Integration durch Sprachvorschriften?

Von Sprachlog

Die CSU wollte für ihren Parteitag Ende dieser Woche einen Lei­tantrag ein­brin­gen, nach dem Men­schen mit Migra­tionsh­in­ter­grund dazu „ange­hal­ten“ wer­den soll­ten, „im öffentlichen Raum und in der Fam­i­lie deutsch zu sprechen“. Hier die betr­e­f­fende Pas­sage im Zusammenhang:

Inte­gra­tion durch Sprache

Ein gesellschaftlich­es Miteinan­der funk­tion­iert nur, wenn alle dieselbe Sprache sprechen. Deshalb erwarten wir von jedem Migranten, dass er die deutsche Sprache lernt. Der Nachzug von Fam­i­lien­ange­höri­gen aus Staat­en außer­halb der EU und der Türkei soll weit­er­hin grund­sät­zlich an den Nach­weis deutsch­er Sprachken­nt­nisse vor der Ein­reise gebun­den bleiben. Für Aus­län­der, die ohne Sprachken­nt­nisse ein­reisen oder hier bleiben dür­fen, bieten wir Sprach­förderung in allen Lebensla­gen an. Wer dauer­haft hier leben will, soll dazu ange­hal­ten wer­den, im öffentlichen Raum und in der Fam­i­lie deutsch zu sprechen. [Lei­tantrag der CSU, Quelle: BR]

Das löste viel Spott und bemüht iro­nis­che Dis­tanzierun­gen der Schwest­er­partei CDU, und stel­len­weise auch die angemessene Empörung aus, sodass die CSU nicht anders kon­nte, als den Vorschlag abzu­mildern. Der entschei­dende Satz wird jet­zt wohl in etwa wie fol­gt lauten:

Wer dauer­haft hier leben will, soll motiviert wer­den, im täglichen Leben deutsch zu sprechen. [Pressemit­teilung der CSU]

Auch hin­ter dieser abgemilderten Form steck­en aber Annah­men über die Sprachken­nt­nisse und das Sprachver­hal­ten von Migrant/innen in Deutsch­land und Vorstel­lun­gen über Spracher­werb und Mehrsprachigkeit, die schlicht falsch sind, die aber dur­chaus nicht nur bei der CSU zu find­en, son­dern bre­it­er gesellschaftlich­er Kon­sens sind. Nie­mand außer der CSU will derzeit Migrant/innen ihre Fam­i­lien­sprache vorschreiben, aber viele Men­schen glauben, dass es in Deutsch­land eine nen­nenswerte Anzahl schw­er inte­grier­bar­er Men­schen mit Migra­tionsh­in­ter­grund gibt und dass man­gel­nde Sprachken­nt­nisse ein wichtiger Grund dafür sind – die Aus­sage „Sprache ist der Schlüs­sel zur Inte­gra­tion“ ist eine Art geflügeltes Wort der Integrationsdebatte.

In diesem Beitrag wollen wir diese Annah­men mit der Real­ität konfrontieren.

Wie gut sind die Deutschkenntnisse von Migrant/innen?

Der Antrag der CSU zeich­net ein Bild von ein­er Gesellschaft, in der große Teile der Zuwander/innen wegen fehlen­der Sprachken­nt­nisse und/oder fehlen­der Bere­itschaft zum Gebrauch des Deutschen am gesellschaftlichen Leben nicht teil­nehmen kön­nen. Die Wirk­lichkeit sieht anders aus: 85 Prozent der Migrant/innen in Deutsch­land sind der Mei­n­ung, wer die deutsche Sprache nicht beherrsche, könne in Deutsch­land keinen Erfolg haben. ((Sinus Socio­vi­sion (2008), Zen­trale Ergeb­nisse der Sinus-Studie über Migranten-Milieus in Deutsch­land, Hei­del­berg, SINUS Markt- und Sozial­forschung GmbH.)) Entsprechend gut sind ihre Deutschken­nt­nisse. Im Rah­men des SOEP-Forschung­spro­jek­ts des Deutschen Insti­tut für Wirtschafts­forschung (DIW) erhobene Dat­en zeigen, dass von den­jeni­gen Men­schen mit Migra­tionsh­in­ter­grund, die selb­st oder deren Eltern keine deutschen Muttersprachler/innen sind, 79 Prozent gut bis sehr gut Deutsch sprechen. Weit­ere 16 Prozent sprechen aus­re­ichend Deutsch, und nur etwas über 5 Prozent beherrschen die deutsche Sprache eher schlecht oder gar nicht. ((DIW Berlin. (2012). Wie gut sprechen Sie Deutsch?. In Sta­tista – Das Sta­tis­tik-Por­tal. Zugriff am 09. Dezem­ber 2014))

An dieser Stelle wäre ern­sthaft zu fra­gen, ob eine Gesellschaft in ein­er glob­al­isierten Welt es nicht ein­fach aushal­ten muss (und kann), wenn fünf Prozent ihrer Migrant/innen (also auf Deutsch­land bezo­gen max­i­mal ein Prozent der Einwohner/innen ins­ge­samt) die Sprache der Mehrheits­ge­sellschaft nicht beherrschen. Auch in tra­di­tionellen Ein­wan­derungslän­dern wie etwa den USA gibt es kleine Teile der Bevölkerung, die die Mehrheitssprache nicht sprechen ((Tat­säch­lich entspricht die Verteilung der Englis­chken­nt­nisse bei Migrant/innen in den USA ziem­lich genau denen der Deutschken­nt­nisse von Migrant/innen in Deutsch­land, siehe Camille Ryan (2013). Lan­guage Use in the Unit­ed States, U.S. Cen­sus Bureau.)) – das kön­nte also schlicht zur Nor­mal­ität mod­ern­er Gesellschaften gehören. Aber natür­lich spräche das nicht dage­gen, auch den let­zten fünf Prozent dabei zu helfen, Deutsch zu ler­nen, z.B. indem man ihnen, wie es der CSU-Vorschlag vor­sieht, „Sprach­förderung in allen Lebensla­gen“ anbi­etet. Anders als Vorschriften zum häus­lichen Sprachge­brauch kostet das aber natür­lich Geld, und deshalb sieht auch hier die Wirk­lichkeit oft anders aus als alle guten Absichten.

Wie sieht es mit dem Sprachgebrauch der Migrant/innen in Deutschland aus?

