Archiv des Autors: Anatol Stefanowitsch

Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

Blackfacing [Anglizismus 2012]

Von Anatol Stefanowitsch

Das Wort Black­fac­ing ist abgeleit­et vom Englis­chen black­face, der Beze­ich­nung für eine ursprünglich aus den USA stam­mende The­ater- und Vari­eté-Tra­di­tion, bei der weiße Schauspieler/innen oder Sänger/innen auf meis­tens über­trieben stereo­typ­isierte Weise als Schwarze geschminkt auftreten.

Einen soli­den Ein­stieg in die Geschichte des Black­face bietet die englis­che Wikipedia. Für die Geschichte des Lehn­worts Black­fac­ing ist zunächst entschei­dend, dass diese Prax­is in dop­pel­ter Weise ras­sis­tisch belegt ist: Erstens, weil die Tra­di­tion aus einem zutief­st ras­sis­tis­chen his­torischen Zusam­men­hang stammt, in dem ein Auftreten schwarz­er Schauspieler/innen als inakzept­abel gegolten hätte, und zweit­ens, weil beim Black­face nicht nur das Make-Up selb­st und die dazuge­hörige Mimik über­trieben stereo­typ­isiert ist (dicke rote Lip­pen, strup­pige Haare, weit aufgeris­sene Augen, wie auf dem weit­er unten abge­bilde­ten zeit­genös­sis­che Plakat), son­dern auch die Zusam­men­hänge, in denen es ver­wen­det wurde (Schwarze als naive, immer fröh­liche Unterhalter).

[Hin­weis: Der fol­gende Beitrag enthält eine ras­sis­tis­che Abbil­dung.] Weit­er­lesen

Sprachbrocken 4/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Frankre­ich ist ja, wenn man deutschen Sprach­nör­glern glauben schenkt, ein sprach­pflegerisches Paradies. Reine Sprach­flüsse plätsch­ern dort gal­lisch glitzernd durch roman­isch rol­lende Wörter­wiesen, auf denen präz­iöse Paris­er Phrasen­struk­tur­bäume Schat­ten spenden. Aus der Fremde ein­drin­gen­des Spra­chunkraut wird von von weisen Wortwächtern mit fes­ter Hand aus­ge­merzt, die an sein­er stelle liebevoll latin­isierende lan­dessprach­liche Lecker­bis­sen zücht­en. Die Französin­nen und Fran­zosen wür­den es auch gar nicht anders wollen, und so herrschte feingeistiges franko­phones Frohlock­en, als die Acad­e­mie Française verkün­dete, dass das Wort Hash­tag schon an der Gren­ze gestoppt wor­den und durch das mot-dièse („Raut­en­wort“) erset­zt wor­den sei. Nur die franzö­sis­che Sprachge­mein­schaft kon­nte dem neuen Wort natür­lich wieder mal nichts abgewin­nen. Aber die beste­ht eben, wie über­all, aus degoutan­ten Degener­ierten, von denen wir uns nicht düpieren lassen soll­ten. Weit­er­lesen

Fracking/fracken [Anglizismus 2012]

Von Anatol Stefanowitsch

In den näch­sten Wochen disku­tiert die Anglizis­mus-des-Jahres-Jury die Wortkan­di­dat­en, die es in die Endrunde geschafft haben. Heute das Sub­stan­tiv Frack­ing und das dazuge­hörige Verb frack­en.

Das Wort Frack­ing (mach­mal auch: Frac­ing) ist eine Kurz­form des englis­chen Hydraulic Frac­tur­ing, der Beze­ich­nung für eine Tech­nik zur Förderung von Rohstof­fen wie Erdöl und Erdgas. Dabei wird in die Gesteinss­chicht­en, die die Rohstoffe umschließen, unter hohem Druck ein Gemisch aus Wass­er und ver­schiede­nen Chemikalien hineingepumpt, um auf diese Weise Risse zu erzeu­gen, durch die die Rohstoffe zur Bohrungsstelle fließen können.

