Wie jedes Jahr im Januar beteiligen wir uns an der Wahl zum Anglizismus des Jahres, indem wir die Kandidaten der Endrunde auf ihre Tauglichkeit zum Sieger abklopfen. Bereits abgehandelt haben wir Social Freezing, Phablet, Big Data, Internet of Things und Smartwatch, heute ist Photobombing an der Reihe.
Normalmenschen und Stars tun es, Tiere tun es, die Queen hat es getan ((Dank an @pia_pe)) und, breaking news, Miss Israel ((Dank an @erbloggtes)) … ja, was eigentlich genau? Das Photobombing, im Deutschen auch Photobomben, bezeichnet, wie Menschen (oder Tiere) ein Fotomotiv durch ihre Anwesenheit »sprengen«. Dabei können sie sich unbemerkt im Hintergrund verstecken oder sich vor das Motiv drängen, und die Motivationen könnten unterschiedlicher nicht sein: Aus Spaß, aus Bosheit, zu Werbezwecken, aus Versehen. Eine kunst- oder kulturgeschichtliche Betrachtung der ganzen Angelegenheit würde mich sehr interessieren — während bei Privatfotos bestimmte Situationen (z.B. Hochzeit und Strandurlaub) sowie bestimmte Störelemente (z.B. nackte Hintern und Erektionen) sehr häufig wiederkehren, bleiben Stars eher auf dem roten Teppich oder einer Party und schneiden ein wenig Grimassen. Das genügt schon, allein ihre Berühmtheit sorgt für die Explosion des Bildes.
Das Phänomen des Photobombings gibt es in verschiedenen Spielarten schon lange — z.B. in Form der beliebten »Hasenohren« ((Die Unterschrift zu diesem Foto suggeriert, dass Hasenohren und Photobombing etwas Verschiedenes sind, ebenso gibt es aber anderswo auch ganz viele Fälle von Hasenohren, die als Photobombing klassifiziert werden.)) –, benannt wird es dagegen erst in neuerer Zeit. ((Hier ein Text, in dem die Autorin sich Gedanken dazu macht, wie ältere Fotos nach Aufkommen der Bezeichnung neu interpretiert und rezipiert werden.))
Wann wurde die erste Photobomb gezündet?
Die Suche im englischen Sprachraum legt nahe, dass das Wort dort noch nicht alt ist – das Archiv der NYT (bis 2015) liefert keine Funde, der ngram-Viewer (bis 2008) ebenfalls nicht. Die englische Wikipedia spricht von erheblicher Berichterstattung seit 2009, wobei die Quelle letztlich Google Trends ist. Einen Wikipediaeintrag hat das Wort seit Oktober 2012. Das Collins English Dictionary datiert sein erstes Auftreten auf 2008 (»as the subject of a Google search«, auch sehr vage), und es hat Photobombing zum Wort des Jahres 2014 gewählt. In seiner Begründung verweist das Wörterbuch darauf, dass es 2014 besonders viele prominente Fälle von Photobombing gab, sodass das Wort im englischen Sprachraum sehr präsent war.
Die Bildung des Wortes ist auch für SprecherInnen des Deutschen transparent: Der Bestandteil bomb(ing) bezieht sich auf die Wirkung, die das unerwartete Auftauchen auf die Beteiligten oder Betrachtenden hat, das eigentlich geplante Motiv wird zerstört, gesprengt. Die Oxforddictionaries stellen die Vermutung an, Photobomb sei von Google bomb inspiriert, der Beeinflussung des Google-Rankings mit dem Ziel, eine bösartige Kombination von Person und Suchbegriff zu erreichen — z.B. im Jahr 2003 miserable failure und George W. Bush. Woher die Vermutung kommt, kann ich aber leider nicht nachvollziehen.
Fremdartig oder Angepasst?
