Nachdem ich vor einigen Wochen über die grundsätzlich diskriminierende Struktur von Sprache geschrieben habe, möchte ich heute auf ein spezielles Problem des Deutschen (und vieler anderer Sprachen) zurückkommen, das auch hier im Sprachlog schon mehrfach zu erhitzten Debatten geführt hat: Das sogenannte „generische Maskulinum“. Es hält sich, sowohl im Sprachgebrauch selbst als auch in der Diskussion über Sprache, hartnäckig das Gerücht, man könne bei geschlechtlich gemischten Gruppen von Menschen einfach maskuline Bezeichnungen verwenden, also etwa eine Gruppe von Studentinnen und Studenten einfach als Studenten bezeichnen, und die weiblichen Mitglieder dieser Gruppe seien dann „mitgemeint“.
Bemühungen, diese Art der sprachlichen Unsichtbarmachung von Frauen zu vermeiden — etwa durch explizite Nennung beider Genera (Studentinnen und Studenten), durch kombinierte Formen wie die Schrägstrichform (Student/innen) oder das Binnen‑I (StudentInnen) oder durch die Schaffung inklusiver Formen (Studierende) — stoßen bei vielen Menschen auf Ablehnung.
Wenn überhaupt einmal sachliche Argumente für diese Ablehnung genannt werden, dann sind das normalerweise die folgenden:
- Das „generische Maskulinum“ sei nun einmal weit verbreitet und jeder wisse, dass Frauen hier eingeschlossen seien. Es sei deshalb albern/überflüssig/Teil eines Plans zur feministischen Weltherrschaft, auf sprachlichen Alternativen zu bestehen.
- Geschlechtsneutrale und geschlechtergerechte Formulierungen seien umständlich und behinderten das Leseverständnis.
Wenn diese Aussagen stimmen würden, wäre das nicht unbedingt ein Grund, auf eine sprachliche Gleichbehandlung der Geschlechter zu verzichten. Es ist auch umständlich und überflüssig, die Flagge eines Staatsgastes vor dem Reichstagsgebäude zu hissen, Menschen nett zu begrüßen und sich nach ihrem Befinden zu erkundigen oder mit Messer und Gabel zu essen. Trotzdem gelten diese Gesten als Zeichen von Respekt, Interesse und gutem Benehmen. Genauso könnte es umständlich und überflüssig sein, statt eines „generischen Maskulinums“ eine der anderen Alternativen zu verwenden — ein Zeichen für das Ziel einer allgemeinen Gleichberechtigung wäre es trotzdem.
Aber stimmen die Aussagen denn überhaupt? Sagen wir es so: Die Forschungslage in diesem Bereich reicht aus, um beide Aussagen stark in Zweifel zu ziehen.
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