Nicht nur bei den Sprachken­nt­nis­sen, auch beim tat­säch­lichen Gebrauch des Deutschen entsprechen Men­schen mit Migra­tionsh­in­ter­grund nicht dem Bild, das der CSU-Antrag von ihnen zeich­net. Eine Studie des Hei­del­berg­er SINUS-Insti­tuts zeigt: In der Fam­i­lie sprechen 65% der Men­schen mit Migra­tionsh­in­ter­grund Deutsch (34% auss­chließlich oder haupt­säch­lich, 31% gle­ich­berechtigt neben ihrer Herkun­ftssprache). Weit­ere 18 Prozent sprechen über­wiegend ihre Herkun­ftssprache, aber nur 17 Prozent sprechen in der Fam­i­lie über­haupt kein Deutsch. ((z.B. Carsten Wip­per­mann und Berthold Bodo Flaig (2009). Lebenswel­ten von Migran­tinnen und Migranten, Aus Poli­tik und Zeit­geschichte 5/2009; selb­st bei Unter­suchun­gen, die nicht Migrant/innen ins­ge­samt, son­dern in Deutsch­land lebende Aus­län­der (aus Griechen­land, Ital­ien, der Türkei und dem ehe­ma­li­gen Jugoslaw­ien) unter­suchen, ist es noch eine Min­der­heit von 45 Prozent, die zu Hause auss­chließlich die Herkun­ftssprache ver­wen­det, siehe Son­ja Haug (2008) Sprach­liche Inte­gra­tion von Migranten in Deutsch­land. Work­ing Papers der Forscher­gruppe des Bun­de­samtes für Migra­tion und Flüchtlinge 14.)) Auch hier beste­ht übri­gens wieder eine erstaunlich genaue Übere­in­stim­mung mit der Sit­u­a­tion in den USA, wo es eben­falls 17 Prozent der Migrant/innen sind, die zu Hause auss­chließlich eine andere Sprache als Englisch sprechen. ((siehe Ryan 2013.))

Betra­chtet man nicht nur die Fam­i­lie, son­dern den engen Fre­un­deskreis, steigt die Zahl der Migrant/innen, die haupt­säch­lich Deutsch sprechen, auf 82 Prozent (30% auss­chließlich, 17% über­wiegend, 35 % neben ihren Herkun­fts- oder anderen Sprachen). Nur 11 Prozent sprechen haupt­säch­lich und nur 6 Prozent auss­chließlich ihre Herkun­ftssprache. ((siehe Wip­per­mann und Flaig 2009.)) Die Zahlen der SINUS-Studie wer­den auch durch die SOEP-Dat­en des DIW bestätigt, die zeigen, dass nicht-deutsche Muttersprachler/innen in Deutsch­land als Umgangssprache zu 89,71 Prozent Deutsch ver­wen­den (56,52% über­wiegend und 33,19% neben ein­er anderen Sprache) und nur 10,28 % über­wiegend ihre Herkun­ftssprache. ((DIW Berlin. (2012). Sprechen Sie per­sön­lich in Deutsch­land haupt­säch­lich Deutsch oder ihre Herkun­ftssprache?. In Sta­tista – Das Sta­tis­tik-Por­tal. Zugriff am 09. Dezem­ber 2014.))

Welchen Einfluss hat die Familiensprache auf Sprachkenntnisse?

Selb­st wenn das Prob­lem man­gel­nder umgangssprach­lich­er Ken­nt­nisse nur eine Min­der­heit der Migrant/innen in Deutsch­land bet­rifft, kön­nte man die Frage stellen, inwiefern es sich pos­i­tiv auf den Spracher­werb auswirkt, wenn in der Fam­i­lie Deutsch gesprochen wird. Auch wenn es für sprach­wis­senschaftliche Laien über­raschend sein mag, ist dies eine Frage, die in der Sprachewerb­s­forschung nicht sehr inten­siv bear­beit­et wird (aus Grün­den, die weit­er unten deut­lich werden).

Es gibt aber eine neuere Studie, die sich speziell dieser Frage wid­met: Klassert/Gagarina (2010) bericht­en, dass ein Ein­fluss der zu Hause gesproch­enen Sprache bei Kindern unter 3 Jahren vere­inzelt gezeigt wurde; die Kinder sind in diesem Alter typ­is­cher­weise haupt­säch­lich dem sprach­lichen Input der Eltern aus­ge­set­zt, und wenn diese die Sprache des Ziel­lan­des nicht sprechen, ler­nen die Kinder sie natür­lich auch nicht. Die Autorin­nen zeigen dann aber, dass dieser Ein­fluss sich schon bei vier- bis sech­sjähri­gen rus­sis­chstäm­mi­gen Kindern, die seit etwas über einem Jahr eine deutschsprachige Kita besucht­en, nicht mehr nach­weisen ließ – ob die Eltern zu Hause viel, wenig oder gar kein Deutsch sprachen, hat­te kein­er­lei Kon­se­quen­zen für die Deutschken­nt­nisse ihrer Kinder. ((Annegret Klassert und Natalia Gaga­ri­na (2010). Der Ein­fluss des elter­lichen Inputs auf die Sprachen­twick­lung bilin­gualer Kinder: Evi­denz aus rus­sis­chsprachi­gen Migranten­fam­i­lien in Berlin, Diskurs Kind­heits- und Jugend­forschung 4–2010, S. 413–425.))

Ver­schiedene Stu­di­en des GESIS Leib­niz Insti­tut für Sozial­wis­senschaften zeigen veg­le­ich­bare Ergeb­nisse für türkischstäm­mige Kinder, die im Alter von 3 Jahren in ihrem Erwerb des Deutschen hin­ter ein­sprachig-deutschen Kindern liegen, diese Lücke aber bis zum sech­sten Leben­s­jahr schließen. ((Bir­git Beck­er, Oliv­er Klein und Nicole Biedinger (2013). The devel­op­ment of cog­ni­tive, lan­guage, and cul­tur­al skills From age 3 to 6: A com­par­i­son between chil­dren of Turk­ish ori­gin and chil­dren of native-born Ger­man par­ents and the role of immi­grant par­ents’ accul­tur­a­tion to the receiv­ing soci­ety. Amer­i­can Edu­ca­tion­al Research Jour­nal 50: 616–649.))

Aber es kann doch nicht schaden, wenn Migrant/innen zu Hause deutsch sprechen?

Es ist also klar, dass aus der Per­spek­tive des Spracher­werbs keine Notwendigkeit gibt, Migrant/innen dazu „anzuhal­ten“ oder auch nur zu „motivieren“, zu Hause Deutsch zu sprechen. Wir erin­nern uns: 65 Prozent tun es ohne­hin, ganz ohne Moti­va­tion seit­ens der Poli­tik. Die, die es nicht tun, dürften einen von zwei Grün­den haben: Sie wollen es ganz bewusst nicht (dazu gle­ich mehr), oder sie kön­nen es nicht, weil ihr Deutsch nicht gut genug ist (sie also zu den 5 Prozent gehören, deren Deutschken­nt­nisse sehr schlecht oder gar nicht vorhan­den sind, oder zu den 16 Prozent, deren Deutsch zwar aus­re­ichend ist, ihnen aber für Fam­i­lienge­spräche eben nicht ausreicht).