Das englische Wort ist für SprecherInnen des Deutschen sofort erkennbar — es ist nicht weit entfernt von Foto und Bombe. So kommt es naturgemäß auch zu Anpassungen in der Schreibung (wie im ersten Beispiel) und zu Lehnübersetzungen (wie im zweiten):
Neben dem Substantiv tritt das Verb auf, das sich erwartungsgemäß ordentlich integriert, sich aber — ebenfalls erwartungsgemäß — nicht ganz sicher ist, wo dabei das ge des Partizips stehen soll:
Und schließlich ist da noch die Tatsache, dass das zweite <b> im Englischen zwar geschrieben, nicht aber gesprochen wird. Nach der Entlehnung könnte es zu einer Leseaussprache kommen, statt -bom würde dann -bomb gesagt — hier würde ich mich über Hinweise aus der Leserschaft freuen, gerne auf deutschsprachige Videos, in denen das Wort vorkommt.
Aufrüstung im Deutschen
Als typisches Netzphänomen findet sich Photobombing auch im deutschen Sprachraum — so ist es natürlich neben dem Weiterteilen besonders lustiger Fotos auf Facebook und Twitter perfekt geeignet für Klickstrecken, das tägliche Brot des Onlinejournalismus: Stellvertretend herausgegriffen seien Die besten Foto-Attacken bei Chip, Gut ist, was das Bild versaut bei SPON, die Gala macht mit, die OK!, die Huffington Post natürlich auch und der Focus entblödet sich nicht, weitgehend identische Fotos ((Ich hatte nicht den Nerv zu überprüfen, ob die wirklich genau gleich sind …)) gleich mehrfach zu zeigen.
Eine Datierung ist hier schwierig, die notorisch schlechte zeitliche Einordnung von Internetseiten über die Googlesuche versagt beim Photobombing komplett. Matthias Heine hat eine Verwendung aus dem Jahr 2011 bei BILD ausgemacht und verweist darauf, dass das Wort bereits im Langenscheidt’schen Jugendsprachwörterbuch verzeichnet ist. In deren Jugendwortwettbewerb war es 2013 auch eines der, letztlich glücklosen, Kandidatenwörter. Eine deutsche Wikipediaseite hat Photobombing, für das als Äquivalent Fotobombe angegeben wird, seit Mai 2014.
Eine Recherche im DeReKo liefert zwischen 2012 ((Dem ersten Jahr, das überhaupt Treffer hat.)) und 2014 nur 13 Treffer für das Wort und alle von ihm abgeleiteten Formen — allein 5 davon in einem einzigen Artikel aus der Zeit: Neben Photobombing (6 Treffer) finden sich Photobomb (1) und die eingedeutschte Form Fotobombe (1), dreimal ist von einem Fotobomber die Rede und einmal vom Fotobomben. ((Auf 1 Mio. Textwörter umgerechnet ergeben sich insgesamt die folgenden Werte, auf deren Steigerung man aber bei den geringen Zahlen besser nichts geben sollte:
(Ph|F)oto*bomb* | |
2012 | 0,003 |
2013 | 0,011 |
2014 | 0,062 |
))
Das ist nicht sehr verwunderlich: Viele Nachrichtenmagazine und Zeitungen springen im Internet auf den Zug auf, wo sie ja z.B. auch lustige Youtubevideos teilen (idealerweise ergänzt mit dem eigenen Logo oder Werbung) — in den Druck lässt sich das aber kaum übersetzen.
Fazit?
Das Photobombing hat es in traditionellen Korpora, die auf gedruckten Texten basieren, schwer, ist im Internet aber sehr präsent — auch auf den Seiten etablierter Medien. Die großen Photobombings internationaler Berühmtheiten wurden im deutschsprachigen Raum wahrgenommen, auch wenn sie oft noch als etwas fremdartig eingeordnet werden. Der Begriff leistet etwas sehr Interessantes: Er gibt einer existierenden kulturellen Praktik eine Label (oder macht eine Art Meme aus ihr?) und beeinflusst damit unsere Wahrnehmung von Fotos und vielleicht auch unser Verhalten beim Fotografiertwerden. Er lässt sich in den generell veränderten Umgang mit dem Fotografieren und Veröffentlichen von Fotos einordnen, der sich ja auch schon im Wort Selfie niedergeschlagen hat. Mir fehlt jedoch momentan noch eine gute Möglichkeit, für das Deutsche über die reinen Eindrücke hinaus eine gestiegene Verwendung im Jahr 2014 festzumachen. Ich würde Photobombing aber dennoch nicht als chancenlos betrachten.
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