Wer mehr über die Tech­nik selb­st erfahren will, dem sei dieser aktuelle Beitrag im Fis­chblog emp­fohlen; aus lexiko­grafis­ch­er Per­spek­tive sind zwei Dinge wichtig: In Deutsch­land lagert sehr viel Erdgas in Gesteinss­chicht­en, an die ohne diese Tech­nik derzeit kein Her­ankom­men ist (weshalb die Energiekonz­erne die Tech­nik gerne in großem Maßstab anwen­den möcht­en), und die Tech­nik hat schw­er­wiegende Kon­se­quen­zen für die Umwelt (weshalb vor allem die Men­schen in den poten­ziellen Frack­ing-Gebi­eten das unbe­d­ingt ver­hin­dern wollen). Das führt zu ein­er anhal­tenden Debat­te, die das Wort im let­zten Jahr in den all­ge­meineren Sprachge­brauch gespült hat: Im Deutschen Ref­eren­zko­r­pus taucht es 2010 in nur zwei Tex­ten auf, 2011 find­et es sich bere­its 70 Mal in 25 ver­schiede­nen Tex­ten, und bis Juli 2012 (weit­er geht das Kor­pus derzeit noch nicht) waren es dann schon über 400 Tre­f­fer in mehr als 160 Tex­ten. Weit­er­lesen

Sprachbrocken 3/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Sprach­lich drehte sich die öffentliche Diskus­sion in dieser Woche vor­rangig um das Unwort des Jahres, Opfer-Abo, das Susanne am Dien­stag bere­its besprochen hat. Ich kann mich ihrer Bew­er­tung anschließen und will hier nur einen Nebe­naspekt nachre­ichen. Die TAZ erwäh­nt in ihrer Mel­dung zum Unwort, dass das Wort Opfer „in der Jugend­sprache eine schwache, dumme oder unter­legene Per­son“ beze­ichne, die „an ihrer schlecht­en Behand­lung sel­ber Schuld“ sei. Ich bin mehrfach darauf ange­sprochen wor­den, a) ob das stimme und b) wie es dazu kom­men kon­nte. Die erste Antwort ist ein­fach: Ja, es stimmt, sog­ar der DUDEN führt die Bedeu­tung „Schwäch­ling, Ver­lier­er (beson­ders als Schimpf­wort)“ als „abw­er­tenden“ Begriff der Jugend­sprache auf. Die zunächst ungewöhn­lich erscheinende Ver­schiebung im Wort­ge­brauch ergibt sich dabei nicht vor­rangig aus ein­er Verän­derung der früheren Wortbe­deu­tung „jemand, der durch jeman­den, etwas umkommt, Schaden erlei­det“ — diese Bedeu­tung bleibt ja auch in der jugend­sprach­lichen Ver­wen­dung erhal­ten. Was sich verän­dert hat, ist das hin­ter dem Sprachge­brauch ste­hende Wertesys­tem: in ein­er Gesellschaft, in der Men­schen füreinan­der ein­ste­hen, sind Opfer Men­schen, denen etwas Schreck­lich­es zugestoßen ist, weil wir nicht aus­re­ichend auf sie aufgepasst haben, und denen deshalb unsere Für­sorge und unser Mit­ge­fühl gilt. In ein­er Gesellschaft, in der jed­er für sich ver­sucht, auf der gesellschaftlichen Leit­er möglichst weit nach oben zu klet­tern, sind Opfer Men­schen, die zu schwach für diesen bru­tal­en Klet­ter­wet­tbe­werb waren, und die wir dafür ver­höh­nen, um ja nicht mit ihnen gle­ichge­set­zt zu wer­den. Und unsere Jugendlichen haben offen­sichtlich sehr genau erkan­nt, welch­es dieser bei­den Gesellschaftsmod­elle wir ihnen vor­leben. Weit­er­lesen