Bei let­zteren gibt es einen sehr guten Grund, warum es eine schlechte Idee ist, wenn sie zu Hause Deutsch sprechen: Sie wären keine guten sprach­lichen Vor­bilder füreinan­der oder für ihre Kinder. Spracher­werb, vor allem Zweitspacher­werb, erfordert einen reich­halti­gen, dif­feren­zierten und authen­tis­chen Input, und den kön­nen eben nur Sprecher/innen liefern, die die betr­e­f­fende Sprache gut bis sehr gut beherrschen. In Fam­i­lien, die in schlechtem Deutsch miteinan­der kom­mu­nizieren, wür­den sich schnell vere­in­fachte und fehler­hafte Struk­turen und ein unzure­ichend aus­d­if­feren­ziertes Vok­ab­u­lar etablieren (man nen­nt das „Fos­sil­isierung“). Dieses fos­sil­isierte fehler­hafte Deutsch würde dann den Erwerb der tat­säch­lichen Struk­turen außer­halb der Fam­i­lie sog­ar erschweren.

Es gibt einen zweit­en Grund, in der Fam­i­lie die Sprache des Herkun­ft­s­lan­des zu sprechen, selb­st dort, wo die die Deutschken­nt­nisse aus­re­ichen wür­den: Nur so kön­nen die Kinder die Sprache ihrer Eltern ler­nen, und nur so kön­nen die Eltern ihre Sprachken­nt­nisse lebendig erhal­ten. Denn während es kein­er­lei pos­i­tiv­en Ein­fluss auf den Erwerb des Deutschen hat, wenn in der Fam­i­lie Deutsch gesprochen wird, hat es einen nach­weis­baren neg­a­tiv­en Ein­fluss auf den Erwerb der Herkun­ftssprache. Klassert/Gagarina (2010) zeigen, dass die Rus­sis­chken­nt­nisse der unter­sucht­en Kinder sig­nifikant davon abhän­gen, ob und wieviel Rus­sisch zu Hause gesprochen wird. Kinder, die zu Hause eine Sprache sprechen und in der Kita, der Schule usw. eine andere, erwer­ben bei­de Sprachen vollständig.

Der Erwerb der Herkun­ftssprache ist aber aus vie­len Grün­den wün­schenswert. Erstens ermöglicht er den Kindern einen Zugang zur Herkun­ft­skul­tur und zur Gedanken- und Gefühlswelt ihrer Eltern und natür­lich zu Ver­wandten, die nach wie vor im Herkun­ft­s­land leben. Ger­ade die CSU weiß um diese Zuge­hörigkeit und Ver­trautheit stif­tende Funk­tion der Mut­ter­sprache sehr genau: „Nähe und Ver­trautheit, Zuge­hörigkeit und Heimat: Mit unser­er Mundart verbinden wir Gefüh­le, die in unser­er Kind­heit gelegt wer­den. Kinder prof­i­tieren von dem Nebeneinan­der von Dialekt und Hochsprache, der soge­nan­nten inneren Mehrsprachigkeit“, ste­ht auf der Web­seite des Bay­erischen Staatsmin­is­teri­ums für Bil­dung und Kul­tus, Wis­senschaft und Kun­st zum The­ma Dialekt- und Mundart­förderung. Erset­zen wir „Mundart“ mit „Herkun­ftssprache“, gilt diese Aus­sage aber ganz genau so.

Zweit­ens birgt jede Fremd­sprache auch ein ökonomis­ches Poten­zial: Es wäre absurd, in ein­er Zeit, in der Englisch- und manch­mal sog­ar Chi­ne­sis­chunter­richt schon in den Kitas ange­boten wird, die natür­liche Mehrsprachigkeit in Fam­i­lien mit Migra­tionsh­in­ter­grund zu ver­hin­dern. Die Herkun­ft­slän­der, die die CSU bei ihren Vorschlä­gen im Sinn haben dürfte (Bul­gar­ien, Rumänien, und natür­lich die Türkei) wer­den an wirtschaftlich­er Bedeu­tung für Deutsch­land eher zu- als abnehmen, und zweis­prachige deutsch-bul­gar­ische, ‑rumänis­che oder ‑türkische Muttersprachler/innen sind – neben allem anderen – auch schlicht eine wertvolle Ressource für die Gesellschaft insgesamt.

Gibt es also gar keinen Handlungsbedarf?

Es gäbe viele Stellen, an denen die CSU (und andere Parteien) sin­nvolle, wirkungsvolle Sprach­poli­tik betreiben kön­nten. Für erwach­sene Migrant/innen sind die oben bere­its erwäh­n­ten Sprachkurse sin­nvoll und wichtig. Für Kinder ist der Kon­takt zu einem Umfeld wichtig, indem sie eben den reich­halti­gen, authen­tis­chen sprach­lichen Input erhal­ten, der für den Spracher­werb erforder­lich ist. Das kann am offen­sichtlich­sten die Kita (oder, bei älteren Kindern, die Schule) sein; dass bei Schulein­tritt sprach­liche Defizite von Kindern mit Migra­tionsh­in­ter­grund umso geringer sind, je länger sie die Kita besucht haben, ist wis­senschaftlich­er Kon­sens ((Siehe z.B. Bir­git Beck­er (2006) Der Ein­fluss des Kinder­gartens als Kon­text zum Erwerb der deutschen Sprache bei Migrantenkindern. Zeitschrift für Sozi­olo­gie 35(6), S. 449–464.)).

Die CSU kön­nte sich also mit dem Wider­spruch auseinan­der­set­zen, dass sie auf der einen Seite das Betreu­ungs­geld als lang ersehnte „Wahl­frei­heit für Eltern“ feiert und damit auch Eltern mit Migra­tionsh­in­ter­grund dazu ermutigt, ihre Kinder aus ein­er Sit­u­a­tion her­aus zu hal­ten, in der sie mut­ter­sprach­lich Deutsch erwer­ben wür­den, und auf der anderen Seite in die Wahl­frei­heit von Eltern ein­greift, wenn die mit ihren Kindern in ihrer eige­nen Mut­ter­sprache sprechen wollen.

Worum geht es dann eigentlich?

Wenn also Migrant/innen und Nicht-Migrant/in­nen längst über­wiegend „dieselbe Sprache sprechen“ und die Erwartung an Migrant/innen, „die deutsche Sprache zu erler­nen“ auch erfüllt wird, stellt sich die Frage, worum es eigentlich geht. Wenn wir den Vorschlag wohlwol­lend inter­pretieren, zeigt die Tat­sache, dass er auf falschen Grun­dan­nah­men bezüglich der Sprachken­nt­nisse und der Sprache­in­stel­lun­gen von Migrant/innen beruht min­destens, dass die CSU hier ohne die nöti­gen Sachken­nt­nisse Sprach- und Inte­gra­tionspoli­tik betreiben will. Das wäre schlimm genug, denn immer­hin berührt der Vorschlag das Diskri­m­inierungsver­bot in Artikel 3, Abs. 3 des Grundge­set­zes, in dem es heißt:

Nie­mand darf wegen seines Geschlecht­es, sein­er Abstam­mung, sein­er Rasse, sein­er Sprache, sein­er Heimat und Herkun­ft, seines Glaubens, sein­er religiösen oder poli­tis­chen Anschau­un­gen benachteiligt oder bevorzugt wer­den. Nie­mand darf wegen sein­er Behin­derung benachteiligt werden.

