Archiv des Autors: Anatol Stefanowitsch

Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

Wir haben die Kraft

Von Anatol Stefanowitsch

Um es gle­ich vor­wegzunehmen: Ich mag wed­er die CDU noch Angela Merkel. Die CDU mag ich nicht, weil ich mit kaum einem Punkt ihres Wahl­pro­gramms übere­in­stimme. Beim Wahl-O-Mat waren die CDU und ich uns nur in 7 der 38 Fra­gen einig, und das waren solche Offen­sichtlichkeit­en wie die Wiedere­in­führung der D‑Mark (dage­gen) und die Demokratie (dafür). Angela Merkel mag ich nicht, weil sie offen­sichtlich vor langer Zeit selb­st auf den ver­queren Per­so­n­enkult hereinge­fall­en ist, den ihre Wahlkampf­s­trate­gen um sie herum aufge­baut haben. „Ich wurde nicht als Kan­z­lerin geboren. Aber dann kam ein­er der größten Glücksmo­mente unseres Lan­des: Die Ein­heit. Ich wollte Deutsch­land dienen…“ — dieser egozen­trische Patri­o­tismus ist für mich weit jen­seits der Schmerz­gren­ze, da spielt ihre poli­tis­che und wirtschaftliche Inkom­pe­tenz kaum noch eine Rolle. Ich sage das so expliz­it, weil ich kurz vor der Wahl noch schnell die Wahlwer­bung der CDU aus sprach­lich­er Sicht kom­men­tieren möchte. So muss mir nie­mand vor­w­er­fen, ich wolle mit den fol­gen­den Bemerkun­gen impliz­it meine poli­tis­che Mei­n­ung kundtun.

Am Wahlslo­gan der CDU, „WIR HABEN DIE KRAFT“ fand ich vor allem das Pronomen WIR inter­es­sant. Weit­er­lesen

Festival

Von Anatol Stefanowitsch

Vor ein paar Tagen habe ich fol­gende E‑Mail bekommen:

Seit eini­gen Jahren ärg­ere ich mich über das alberne neudeutsche Wort „Fes­ti­val“ mit dem heutzu­tage jedes Dorffest tit­uliert wird. Nun muss ich zu meinem Bedauern fest­stellen, dass Ihr Insti­tut hier mit schlechtem Beispiel Schule macht: Hät­ten Sie Ihr „Fes­ti­val der Sprachen“ nicht ein­fach „Sprach­fest“ nen­nen kön­nen? Das wäre nicht nur deutsch­er, son­dern auch kürz­er gewesen.

Erstens, das Fes­ti­val der Sprachen ist kein Dorffest, und ich habe auch nie erlebt, dass ein Dorffest sich als „Fes­ti­val“ beze­ich­net. Zweit­ens, mit diesem Fes­ti­val oder sein­er Benen­nung habe ich nichts zu tun, ich will mich deshalb auf die Ver­mu­tung beschränken, dass meine Kol­le­gen bei der Benen­nung nicht vor­rangig Sprach­puris­mus und Kürze im Sinn hat­ten. Weit­er­lesen

Versandende Sprache (Nachtrag)

Von Anatol Stefanowitsch

Der stel­lvertre­tende Chefredak­teur des Ham­burg­er Abend­blatts, Matthias Iken, hat auf meine Kri­tik an sein­er Glosse sportlich reagiert und mich ein­ge­laden, meine Mei­n­ung zu Lehn­wörtern direkt im Ham­burg­er Abend­blatt zu sagen.

Das Ergeb­nis find­et sich auf Seite 4 der Druck­aus­gabe von heute (18.9.2009) und online hier.

Nach­trag zum Nach­trag: Ein paar Leser­briefe gibt es hier.

Die Filosofie der Ih-Mehl

Von Anatol Stefanowitsch

In meinem Beitrag zur ver­sanden­den Sprache zitiere ich einen hypo­thetis­chen Satz, den Abend­blatt-Chefredak­teur Matthias Iken als Beispiel für die Über­frach­tung der deutschen Sprache mit Anglizis­men verwendet:

Wer heute beispiel­sweise durch das Inter­net surft, per Fla­trate Soft­ware down­load­et, seine E‑Mails checkt, in Dat­ing­clubs mit Sin­gles chat­tet, Hits in die Charts votet oder clever shoppt — er tut dies muttersprachbefreit.

