Archiv des Autors: Anatol Stefanowitsch

Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

Wortgewaltphantasien

Von Anatol Stefanowitsch

Das mit den Eski­mos und ihren Wörter für Schnee ist ja inzwis­chen abge­früh­stückt – kein Men­sch glaubt mehr an ein aus­gedehntes, lexikalisch man­i­festes Inter­esse der Völk­er des nördlichen Polarkreis­es am kristallför­mi­gen Nierder­schlag. Höch­ste Zeit also für neue Vari­anten des zugrun­deliegen­den Mythos, dass Sprachge­mein­schaften beson­ders viele Wörter für das haben, was ihnen beson­ders wichtig ist.

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Sprachbrocken 10/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Auf vielfachen (genau genom­men: vier­fachen) Wun­sch kehrt heute die Press­eschau ins Sprachlog zurück, in der wir auf mehr oder weniger wichtige sprach­be­zo­gene Mel­dun­gen der ver­gan­genen Woche zurück­blick­en. Die ver­wirrende Num­mer 10 im Titel bezieht sich dabei auf die Kalenderwoche.

Felix Mag­a­th hat den Grund für die schlechte Leis­tung seines VfL Wolfs­burg iden­ti­fiziert: Die Sprach­bar­ri­eren zwis­chen den Spiel­ern aus immer­hin 15 ver­schiede­nen Län­dern sind Schuld. Wie Eurosport meldet, wird Mag­a­th in Zukun­ft seine Mannschaft nach der Mut­ter­sprache der Spiel­er sortiert auf­stellen. Ob diese Strate­gie Früchte trägt, wer­den wir dann schon heute Nach­mit­tag erfahren.

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No Shit!

Von Anatol Stefanowitsch

When we select­ed Shit­storm as “Angli­cism of the Year 2011” a few weeks ago, sev­er­al US blogs quicky agreed that our choice was inevitable giv­en our nation­al­i­ty: as Ger­mans, we are “obsessed with poop” (Huff­in­g­ton Post), or even “infat­u­at­ed with crap” (Death and Tax­es). Only Slate’s Katy Wald­man won­dered why Ger­mans, if they are obsessed with feces, would have to bor­row scat­o­log­i­cal ter­mi­nol­o­gy from English.

This bit of ama­teur cul­tur­al psy­chol­o­gy remind­ed me that I still owe a blog post to Kathrin Pas­sig, who, prompt­ed by an alto­geth­er brain­less Van­i­ty Fair arti­cle, asked me some months ago about sci­en­tif­ic sup­port for this sup­posed Teu­ton­ic obses­sion with human waste. So here is my answer, – in Eng­lish, since I hope that it will be rel­e­vant not just for my usu­al Ger­man audi­ence (who will no doubt be sur­prised to learn about their fix­a­tion on fecal mat­ters), but also for the Eng­lish-speak­ing audi­ence for whom this fix­a­tion is so self-evi­dent that they see the exis­tence of the Eng­lish word shit­storm as evi­dence for it.

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Circeln

Von Anatol Stefanowitsch

Der Anglizis­mus-des-Jahres-Wet­tbe­werb 2011 ist zu Ende, auf der Seite des Siegerwortes find­et sich nun auch eine Auswahl aus den sehr zahlre­ichen Press­es­tim­men. Aber bevor die Schlussglocke läutet und wir uns dem Lehngut des laufend­en Jahres zuwen­den kön­nen, muss ich noch etwas über das drittplatzierte circeln schreiben. Denn während das erst­platzierte Shit­storm trotz seines ska­tol­o­gis­chen Naturells (auf das ich näch­ste Woche noch ein­mal in einem ganz anderen Zusam­men­hang zurück­kom­men werde) mit Aus­nahme einiger beson­ders empfind­lich­er See­len auf Zus­tim­mung gestoßen ist, und das zweit­platzierte Stresstest durch seine Ausze­ich­nung zum Wort des Jahres sowieso staat­stra­gende Würde ausstrahlt, hat die Wahl von circeln auf den drit­ten Platz punk­tuell Über­raschung aus­gelöst und im Pub­likum­swet­tbe­werb ist es nur knapp an einem Abstiegsplatz vor­beigeschrammt.