Auch bei ein­er wohlwol­len­den Inter­pre­ta­tion kön­nte man den Vor­wurf der Türkischen Gemeinde in Deutsch­land also nicht ganz von der Hand weisen, dass der CSU-Vorschlag „men­schen­feindlich“ und „ver­fas­sungswidrig“ ist.

Allerd­ings gibt es zumin­d­est Hin­weise darauf, dass eine allzu wohlwol­lende Inter­pre­ta­tion dem Vorschlag nicht gerecht wird. Etwa die Tat­sache, dass im sel­ben Absatz gefordert wird, dass der Nachzug von Fam­i­lien­ange­höri­gen an vorher zu erwer­bende Deutschken­nt­nisse geknüpft wer­den soll – eine Regelung, die der Europäis­che Gericht­shof vor eini­gen Monat­en als mit dem EU-Recht unvere­in­bar beurteilt. Etwa die Tat­sache, dass sie schon 2009 ver­sucht hat, die Ver­wen­dung der deutschen Sprache auf Schul­höfen vorzuschreiben. Etwa, dass sie seit langem das Ansin­nen des Vere­ins deutsche Sprache unter­stützt, das Deutsche im Grundge­setz als Staatssprache festzuschreiben (ein Ansin­nen, über dessen Prob­leme und ide­ol­o­gis­che Hin­ter­gründe wir im Sprachlog aus­führlich disku­tiert haben).

Es spricht also einiges dafür, dass es der CSU nicht vor­rangig um Inte­gra­tion oder um Sprachken­nt­nisse geht, son­dern schlicht darum, sich den Real­itäten ein­er kul­turellen (und damit auch sprach­lichen) Vielfalt zu ver­weigern, die unsere Gesellschaft längst kennzeichnet.

Ein Beitrag von Ana­tol Ste­fanow­itsch, Susanne Flach & Fatih Özcan.

47 Gedanken zu „Integration durch Sprachvorschriften?

  1. Lisa John

    Des is a ganz grossa CSU-Schmar­rn: wem­ma dahoam deitsch sprecha miasad, wia des de CSU moand, nachad war des fei as End vo da boarischn Kultua.

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  2. Evanesca Feuerblut

    Als Migran­tin und Rus­sis­chmut­ter­sprach­lerin bin ich froh, endlich einen wis­senschaftlich fundierten Artikel darüber gele­sen zu haben, was ich selb­st erlebt habe.
    Ich kon­nte bei mein­er Ein­reise kaum ein Wort Deutsch.
    3 MONATE Kita haben gere­icht, damit ich eine deutsche Schule besuchen kon­nte, wo meine Sprachken­nt­nisse aus­re­icht­en, um den All­t­ag zu über­ste­hen und ziem­lich gute Noten zu erzie­len. Mit 10 war ich in Deutsch und Englisch jew­eils eine der Klassenbesten.
    Meine zweis­prachig aufgewach­sene Schwest­er lernt Sprachen und generell Schul­stoff noch mal schneller als ich damals, weil Zweis­prachigkeit das Gehirn unfass­bar gut schult — ein Poten­tial, das man nicht ver­schleud­ern darf, ganz unab­hängig vom etwaigen ökonomis­chen Wert zweis­prachig aufgewach­sen­er Jugendlicher.
    Bish­er kon­nte ich auf “Sprecht doch zu Hause auch mal Deutsch und esst gefäl­ligst Eis­bein mit Knödeln!” immer nur hil­f­los mit den Armen fuchteln und schreien, weil das so unfass­bar bescheuert ist als Spruch und ich mir das seit 17 Jahren anhören darf.
    Jet­zt kann ich auf diesen Artikel ver­weisen und sagen: Da. Ist Unsinn, was ihr da redet. Wis­senschaftlich belegt.

    Danke, Sprachlog!

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  3. Ursula Walther

    Ein her­vor­ra­gen­der Beitrag, danke!
    Noch etwas spricht für Mut­ter­sprache in der Fam­i­lie: Erziehen ist ohne­hin voller Fall­stricke. Eltern soll­ten sich auf keinen Fall eine zusät­zliche Blöße geben, indem sie ihren pubertieren­den Nach­wuchs in ein­er Sprache zu erziehen ver­suchen, die sie nicht sich­er beherrschen.

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  4. Daniel

    Im Blogspek­tro­gramm von vor 3 Tagen hat Ihre Kol­le­gin KK auf Michael Manns LEXIKOGRAPHIEBLOG ver­linkt, wo die Schlu­drigkeit oder Mei­n­ungs­mache der Presse, die “ange­hal­ten wer­den” zu “Deutsch-Pflicht”, “sollen”, “müssen”, “dik­tieren” etc ver­fälscht, the­ma­tisiert wird. Umso mehr über­rascht es mich, dass jet­zt hier in die gle­iche Kerbe gehauen wird und von “Vorschriften” und “vorschreiben” geschrieben wird. Etwas, dass im Antrag nicht erwäh­nt wird.

    Sie schreiben auch: “Der Antrag der CSU zeich­net ein Bild von ein­er Gesellschaft, in der große Teile der Zuwander/innen wegen fehlen­der Sprachken­nt­nisse und/oder fehlen­der Bere­itschaft zum Gebrauch des Deutschen am gesellschaftlichen Leben nicht teil­nehmen kön­nen.” Das kann ich im Antrag nicht erken­nen. Ich sehe dort auch nicht, dass Fremd­sprachenken­nt­nisse als prob­lema­tisch beze­ich­net wer­den (wie sie sug­gerieren), son­dern man­gel­nde Deutschken­nt­nisse. Ist ja nicht das gleiche.

    Sie machen hier den Antrag schlechter, als er ist, wodurch er sich dann leichter als unsin­nig darstellen lässt, was nicht zulet­zt in der Poli­tik eine beliebte Meth­ode ist. Wenn Sie als Wis­senschaftler darauf zurück­greifen, muss ich annehmen, dass der Antrag gar nicht so schlecht ist oder Sie ein­fach zuwenig recher­chiert haben.

    Den Antrag kann man kri­tisieren wenn man will, man sollte dazu aber nicht auf rhetorische Tricks zurückgreifen.

