Jedes Wort, das man an den Prediger der Eitelkeit verschenkt, der zu Zeit den Bundespräsidenten gibt, ist ja eines zu viel. Aber ganz unkommentiert möchte ich seine Kritik der Glückssucht doch nicht lassen.
Archiv des Autors: Anatol Stefanowitsch
Sind Piratinnen Piraten?
In einem Text, in dem ständig über eine oder mehrere gemischtgeschlechtliche Personengruppen geredet wird, muss man eine Lösung dafür finden, wie diese zu bezeichnen sind. Vor diesem Problem steht im Moment die Piratenpartei mit ihrer Satzung, in der durchgängig von Piraten die Rede ist, obwohl natürlich auch Piratinnen gemeint sind. Eine Reihe von Liquid-Feedback-Inititativen befasst sich aktuell mit der Frage, wie dieses Problem zu lösen ist, und Miriam Seyffarth hat mich über Twitter gefragt, wie ich diese Inititativen bewerte und ob ich bessere Vorschläge habe.
Natürlich nutze ich die Gelegenheit gerne, dieses allgemeine Problem anhand der Satzung der Piratenpartei und der erwähnten Inititativen zu diskutieren.
Sprachbrocken 21.2/2012
Die Bibel ist nicht nur eins der am meisten verkauften und am wenigsten gelesenen, sondern auch eins der am häufigsten übersetzten Bücher. In über 400 Sprachen ist sie übertragen worden, und seit kurzem, so meldet die Süddeutsche Zeitung, zählt zu diesen Sprachen auch die Sprache der kanadischen Inuit. Einfach war es wohl nicht, diese Übersetzung anzufertigen, denn das Inuktitut hat keine Wörter für zentrale biblische Konzepte wie den „Esel“ auf dem Jesus reitet, die „Schäfchen“ (wie die Follower des „guten Hirten“ ja gerne bezeichnet werden), das „Kamel“ oder die „Palme“. Man könnte sich nun fragen, was diese Konzepte eigentlich zur Botschaft des guten Buches beitragen und ob es nicht arktische Äquivalente gibt, die den Zweck ebensogut erfüllen. Aber stattdessen entschied man sich für Paraphrasen: Der Esel wurde zum „Tier, das lange Ohren hat“, der gute Hirte (angeblich) zum „Babysitter für Schlittenhunde“ und das Schaf zum „Tier mit gekräuseltem Haar“. Das Kamel und die Palme blieben unübersetzt, wobei unklar bleibt, was gegen das „Tier mit den zwei Fettklopsen auf dem Rücken“ oder den „Baum, der wie ein umgedrehter Wischmop aussieht“ sprach.
Sprachbrocken 21.1/2012
Manchmal quäle ich mich ja etwas, um für diese Kolumne interessante oder kuriose Meldungen über Sprache und Sprachen zusammenzuklauben, aber diese Woche war die Ausbeute so reichhaltig, dass sie für zwei Mal Sprachbrocken reicht. Und da ich zur Zeit sonst nicht viel schreibe, bekommen die geschätzen Leser/innen des Sprachlogs deshalb heute und morgen eine Portion. Der erste Gang steht dabei ganz im Zeichen unserer Freunde vom Verein Deutsche Sprache, die ihr fehlendes Wissen über Sprache ja stets sehr lobenswert durch linguistische Ignoranz wettmachen.
Sprachbrocken 19–20/2012
Da gibt es eine winzige sprachliche Minderheit, die sich nicht nur weigert, die Sprache der Mehrheit zu lernen, sondern die es sogar geschafft hat, ihre Sprache durch Gesetze schützen zu lassen. Und jetzt beschwert sich diese Minderheit, die nur knapp 0,7 Prozent der Bevölkerung stellt, dass die Rettungsstellen nicht rund um die Uhr mit Leuten besetzt sind, die ihre Sprache sprechen.
Sprachbrocken 18/2012
Wer mehrere Sprachen spricht, hat nicht nur mehr Gesprächspartner/innen, sondern auch ein feineres Gehör. Das haben, wie man so schön sagt, amerikanische Wissenschaftler herausgefunden (das Forschungsteam aus vier Frauen und einem Mann wird in der dpa-Meldung übrigens konsequent mit dem maskulinum „US-Forscher“ bezeichnet — der klare Beweis dafür, dass es ein generisches Maskulinum sexistische Sprache gibt). Es handelt sich übrigens um eine neurologische Studie mit spanisch-englischsprachig aufgewachsenen Teenagern, die zeigt, dass die Silbe da, die die Versuchspersonen in einer Trainingsphase mehrfach vorgespielt bekamen, bei den bilingualen Versuchspersonen unter durch Hintergrundgeräusche erschwerten Hörbedinungen eine deutlichere Reaktion im Hirnstamm hervorrief als bei der monolingualen Kontrollgruppe (die Studie gibt es hier).