So schreibt z.B. Bernd Matthies auf Tagesspiegel.de:

Sehr viel strit­tiger ist zweifel­los das drittplazierte Wort, das sich­er nicht nur bei mir erst ein­mal ein „Häh?“ aus­gelöst hat. „Circeln“ erschließt sich nur jenen, die sich mit dem sozialen Net­zw­erk Google plus ausken­nen und wis­sen, dass man damit ein­er Kon­tak­tliste hinzuge­fügt wird – das Äquiv­a­lent zum Befre­un­den bei Face­book. Es hat sich­er eine eigen­ständi­ge Bedeu­tung neben dem deutschen, anders kon­notierten „Einkreisen“, aber ob es auch eine Zukun­ft hat?

Und damit trifft er einen Punkt, den auch die Jury öffentlich und intern disku­tiert hat: die Frage nach der aktuellen und zu erwartenden Ver­bre­itung. Susanne kon­nte in ihrer aus­führlichen Darstel­lung des Wortes vor der Abstim­mung zwar zeigen, dass das Verb nicht ger­ade sel­ten ist (son­st wäre es auch gar nicht in die Endrunde gekom­men), aber es ist klar, dass deut­lich häu­figere Wörter im Ren­nen waren. Es ist auch klar, dass circeln derzeit noch auss­chließlich auf das soziale Net­zw­erk Google Plus beschränkt ist und schon auf­grund der rel­a­tiv gese­hen (noch) gerin­gen Ver­bre­itung des Net­zw­erks in der Sprachge­mein­schaft ins­ge­samt sich­er noch eher unbekannt.

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And the winner is: Shitstorm!

Von Anatol Stefanowitsch

Button für den Anglizismus des Jahres 2011

Im let­zten Jahr haben wir den Shit­storm anfangs noch als Außen­seit­er abge­tan — das Wort selb­st (und auch das Phänomen, das es beze­ich­net) schienen uns zu neu und in der Sprachge­mein­schaft ins­ge­samt zu wenig ver­bre­it­et. Tat­säch­lich lan­dete es in der inter­nen Abstim­mung der Jury dann aber immer­hin doch auf einem respek­tablen fün­ften und in der Pub­likumsab­stim­mung auf dem sech­sten Platz.

Und in diesem Jahr haben es nun sowohl die Jury als auch das Pub­likum zum strahlen­den Sieger gekürt. Was ist das also für ein Wort, und was erk­lärt den Sprung aus dem Mit­telfeld an die Spitze des englis­chen Lehnguts?

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Scripted Reality [Kandidaten für den Anglizismus des Jahres]

Von Anatol Stefanowitsch
Button für den Anglizismus des Jahres 2011

But­ton für den Anglizis­mus des Jahres 2011

Script­ed Real­i­ty ist schon zum zweit­en Mal für den Anglizis­mus des Jahres nominiert, und — jet­zt kann ich es ja ver­rat­en — eine Art Favorit der Herzen für mich. Dass es damals nicht auf der Short­list gelandet ist, lag daran, dass es, wie auch ich mir eingeste­hen musste, nicht aus­re­ichend weit in den Sprachge­brauch vorge­drun­gen war. Nur sechs Tre­f­fer lieferte das Deutsche Ref­eren­zko­r­pus sein­erzeit, von denen zu allem Über­fluss 4 von 2009. Auch das Google-News-Archiv lieferte nach mein­er Erin­nerung weniger als 50 Tre­f­fer. Ob das in diesem Jahr anders ist, darauf komme ich gle­ich zurück. Zunächst ein paar Anmerkun­gen zur Bedeu­tung und Geschichte.

