Archiv des Autors: Anatol Stefanowitsch

Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

Unwörterwahlen: Sind sie doch zu etwas nütze?

Von Anatol Stefanowitsch

Zum Unwort des Jahres habe ich ja bis­lang wenig Nettes gesagt, aber vielle­icht war ich damit vor­eilig: Sie scheint Wirkung zu zeigen — wenig­stens bei Bun­destagspräsi­dent Nor­bert Lammert…

27. Februar 2010

Bun­destagspräsi­dent Nor­bert Lam­mert begrün­det seinen Saalver­weis protestieren­der Abge­ord­neter der Linken:

Der Präsi­dent nan­nte den Auss­chluss „alter­na­tiv­los“, betonte aber, dass dieser nicht die kom­plette Frak­tion, son­dern nur die Protest­teil­nehmer betr­e­ffe. Den­noch zog die kom­plette Frak­tion aus. [Tagesspiegel.de]

18. Januar 2011

Alter­na­tiv­los“ wird zum Unwort des Jahres gewählt. [Tagesspiegel.de]

19. Januar 2011

Bun­destagspräsi­dent Nor­bert Lam­mert find­et, dass es immer Alter­na­tiv­en gibt:

Bun­destagspräsi­dent Nor­bert Lam­mert (CDU) hat die Entschei­dung, das Wort „alter­na­tiv­los“ zum Unwort des Jahres zu bes­tim­men, als „ein­leuch­t­end“ beze­ich­net. Rein logisch sei es „unsin­nig, von Alter­na­tivlosigkeit zu reden“, sagte Lam­mert am Mittwoch im Inter­view mit der Nachricht­e­na­gen­tur dapd. Moniert werde ein Sprachge­brauch, „der schlicht eine Fahrläs­sigkeit in der Ter­mi­nolo­gie erken­nen lässt, die den meist sehr viel kom­plex­eren Sachver­hal­ten nicht gerecht wird“, fügte der Bun­destagspräsi­dent hinzu. Alter­na­tiv­en gebe es immer. Die eigentlich wichtige Frage sei, welche denkbare Lösung die best­mögliche sei. [dapd]

Für eine vielstimmige Gesellschaft

Von Anatol Stefanowitsch

Der Vere­in Deutsche Sprache propagiert seit vie­len Jahren eine Auf­nahme des Deutschen als Staatssprache in das Grundge­setz und hat damit auch immer wieder Gehör bei einzel­nen Politiker/innen gefun­den. Vor zwei Jahren hat sog­ar der CDU-Parteitag, gegen den Willen der Bun­deskan­z­lerin, einen entsprechen­den Beschluss gefasst (siehe z.B. hier [Spiegel Online] oder hier [Zeit Online]).

Bis­lang blieb das Ansin­nen ohne Erfolg, aber im let­zten Novem­ber hat sich der VDS mit der Bild-Zeitung zusam­menge­tan und nach eige­nen Aus­sagen 46 000 Unter­schriften für eine Peti­tion an den deutschen Bun­destag gesam­melt. Über das E‑Pe­ti­tio­nen-Por­tal sind in ein­er vorgestern abge­laufe­nen Peti­tion noch ein­mal 5165 Mitze­ich­nun­gen hinzugekommen.

Im Novem­ber habe ich über die Aktion berichtet und meine schon in früheren Beiträ­gen dargestell­ten Gründe gegen eine Auf­nahme des Deutschen ins Grundge­setz noch ein­mal zusam­menge­fasst. Im Wesentlichen sind das die folgenden: 

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Zum Unwort des Jahres

Von Anatol Stefanowitsch

Das Unwort des Jahres ist aus sprach­wis­senschaftlich­er Sicht meis­tens völ­lig unin­ter­es­sant: Die Jury um Horst Dieter Schloss­er betreibt damit auss­chließlich Poli­tik­er­schelte und Gesellschaft­skri­tik. Und auch damit bleibt die Jury typ­is­cher­weise eher ober­fläch­lich, weil sie sich stärk­er von aktuellen Ereignis­sen als von langfristi­gen Entwick­lun­gen bee­in­flussen lässt. Man sehe sich nur die „Unwörter“ der let­zten Jahre an: Ent­las­sung­spro­duk­tiv­ität, frei­willige Aus­reise, Herd­prämie, notlei­dende Banken, betrieb­srats­verseucht. Keins dieser Wörter spielt heute noch irgen­deine Rolle im poli­tis­chen Diskurs (wenn sie es über­haupt je getan haben).

Mit dem diesjähri­gen Unwort, alter­na­tiv­los, haben Horst Dieter Schloss­er und seine Mitjuroren aber aus mein­er Sicht ganz ordentliche Arbeit geleis­tet. Die Jury begrün­det die Entschei­dung wie folgt:

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Whistleblower

Von Anatol Stefanowitsch

Nach­dem die anderen Jurymit­glieder ange­fan­gen haben, exzel­lente Diskus­sio­nen zu eini­gen der Kan­di­dat­en für den Anglizis­mus des Jahres vorzule­gen (Kristin für App und leak­en, Susanne eben­falls für leak­en, und Michael für Bal­con­ing und durch­faven), möchte ich nicht zurück­ste­hen und möchte ich nun eben­falls einen Kan­di­dat­en vorstellen, der sich derzeit in der Pub­likumsab­stim­mung auf dem drit­ten Platz hält und von dem ich mir gut vorstellen kann, dass er auf mein­er per­sön­lichen Short­list lan­det: Whistle­blow­er.