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    1. Susanne Flach

      @Daniel: auch auf die Gefahr hin, dass Sie uns vor­w­er­fen, wir wür­den Wortk­lauberei betreiben: geben Sie nicht dem Drang nach, hier die Quelle der Mei­n­ungs­mache umzu­drehen. Zwar spricht der CSU-Antrag — der nie­man­dem außer dem BR vor­liegt — abwech­sel­nd von „motivieren“ oder „anhal­ten“. Bevor Sie uns aber vor­w­er­fen kön­nen, wir wür­den mit vorschreiben und Vorschrift der Mei­n­ungs­mache Vorschub leis­ten, müssen Sie aus dem Weg räu­men kön­nen, dass motivieren und anhal­ten lediglich Euphemis­men sind, was wir klar benen­nen. Und wir haben gute Gründe für diese klare Benen­nung, jet­zt und aus der Vergangenheit.

      Zweit­ens ist natür­lich das Bild, das wir dem CSU-Vorschlag zuschreiben, genau das: ein Bild, was der CSU-Vorschlag impliz­it zeich­net. Dass dieses Bild der CSU-Denke zugrunde liegt, näm­lich dass die CSU davon aus­ge­ht, dass ein Großteil der Migrant/innen nicht am deutschsprachi­gen Leben teil­nehmen kön­nte, zeigt sich schlicht daran, dass sie die Ver­wen­dung des Deutschen von den Migrant/innen ein­fordert. Dass sie es längst tun, wie wir zeigen kön­nen, ent­larvt diese Annahme besten­falls als naiv, schlimm­stens­falls als gefährliche Stimmungsmache.

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  5. Mycroft

    Schon als ich noch zur Grund­schule ging (frühe 80er), hat uns unser Relilehrer erzählt, dass es bei (damals noch so genan­nten) Gas­tar­beit­ern so sei, dass die Eltern Deutsch von ihren Kindern lernten.
    (Mit heutiger Sprache: Kinder inte­gri­eren sich schneller UND helfen ihren Eltern dabei).
    Aber das war auch in NRW.

    Ohne pin­gelig zu sein, “motivieren” muss nicht zwin­gend “zwin­gen” heißen. Die KfW “motiviert” z.B. zu Energiesanierun­gen, ohne zu zwin­gen, son­dern mit gün­sti­gen Darlehnen.
    Vllt. bekäme jede Fam­i­lie, die min. 20% deutsch spricht, 20 Euro geschenkt. Wie die CSU das nach­hal­ten will, weiß ich zwar nicht, aber dass wüsste ich im anderen Fall auch nicht. Je mehr ich darüber nach­denke, desto mehr Denk­fehler fall­en mir auf. Hmmmmm.…

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    1. Susanne Flach

      @Mycroft: Das Prob­lem ist, dass der Ver­gle­ich hinkt. Natür­lich ist motivieren nicht immer zwin­gen — in einem Kon­text (einem soge­nan­nten Frame), in denen Men­schen aber immer wieder sug­geriert wird, dass sie nicht dazuge­hören, ist das aber schlicht etwas völ­lig anderes, als in Fällen, in denen Sie jemand zu etwas bewe­gen will, was aber nichts mit Ihnen oder Ihrer Herkun­ft zu tun hat. Die Migra­tions­de­bat­te ist emo­tion­al völ­lig anders aufge­laden, als eine Energiesanierung.

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  6. P. Krämer

    Was bish­er meist in der Diskus­sion nicht berück­sichtigt wird, ist der Anfangssatz in der Forderung:

    Ein gesellschaftlich­es Miteinan­der funk­tion­iert nur, wenn alle dieselbe Sprache sprechen.”

    Auch das ist natür­lich hochide­ol­o­gisch. Die CSU pflegt damit das alte Bild der ein­sprachi­gen Nation, die ohne sys­tem­a­tis­che Zurück­drän­gung von Vielfalt ange­blich vom Zer­fall bedro­ht sei. Das ist (wie so manche andere CSU-Idee) tief­stes 19. Jahrhundert.
    Schon allein die Tat­sache, dass “dieselbe Sprache” hier im Sin­gu­lar ste­ht, ist sehr aufschlussreich.

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    1. Ursula Walther

      Schon allein die Tat­sache, dass ‘dieselbe Sprache’ hier im Sin­gu­lar ste­ht, ist sehr aufschlussreich.”

      Das würde ich nicht so eng sehen. Es ist das übliche Kom­mu­nika­tions-Blabla und bedeutet so viel wie: einan­der verstehen.

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  7. Jürgen Schönstein

    Mal davon abge­se­hen, dass ich diesen Kom­men­tar — nach der CSU-Logik — wohl bess­er in englis­ch­er Sprache schreiben sollte (ich lebe als Deutsch­er in den USA, wo ich mit mein­er aus Deutsch­land stam­menden Frau auch ganz selb­stver­ständlich — im wörtlichen Sinn — Deutsch rede, was hier dann in Analo­gie zu dem Lei­tantrag nicht akzept­abel wäre): Die Per­fi­die des Antrags liegt mein­er Ansicht nach nicht darin, dass er schein­bar offene Türen ein­tritt, indem er mehr deutsche Sprachken­nt­nisse bei Per­so­n­en anregt, deren Sprachken­nt­nisse bere­its bestens etabliert sind — sie liegt darin, dass damit ein neg­a­tives Bild über­haupt erst mal aufge­baut wird. Was wäre beispiel­sweise von einem Antrag zu hal­ten, der CSU-Poli­tik­erin­nen und ‑Poli­tik­er soll­ten dazu “anhal­ten” oder “motivieren” will, ihre Kinder zu Hause nicht mehr zu misshandeln?

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    1. Susanne Flach

      @Jürgen Schön­stein: Wir hät­ten es nicht schön­er for­mulieren kön­nen, das mit der Per­fi­die, wir haben nur das Bild gezeichnet.

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  8. Daniel

    Zwar spricht der CSU-Antrag — der nie­man­dem außer dem BR vor­liegt — abwech­sel­nd von „motivieren“ oder „anhal­ten“.”

    Ich habe ihn sehr ein­fach auf der Home­page der csu gefun­den — er liegt der ganzen Welt vor:

    http://www.csu.de/common/csu/content/csu/hauptnavigation/aktuell/meldungen/Veranstaltungen/Parteivorstand_12_2014/Leitantrag_Bildung_Migration_Integration.pdf

    … dass motivieren und anhal­ten lediglich Euphemis­men sind …”

    Ich habe (wie Michael Mann) keinen Grund gese­hen, das für Euphemis­men zu hal­ten, aber ich denke, Sie ken­nen die CSU bess­er. Trotz­dem halte ich “Vorschrift” und “vorschreiben” klar für irreführend, außer Sie hät­ten ein­deutige Anze­ichen, dass daraus ein Gesetz oder son­st ein Zwangsmit­tel wer­den soll.

