Der Verein Deutsche Sprache ist ein sprachpuristischer und kulturprotektionistischer Verein, dessen Hauptanliegen darin besteht, englische Fremdwörter und den Einfluss des Englischen generell zu bekämpfen. Daneben verfolgt er aber seit vielen Jahren auch das Ziel, den Artikel 22 des Grundgesetzes, der die Hauptstadt und die Farben der Staatsflagge regelt, um den Satz „Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch“ zu ergänzen. In den letzten Jahren hat der VDS sich mit einer Reihe prominenter Politiker zusammengetan, sie diese Forderung unterstützen, darunter wichtige Meinungsmacher wie Bundestagspräsident Norbert Lammert und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse. Im Jahr 2008 fasste sogar der CDU-Parteitag einen entsprechenden Beschluss. Es ist also durchaus denkbar, dass der VDS sein Anliegen mittelfristig durchsetzen wird.
Archiv des Autors: Anatol Stefanowitsch
Tag der Muttersprache 2011
Heute ist der Internationale Tag der Muttersprache, den die UNESCO im Jahr 2000 ins Leben gerufen hat, um „ein Bewusstsein für die Wichtigkeit kultureller und sprachlicher Vielfalt zu wecken“. Besonders die weltweit etwa 2 500 bis 3 000 bedrohten Sprachen sollen dabei im Mittelpunkt stehen.
Wer sich mit diesen bedrohten Sprachen näher beschäftigen möchte, dem sei als Einstieg der von der UNESCO herausgegebene interaktive Atlas der bedrohten Sprachen empfohlen.
Bedrohte Sprachen gibt es nicht nur anderswo, sondern auch direkt vor unserer Tür. Nicht die deutsche Sprache ist es, um deren Überleben wir uns sorgen müssen, sondern sechs Minderheitensprachen, die die UNESCO als „gefährdet“ (definitely endangered) oder sogar „schwer gefährdet“ (severely endangered) einstuft.
Warum die Idee einer Staatssprache Deutsch nicht harmlos ist
In der Diskussion um die Petition „Keine Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz“ kommt häufig das Argument, dass die Petition zu aufgeregt und schwarzmalerisch oder auch ganz einfach zu unwichtig sei, um sich ernsthaft damit zu befassen.
Die einfache Form dieses Arguments lautet „Es gibt wichtigere Dinge, über die wir uns Sorgen machen sollten“. Das ist zwar richtig, es ist aber kein Grund, sich an der Petition nicht zu beteiligen. Es gibt immer wichtigere Dinge — Atommüll, Bürgerversicherug, Castortransporte, Demographiewandel, Erdbeben, Finanzkrise, Generationenkonflikte, HIV, Irak, Jugendarbeitslosigkeit, Klimawandel, Länderfinanzausgleich, Militärdiktaturen, Netzneutralität, Oderhochwasser, Privatinsolvenzen, Quacksalberei, Rohstoffmangel, Sozialreformen, Tibetkonflikt, Umweltverschmutzung, Verteilungskriege, Whistleblowerschutz, Xenophobie, Yuppisierung und Zeitarbeitstarife. Aber es ist ja nicht so, als ob die zwei Minuten, die nötig sind, um sich auf der Webseite des Petitionsausschusses zu registrieren und die Petition zu zeichnen, jemanden davon abhalten würden, sich an der Lösung dieser Probleme zu beteiligen.
Die differenziertere Form des Arguments lautet „Die Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz hätte keine rechtlichen Konsequenzen. Es geht nur darum, die deutsche Sprache zu würdigen.“ Und das ist nicht richtig. Es stimmt zwar, dass die Aufnahme einer Landessprache allein keine Konsequenzen hätte, aber die Befürworter einer solchen Aufnahme lassen keinen Zweifel daran, dass sie eine grundgesetzliche Verankerung der deutschen Sprache als Grundlage für eine Reihe gesetzlicher Regelungen betrachten.
Ein Jahr Sprachlog
Vor ein paar Wochen (am 24. Januar) hatte das Sprachlog seinen ersten Geburtstag. In der kurzen Atempause zwischen dem Anlaufen der Petition „Keine Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz“ und der Verkündung des ersten „Anglizismus des Jahres“ hatte ich nicht die Ruhe , das zum Anlass zu nehmen, um über das vergangene Jahr nachzudenken, deshalb hole ich es heute nach.
Lobet den Herrn!
Wenn auch Ihr in den Klauen einer Sekte seid, in der englisches Lehngut angebetet wird: Es besteht Hoffnung. Entsagt dem angelsächsischen Teufelszeug und kehrt in den Schoß der einen wahren Kirche zurück.
Oder ihr lernt den Unterschied zwischen „Anglizismus“ und „Anglikanismus“ und genießt einfach euer Leben. Und feiert den Anglizismus des Jahres.