Im deutschen Sprachge­brauch beze­ich­net Script­ed Real­i­ty auss­chließlich Fernse­hfor­mate, die so tun, als ob sie das spon­tane Ver­hal­ten ganz nor­maler Men­schen in ihrer alltäglichen Lebenswelt zeigen, denen aber tat­säch­lich mehr oder weniger detail­lierte Drehbüch­er zugrunde liegen. Das Wort bezieht sich vor­rangig auf Pseu­do-Talk­shows (wie „Zwei bei Kall­wass“), Pseu­do-Gerichts- und Polizeishows („Rich­terin Bar­bara Salesch“, „Niedrig und Kuh­nt“), und Pseu­do-Dokus (z.B. „Mit­ten im Leben“ oder „Die Schuler­mit­tler“) aber auch bes­timmte Aspek­te von Sendun­gen wie „Big Broth­er“ oder „Dschun­gel­camp“ fall­en darunter (und wer­den von den authen­tiz­itäts­fix­ierten Fans dieser Sendun­gen dann kon­tro­vers disku­tiert).

Diese Bedeu­tung hat das Wort auch im englis­chen Sprachraum, wo es dann meis­tens in Kom­posi­ta wie script­ed real­i­ty (tele­vi­sion) show/series auftritt. Tat­säch­lich ist das Wort aber älter als die betr­e­f­fend­en Fernse­hfor­mate. Der erste Tre­f­fer, den ich bei Google Books find­en kon­nte, stammt aus einem Werk des Lit­er­atur­wis­senschaftlers Joseph O. Dewey von 1990, in dem er über eine Fig­ur aus Robert Coovers „The Ori­gin of the Brunists“ schreibt. Es han­delt sich um den Her­aus­ge­ber ein­er Lokalzeitung, der seine Auf­gabe darin sieht, die Unord­nung des Welt­geschehens für seine Leser/innen in geord­nete und oft teil­weise fik­tion­al­isierte Erzäh­lun­gen zu ver­pack­en. Als er in ein­er Szene auf eine Frau wartet, mit der er sich zu einem roman­tis­chen Tre­f­fen verabre­det hat, begin­nt er, den Ver­lauf des Abends vor­ab aufzuschreiben. Dewey beschreibt das so:

In a ludi­crous moment that nev­er­the­less points up his rad­i­cal depen­dence on script­ed real­i­ty, he decides, “Bet­ter write it out.…” [Joseph Dewey, In a Dark Time, 1990]

Auch die Tre­f­fer in den fol­gen­den Jahren beziehen sich auf die „script­ed real­i­ty“ von lit­er­arischen Tex­ten. Die erste in Ver­wen­dung im Google-Books-Archiv, die der deutschen Bedeu­tung entspricht, ist laut Google von 2003, aber tat­säch­lich von 2005:

Most­ly, the Amer­i­can tele­vi­sion cov­er­age of the Iraq inva­sion in spring 2003 was akin to script­ed “real­i­ty TV,” start­ing with care­ful screen­ing of par­tic­i­pants. [Fair­ness & Accu­ra­cy in Report­ing, Juli/August 2005, vgl. Google Books]

Im Google-News-Archiv find­et sich das Wort schon seit 2001 in dieser Bedeu­tung, ein früher Tre­f­fer ist dieser:

Affleck and Damon also are devel­op­ing ABC’s Push, Neva­da, a script­ed real­i­ty series in which view­ers join a quest for a hid­den pile of cash. [USA Today, 24.7.2001]

Was das Wort script­ed real­i­ty show für mich inter­es­sant macht, ist seine Dop­peldeutigkeit: Da es sich um ein Kom­posi­tum aus einem Adjek­tiv und zwei Sub­stan­tiv­en han­delt, gibt es zwei mögliche Wort­struk­turen, mit zwei leicht unter­schiedlichen Interpretationen.

