Warum kannte ich das bisher nicht (aus: Thomas Freitag, „Die Angst der Hasen“, Aufzeichnung vom 3satfestival am 5. September 2008; Erstausstrahlung 3sat, 12. September 2008, 20:15)?
Archiv des Autors: Anatol Stefanowitsch
Ramsauer, einfach unverbesserlich
Ich habe das Verhältnis der Deutschen Bahn zur englischen Sprache schon kritisiert und gelobt, aber eigentlich lässt es mich völlig kalt.
Mich regt etwas anderes auf: dass die Deutsche Bahn komplett den Anspruch aufgegeben hat, auch nur Anstalten zu machen, so zu tun als ob sie den Anschein erwecken wolle, zumindest ein Lippenbekenntnis bezüglich einer prinzipiellen Bereitschaft abzugeben, wenigstens vorzutäuschen, uns ein leeres Versprechen machen zu wollen, dass sie theoretisch vorhabe, ihr Monopol auf den Schienenverkehr in Deutschland zum Anlass zu nehmen, diesen auf eine Art zu betreiben, die wenigstens für das zwanzigste Jahrhundert nicht völlig unangemessen gewesen wäre.
Wenn es einen Satz gibt, der bei mir Hassgefühle auslöst, dann ist es nicht „Thank you for travelling with Deutsche Bahn“, sondern „Wir bitten um ihr Verständnis“. Weiterlesen
Anglizismus des Jahres: Jury und Modalitäten
Um die Ernsthaftigkeit der Wahl zum Anglizismus des Jahres zu unterstreichen, habe ich die Jury noch um zwei Mitglieder erweitert und außerdem Wahlmodalitäten festgelegt. Wie man sieht, haben wir eine ganz hervorragende Jury und ein sehr transparentes Verfahren, sodass die Wahl zum Anglizismus des Jahres 2010 der Beginn einer langen und erfolgreichen Tradition werden dürfte.
Unabhängig des Genitivs
Die Berliner Morgenpost liefert jahreszeitlich passend eine Bilderstrecke mit der Überschrift „Ein Fest unabhängig jeder Religion”. Diese Überschrift ist interessant
Erstens, weil sie gelogen ist — die Bilderstrecke bringt ein Beispiel nach dem anderen dafür, wie Christen Weihnachten feiern. Andere Religionen kommen nur auf einem einzigen Bild mit der folgenden Bildunterschrift vor: „Aber nicht überall kommt das Fest gut an. Der islamische Gelehrte Jussuf al-Kardawi will Weihnachten verbieten lassen, weil es nicht mit dem islamischen Glauben vereinbar ist.“ Weiterlesen
Wahlaufruf zum Anglizismus des Jahres 2010
Alle hassen englische Lehnwörter. Wir nicht. Wir geben jedem neuen Wort, egal, woher es stammt, zunächst einmal die Gelegenheit, seinen kommunikativen Nutzen unter Beweis zu stellen und vertrauen darauf, dass die Sprachgemeinschaft überflüssige Wörter schnell wieder aussortiert.
Um den mehr oder weniger aufschlussreichen Wahlen zum Wort und/oder Unwort des Jahres, mit denen uns verschiedene Sprachgesellschaften und ‑vereine uns zum Jahreswechsel beglückt haben oder dies noch tun werden, eine weitere hinzuzufügen, möchten wir den Beitrag, den die englische Sprache zur Entwicklung des Deutschen macht, angemessen würdigen.
Wir bitten deshalb um Nominierungen für den „Anglizismus des Jahres 2010“.
Bock zum Gärtner
Während die Sprachnörgler in Deutschland sich hauptsächlich auf englische Lehnwörter einschießen, bekämpfen ihre britischen Brüder und Schwestern im Geiste von der britischen Plain English Campaignhauptsächlich SMS- und Jugendsprache, lange Sätze, Metaphern — im Prinzip alles, was sie nicht verstehen.
