Archiv des Autors: Anatol Stefanowitsch

Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

Pippi Langstrumpf, N****prinzessin und Übersetzungsproblem

Von Anatol Stefanowitsch

Wenn ich mein­er Tochter früher die Büch­er Pip­pi Langstrumpf geht an Bord und Pip­pi auf Taka-Tuka-Land vorge­le­sen habe, sah ich mich zu redak­tionellen Änderun­gen gezwun­gen: Die Büch­er enthal­ten eine Rei­he ras­sis­tis­ch­er Aus­drücke, die ich beim Vor­lesen stillschweigend durch annäh­ernd neu­trale Wörter erset­zt habe.

[Hin­weis: Der fol­gende Beitrag enthält Beispiele ras­sis­tis­ch­er Sprache.} Weit­er­lesen

Der Hoteldirektor und das Zimmermädchen

Von Anatol Stefanowitsch

Vor ein paar Wochen habe ich in der Berlin­er S‑Bahn fol­gende Stel­lenanzeige gesehen:

Stellenanzeige der GRG für Zimmermädchen (Berliner S-Bahn, 2011)

Stel­lenanzeige der GRG für Zim­mer­mäd­chen (Berlin­er S‑Bahn, 2011)

Da ich mit meinem Beruf im Großen und Ganzen zufrieden bin, hat mich daran natür­lich nicht die Stelle selb­st inter­essiert, son­dern die Tat­sache, dass die hier gesucht­en Zim­mer­mäd­chen männlich oder weib­lich sein durften. Wenn die Anzeige typ­isch ist, wäre Zim­mer­mäd­chen damit eine der weni­gen Berufs­beze­ich­nun­gen, bei der die weib­liche Form gener­isch — also für Män­ner und Frauen — ver­wen­det wird (Hebamme und Mäd­chen für Alles wären weit­ere Beispiele).

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Hymnische Liebschaften

Von Anatol Stefanowitsch

Wie die öster­re­ichis­che Zeitung Der Stan­dard vor eini­gen Tagen berichtet hat, haben sich SPÖ, ÖVP und Grüne darauf geeinigt, den Sex­is­mus (wenig­stens teil­weise) aus dem Text der öster­re­ichis­chen „Bun­deshymne“ zu ent­fer­nen. Die Hymne begin­nt wie folgt:

Land der Berge, Land am Strome,
Land der Äck­er, Land der Dome,
Land der Häm­mer, zukunftsreich!
Heimat bist du großer Söhne,
Volk, beg­nadet für das Schöne,
Viel­gerühmtes Österreich …

Die dritte Zeile soll nun so umgedichtet wer­den, dass neben den Söh­nen auch die Töchter Erwäh­nung find­en. Dabei ist die Möglichkeit Heimat großer Töchter, Söhne eben­so im Gespräch, wie Heimat bist du großer Töchter und großer Söhne (wobei mir nicht klar ist, wie let­zteres metrisch eingepasst wer­den soll).

Da mich schon an der Mar­gin­al­isierung von Frauen bei Legofig­uren störe, dürfte es nicht über­raschen, dass ich diesen Schritt begrüßenswert finde, allerd­ings mit zwei Einschränkungen.

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Titelhuberei

Von Anatol Stefanowitsch

Wieder­holt bin ich in den let­zten Tagen auf das Wort Titel­hu­berei ange­sprochen und angeschrieben wor­den, das Krista Sager in ihrer Pressemel­dung zur Stre­ichung von Dok­tor­titeln aus dem Per­son­alausweis ver­wen­det hat. Ob das ein neues Wort sei, wurde ich gefragt, was es genau bedeute und woher es komme.

In die aktuelle Debat­te einge­führt hat dieses Wort, soweit ich her­aus­find­en kon­nte, Bun­des­bil­dungsmin­is­terin (Hon.-Prof. Dr.) Annette Scha­van, die es am Woch­enende des 18./19. Juni gegenüber der Frank­furter All­ge­meinen Son­ntagszeitung ver­wen­det hat: Ihrer Mei­n­ung nach sollte der Dok­tor­ti­tel „Aus­druck ein­er wis­senschaftlichen Qual­i­fika­tion und nicht ein Sta­tussym­bol oder Titel­hu­berei sein“.