Sprachbrocken 1/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Ich bin ein wenig ent­täuscht: Da beugt sich ein Ver­lag dem Mei­n­ung­ster­ror der Gut­men­schen und zer­stört unwider­bringich einen bis dato sakrosank­ten Text, ein unverzicht­bares Zeitzeug­nis der deutschen Mytholo­gie, und das deutsche Feuil­leton schweigt. Kein weißer Rit­ter, der zum End­kampf um die Mei­n­ung­shoheit — entschuldigung, Mei­n­ungs­frei­heit (Freud­sche Fehlleis­tung, ist mir so durchgerutscht) bläst, nie­mand, der, wenn er das Abend­land schon nicht vor dem Unter­gang bewahren kann, wenig­stens mit fliegen­den Druck­fah­nen mit ihm untergeht.

[Hin­weis: Der fol­gende Text enthält Beispiele ras­sis­tis­ch­er Sprache.] Weit­er­lesen

Saure Pflaumen

Von Anatol Stefanowitsch

Wolf­gang Thierse hat sich ja in den let­zten Tagen etwas unbe­liebt gemacht. Auf die Nach­frage eines Inter­view­ers der Berlin­er Mor­gen­post, ob er dem „Nach­barschaftsmix mit den vie­len Schwaben und Lat­te-Mac­chi­a­to-Mut­tis“ etwas abgewin­nen könne, vertei­digte er zunächst net­ter­weise die Mut­tis (bzw. die Eltern all­ge­mein), was aber in der Folge nie­man­den inter­essierte, und „kri­tisierte“ dann die Schwaben dafür, dass sie erst nach Berlin zögen, „weil alles so bunt und so aben­teuer­lich und so quirlig“ sei, dann aber nach ein­er gewis­sen Zeit ver­suchen wür­den, Berlin in die „Kle­in­stadt mit Kehrwoche“ zu ver­wan­deln, aus der sie eigentlich ent­fliehen wollten.

Schwaben-Bash­ing wirft man ihm dafür vor und stellt seine Bemerkung auf eine Ebene mit Aus­län­der­feindlichkeit. Den Kon­text ignori­ert man dabei eben­so, wie die Tat­sache, dass die „Schwaben“ nicht lange zögerten, Thiers­es Worte nachträglich zu recht­fer­ti­gen, in dem sie für sich in Anspruch nah­men, den Berliner/innen über den Län­der­fi­nan­zaus­gle­ich über­haupt erst eine men­schen­würdi­ge Leben­squal­ität zu ermöglichen (Oet­tinger), und „Dankbarkeit“ einzu­fordern (Özdemir). Weit­er­lesen

Sprachbrocken 52/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Die CDU ist ohne Frage die deutschtümel­nd­ste Partei im deutschen Bun­destag, wie sich unter anderem am Wun­sch erken­nen lässt, Deutsch not­falls auch gegen die eigene Kan­z­lerin im Grundge­setz zu ver­ankern (das Sprachlog berichtete). Aber ab und zu wagt sich jemand aus ihren Rei­hen her­vor, um eine Lanze für die englis­che Sprache zu brechen, und dann kann man abso­lut sich­er sein, dass das aus den falschen Grün­den geschieht. Vor eini­gen Jahren wollte Gün­ther Oet­tinger Englisch zur Sprache des Beruf­slebens machen und das Deutsche in die Sphäre des traut­en Heims ver­ban­nen, und jet­zt hat Wolf­gang Schäu­ble ein Plä­doy­er für das Englis­che gehal­ten: Die „Sprache der europäis­chen Eini­gung“ sei es. Und warum? Wie vor ihm Oet­tinger beruft er sich auf die Bedarfe der Wirtschaft — „in glob­al agieren­den Unternehmen“ werde eben „nur noch Englisch gesprochen“. Sein eigenes Englisch schätzt er übri­gens real­is­tisch ein: Er bedauert diejeni­gen, die es ertra­gen müssen (und zwar zu recht). Weit­er­lesen