Deutschlernen leicht gemacht
Die Befürworter einer Festschreibung des Deutschen als Staatssprache im Grundgesetz argumentieren häufig mit einer integrationsfördernden Wirkung. Ein paar Beispiele:
Ich will keine Zuwandererfamilien, die sich bis in die dritte Generation weigern, die Sprache des Landes korrekt zu lernen, in dem sie leben! [Unterschriftensammlung der Bild-Zeitung, zitiert z.B. hier]
Wir steuern auch sprachlich auf Parallelgesellschaften zu. Berlin-Kreuzberg und Neukölln sind fast schon autarke Gebiete. Vom Gemüsehändler bis zum Zahnarzt spricht dort alles türkisch. Ich sehe deshalb die Festlegung auf Deutsch als Landessprache als einen wichtigen Schritt zur Integration. Wer auf diese Festlegung verzichtet, kriegt Parallelgesellschaften […] Zuwanderer sollen auch qua Verfassung merken, was dieser Staat und dieses Gemeinwesen erwarten. [Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes]
Der Schutz der deutschen Sprache gehört im Grundgesetz verankert. Respekt vor unserer deutschen Sprache ist Respekt vor unserer Kultur und unserem Land, den wir von allen einfordern, die bei uns leben. Ohne gemeinsame Sprache gibt es keine wirksame Integration. Wer sich der deutschen Sprache verweigert, verweigert sich der Integration in Deutschland. [Alexander Dobrindt, Generalsekretär der CSU]
Auch in den Kommentaren hier im Sprachlog, im Forum des Petitionsausschusses und an anderen Stellen, an denen über die Petition berichtet wird, finden sich solche Aussagen.
Die Sprachen der Bundesrepublik sind…
„Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch” — diesen Satz wollen die Befürworter einer verfassungsrechtlich geschützten Landessprache ins Grundgesetz aufnehmen, und argumentieren unter anderem damit, dass schließlich auch viele andere Länder der Europäischen Union — siebzehn ist eine oft genannte Zahl — ihre jeweilige Landessprache in ihrer Verfassung festschreiben. Vor allem unsere deutschsprachigen Nachbarländer, die Schweiz und Österreich, werden in diesem Zusammenhang immer wieder genannt, so, als dürfe Deutschland nicht hinten anstehen, wenn es um patriotische Bekenntnisse zur deutschen Sprache geht. Obwohl es für die Gestaltung unseres Grundgesetzes ja eigentlich nebensächlich sein sollte, was andere Länder in ihre Verfassungen schreiben, ist es also höchste Zeit, sich diese einmal näher anzusehen.
Beginnen wir mit der Schweiz. In der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft wird die Sprachfrage wie folgt geregelt:
Anglizismus des Jahres: Das Ergebnis
Was als spontane Idee begann und als aufwändiger Nominierungs- und Auswahlprozess weiterging, erreicht heute seinen vorläufigen Höhepunkt: Der erste „Anglizismus des Jahres“ in der noch jungen Geschichte dieser Wörterwahl ist da.
Norbert Lammert, die deutsche Sprache und das Grundgesetz
Bundestagspräsident Norbert Lammert hält die Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz nicht nur für wichtig, er hält sie für sehr, sehr wichtig. Eigentlich für wichtiger als alles andere.
O‑Ton Lammert:
Wenn ich mir allerdings die 58 Änderungen und Ergänzungen des Grundgesetzes betrachte, die es seit 1949 gegeben hat, fallen mir keine fünf Änderungen ein, die es an Bedeutung und Rang mit der Sprache als Mittel der Selbstverständigung und Identität eines Landes aufnehmen können. [welt.de]
Ernsthaft? Keine fünf? Sie sind doch 1948 geboren, Herr Lammert, also alt genug, um sich möglicherweise and die folgenden Grundgesetzänderungen zu erinnern: Weiterlesen
Warum die Petition “Keine Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz” sinnvoll ist
Die Petition gegen die Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz ist gut angelaufen, aber bis wir die 5 200 Stimmen erreichen, die ich als Minimalziel formuliert habe, ist es noch ein weiter Weg. Es finden an verschiedenen Stellen interessante (manchmal aber auch erschreckende) Diskussionen über die Petition statt, schon diese Diskussionen waren die Sache wert. Susanne Flach hat in ihrem Blog einige der wichtigsten inhaltlichen Argumente und Gegenargumente aus der Diskussion exzellent zusammengefasst; ich möchte hier kurz eine Reihe von Argumenten gegen die Form der Petition an und für sich aufgreifen und versuchen, sie zu entkräften. Vielleicht kann ich damit zögernde potenzielle Mitzeichner/innen ermutigen, zu entschlossenen tatsächlichen Mitzeichner/innen zu werden.
„Die Petition des Vereins Deutsche Sprache ist lächerlich, aber mit der Gegenpetition lässt man sich auf dasselbe Niveau herab“, oder anders formuliert: „Indem man eine Gegenpetition startet, zeigt man nur, dass man die lächerlichen Forderungen des VDS ernst nimmt.“
Vielleicht sind die Positionen des Vereins Deutsche Sprache tatsächlich lächerlich, aber die Petition ist es sicher nicht. Es gibt in beiden großen Volksparteien Unterstützer dieser Forderung, und vor allem aus der CDU kommen mit Volker Kauder und Norbert Lammert zwei gewichtige Stimmen, die die Argumentation des VDS seit Jahren öffentlich und öffentlichkeitswirksam stützen. Die CDU hat gegen den Willen ihrer Vorsitzenden, Bundeskanzlerin Merkel, einen Parteitagsbeschluss gefasst, der die Aufnahme des Deutschen ins Grundgesetz vorsieht. Es handelt sich also nicht um eine kuriose Forderung eines kleinen Sprachvereins, sondern um einen ernstzunehmenden Versuch, ein sprachliches Monopol des Deutschen im Grundgesetz festzuschreiben. Meine Petition dient einem klaren Ziel: Die 46 000 Unterschriften, die der VDS gemeinsam mit der Bild nach eigenen Aussagen gesammelt hat, dürfen nicht unwidersprochen als Mehrheitsmeinung der Bevölkerung stehen bleiben.