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Titelkämpfe

Von Anatol Stefanowitsch

In den Kom­mentaren zu meinem Beitrag zu Adels- und akademis­chen Titeln hat­te ich etwas vor­eilig einen Nach­trag zur deren tat­säch­lich­er Ver­wen­dung ver­sprochen, und da die Grü­nen nun den Dok­tor­ti­tel aus dem Per­son­alausweis stre­ichen wollen, ist es höch­ste Zeit, diesen Nach­trag Wirk­lichkeit wer­den zu lassen.

Zunächst will ich noch ein­mal kurz die Sach- und Recht­slage zu akademis­chen Graden und Adel­stiteln zusam­men­fassen, die ich in meinem let­zten Beitrag aus­führlich­er dargestellt hat­te (Punkt 1 übernehme ich dabei weit­ge­hend wörtlich aus meinem aktuellen Par­al­lel­beitrag bei DE PLAGIO):

Akademis­che Grade existieren und dür­fen von ihren Inhab­ern öffentlich geführt wer­den — auf Vis­itenkarten und Brief­pa­pi­er, auf Prax­is- und Fir­men­schildern und natür­lich auf Wahlplakat­en. Das gilt nicht nur für den Dok­tor­grad, son­dern auch für den BA, den MA, den Dipl. usw. Tat­säch­lich ist es in Deutsch­land rel­a­tiv unüblich, Grade öffentlich zu führen — den BA und MA führt kaum jemand (außer vielle­icht auf ein­er uni­ver­sitären Web­seite). Der Dr. wird schon häu­figer geführt — von Wissenschaftler/innen aber häu­fig nur im uni­ver­sitären Kon­text, und von vie­len gar nicht. Am Durchgängig­sten scheint mir der Dipl.-Ing. geführt zu werden.

Etwas ver­wirrend ist nun die Tat­sache, dass der Dok­tor­grad als einziger akademis­ch­er Grad im Per­son­alausweis und im Reisep­a­ss einge­tra­gen wer­den kann (aber nicht muss). Das führt zu viel Ver­wirrung bezüglich der Frage, ob er damit zu einem „Namens­be­standteil“ wird (Antwort: im rechtlichen Sinne nicht, im All­t­agsver­ständ­nis sich­er). Die Frage ist aber ohne­hin neben­säch­lich, da sie kein­er­lei Auswirkun­gen auf das öffentliche Führen des Grades hat. Ich kann einen Grad führen oder auch nicht, egal, ob ich ihn im Per­son­alausweis ste­hen habe oder nicht.

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Im Rausch der Titel

Von Anatol Stefanowitsch

Da die Pla­giats­fälle ger­ade auf uns herun­ter­reg­nen wie Kröten nach einem Tor­na­do in Ishikawa, lässt mich das The­ma doch auch hier im Sprachlog noch nicht los. Ein aktuell disku­tiert­er Aspekt des The­mas hat zudem dur­chaus einen sprach­lichen Bezug: Die Frage, was akademis­che „Titel“ eigentlich sind, und ob man deren Miss­brauch nicht abstellen kön­nte, indem man diese „Titel“ ein­fach abschaffte (siehe dazu die Diskus­sion in unserem Blog DE PLAGIO).

Häu­fig find­et auch eine merk­würdi­ge Ver­mis­chung von akademis­chen „Titeln“ und „Adel­stiteln“ statt — z.B. in der Sendung „Anne Will“, in der es ins­ge­samt ja recht munter durcheinan­der ging.

Grund genug für mich, hier im Sprachlog ein­mal zusam­men­z­u­fassen, was ein „akademis­ch­er Titel“ eigentlich ist, und wie er sich von einem „Adel­sti­tel“ unterscheidet.

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Taboobrüche

Von Anatol Stefanowitsch

In seinem Blog „Deutsche Sprak schwere Sprak“ macht sich Lud­wig Tre­pl, der oft auch in den Kom­mentaren im Sprachlog hin­ter­sin­nige und manch­mal etwas ver­schlun­gene Sprach­nörgelei betreibt, Sor­gen um die deutsche Sprache.

