Archiv des Autors: Anatol Stefanowitsch

Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

Sprache und Plattformneutralität

Von Anatol Stefanowitsch

Mein Vor­trag „Sprache und Plat­tform­neu­tral­ität“, in dem ich über einige Aspek­te von Ungle­ich­heit und Diskri­m­inierung von Sprache spreche, ist auf YouTube ver­füg­bar. Ich ver­linke ihn hier nur noch ein­mal, um einen Ort für die Lit­er­aturliste und für kleine inhaltliche Kor­rek­turen zu haben.

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Sprachbrocken 37/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Nichts gegen die Paläoan­thro­polo­gie, aber es sei mir verziehen, wenn ich manch­mal den Ein­druck bekomme, sie sei nur erfun­den wor­den, damit die Lit­er­atur­wis­senschaft keine method­ol­o­gis­chen Min­der­w­er­tigkeit­skom­plexe entwick­elt. Da unter­sucht ein sech­sköp­figes inter­na­tionales Team das Skelett eines Nean­der­talers und belegt anhand von Abnutzungsspuren an den Zäh­nen etwas, das ohne­hin bekan­nt war: Dass dieser Nean­der­taler (wie seine Artgenossen ins­ge­samt) ver­mut­lich Recht­shän­der war. Soweit, so gut. Da das aber wohl nicht inter­es­sant genug war, schließt man im Schlusskapi­tel der Studie dann unver­mit­telt, dass dies auf eine men­schenähn­liche Aus­prä­gung der linken Gehirn­hälfte und damit auf die Fähigkeit zur Sprache hin­weist. Und diese nicht weit­er belegte Speku­la­tion wird vorherse­hbar­er Weise der Aufhänger der Geschichte in der Presse. Ich wollte eine linkshändi­ge Kol­le­gin fra­gen, was sie von dieser Geschichte hält, aber natür­lich kon­nte sie nicht antworten.

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Sprachbrocken 36/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Lit­er­at­en kom­men im Sprachlog sel­ten zu Wort, aber warum eigentlich? Schließlich stolpere ich bei mein­er Suche nach Sprach­brock­en ständig über Hin­weise auf deren sprach­lichen Genius, da müsste doch etwas zu holen sein. Diese Woche zum Beispiel lese ich auf nachrichten.at über den por­tugiesis­chen Schrift­steller Anto­nio Lobo Antunes, dass er mit „sein­er unkon­ven­tionellen, energievollen und dicht­en Sprache, seinen an Atmo­sphäre und Meta­phern reichen Tex­ten … Fans weltweit“ begeis­tere. Und diese Meta­phern klin­gen dann zum Beispiel so: „Ich mag es, die Buch­staben zu malen. Aufs Glas (des PC-Schirms) zu sehen, ist wie Liebe­machen mit Kon­dom. Ich schreibe ohne Kon­dom.“ Ein har­ter Kerl ist er also, der nicht lange fack­elt und seinen Kugelschreiber hin­steckt, wo er will. Und ich will nicht, das wir uns hier im Sprachlog mit textuell über­trag­baren Krankheit­en ansteck­en. Und deshalb kom­men Lit­er­at­en im Sprachlog sel­ten zu Wort.

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Sprachbrocken 35/2012 („Minus-DE“-Ausgabe)

Von Anatol Stefanowitsch

Die Sprach­brock­en #35, die ich heute mor­gen veröf­fentlicht habe, sind in ihrem Voraus­blick auf ein Inter­net ohne Links und ohne Zitate ja etwas trüb­sin­nig gewor­den. Aber so würde eine bun­des­deutsche Aus­gabe eben in Zukun­ft ausse­hen, beschw­eren Sie sich nicht bei mir, son­dern beim Springer-Ver­lag (der ja im Übri­gen schon immer eine reak­tionäre, demokratiefeindliche Pro­pa­gan­dam­as­chine war, also guckt halt nicht so über­rascht). Da die Sprach­brock­en in dieser Form auf Dauer keinen Spaß machen wer­den, präsen­tiere ich hier ein zweites möglich­es Zukunftsszenario.

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Sprachbrocken 35/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Mehrere deutsche Zeitun­gen berichteten in den let­zten Tagen übere­in­stim­mend, dass der Vere­in Deutsche Sprache den Vor­standsvor­sitzen­den der Kaufhaus­kette Karstadt, Andrew Jen­nings zum „Sprach­pan­sch­er des Jahres“ ernan­nt hat. Die Zeitun­gen stützen sich dabei auf den Bericht ein­er Presseagen­tur mit Sitz in Berlin. Wenn man den Bericht­en trauen kann, wirft man dem aus Großbri­tan­nien stam­menden Man­ag­er (verzei­hung, dem aus Großbri­tan­nien stam­menden Schaffer/Macher [ist das richtig so, Herr Krämer?]) vor, in der Außen­darstel­lung seines Unternehmens mit großer Kon­se­quenz englis­che Wörter und Phrasen zu ver­wen­den, wo nahezu poet­isch anmu­tende deutsche Alter­na­tiv­en zur Ver­fü­gung stün­den — so ver­wende Karstadt etwa den Begriff Mid­sea­son-Sale, statt des deutschen Zwis­chen­sai­son-Ausverkauf (bei dem man sich freilich das Wort Sai­son weg­denken sollte, wenn man denn wirk­lich etwas gegen Sprachver­mis­chung hat).