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Anglizismus des Jahres, Zwischenmeldung

Von Anatol Stefanowitsch

Die Jury hat die Nominierun­gen streng begutachtet: Von den fast vierzig Vorschlä­gen haben es nur sechzehn in die zweite Runde geschaft: App, (Updates etc.) aus­rollen, Bal­con­ing, Blur­many, Cable­gate, Cher­many, Cloud, clouden, durch­faven, ent­frien­den, leak­en, leiken/liken, Script­ed Real­i­ty, Shit­storm, Social Media, und Whistle­blow­er.

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Schneechaos im Wörterbuch

Von Anatol Stefanowitsch

Wenn Sie wegen Anja Wässer­bachs Artikel „Inu­it und der Schnee von gestern” in den Stuttgarter Nachricht­en oder im Schwarzwälder Bote hier gelandet sind und nun mehr über Schnee und Eski­mos wis­sen möcht­en, empfehle ich Ihnen die fol­gen­den Artikel aus meinem alten Blog, dem „Bre­mer Sprachblog“):

Außer­dem hoffe ich, dass Sie sich auch hier in meinem neuen Blog umse­hen und empfehle Schneefre­un­den fol­gende Beiträge: 

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Geistiges Eigentum (Nachtrag)

Von Anatol Stefanowitsch

In einem Kom­men­tar zu diesem Beitrag schlägt ein Leser vor, doch auch die Entwick­lung des Wortes „Autoren­rechte“ zu betrachten.

Gebrauchshäufigkeit der Wörter <i>Autorenrechte</i> und <i>geistiges Eigentum</i> in Google Books

Gebrauchshäu­figkeit der Wörter Autoren­rechte und geistiges Eigen­tum in Google Books

Das habe ich hier­mit getan, und die wun­der­schöne neg­a­tive Kor­re­la­tion dieses Wortes und des Aus­drucks „geistiges Eigen­tum“ zeigt eins ganz deut­lich: Worum auch immer es in der Debat­te um geistiges Eigen­tum geht, es geht nicht um die Rechte der Autoren.

Der Schutz geistigen Eigentums und die Erfindung des Computers

Von Anatol Stefanowitsch

Google Books ist für mich schon lange ein unverzicht­bares Werkzeug zur Lit­er­atur­recherche, aber jet­zt hat Google eine weit­ere inter­es­sante Ver­wen­dungsmöglichkeit geschaf­fen (habe ich eigentlich schon mal erwäh­nt, dass ich Google liebe?): den Google Books Ngram Viewer.

Der Google Books Ngram View­er macht es möglich, die Häu­figkeit­sen­twick­lung von Wörtern und Phrasen über die let­zten zwei­hun­dert Jahre zu ver­fol­gen und so eine Vielzahl an kul­tur- und sprachgeschichtlichen Fragestel­lun­gen zu unter­suchen. Schöne sprach­wis­senschaftliche Beispiele find­en sich zum Beispiel in Kristin Kopfs Sch­plock und Michael Manns lexiko­gra­phieblog).

Aber nicht nur Sprach- und Kulturwissenschaftler/innen — die ähn­liche Unter­suchun­gen auch vor Googles neuem Werkzeug schon durchge­führt haben — nutzen den Ngram View­er für inter­es­sante Unter­suchun­gen, son­dern auch viele andere Men­schen. Markus Dahlem, zum Beispiel, hat in den Brain­logs eine kleine medi­zin- und kul­turgeschichtliche Analyse von Migräne, Epilep­sie und Schla­gan­fall durchge­führt, und Techdirt-Grün­der Mike Mas­nick hat nach den Aus­drück­en patents, copy­right, trade­mark und intel­lec­tu­al prop­er­ty gesucht, um einen Ein­druck von der Geschichte dieser Begriffe und der dahin­ter­ste­hen­den Ideen zu bekom­men. Er bekam fol­gen­des Ergeb­nis:

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Ramsauers Liste

Von Anatol Stefanowitsch

Über Ram­sauers Sprach­bere­ini­gungsrhetorik ist ja viel geschrieben und kopfgeschüt­telt wor­den, aber seine tat­säch­liche schwarze Liste von zu ver­mei­den­den Anglizis­men ist schw­er zu find­en. Ein paar Online-Zeitun­gen geben sie wieder, allerd­ings größ­ten­teils in Form von klick­fördern­den Gale­rien, in denen man nur ein bis fünf Wörter auf ein­mal zu sehen bekomm

Hier deshalb für die Nach­welt die Gesamtliste, die ich aus zwei Quellen (hier und hier) abgeglichen und in ein ein­heitlich­es For­mat gebracht habe. Weit­er­lesen

Von Sprachnörglern und Anglizismen: Ein Jahresrückblick

Von Anatol Stefanowitsch

Jan­u­ar. Bun­desverkehrsmin­is­ter Ram­sauer spricht für sein Min­is­teri­um ein „strik­tes Denglisch-Ver­bot“ aus. So soll zum Beispiel das Trav­el Man­age­ment wieder Reis­es­telle heißen. Warum sich die Bürg­er des Lan­des für den inter­nen Sprachge­brauch seines Min­is­teri­ums inter­essieren soll­ten, erfahren wir nicht.

Feb­ru­ar. Auch die Deutsche Bahn will aber auf Ram­sauers Ini­tia­tive hin ihre Vor­liebe für englis­ches Lehngut zügeln. So soll die Hot­line durch das urdeutsche Ser­vice-Rufnum­mer und der Fly­er durch den Alt­ger­man­is­mus Broschüre erset­zt wer­den. Der Fahrad­ver­lei­h­di­enst Call-a-Bike sei dage­gen so „einge­bürg­ert“, dass er seinen Namen behal­ten müsse.

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