicht unkom­men­tiert ste­hen lassen kann.

Chari­ma Rein­hardt, freie Autorin und ehe­ma­lige stel­lvertre­tende Sprecherin der rot-grü­nen Bun­desregierung, redet darin dem VDS so unre­flek­tiert nach dem Maul, dass man sich nicht länger über das Scheit­ern von Rot-Grün wun­dert. „Denglisch für Anfänger I“, nen­nt sie ihr Werk, und löst damit ein dumpfes Gefühl von dräuen­dem Unheil bei mir aus, denn ich ver­mute, dem wird ein „Denglisch für Anfänger II“ fol­gen (Merke: eine Kolumne ist eine Glosse, die immer wiederkehrt.) Weit­er­lesen

Keine Durchfahrt

Von Anatol Stefanowitsch

Vor ein paar Wochen war ich auf ein­er Kon­ferenz im Süden Eng­lands und beim Zwis­chenaufen­thalt in Lon­don ist mir dieses Schild aufgefallen:

ROAD-AHEAD-CLOSED-Schild in London

ROAD-AHEAD-CLOSED-Schild in London

Aufge­fall­en ist mir das Schild wohl deshalb, weil die gram­ma­tis­che Struk­tur der War­nung für mich unge­woht klingt. Ich habe einige Jahre in Texas gelebt und von dort ist mir dieses Schild ver­traut: Weit­er­lesen

Glossen

Von Anatol Stefanowitsch

Wenn ich bei mein­er wöchentlichen Suche nach Sprach­blog­barem auf eine „Glosse“ stoße, weiß ich, dass ich mit großer Wahrschein­lichkeit einen dick­en Fisch am Hak­en habe. Definiert ist das Wort Glosse ja eigentlich als „kurz­er, spöt­tis­ch­er Artikel (in der Zeitung)“ (so das Ber­tels­mann-Wörter­buch), aber mein­er Erfahrung nach bedeutet es eher so etwas wie „unin­formiertes, schlecht abgeschriebenes und selb­st­ge­fäl­liges Geschwätz (in der Zeitung)“. Weit­er­lesen