Zum Thema „Metaphern“ geben sie den um eine klare Sprache bemühten Besuchern ihrer Webseite zum Beispiel diese Warnung auf den Weg:
George Orwell’s advice is still worth following: ‘Never use a metaphor, simile, or other figure of speech which you are used to seeing in print.’ („George Orwells Rat gilt immer noch: Verwende nie eine Metapher, einen Vergleich oder sonst irgendeine Redefigur, die du regelmäßig gedruckt siehst.“)
Irgendjemand hat aber offensichtlich vergessen, das der Pressesprecherin des Vereins zu sagen. Die äußerte gegenüber der Tageszeitung Daily Mail gegenüber nämlich jüngst Folgendes (Redefiguren, die man schon eine Million mal gedruckt gesehen hat, sind in Fettdruck dargestellt): Weiterlesen
Wutbürger (Nachtrag)
Eigentlich habe ich zum Wutbürger ja schon alles gesagt, aber ein Gedanke kam mir noch: Warum dürfen Immigranten frühestens nach acht Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen, Neuwörter aber schon nach drei Monaten Wort des Jahres werden?
Wörterwahl nach Wutsherrenart
Ich habe ja nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich wenig Begeisterung für die Wahl von Wörtern zum Wort, Unwort, Jugendwort oder überflüssigsten Wort des Jahres oder Monats, zum schönsten ausgewanderten oder eingewanderten oder zum schönsten Wort überhaupt aufbringen kann. Ich habe ja nichts gegen Wörter. Viele meiner besten Freunde sind Wörter. Aber, das wird man ja wohl noch sagen dürfen, auszeichnen sollte man keins von ihnen. Wörter sollen ihre Arbeit erledigen, nämlich, uns beim Reden zu helfen, und davon abgesehen sollen sie uns in Ruhe lassen.
Das gilt natürlich auch für das gestern von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum „Wort des Jahres 2010“ gekürte Wutbürger. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht ist das Wort ohnehin völlig uninteressant; es ist ein ganz normales Nominalkompositum, von denen das Deutsche eins pro Sekunde prägen könnte, wenn es nur wollte. Und es wollte schon oft: ich nenne nur bespielhaft Ehrenbürger, Schildbürger, Spießbürger, Weltbürger, Bundesbürger, Erdenbürger, Netzbürger, Pfahlbürger, Cheesebürger und Staatsbürger.
Säumige Handwerker
Die Hamburger Handwerkskammer wirbt seit einigen Monaten in Bahnen, Bussen und Zeitungen, und im September sogar mit einem Großplakat am Dock 10, mit dem Slogan „Zugegeben, Hamburg ist uns gut gelungen. Aber wir hatten ja auch 1.200 Jahre Zeit“.
Ich nehme an, dass das Handwerk sich mit diesem Werbespruch positiv darstellen will, auch wenn ich den verschlungenen Gedankengang nicht nachvollziehen kann, auf dem ein Werber zur Überzeugung gelangt ist, dass der Slogan diesen Zweck erfüllt.
Denn dass die Hamburger Handwerker mindestens 1.200 Jahre brauchen, um überhaupt mal vorbei zu schauen, das wussten wir auch so. Neu ist nur, dass sie auch noch stolz darauf sind.
Schneechaos
Spiegelfechter Jens Berger hat sich vor ein paar Tagen mit der Frage beschäftigt, seit wann die Medien jeden Schneefall und die damit einhergehenden Verkehrsbehinderungen als „Schneechaos“ bezeichnen und in den Archiven von Spiegel und ZEIT den Winter 1978/1979 ausgemacht.
Eine Suche auf Google Books zeigt, dass das Wort an sich viel älter ist: Der erste Beleg stammt aus dem Jahr 1900, aus den „Berggeschichten“ eines Arthur Achleitner, der über ein Lawinenunglück schreibt: Weiterlesen