Er befürchtet, dass das „let­zte Tabu“ fällt, weil er auf der deutschen Ver­sion der Web­seite eines spanis­chen Hotels die Schreib­weise Taboo gefun­den hat: Weit­er­lesen

Die Wörtergate-Affäre

Von Anatol Stefanowitsch

Ver­brechen aus Lei­den­schaft geschehen jeden Tag, über Ver­brechen aus Sprach­wis­senschaft liest man dage­gen eher sel­ten. Aber wie das Ham­burg­er Abend­blatt am Don­ner­stag berichtete (lei­der hin­ter ein­er Bezahlwand), hat das Amts­gericht St. Georg in Ham­burg zwei Lehrer für ein solch­es Ver­brechen verurteilt: Die bei­den hat­ten auf ein­er Fort­bil­dungsver­anstal­tung über ein ver­steck­tes Mikro­fon heim­lich die Gespräche ihrer Kolleg/innen aufgenom­men. Ans­tifter war der Sohn eines der Verurteilten:

Für eine Mas­ter­ar­beit in Lin­guis­tik hat­te er seinen Vater gebeten, an einem der vier Sem­i­nartage die Gespräche der Lehrgang­steil­nehmer aufze­ich­nen zu dür­fen. Heim­lich, denn unter Beobach­tung wären die Beobachteten wom­öglich irri­tiert, die Ergeb­nisse der stu­den­tis­chen Feld­forschung verz­er­rt. Die unfrei­willi­gen Proban­den soll­ten den kleinen Lauschangriff deshalb nachträglich genehmi­gen. [Ham­burg­er Abend­blatt, 9. Juni 2011]

Der Vater hat­te wohl zunächst Bedenken, sein Sohn aber habe behauptet, es han­dle sich dabei um „gängige[] Meth­o­d­en in der wis­senschaftlichen Forschung“, sodass er am Ende dann doch ein­willigte. Die Kolleg/innen hat­ten offen­bar wenig Ver­ständ­nis für dieses Vorge­hen und so lan­dete der Fall vor Gericht. 

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Grundlose Sorgen

Von Anatol Stefanowitsch

Ein kurzes Post­skrip­tum zum ersten Teil mein­er Serie über die Sprachtipps von BILD.de und Andreas Busch. Let­zter­er hat­te unter anderem für Ver­wirrung über eine ange­blich falsche Ver­wen­dung des Wortes sor­gen gesorgt, indem er behauptet hat­te, dass man dieses nur in Sätzen wie Die Mut­ter sorgt für ihre Kinder, nicht aber in Sätzen wie Blitzeis sorgt für Verkehrschaos ver­wen­den dürfe. Nun stellt sich her­aus, dass just dieses Verb dem Chefredak­teur der Bild, Kai Diek­mann vor eini­gen Jahren Sor­gen bere­it­et hat.

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Der wundersame und geheimnisvolle Fall des Sprachpanschers Nikolaus S.

Von Anatol Stefanowitsch

Vor ein paar Tagen habe ich über die Nominierun­gen für den „Sprach­pan­sch­er des Jahres“ gesprochen, einen Neg­a­tivpreis mit dem der Vere­in der Drö­gen Sprach­mythen (VDS) alljährlich Promi­nente ausze­ich­net, um so auch mal wieder ins Gespräch zu kommen.

Bericht­enswert war dabei nicht die Nominierung selb­st (die angesichts der son­st meis­tens gut funk­tion­ieren­den Pressear­beit des VDS in den Medi­en erstaunlich dürftig aufgenom­men wurde, aber dazu später mehr), son­dern die Tat­sache, dass eine der Nominierten, die Bun­de­sagen­tur für Arbeit, den Vere­in wegen sein­er schlampi­gen und fak­tisch falschen Nominierungs­be­grün­dun­gen öffentlich vorführte.

Ein weit­er­er Nominiert­er schweigt dage­gen behar­rlich, obwohl er noch deut­lich­er wider­sprechen kön­nte: Niko­laus Schnei­der, Vor­sitzen­der des Rates der evan­ge­lis­chen Kirche Deutsch­lands, der laut Pressemel­dung des VDS

… seine Gläu­bi­gen mit „Luther­Ac­tiv­i­ties“ wie „Well­ness für die Män­nerseele“, „mar­riage weeks“ oder „wor­ship sum­mer­par­tys“ bei der Stange hal­ten will. [Pressemel­dung des VDS]

Will er das wirk­lich? Nun traue ich dem Rat der EKD jede Nar­retei und jedes Fehlver­hal­ten der Welt zu (und man gibt sich ja auch immer wieder kräftig Mühe, mein Ver­trauen nicht zu ent­täuschen), aber trotz­dem hat­te ich beim Lesen der Pressemel­dung das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt.

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