Syntaktische Analyse des Wortes Scripted Reality Show

Syn­tak­tis­che Analyse des Wortes Script­ed Real­i­ty Show

Entwed­er, es han­delt sich um eine real­i­ty show, die nach Drehbuch (also script­ed) pro­duziert wird (siehe Abbil­dung (a)); so war das Wort ursprünglich gemeint, was man auch an der Set­zung der Anführungsze­ichen im Zitat von 2005 sieht. Das Wort script­ed bezieht sich hier auf show, was nur deshalb zu einem leicht­en seman­tis­chen Wider­spruch führt, weil diese show gle­ichzeit­ig die Real­ität zeigen soll. Oder, es han­delt sich um eine show, die eine script­ed real­i­ty zeigt (siehe Abbil­dung (b)). Hier wäre es die Real­ität selb­st, die nach Drehbuch abläuft — das führt zu einem grundle­gen­den Wider­spruch, denn die Real­ität läuft ja unser­er Vorstel­lung nach spon­tan und unge­plant ab. Die zweite Inter­pre­ta­tion schließt damit den Kreis zum lit­er­atur­wis­senschaftlichen Ursprung des Wortes (und in der Lit­er­atur­wis­senschaft weiß man natür­lich schon lange, dass es bezüglich der Ge-script­ed-heit besten­falls einen gradu­ellen Unter­schied zwis­chen der Kun­st und dem echt­en Leben gibt).

Im Englis­chen wird inzwis­chen häu­fig ein­fach nur von script­ed real­i­ty gesprochen, wenn das Fernse­hfor­mat gemeint ist — diese Inter­pre­ta­tion hat also die ursprüngliche ver­drängt. Im Deutschen war das sog­ar von Anfang an die bevorzugte Inter­pre­ta­tion. Der erste deutsche Tre­f­fer im Google-News-Archiv aus dem Jahr 2004 ver­wen­det den Begriff in dieser Form:

Für Ara­bel­la unan­genehm: Sie muss ihre Prinzip­i­en über Bord wer­fen. Denn in ihrer neuen Show wird ein Gast ein Geständ­nis able­gen, der andere Gast hin­ter ein­er Tren­nwand lauschen. Das Prob­lem: Kein­er der bei­den ist echt, sie sind Laien­darsteller, die sich wegen eines erfun­de­nen Kon­flik­ts in die Wolle kriegen. „Script­ed Real­i­ty“ nen­nen die Experten die neue, beson­ders bei Nach­mit­tagsshows ver­bre­it­ete Form der Dra­maturgie. Der Zuschauer find­et mit­tler­weile die erfun­de­nen Sto­rys span­nen­der und mag keine nor­malen Talks mehr. [Stern.de, 3.6.2004]

Und der erste deutsche Tre­f­fer auf Google Books aus dem Jahr 2005 (auch dieser übri­gens mit Bezug auf Ara­bel­la Kies­bauer), ver­wen­det das drei­gliedrige Kom­posi­tum Script­ed-Real­i­ty-Sendung und die Set­zung der Anführungsze­ichen zeigt deut­lich, dass hier die Inter­pre­ta­tion aus Abbil­dung (b) zugrunde gelegt wird:

Charak­ter­is­tisch hier­für ist der alltägliche Müll an „scripted-reality“-Sendungen, in denen echte Mod­er­a­torin­nen mod­erieren, echte Psy­chologin­nen ther­a­pieren, echte Richter urteilen, „aber ihre Fälle sind nicht nur fik­tiv, son­dern absurd“. [Link]

Das Wort Script­ed Real­i­ty oder [Script­ed Reality]-Sendung/Format/Show erin­nert uns so bei jed­er Ver­wen­dung an die Tat­sache, dass die Script­ed-Real­i­ty-Show nur ein Extrem­fall dessen ist, was einen großen Teil unser­er Real­ität aus­macht: Ein Abspulen vordefiniert­er kul­tureller Skripte, ein Leben, das ständig ver­sucht, sich nach medi­alen Vor­la­gen zu gestal­ten. Die Script­ed-Real­i­ty-Show ist nicht ungewöhn­lich, weil sie eine nur schein­bar authen­tis­che Real­ität zeigt — wir sind ungewöhn­lich, weil wir unsere Real­ität tat­säch­lich für authen­tisch halten.