    Dass dieses Bild der CSU-Denke zugrunde liegt, näm­lich dass die CSU davon aus­ge­ht, dass ein Großteil der Migrant/innen nicht am deutschsprachi­gen Leben teil­nehmen kön­nte, zeigt sich schlicht daran, dass sie die Ver­wen­dung des Deutschen von den Migrant/innen einfordert.”

    Immer­hin 11% + 6% sprechen eher nicht oder gar nicht Deutsch, 16% + 5% kön­nen es “aus­re­ichend” oder “eher schlecht oder gar nicht”, wie auch immer das definiert ist. Offen­bar ist das der CSU zuviel. Man kann das aber auch gut so finden.

    Noch zur Klassert/­Ga­ga­ri­na-Studie: die belegt doch, dass die Ver­wen­dung des Deutschen in rus­sis­chsprachi­gen Fam­i­lien keinen Ein­fluss auf die Deutschfähigkeit der Kita-Kinder hat. Dass ste­ht im Wider­spruch zu Ihrer Fos­sil­isierungs-Ver­mu­tung (dass die Eltern “keine guten sprach­lichen Vor­bilder” wären). Offen­bar spielt das keine Rolle, wenn auch noch gute sprach­liche Vor­bilder vorhan­den sind. Hinge­gen kann die sprach­liche Kom­pe­tenz der Eltern verbessert werden.

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    1. Anatol Stefanowitsch

      @ Daniel: 1.) Das Doku­ment, das Sie ver­linken, ist die über­ar­beit­ete Fas­sung. Dass die CSU nach der bre­it­en öffentlichen Empörung ihre For­mulierun­gen entschärft, ist nun wahrlich kein Beleg für die Ehrlichkeit der For­mulierun­gen. 2.) Warum wir annehmen, dass es sich bei den Wörtern „anhal­ten“ und „motivieren“ um Euphemis­men han­delt, haben wir klar dargelegt. Wenn Sie keinen Grund zu dieser Annahme sehen, ist Ihnen das unbenom­men, es trägt aber zur Debat­te nichts bei und ist deshalb nichts, was Sie uns hier in den Kom­mentaren mit­teilen müssen. 3.) Ihre Aus­sage zur Studie von Klassert/Gagarina ist rein speku­la­tiv, da die Studie nichts darüber aus­sagt, wie gut die jew­eili­gen Eltern Deutsch sprachen.

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  9. Ferrer

    Ich werde mein­er Mut­ter, die in Spanien immer auf deutsch, und meinem Vater, der in Madrid immer Kata­lanisch mit mir redete immer dafür (und für vieles andere auch) dankbar sein. Vie­len Dank für diesen Artikel, jet­zt kann ich diese Dankbarkeit noch bess­er ver­ste­hen und artikulieren.
    Der CSU mit ihren vie­len impliziten Vor­wür­fen an Fremde möchte ich nur sagen, dass das was Peter über Paul sagt, mehr über Peter als über Paul ver­rät. In diesem Falle zeugt ihre Forderung von der Borniertheit und Eng­stirnigkeit, vom fehlen­den Miteinan­der und man­gel­nder Inte­gra­tionswilligkeit (denn zur Inte­gra­tion bedarf es mehrerer, und sie wollen offen­bar nicht, dass sich Fremde inte­gri­eren) die sie anderen unter­stellen. Und das alles aus bil­ligem Wahlka­lkül. Möge der Schuss nach hin­ten losgehen!

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  10. Thomas

    »Bei [Fam­i­lienge­sprächen] gibt es einen sehr guten Grund, warum es eine schlechte Idee ist, wenn sie zu Hause Deutsch sprechen: Sie wären keine guten sprach­lichen Vor­bilder füreinan­der oder für ihre Kinder. Spracher­werb, vor allem Zweitspacher­werb, erfordert einen reich­halti­gen, dif­feren­zierten und authen­tis­chen Input, und den kön­nen eben nur Sprecher/innen liefern, die die betr­e­f­fende Sprache gut bis sehr gut beherrschen.«
    Das wider­spricht dem Blo­gein­trag (http://www.slate.com/blogs/lexicon_valley/2014/10/08/raising_bilingual_kids_should_you_speak_to_children_in_your_second_language.html), der hier im Blogspek­tro­gramm 41/2014 (http://www.sprachlog.de/2014/10/12/blogspektrogramm-412014/) ver­linkt wurde:
    »But what about this idea that non-native speak­ers pro­duce a low­er qual­i­ty of input than native speak­ers? It makes intu­itive sense—we know we make gram­mat­i­cal mis­takes in a sec­ond lan­guage, so why would­n’t chil­dren learn them?—but it’s not sup­port­ed by the evi­dence. In fact, kids who are exposed to ear­ly lan­guage from non-native speak­ers usu­al­ly grow up to be full speak­ers of that language. […]

    What most peo­ple don’t know is that not only are kids real­ly good at learn­ing lan­guages, but they also have skills that help them learn from non-native speak­ers. For one thing, they learn very quick­ly who are good lan­guage role mod­els: They can tell whether you’re a reli­able speak­er or whether your input should be tak­en with a grain of salt. Kids are also real­ly good at extrap­o­lat­ing from the pat­terns they hear and fil­ter­ing out noisy data, so even if you’re not always con­ju­gat­ing your verbs cor­rect­ly, they’ll pick up on the gen­er­al trend.«

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    1. Anatol Stefanowitsch

      @ Thomas: Es wider­spricht dem Blo­gein­trag nicht wirk­lich: Bow­ern sagt nur, dass Kinder, wenn sie außer­halb des Eltern­haus­es einen reich­halti­gen, dif­feren­zierten und authen­tis­chen Input erhal­ten, am Ende die betr­e­f­fende Sprache in jedem Fall erwer­ben. Das ste­ht außer Frage, bedeutet aber nicht, dass schlechte Sprach­mod­elle zu Hause den Erwerb­sprozess nicht erschweren.

