Da Aprilscherze am ersten April auch in Blogs nicht unerwartet kommen, gibt es im Sprachlog schon lange die Tradition, an diesem Tag vier scheinbare Aprilscherze zum Thema „Sprache“ zu präsentieren, von denen drei aber tatsächlich die reine Wahrheit sind. So natürlich auch dieses Jahr. Wer erkennt den Aprilscherz unter diesen vier unglaubwürdigen Behauptungen? Um das Googeln zu erschweren, verrate ich die Namen der betreffenden Sprachen erst in der Auflösung, die morgen Nachmittag erscheint. Und natürlich werden Ihre Kommentare mit den Antworten bis dahin nicht freigeschaltet! Weiterlesen
Archiv des Autors: Anatol Stefanowitsch
Sprachbrocken 13/2013
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer gerierte sich stets als Beschützer der deutschen Sprache vor dem verderblichen Einfluss des Englischen und erntete dafür aus sprachnörgeligen Kreisen viel Lob. In Erinnerung bleiben wird der denen jetzt aber wohl (vermutlich gänzlich unverdienter Weise) als ihr Zerstörer, als jemand, der sich vom Tugendfuror der politisch Korrekten dazu treiben lassen hat, die Straßenverkehrsordnung nicht nur um einige saftige (aber absolut angemessene) Erhöhungen von Bußgeldern, sondern auch ein Bemühen um geschlechtergerechte Sprache ergänzt zu haben. Zu Fuß gehende statt Fußgänger und Fahrzeugführende statt Fahrzeugführer heißt es dort nun. Das dürfte vielen nur ein Schulterzucken wert sein, einigen von uns vielleicht ein anerkennendes Nicken angesichts der sprachlich gut gemachten Überarbeitung. Aber für den Verkehrsrechtsexperten des AUTO CLUB EUROPA, einen Volker Lempp, ist es ein Quell „unfreiwilliger Komik“, der nur einem „Studienabbrecher im Fach Germanistik“ zu verdanken sein kann. Was genau er an der gerechten Sprache so komisch findet, und warum er sein feines Sprachgefühl nicht lieber dem Deppenleerzeichen im Namen des Vereins widmet, für den er arbeitet, verschweigt er uns dabei. Nur, dass die Polizeibeamten in der StVO immer noch ganz maskulin Polizeibeamte heißen, lässt ihn — innerlich männlich glucksend — nach Alice Schwarzer schreien. Und wem bei Geschlechtergerechtigkeit nur Alice Schwarzer einfällt, der ist als Verkehrsrechtsexperte bei einem Verkehrsverein ja auch ganz gut aufgehoben. Weiterlesen
Sprachbrocken 12/2013
Von einer Zeitschrift, die nach einem mächtigen weißen Mann benannt ist, erwarten wir, dass sie die Befindlichkeiten mächtiger weißer Männer vertritt, und der CICERO erfüllt diese Erwartungen immer wieder in vorbildlichster Weise. Im April hat man(n) sogar das Titelthema ganz der Unterdrückung mächtiger weißer Männer gewidmet. Und der grausamen Mechanismen, mittels derer sie unterdrückt werden – dem „Veggie Day“, zum Beispiel, der den Fleischesser im Manne unterdrückt, in dem ihm vorgeschlagen wird, an einem Tag in der Woche auf Fleisch zu verzichten. Oder Unisex-Toiletten, die den heterosexuellen, cis-gegenderten Mann im Manne unterdrücken, indem sie einfach nur da sind. Aber das grausamste Unterdrückungswerkzeug von allen ist natürlich die Sprache, die den Verballibertären im Manne zu „schrillsten PC-Blüten“ – wo habe ich nur kürzlich schon einmal das Wort „schrill“ gelesen? – zwingt. Bei den Belegen für diese schrillen PC-Blüten vermischt man(n) munter wünschenswerte, aber nicht-existente Beispiele gerechter Sprache wie BürgermeisterInnenkandidatIn (350 Google-Treffer, allesamt auf Seiten, die sich über „Political Correctness“ beömmeln) mit mächtigeweißemännerhumorigen Pseudobeispielen gerechter Sprache wie Maximalpigmentierte. Außerdem wird viel gejammert. Weiterlesen
In Memoriam Douglas Adams
Heute wäre der große Douglas Adams 61 Jahre alt geworden. Mir bleibt er natürlich als großartiger Science-Fiction-Autor, aber vor allem als genialer Wort- bzw. Bedeutungsschöpfer in Erinnerung. In The Meaning of Liff recycelt er Ortsnamen, um Bedeutungen ein Wort zu geben, die bislang keines haben. ((Es gibt auch eine deutsche Übersetzung, Der Sinn des Labenz von Sven Böttcher; außerdem betreibt Kilian Evang vom „Texttheater“ eine Webseite, auf der er sogenannte „Labenze“ sammelt.))