Sag mir was du siezt
Die Apotheken Umschau (sie schreibt sich wirklich so, was mich nicht weiter stört, was ich aber trotzdem gesagt haben will, falls es andere stört, die dann nämlich wissen, dass es mich nicht stört) veröffentlicht jeden Monat eine repräsentative Umfrage zu aktuellen Themen wie„Opfer des Jo-Jo-Effekts: Frauen oft von neuen Diätmethoden enttäuscht — Jede Zweite nahm rasch wieder zu“, „Trend zum rasierten Mann: Männer — vor allem die jüngeren — entfernen nicht mehr nur den Bart“, „Talisman im Täschchen: Glücksbringer sind Frauensache“ oder„Riskantes Fiebermessen mit Glas: Jeder Vierte in Deutschland benutzt noch ein herkömmliches Thermometer“ – ein regelrechtes kleines Fenster in die deutsche Volksseele.
Sprachbrocken 17/2012
Da macht man sich ein bisschen über die angebliche Modellhaftigkeit des Lateinischen lustig und schlägt vor, doch lieber moderne Fremdsprachen oder Piratisch zu lernen, und kurz darauf diskutiert die deutsche Medienlandschaft auf breiter Ebene über die Sprache der alten Römer. Wie Der Westen berichtet, findet plötzlich auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, dass der Lateinunterricht nicht dazu taugt, die Schüler/innen zu zukünftigen „Beschäftigten“ auszubilden. Und was tut der Vorsitzende des Altphilologenverbandes, von dem die Idee der Modellhaftigkeit stammt? Er stimmt zu: „Wer Richtung Wirtschaft denkt, ist mit ausgefallenen Sprachen wie Arabisch oder Chinesisch besser beraten.“
Und Richtung Wirtschaft denkt ja schließlich ganz Deutschland.
Nackt im Schatten
Schon mehrfach haben mich meine Co-Blogger Joachim Schulz (Quantenwelt) und Dierk Haasis (Con Text) gebeten, doch mal etwas über die englischen Wortpaare shadow/shade bzw. naked/nude zu schreiben (wer sich für welches Wortpaar interessiert hat, dürfte offensichtlich sein). Ich hätte ihnen den Gefallen auch schon längst getan, nur ist mir nie eine interessante Perspektive dazu eingefallen. Es sind eben Fälle, in denen es im Englischen zwei Wörter gibt, wo das Deutsche nur eins hat (nackt, bzw. Schatten).
Ein interessantes Thema wäre die Frage, ob das Englische grundsätzlich feinere Bedeutungsunterscheidungen trifft, als andere (europäische) Sprachen. Ich habe diese Behauptung ab und zu während meines Studiums oder von Kolleg/innen gehört, und völlig unplausibel ist sie nicht. Das Englische stand während der mehrere Hundert Jahre währenden normannischen Besatzung in einem engen Kontakt zum Französischen und hat in dieser Zeit außergewöhnlich viele Lehnwörter aufgenommen, ohne die schon vorhandenen Wörter auszusortieren; der englische Wortschatz ist deswegen an vielen Stellen umfangreicher als bei Sprachen mit wenig Lehngut, und das müsste ja eine Ausdifferenzierung von Bedeutungen mit sich bringen. Aber das tatsächlich zu untersuchen, würde den Rahmen dieses Blogs natürlich sprengen.
Weniger interessant schien es mir, die Bedeutungsunterschiede einfach zu erklären. Das Sprachlog ist schließlich kein Wörterbuch: Wenn Dierk und Joachim den Bedeutungsunterschied zwischen nude und naked oder shadow und shade wissen wollen, sollen sie ihn nachschlagen. Dachte ich zumindest, bis ich das selbst getan habe. Denn Wörterbücher helfen nicht unbedingt weiter.
Sprachbrocken 16/2012
Dass die deutsche Sprache verfällt, ist eine traurige Tatsache, an der wir in den Sprachbrocken nur schwer vorbeikommen. In Cottbus beispielsweise, erfahren wir in einem Leserbrief in der Lausitzer Rundschau, wird Deutsch nur noch zu Hause gesprochen — in der Öffentlichkeit bedient man sich nur noch der „Sprache der Vereinigten Staaten von Amerika“ (womit vermutlich Englisch gemeint ist). So werden „deutsche identitätsstiftende Werte unter den Tisch gekehrt“.