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  11. Miria

    Also zunächst mal finde ich es schade, dass bei den Zahlen zwei Dinge zusam­men gefasst wer­den: Migranten und diejeni­gen, deren Eltern immi­gri­ert sind. Das sind zwei große Unter­schied. Wie in Artikel und auch in den Kom­mentaren richtig geschrieben, ler­nen Kinder recht schnell die deutsche Sprache, durch Schule oder Kindergarten.
    Ich sehe viel mehr ein Prob­lem bei den­jeni­gen, die im Erwach­se­nenal­ter nach Deutsch­land kom­men und keinen Kon­takt zu deutschen haben. Man hat nur Fre­unde aus dem Herkun­ft­s­land, ist Mit­glied in Vere­inen, in denen sich eben­falls in der Herkun­ftssprache unter­hal­ten wird. Schaut daheim nur TV aus dem Herkun­ft­s­land. Wie sollen diese Men­schen deutsch ler­nen oder sich direkt in Deutsch­land inte­gri­eren. Ohne die deutsche Sprache gibt es ein Prob­lem auf dem Arbeits­markt und auch beim Kon­takt mit Behör­den kann nicht immer ein Dol­metsch­er zur Stelle sein.
    Es wäre also meine Mei­n­ung nach schon wichtig, dass hier dazu motiviert wird, die deutsche Sprache zu sprechen.
    Ich schreibe hier im Übri­gen nicht über Vorurteile und Einzelfälle, son­dern über vielfach selb­st gese­henes. Ich bin in ein­er sehr mul­ti­kul­turellen Gegend aufgewach­sen und ein Großteil mein­er Fre­unde ist eben zweis­prachig aufgewach­sen, was diese sich­er ein Vorteil ist. Wenn ich aber bei Fre­un­den zu Besuch war, war es oft so, dass die Eltern sich nicht mit mir unter­hal­ten kön­nen, da da deutsch nicht aus­re­ichend war, obwohl sie teil­weise seit zehn oder sog­ar zwanzig Jahren in Deutsch­land leben.

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      1. Miria

        Bei­des ist wichtig! Man lernt eine Sprache nicht nur durch Kurse, son­dern durch immer wieder verwenden!
        Außer­dem müssen die Men­schen natür­lich diese Kurse auch besuchen.
        Also wie man es dreht, eine Moti­va­tion, die deutsche Sprache zu sprechen ist in jedem Fall wichtig, wenn man in Deutsch­land lebt!

        Antworten
  12. Fatih Özcan

    @ Miria:

    Der EuGH hat entsch­ieden, dass die Gewährung des Nachzugs der Fam­i­lien­ange­höri­gen nicht an die Bedin­gung von Sprachken­nt­nis­sen gebun­den sein darf.

    Zudem haben die wis­senschaftliche Dat­en bere­its belegt, dass nie­mand zum Deutsch sprechen “motiviert” wer­den “muss”.

    Antworten
    1. Miria

      @Fatih: Der Unter­schied zwis­chen zwin­gen bzw. zur Bedin­gung machen uns Moti­va­tion ist dir schon bekan­nt, oder? 

      Und wo ist bitte wis­senschaftlich was belegt.
      Teil­weise wirkt diese Diskus­sion schon wieder so, als wenn mehrheitlich Men­schen sprechen, die von den Real­itäten der Men­schen wenig bis keine Ahnung haben… traurig!

      Antworten
      1. Susanne Flach

        @Miria: an diesem Artikel haben Per­so­n­en geschrieben, die sich empirisch-wis­senschaftlich mit Sprache, Spracher­werb, Sprach­poli­tik, Bil­dungspoli­tik und Migra­tion sowie dem Zusam­men­spiel all dieser Dinge beschäfti­gen — Sie kön­nen davon aus­ge­hen, dass uns sowohl die Seman­tik der Begriffe bekan­nt ist, als auch deren Verwendung(skontexte) und dass uns etwas mehr als anek­doten­hafte, per­sön­liche Erleb­nisse bekan­nt sind.

        Antworten
  13. Mycroft

    @ Susanne Flach:
    Voraus­ge­set­zt, mit “motivieren” sei im Zusam­men­hang mit Migra­tion und Inte­gra­tion grund­sät­zlich “zwin­gen” gemeint, welch­es Wort müsste ein Poli­tik­er dann ver­wen­den, wenn er mal wirk­lich “motivieren” meinte? (Zu mehr Deutschunter­richt, zu mehr Tol­er­anz gegenüber Ander­s­seien­den, oder zu was auch immer die Inte­gra­tion voran treiben könnte).
    Ist nicht rhetorisch gemeint, ich habe echt keine Ahnung.

    Die Energiede­bat­te ist im Übri­gen auch nicht ger­ade emo­tions­frei. Aber ger­ade in emo­tion­shalti­gen Debat­ten muss es doch Möglichkeit­en geben, nicht-aufge­ladene Wörter zu ver­wen­den. Oder spinne ich?

    Antworten
  14. Jürgen Schönstein

    @Mycroft
    Ich empfehle hier — auch wenn es ein gewiss­es Maß an Fremd­sprachenken­nt­nis­sen erfordert — den Begriff dog whis­tle nachzuschla­gen. “Anre­gung” oder “Moti­va­tion” ist im Zusam­men­hang mit poli­tis­chem Han­deln genau so eine Hun­depfeife — die Insid­er ver­ste­hen sehr genau die schar­fen Obertöne, die damit gemeint sind (und nein, “Anre­gung” oder “Moti­va­tion” sind’s nicht).

    Antworten
  15. P. Krämer

    @Miria:
    Sich­er gibt es in der 1. Ein­wan­der­ergen­er­a­tion Men­schen, die prak­tisch kein Deutsch kön­nen. Dafür gibt’s meist sehr pro­sais­che Gründe. Viele dieser Leute müssen in schlecht bezahlten Jobs viel arbeit­en und haben wenig Zeit und Kraft für sowas wie einen Sprachkurs. (Das ken­nt jed­er, der ver­sucht, regelmäßig nach Feier­abend zu einem Abend­kurs zu gehen.)
    Viele trauen es sich nicht zu und befürcht­en zu scheit­ern. Kein Wun­der, bei den Erwartun­gen, die da geweckt wer­den: Nie­mand berück­sichtigt, dass auch bei engagierten Lern­ern der Spracher­werb einige Zeit in Anspruch nimmt. Solange es nicht per­fekt ist, bleibt man immer dem Vor­wurf aus­ge­set­zt, “nicht richtig” Deutsch zu kön­nen. Kein Wun­der, dass man sich dann auch das Üben nicht traut. Weit ver­bre­it­et ist ja lei­der auch die Ansicht, ab einem gewis­sen Alter sei Sprachen­ler­nen ein nahezu hoff­nungslos­es Unterfangen.
    Und nicht zulet­zt: Manche wis­sen nicht genau, wie sie über­haupt einen Sprachkurs bele­gen kön­nen, wie das finanziert wird, so sie Infor­ma­tio­nen bekom­men etc.

    Man­gel­nde Moti­va­tion ist von den Begrün­dun­gen die sel­tentste. Wenn die CSU sich nun genau das als Anknüp­fungspunkt her­aus­sucht, sug­geriert sie aber: Die meis­ten wollen eigentlich gar nicht. Die brauchen mal nen Schubs. Denen muss man mal sagen, wie das hier zu laufen hat.
    Deshalb ist “Moti­va­tion” in diesem Zusam­men­hang — wegen der implizierten Bedeu­tung — eben alles, aber kein Begriff der Fre­undlichkeit und Unterstützung.