Um seiner zu gedenken, biete ich hier drei eigene Zweitverwertungen überflüssiger Ortsnamen an. Ich würde mich natürlich freuen, wenn Leser/innen des Sprachlogs zusätzliche selbst ausgedachte Vorschläge beisteuern.
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Sprachbrocken 6–10/2013
Der Lateinunterricht verkommt an deutschen Schulen zwar langsam aber sicher zu dem Anachronismus, der er im Herzen schon lange ist, aber er hat eine erstaunlich bissige Lobby. Kaum eine Woche, in der ich bei der Suche nach Sprachbrockbarem nicht auf einen Artikel stoße, der die die Vorzüge der Sprache Cäsars predigt. Ein gutes Argument habe ich dabei nie gesehen — bis Joseph Ratzinger seine Rückzugspläne ankündigte, und die fast unbemerkt geblieben wären. Denn, wie unter anderem die TAZ berichtete, gab Ratzinger seine bevorstehende Pensionierung in einer Rede bekannt, die er auf Latein hielt, und bescherte der einzigen Lateinkundigen unter den anwesenden Journalist/innen, der ANSA-Korrespondentin Giovanna Chirri, den Scoop ihres Lebens. Wenn das kein Grund für einen flächendeckenden Lateinunterricht ist, dann fällt mir auch keiner mehr ein.
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Sprachschmuggler in der Wikipedia?
In meiner gestrigen Laudatio zum Anglizismus des Jahres 2012, Crowdfunding, sprach ich meine Vermutung an, dass die vereinzelt zu findende Eindeutschung „Schwarmfinanzierung“ eine Wortschöpfung von Anglizismuskritikern sei, die diese über den Wikipedia-Eintrag zum Crowdfunding zunächst in den journalistischen Sprachgebrauch eingeschleust hätten. Diese Vermutung stützt sich auf die Tatsache, das die früheste Verwendung, des Wortes, die ich finden kann, eben aus diesem Wikipedia-Eintrag, genauer, in der Artikelversion vom 23. März 2011 stammt. Eingetragen wurde es von einem anonymen Nutzer, weshalb die Wikipedia-Software nur die IP-Adresse des Bearbeiters dokumentiert. Eine Überprüfung der Bearbeitungen, die unter dieser IP-Adresse im selben Zeitraum vorgenommen wurden, zeigt, dass außerdem das Schlagwort „Schwarmfinanzierung“ mit einer Weiterleitung auf den Artikel zu Crowdfunding angelegt und das Wort Schwarmfinanzierung in den Eintrag zu einer bestimmten Crowdfundingplattform hinein redigiert wurden. Dass es sich bei dem anonymen Nutzer um einen Sprachkritiker auf Sprachsäuberungsmission handelte, schließe ich daraus, dass das Wort „Schwarmfinanzierung“ im Anglizismenindex des Vereins Deutsche Sprache steht (dazu gleich mehr). Weiterlesen
And the Winner is: Crowdfunding!