Ich beze­ichne diesen Satz dort als einen „durch und durch … deutsche[n] Satz … von der Wort­stel­lung über die Flex­ion­sendun­gen der Lehn­wörter bin hin zu deren Bedeutung“.

In einem Kom­men­tar zu dem Beitrag weist mich mein Ham­burg­er Kol­lege (und ehe­ma­liger Pro­fes­sor) Wolf­gang Börn­er san­ft aber bes­timmt zurecht: Weit­er­lesen

Merkels Lieblingszitat

Von Anatol Stefanowitsch

Im Bun­destagswahlkampf fällt ja auf, dass alle Spitzenkan­di­dat­en ver­suchen, das Web 2.0 für sich zu nutzen. Ver­mut­lich ziehen sie ihre Inspi­ra­tion dafür aus dem US-amerikanis­chen Präsi­dentschaftswahlkampf, vergessen dabei aber, dass Barack Oba­ma das Web deshalb so erfol­gre­ich nutzen kon­nte, weil er tat­säch­lich weiß, wie man es bedi­ent. Bei unseren Poli­tik­ern dage­gen durch­schaut man schnell, dass sie nur bloggen lassen, dass Press­esprech­er in ihrem Auf­trag twit­tern und dass ihre Face­book-Seit­en von PR-Agen­turen betrieben werden.

Und damit sind wir schon fast beim The­ma: Angela Merkels Face­book-Seite. Weit­er­lesen

Verstrahlte SMS-Kürzel

Von Anatol Stefanowitsch

Seit ein paar Tagen geis­tert eine Pressemel­dung der Ärztekam­mer für Wien durch die deutschsprachige Pres­se­land­schaft, in der ein­dringlich davor gewarnt wird, Kindern die Nutzung von Mobil­tele­fo­nen zu erlauben.

Zunächst geht es der Kam­mer um Strahlenbelastung:

Rechtzeit­ig zu Schul­be­ginn mah­nt die Wiener Ärztekam­mer einen ver­ant­wor­tungsvollen Gebrauch von Handys ins­beson­dere bei Kindern und Jugendlichen ein. Noch immer werde die Gefahr der Handys­trahlung in Öster­re­ich nicht wirk­lich ernst genom­men. Ger­ade bei Kindern aber müsse man auf eine mögliche gesund­heitliche Gefährdung im Umgang mit Mobil­funk acht­en und dürfe die Risiken der Handy-Nutzung nicht unter­schätzen… [Pressemel­dung der Ärztekam­mer für Wien vom vom 6. Sep­tem­ber 2009]

Dass eine Ärztekam­mer vor Strahlen­schä­den warnt, leuchtet ein — zumin­d­est, wenn von Handys tat­säch­lich eine entsprechende Gefahr aus­ge­hen sollte. Aber der näch­ste Absatz ließ mich bei der Lek­türe stutzen: Weit­er­lesen

Versandende Sprache

Von Anatol Stefanowitsch

Ab und zu schafft es ein Sprach­nör­gler, so aus­führlich und unin­formiert daneben­zu­greifen, dass ich mich bei allen guten Vorsätzen nicht daran hin­dern kann, aus­führlich darauf zu antworten. Sprach­blogleser Dierk weist in einem Kom­men­tar auf eine Glosse des stel­lvertre­tenden Chefredak­teurs des Ham­burg­er Abend­blatts, Matthias Iken, hin, für die das gilt.

Iken fängt eigentlich sehr schön an: Weit­er­lesen

Sich committen

Von Anatol Stefanowitsch

Man fragt sich manch­mal, ob die vier glück­losen Brüder von der Aktion Lebendi­ges Deutsch auch nur dreißig Sekun­den darauf ver­wen­den, über die Mach­barkeit ihrer Vorschläge nachzu­denken. Im Som­mer­loch war eine Alter­na­tive zu sich com­mit­ten gesucht. Wie schon oft woll­ten die Aktioneure damit ein Lehn­wort abschaf­fen, das mir in freier Wild­bahn kaum je begeg­net ist. Aber sei’s drum. Die Neube­wor­tung ist auf jeden Fall daneben gegan­gen: Weit­er­lesen