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Sprachbrocken 34/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Wie Eltern ihre Kinder nen­nen dür­fen, ist in Deutsch­land weit­ge­hend den Standesbeamt/innen über­lassen, mit denen sie es bei der Ausstel­lung der Geburt­surkunde zufäl­lig zu tun bekom­men. Aber es hilf sich­er, wenn ein Name im Vor­na­mens-Lexikon des Duden­ver­lags ste­ht. Und da sich seit Jahrzehn­ten ein Trend zu möglichst indi­vidu­ellen Vor­na­men beobacht­en lässt, ist es eine gute Nachricht, dass in die aktuelle Auflage 200 Namen neu aufgenom­men wur­den — darunter Barack (aus dem Kisua­he­li), Char­lène (eine franzö­sisierte Ver­sion des englis­chen Charleen), Mert (alt­türkisch für „freige­big, tapfer, aufrichtig“ und der schöne alt­deutsche Name Eil­rich — für „tra­di­tionelle, aber exper­i­men­tier­freudi­ge Eltern“, wie es in der dpa-Mel­dung fre­undlich for­muliert heißt.

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Legitimes Befremden

Von Anatol Stefanowitsch

Todd Akin, Kan­di­dat für den US-Sen­at, hat mit seinen Aus­sagen zu Abtrei­bung und Verge­wal­ti­gung nicht nur die Welt schock­iert, son­dern auch für sprach­liche Ver­wirrung gesorgt. Die sprach­liche Ver­wirrung kann ich aufk­lären, und damit vielle­icht sog­ar zeigen, dass Akins schock­ieren­den Aus­sagen ein schock­ieren­des Welt­bild unterliegt.

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Sprachbrocken 33/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Die eigene Sprache ist uns ver­traut, fremde Sprachen sind uns fremd — mit dieser Ein­sicht begin­nt ein Artikel auf WELT ONLINE. Triv­ial, aber doch wenig­stens wahr. Aber eine Sprache gebe es, über­rascht uns die Autorin dann, die sei ganz anders: Wer das Glück habe, sie zu hören, erlebe gle­ichzeit­ig Heimat und Ferne. Es geht um das Friesis­che. Nach einem (gar nicht mal so schlechen) Kurzaus­flug in die Geschichte und geo­graphis­che Verteilung dieser Sprache erfahren wir dann, warum die Sprache so ganz anders sein soll als alle anderen Sprachen: Weil wir (also, wir Deutschen) zwar „nicht unbe­d­ingt jedes Wort ver­ste­hen“ (für mich die Untertrei­bung der Woche) aber doch etwas „Ver­trautes“ her­aushören. Katze z.B. heiße kaat und Schiff skeb. Wom­it klar wäre, dass es mit der Einzi­gar­tigkeit des Friesis­chen nicht weit her ist, denn vage Wortähn­lichkeit­en kön­nen wir (also, wir Deutschen) in allen ger­man­is­chen Sprachen, vom Nord­kap bis in die Alpen und vom Harz bis an die West­küste der Vere­inigten Staat­en find­en. Aber der Artikel stellt sich dann ohne­hin als ein befremdlich umweghafter Geburt­stags­gruß an die aus Fries­land stam­mende Ver­lag­seigner­in Friede Springer her­aus, als ver­traulich­es Fish­ing for Com­pli­ments bei der Chefin, also.

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Ringen um Verständnis

Von Anatol Stefanowitsch

Wer im Inter­net über alltäglichen Sex­is­mus, Ras­sis­mus, Homo­pho­bie und andere Arten der Diskri­m­inierung schreibt — zum Beispiel über die sex­is­tis­che Wer­bung eines Musikver­sand­haus­es oder ein­er Fluglin­ie, über spär­lich gek­lei­dete Elfen mit Bar­bie-Kör­pern in Über­raschung­seiern für Mäd­chen, über ras­sis­tis­che Stereo­type im beliebtesten Kinder­buch der Welt, über Frauen stereo­typ­isierende Wer­bung in ein­er fem­i­nis­tis­chen Zeitrschift, über Radiosendun­gen über Sex­is­mus, zu denen nur Män­ner ein­ge­laden wer­den, usw. –, braucht auf zwei Dinge nicht lange zu warten: Men­schen, die fest­stellen, dass das Beschriebene völ­lig irrel­e­vant ist und ganz und gar nichts mit „echter“ Diskrim­inerung zu tun hat und Men­schen, die sich empört gegen den ver­meintlichen Ver­such wehren, ihnen Ver­hal­tensvorschriften zu machen, wo sie doch ganz genau wis­sen, dass ihr Ver­hal­ten keines­falls diskri­m­inierend sein kann (falls es Diskri­m­inierung in unser­er mod­er­nen Gesellschaft über­haupt noch gibt).

Da wed­er die Fest­stel­lung noch die Empörung nor­maler­weise mit Argu­menten unter­füt­tert wird und da Erk­lärungs- und Diskus­sionsver­suchen meist mit ein­er stumpfen Wieder­hol­ung der Fest­stel­lun­gen und der Empörung begeg­net wird, steigt mit jedem Mal die Ver­lock­ung, diese Men­schen als unverbesser­liche Dummköpfe oder bösar­tige Trolle abzuschreiben, ihre Kom­mentare zu löschen oder gar nicht erst freizuschal­ten und sich auch son­st nicht mehr auf Gespräche mit ihnen einzulassen.

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Sprachbrocken 32/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Sprach­liche Min­der­heit­en stoßen bei der Mehrheit sel­ten auf offene Ohren, wenn sie einen offiziellen Sta­tus für ihre Sprache ein­fordern. „Wer hier leben will, soll gefäl­ligst unsere Sprache sprechen“ gilt wei­thin als legi­t­i­aume Forderung (außer bei deutschen Auswan­der­ern, die stattdessen nach dem Prinzip „Wo ich leben will, sollen die gefäl­ligst meine Sprache sprechen“ handeln).

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