Zugegeben, der Anglizismus des Jahres 2012 scheint zunächst deutlich weniger spektakulär daherzukommen als sein Vorgänger, der Shitstorm (es ist zum Beispiel unwahrscheinlich, dass sich in absehbarer Zeit jemand für seine Mithilfe bei dessen Verbreitung entschuldigen wird). Aber der bescheidene Anschein täuscht, denn sowohl das Wort Crowdfunding, als auch das, was es bezeichnet, haben es in sich.
Zunächst zum Bezeichneten: Während der Shitstorm bei allem Positiven, das er im Einzelfall bewirken kann, eher für die destruktiven Kräfte des World Wide Web steht, zeigt das Crowdfunding das produktive Potenzial der vernetzten Kultur des Netzes: Wer eine gute Idee für ein Produkt, ein Kunstprojekt oder einen guten Zweck hat, braucht sich dank der seit einigen Jahren entstehenden Crowdfunding-Plattformen weder mit Banken oder Risikokapitalisten herumzuärgern, noch muss er oder sie sich mit der Sammelbüchse auf den Marktplatz stellen. Stattdessen wird das Projekt mittels lieb gewonnener Praktiken wie Youtube-Videos und Blogbeiträgen möglichst eingängig vorgestellt, und alle, die es umgesetzt sehen möchten, können sich mit Summen daran beteiligen, die von einem Sammelbüchseneuro bis zu mehreren tausend Risikokapitaleuros rangieren können. Abgewickelt unbürokratisch mit ein paar Klicks auf einer Webseite. Weiterlesen
Rassismus „Rassismus“ nennen
Nur ein paar Worte und ein Lektüretipp zu einem Thema, zu dem eigentlich alles gesagt ist, das aber offensichtlich sehr schwer zu verstehen ist.
[Hinweis: Der folgende Beitrag enthält Beispiele rassistischer und behindertenfeindlicher Sprache.] Weiterlesen
Crowdfunding [Anglizismus 2012]
Das Wort Crowdfunding ist eine direkte Entlehnung des englischen crowdfunding. Wie im Englischen bezeichnet es auch im Deutschen eine Art der Kapitalbeschaffung, bei der sehr viele Einzelpersonen jeweils eine kleine Summe beisteuern und dafür je nach Höhe der Summe eine Gegenleistung erwerben — diese kann von einer Danksagung auf der Firmenwebseite oder ein T‑Shirt über ein oder mehrere Exemplar/e des finanzierten Produkts bis hin zu einem persönlichen Treffen mit den Schöpfer/innen des Produkts (z.B. Musiker/innen o.ä.) reichen. Typischerweise findet das Crowdfunding über spezielle Webseiten, sogenannte Crowdfunding-Plattformen statt. Weiterlesen
Sprachbrocken 5/2013
Dass die traditionellen Medien insgesamt mit dem Thema Alltagssexismus hoffnungslos überfordert sind, haben sie ja zur Genüge bewiesen, aber der HESSISCHE RUNDFUNK hat sich offenbar vorgenommen, in merkbefreite Zonen vorzudringen, die nie ein Mensch zuvor betreten hat. Claudia Sautter erklärt uns dort, dass das Ganze quasi nur ein sprachliches Problem sei: Früher (ach, früher!) da habe es „eine Sprache der Erotik [gegeben] die alle verstanden.“ Aber irgendwie ist uns diese „öffentlich anerkannte Sprache der Erotik“ verloren gegangen. „Männer und Frauen in Deutschland“ wüssten schlicht nicht mehr, „wie man sich geistreich Anzüglichkeiten“ sage, ohne gleich die „mediale Sittenpolizei“ auf dem Hals zu haben. Allgemeine Ratlosigkeit herrscht diesbezüglich auch bei der Bildredaktion des HR: „Wie sollte ‘Mann’ das Dekolleté einer Frau würdigen?“ fragt die Bildunterschrift des Fotos eines (kopflosen) Dekolletés, mit dem der Beitrag vorhersagbar, ja unvermeidlich illustriert wird. Weiterlesen