Abschließend die Frage nach der Häu­figkeit. Das Wort Script­ed Real­i­ty ist sich­er noch nicht im sprach­lichen All­t­ag ein­er Mehrheit angekom­men, aber es hat einen deut­lichen Häu­figkeitssprung gemacht: Vor 2009 find­en sich nur vere­inzelte Tre­f­fer im Google-News-Archiv, 2009 waren es dann acht, 2010 fünzig, und im let­zten Jahr vervier­fachte sich die Tre­f­fer­menge auf 222. Damit gehört es für mich klar in die Endrunde. Allein im Jan­u­ar 2012 gab es übri­gens schon über vierzig Tre­f­fer, ein Hin­weis darauf, dass das Wort immer noch im Kom­men ist.

Wenn es dies­mal wieder leer aus­ge­ht, hat es gute Aus­sicht­en, es im näch­sten Jahr noch ein­mal zu ver­suchen. Und da auch der Anglizis­mus des Jahres einem Skript fol­gt — näm­lich dem von Sportereignis­sen, Cast­ing­shows und anderen insze­nierten Wet­tbe­wer­ben, werde ich dann alles tun, um es zu ein­er Art Menderes unser­er Wörter­wahl hochzustil­isieren, ein Wort, dessen größte Sehn­sucht es ist, ein­mal den begehrten Titel zu tra­gen, und das sich die Erfül­lung dieser Sehn­sucht allein durch seine Behar­rlichkeit ver­di­ent hat.

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

Stresstest [Kandidaten für den Anglizismus des Jahres]

Von Anatol Stefanowitsch
Button für den Anglizismus des Jahres 2011

But­ton für den Anglizis­mus des Jahres 2011

Über das Wort Stresstest habe ich ja vor ein paar Wochen schon geschrieben, als die Gesellschaft für deutsche Sprache es zum Wort des Jahres 2011 wählte. Als ich dann bekan­nt­gegeben habe, dass Stresstest auch für den Anglizis­mus des Jahres nominiert ist, wurde in den Kom­mentaren gle­ich ver­mutet, dass wir keine Lust haben wür­den, das Wort sozusagen als Zweitver­w­ert­er noch ein­mal zu ehren.

Aber diese Art von strate­gis­chem Denken ist der Jury der besten Wörter­wahl der Welt völ­lig fremd — möge das beste Wort gewin­nen, ist unser Mot­to. Deshalb soll natür­lich auch das Wort Stresstest angemessen disku­tiert wer­den, bevor es näch­ste Woche an die Entschei­dungs­find­ung geht.

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Hacktivism [Kandidaten für den Anglizismus des Jahres]

Von Anatol Stefanowitsch
Button für den Anglizismus des Jahres 2011

But­ton für den Anglizis­mus des Jahres 2011

Mit den Nominierun­gen für den Anglizis­mus des Jahres haben wir es dies­mal nicht ganz leicht: Viele Vorschläge sind zwar sowohl sprach­lich inter­es­sant als auch gesellschaftlich höchst rel­e­vant, ohne dass die Sprachge­mein­schaft das aber bish­er auf bre­it­er Ebene wahrn­immt. Liq­uid Democ­ra­cy und Post-Pri­va­cy fall­en in diese Kat­e­gorie, und Hack­tivism lei­der auch.

Hack­tivism ist eine Ver­schmelzung der Wörter hack und activism und beze­ich­net im Englis­chen den poli­tisch motivierten und nicht autorisierten Zugriff auf infor­ma­tion­stech­nis­che Sys­teme, z.B. Com­put­er­net­zw­erke. Der Ein­trag zu Hack­tivism in der (englis­chen) Wikipedia schreibt die Wortschöp­fung einem Mit­glied der Hack­er­gruppe Cult of the Dead Cow zu und stützt sich dabei auf einen Artikel im Mag­a­zin Wired, in dem es heißt

But no one called tech­nol­o­gy-enabled polit­i­cal activism “hack­tivism” until 1998, when cDc mem­bers Omega, Reid Flem­ing and Ruf­fin were chat­ting online and were, Ruf­fin said, “bounc­ing some wacky ideas around about hack­ing and polit­i­cal lib­er­a­tion, most­ly in the con­text of work­ing with Chi­nese hack­ers post-Tianan­men Square.”