Sprachbrocken 51/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Alle Jahre wieder wen­det sich Hans Zehet­mair, Vor­sitzen­der des Rats für deutsche Rechtschrei­bung, an die Presse um den Ver­fall der deutschen Sprache zu bekla­gen. Dieses Jahr beschw­ert er sich über „Recy­cling-Sprache“, den SMS-bed­ingten Man­gel an „Gefühl und Her­zlichkeit“ und über englis­che Wörter, „die man eben­so auch auf Deutsch for­mulieren kön­nte“. Und natür­lich benen­nt er scho­nungs­los die Ver­ant­wortlichen für den Sprachver­fall: die Jugend von heute und ihre iPads, auf denen sie die Sprache Schillers und Goethes regel­recht kaputt twit­tern. Weit­er­lesen

Für Gott und Pippi Langstrumpf

Von Anatol Stefanowitsch

Man kann — und muss — Kristi­na Schröder für vieles kri­tisieren — ihren schiefen Extrem­is­mus­be­griff und die Fol­gen, die der für die Förderung von Ini­ti­atven gegen Recht­sex­trem­is­mus hat­te, ihren leicht­fer­ti­gen Umgang mit recht­spop­ulis­tis­chen Schlag­worten wie dem von der „deutschen­feindlichen Gewalt“ und maskulis­tis­chen wie dem von der „jun­gen­feindlichen Päd­a­gogik“, und ganz all­ge­mein natür­lich ihre oft antifem­i­nis­tis­che und antie­manzi­pa­torische Welt­sicht, wie sie z.B. in ihrem Buch „Danke, emanzip­iert sind wir sel­ber: Abschied vom Dik­tat der Rol­len­bilder“ zum Aus­druck kommt.

Darüber ver­gisst man dann leicht, dass ihre konkreten fam­i­lien­poli­tis­chen Posi­tio­nen deut­lich pro­gres­siv­er sind als die der Mehrheit ihrer Partei (was ja auch der Grund ist, warum sie sich mit diesen Posi­tio­nen nie durch­set­zen kann).

[Hin­weis: Im fol­gen­den Text wer­den Beispiele ras­sis­tis­ch­er Sprache zitiert.] Weit­er­lesen

Es ist nicht alles Gold, was Bär

Von Anatol Stefanowitsch

Das Marken­recht macht mich als Sprach­wis­senschaftler schon an ganz nor­malen Tagen trau­rig. Ich bin kein Recht­san­walt (deshalb ja auch „mich als Sprach­wis­senschaftler“), aber so weit ich das beurteilen kann, ermöglicht es Han­del­treiben­den, so gut wie jedes sprach­liche Ele­ment als Beze­ich­nung ihres Pro­duk­ts zu reservieren, solange sie die ersten sind, die es für sich beanspruchen.

So wer­den nicht nur Wörter, Wortkom­bi­na­tio­nen und Satzteile oder ganze Sätze dem all­ge­meinen Sprachge­brauch ent­zo­gen, son­dern auch pro­duk­tive Wort­bil­dung­sprozesse – Volk­swa­gen und Springer haben sich vor eini­gen Jahren darum gestrit­ten, wem Wörter gehören, die mit Volks- begin­nen (auch solche, die noch gar nicht existieren) – oder einzelne Buch­staben (BMW hat ger­ade vom Patent­gericht bescheinigt bekom­men, dass der Buch­stabe M als Beze­ich­nung für ein Auto schutzfähig ist).

Eine Entschei­dung des Landgerichts Köln geht nun einen Schritt weit­er und ver­bi­etet sog­ar Dinge, die uns an Wörter erin­nern kön­nten, die dem all­ge­meinen Sprachge­brauch ent­zo­gen sind. Weit­er­lesen