In einem Kommentar zu meinem letzten Beitrag wies Robert Jäger (#16) auf das indonesische Pronomen kami hin und definierte dessen Bedeutung als „wir excl. des Sprechers“. Das war eigentlich nur ein Flüchtigkeitsfehler — das Pronomen signalisiert, wie mipela im Tok Pisin, den Ausschluss des Hörers, nicht des Sprechers –, aber dieser Fehler hat eine interessante Diskussion darüber ausgelöst, ob es tatsächlich eine Verwendung der ersten Person Plural geben könnte, die den Sprecher ausschließt. Weiterlesen
Archiv des Autors: Anatol Stefanowitsch
Pluralis avaritiae
Vor dem Landgericht Hildeshiem wurde heute der traurige Fall von drei Lottospielern verhandelt, die jahrelang gemeinsam in einer Tippgemeinschaft waren. In einer Sonderziehung hatten sie dann im letzten Jahr 1,7 Millionen Euro gewonnen. Statt den Gewinn zu teilen, behaupteten dann aber zwei der Spieler, der dritte habe just an diesem Spiel nicht teilgenommen.
Der dritte, der zu dem Zeitpunkt der Ziehung im Urlaub war, verklagte seine beiden Mitspieler daraufhin. Er habe den Kollegen seinen Anteil an den Kosten für das Tippspiel vor seinem Urlaub gegeben und müsse deshalb auch am Gewinn beteiligt werden.
Wie ich vorhin im Radio gehört habe, führte er als Beweis für seine Sichtweise unter anderem an, dass ihn einer der Angeklagten im Urlaub angerufen habe und folgenden Satz gesagt habe: „Wir haben gewonnen, Sechser mit Zusatzzahl“.
Und hier wird der Fall linguistisch interessant. Für den Kläger ist das Telefongespräch ein klarer Hinweis darauf, dass er mit den beiden anderen am Spiel beteiligt gewesen sei. Weiterlesen
Zweimal Anglizismen
Ich bin nicht sicher, ob dieser Beitrag in der Chip Online feine Satire oder bloße Gedankenlosigkeit ist: Weiterlesen
Pippi Langstrumpf, N****prinzessin
Wenn die Bewohner einer Südseeinsel in einem Kinderbuch aus den vierziger Jahren mit einem krassen rassistischen Ausdruck bezeichnet werden, muss man das dann hinnehmen oder darf man bei einer Neuauflage sprachlich eingreifen? Wäre es eine zeitgemäße Modernisierung, solche Wörter durch neutrale Begriffe zu ersetzen, oder wäre das übertriebene „Political Correctness“, Zensur, ein Eingriff in ein unantastbares Kunstwerk?
[Hinweis: Der folgende Text und die Kommentare enthalten Beispiele rassistischer Sprache]
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Legosexismus
Ich wollte heute für meine Töchter Legomännchen kaufen, und musste die erschreckende Feststellung machen, dass diese mit überwältigender Mehrheit genau das sind: Männchen. Es gab überhaupt nur drei weibliche Legofiguren: eine junge Dame in einem spießigen geblümten Oberteil, die auf einer Bank sitzt und Musik aus einem Ghettoblaster hört (Erde an Lego: Bitte einmal „iPod“ googeln), eine Tochter aus gutem Hause, die auf einem Pferd neben einem landroverartigen Auto mit Pferdeanhänger sitzt, und eine Milchmagd mit einer Kuh auf einem Bauernhof. Letztere ist im Lego-Universum — oder dem Teil, der gerade beim nächsten Karstadt herumsteht — die einzige Frau, die einer Beschäftigung nachgeht. Alle anderen Berufstätigen sind Männer: von Sachbearbeitern mit Aktenkoffer über Piloten, Ingenieure, Polizisten, Feuerwehrmänner, Bauarbeiter und Müllmänner bis zu Piraten und futuristischen „Power Miners.“
[Hinweis: Der folgende Text enthält Beschreibungen rassistischer Stereotype und (durch Sternchen entschärfte) Beispiele rassistischer Sprache. Einige Kommentare enthalten Beispiele rassistischer Sprache.] Weiterlesen
Kreuzchentests
Ich bin mit meiner monatlichen Würdigung der Aktion Lebendiges Deutsch und dem Wort des Monats diesmal spät dran. Die vier alten Herren haben ihre Aufgabe diesmal besser bewältigt als man es in letzter Zeit von ihnen gewohnt war. Die vorgeschlagenen Alternativen sind nicht völlig daneben und das aktuelle Suchwort ist eins, bei dem einem wenigstens nicht gleich eine offensichtliche deutsche Entsprechung in den Sinn kommt: Weiterlesen
Viermal Anglizismen
Die Neue Westfälische hat das Wort Back-Factory entdeckt:
Noch verrückter, wenn Deutsch und Englisch vermischt werden zu Denglisch. So hat der Mann lange Zeit an einer großen Bäckerei in einem Nachbarort den Namen Backfactory gelesen. Im Laden hat er nach der „Rückenfabrik“ gefragt. Kopfschütteln war das Ergebnis.
Kopfschütteln auch von mir, darüber, dass die Neue Westfälische jemanden bezahlt, um diese olle Kamelle der Sprachnörgler zum dreihundertsten Mal zu verwursten. Weiterlesen
Pink und Rosa
Gestern auf dem Spielplatz. Eine Untehaltung zwischen einem Mädchen und einem Jungen, beide etwa acht Jahre alt:
Sie: Findest du ein pinkes Fahrrad besser, oder ein rosanes?
Er: Pink ist dasselbe wie Rosa.
Sie: Äh-äh, ist es überhaupt nicht.
Er: Doch, pink ist nur das englische Wort für „Rosa“.
Sie: Ja, aber es ist trotzdem nicht dasselbe.
Er: Was ist denn der Unterschied?
Sie: Es sind zwei verschiedene Farben.
Er: Welche denn?
Sie: Pink ist so ’ne Art Neondunkelrosa. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll.
(Zeigt auf ihren Gürtel)
Hier, das hier ist Pink (zeigt eine Farbe, die ungefähr Bild 1 entspricht), und das hier ist Rosa (zeigt eine Farbe, die ungefähr Bild 2 entspricht).
Er: Hä? Das ist doch beides Rosa.
Dieses Gespräch (das ich hier etwas verkürzt dramatisiert wiedergegeben habe) war aus gleich drei Gründen interessant. Weiterlesen
Von Dongeln und Deppen
Wer dachte, nur die langweiligen alten Männer vom VDS würden sich über neumodische Anglizismen aufregen, hat sich getäuscht: auch die langweiligen alten Männer von der Britischen „Plain English Campaign“ regen sich über Wörter auf, die sie nicht verstehen. Und die langweiligen alten Männer von der BBC schreiben einen verwirrten Artikel darüber: Weiterlesen
Bibliothekskatalog auf Bairisch
Regionale Dialekte sind mal mehr, mal weniger beliebt, aber selbst bei den beliebten Dialekten lässt sich über viele Sprachen hinweg beobachten, dass Sprecher klare Stereotype mit Hochsprache und Dialekt verbinden: Dialektsprecher sind sympathisch, freundlich, loyal, vertrauenswürdig aber ein bisschen einfach gestrickt, während Sprecher der Standardvarietät intelligent, gebildet, erfolgreich, dafür aber ein bisschen arrogant und unfreundlich wahrgenommen werden. Sprachgemeinschaften mit einer dominanten Standardvariante sind sich häufig einig, dass der Dialekt ins Privatleben gehört, während das öffentliche Leben in der Hochsprache abgewickelt werden sollte. Weiterlesen