The next morn­ing Omega sent an e‑mail to the cDc list­serv and includ­ed for the first time the word hack­tivism in the post,” Ruf­fin said. “Like most cDc inven­tions, it was used seri­ous­ly and iron­i­cal­ly at the same time — and when I saw it my head almost explod­ed.” [Michelle Delio, Hack­tivism and how it got here, Wired, 14.7.2004]

Tat­säch­lich muss das Wort aber älter sein. Weit­er­lesen

Anglizismus des Jahres: Ferner liefen

Von Anatol Stefanowitsch

Nach­dem die Anglizis­mus-des-Jahres-Jury die Wortkan­di­dat­en zur Diskus­sion unter sich aufgeteilt hat, sind fünf Wörter übrigge­blieben, die nie­mand haben wollte: Bro­mance, Bub­ble Tea, Eurobonds, Hair­cut und Part­ner­ing. Das bedeutet noch nicht zwin­gend, dass diese Wörter keine Chance mehr auf einen Sieg haben, denn wir haben uns die Wörter, mit denen wir uns aus­führlich beschäfti­gen woll­ten, eher nach per­sön­lichem Geschmack und Inter­esse aus­ge­sucht, als nach der Frage, ob sie aus­sicht­sre­iche Kan­di­dat­en sind. Und eine ganze Rei­he der bish­er disku­tierten Wörter sind ja in ihren Aus­sicht­en eher zurück­hal­tend bew­ertet worden.

Trotz­dem muss sich natür­lich irgend­je­mand dieser fünf Wörter annehmen, denn wenn sie gar nicht disku­tiert wer­den, ger­at­en sie am Ende doch in Vergessen­heit, wenn wir in den näch­sten Tagen die noch verbleiben­den Kan­di­dat­en aus­führlich­er disku­tieren. Also sollen sie hier wenig­stens eine Kurzrezen­sion erhalten.

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Liquid Democracy [Kandidaten für den Anglizismus des Jahres]

Von Anatol Stefanowitsch
Button für den Anglizismus des Jahres 2011

But­ton für den Anglizis­mus des Jahres 2011

Um es gle­ich vor­weg zu nehmen: Für den Anglizis­mus des Jahres wird sich Liq­uid Democ­ra­cy dies­mal wahrschein­lich noch nicht qual­i­fizieren kön­nen. Es ist ein­fach zu sel­ten. Im Deutschen Ref­eren­zko­r­pus des Insti­tuts für Deutsche Sprache (DeReKo) find­en sich ganze drei Tre­f­fer. Die sind zwar immer­hin (schein­bar) aus dem Jahr 2011, aber zwei davon (aus den „VDI-Nachricht­en“) beziehen sich auf einen Vere­in dieses Namens, zählen also nicht.

Der dritte Tre­f­fer stammt aus dem Wikipedia-Artikel zum Ver­fahren des „Del­e­gat­ed Vot­ing“ (allerd­ings aus ein­er Ver­sion vom 18. Feb­ru­ar 2007):

Eine ein­heitliche Beze­ich­nung für dieses Ver­fahren (auch liq­uid democ­ra­cy), das erst durch elek­tro­n­is­che Kom­mu­nika­tion­s­mit­tel prak­tik­a­bel ein­set­zbar ist, hat sich bish­er nicht durchge­set­zt. [Wikipedia, s.v. Del­e­gat­ed Vot­ing, 18.2.2007]

Man kön­nte also sagen, dass es für 2011 gar keinen Tre­f­fer im DeReKo gibt (wobei auch die aktuelle Ver­sion des Wikipedia-Artikels das Wort enthält).

Aber bevor ich auf die Aktu­al­ität und Häu­figkeit des Wortes Liq­uid Democ­ra­cy zurück­komme, ein paar Anmerkun­gen zu sein­er Bedeu­tung. Wie der Wikipedia-Artikel zeigt, han­delt es sich um eine Beze­ich­nung für das Prinzip des „Del­e­gat­ed Vot­ing“, das die Wikipedia (in der aktuellen Fas­sung) so erklärt:

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