    Antworten
  16. Mycroft

    Liebe Mit­disku­tierende,

    das habe ich ja ver­standen. Jet­zt ist meine Frage aber, welch­es Wort anstelle von “motivieren” oder auch “anre­gen” ver­wen­det wer­den müsste, damit beim Pub­likum “motivieren” oder “anre­gen” ankommt.
    Mal abge­se­hen davon, dass mich Euphemis­men und uneigentliche Rede generell ner­ven. Ich kriege nicht mit, was andere meinen, und andere denken, ich würde was anderes meinen, als ich sage.

    Jet­zt wird mir übri­gens auch klar, warum aus einem Vorschlag für einen Veg­gie-Tag ein “Fleis­chver­bot” wurde.

    Antworten
    1. Susanne Flach

      @Mycroft, alle: die Frage, was anstelle von motivieren oder anre­gen ver­wen­det wer­den müsste, damit auch motivieren oder anre­gen rüber kommt, hat zwei nicht auflös­bare Denk­fehler: a) geht er davon aus, dass man Migrant/innen anre­gen oder motivieren muss. Dass dem nicht so ist, haben wir oben gezeigt: denn erstens sind Migrant/innen bere­its motiviert (ihnen ist die Notwendigkeit von Sprachken­nt­nis­sen in der großen Mehrzahl bewusst und zweit­ens sprechen sie ja bere­its Deutsch). Hier hat der CSU-Vorschlag genau das erre­icht, was wir kri­tisieren: er zeich­net ein Bild von Migrant/innen, das ganz offen­sichtlich nicht der Real­ität entspricht. b) wer­den diese Begriffe ver­wen­det, in einem Kon­text, wo sie gar nicht anders inter­pretiert wer­den kön­nen (auf­grund des Bildes, was unre­flek­tierte Disku­tanden, in diesem Fall stel­lvertre­tend die CSU so gerne zeich­nen). Die deutsche Mehrheits­ge­sellschaft erwartet von Migrant/innen ein Ver­hal­ten (welch­es sie ja längst erfüllen), weil sie ihnen aber unter­stellt, es nicht zu erfüllen.

      Zusam­men ist es also ein Punkt, an dem wir nicht über Begrif­flichkeit­en disku­tieren kön­nen, weil das, was wir mit ihnen erre­ichen möcht­en, auf ein­er Grund­lage liegt, die wir mit dieser Rhetorik erst kon­stru­iert haben. Anders gesagt: der Kon­text, in dem die Mehrheits­ge­sellschaft über Migrant/innen spricht und Erwartun­gen for­muliert, lässt ver­mut­lich keine Begriffe zu, die nicht als Euphemis­mus inter­pretiert wer­den wür­den. Beson­ders tre­f­fend war der Ver­gle­ich von Jür­gen Schön­stein: wenn ich zu ein­er längst existieren­den, anerkan­nten Selb­stver­ständlichkeit „motivieren“ oder „anhal­ten“ möchte, erre­ichen Sie einen beson­ders komis­chen Effekt: der Vorschlag, CSU-Mit­glieder zu motivieren, ihre Kinder nicht mehr zu schla­gen, würde zurecht als absurd zurück­gewiesen. Er impliziert näm­lich, dass CSU-Mit­glieder ihre Kinder schlagen.

      Antworten
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  19. Dierk

    Falls Miria und Mycroft das trotz deut­lich­er Erläuterung, weshalb es per se unsin­nig ist, brauchen:

    … fän­den wir es schön, wenn Men­schen auch zu Hause die Lan­dessprache sprächen.’

    In einem poli­tis­chen Lei­tantrag wäre das entwed­er lächer­liche Über­flüs­sigkeit oder nur ein noch san­fter­er Euphemis­mus für ‘entwed­er die sprechen Deutsch oder sie fliegen — und zwar nach Hause’. Poli­tis­che Lei­tanträge haben es an sich, Forderun­gen zu stellen.*

    Wenn wir schon auf prag­ma­tis­ch­er Ebene sind, wäre es auch schön, mal zu klären, was denn eigentlich ‘Deutsch sprechen’ bedeuten soll. Heisst das, die Damen, Her­ren und Kinder müssen sich Deutschen ver­ständlich machen kön­nen? Oder müssen sie einen dem TOE­FL-Test analo­gen Deutscht­est mit min­destens 60% [wahlweise 80%, 100%] absolvieren? Müssen sie ihre Dutzende und Hun­derte Behör­denanträge ohne Hil­fe lesen, ver­ste­hen und bear­beit­en können?

    Es wurde sich in den let­zten Tagen auch darüber lustig gemacht, dass CSU-Bay­ern zu Hause schliesslich auch kein Deutsch reden, son­dern Bay­erisch. Hin und wieder find­en sich beson­ders patri­o­tis­che Bay­ern — jene, die noch an einen Lan­des­VATER glauben, am besten blaublütig -, die das Bay­erische nicht als deutschen Dialekt, son­dern als Sprache sehen. Müssen die im Lei­tantrag aufge­forderten jet­zt zu Hause in Fürth Bay­erisch reden, in Frankfurt/M hes­sisch babbele, in Husum hol­steinis­ches Platt oder gar Friesisch?

    *Ich erin­nere an die Kri­tik gegen die Anre­gung der GRÜNEN doch vielle­icht ein­mal die Woche auch in Kan­ti­nen auf Fleisch zu verzichten

    Antworten
    1. Ursula Walther

      @ Dierk:
      Die CSU hätte Migranten immer­hin ermuntern kön­nen, auch in der Fam­i­lie Deutsch zu reden. Das würde meinem Sprachver­ständ­nis nach bedeuten: “Liebe Migranten, wir wis­sen zwar, dass euer Deutsch noch nicht per­fekt ist, aber das macht nichts: sprecht es ruhig, dur­chaus auch in der Familie.”
      Von Sachken­nt­nis waren die bil­dungspoli­tis­chen Entschei­dun­gen der CSU nicht immer getrübt, insofern darf man ihnen nicht verü­beln, dass sie sowas über­haupt andenken. Immer­hin verpflichtet Bay­ern schon seit vie­len Jahren Kinder aus Fam­i­lien mit Migra­tionsh­in­ter­grund, die nicht gut genug Deutsch kön­nen, zu 240 Stun­den Deutschunter­richt vor der Ein­schu­lung. Auch das war allerd­ings eher eine poli­tis­che Entschei­dung als eine päd­a­gogis­che, denn gle­ichzeit­ig hat man den mut­ter­sprach­lichen Ergänzung­sun­ter­richt abgeschafft.

      Was nun Bairisch in Fürth bet­rifft: Um Him­mels Willen! Hier reden wir Fränkisch!

      Antworten
  20. Thomas

    @Anatol: Nein, das ist nicht die einzige Aus­sage. Sie sagt auch, dass Nicht­mut­ter­sprach­ler eben­so zur sprach­lichen Entwick­lung beitra­gen kön­nen wie Mut­ter­sprach­ler, und dass Kinder die Defizite der Nicht­mut­ter­sprach­ler her­aus­fil­tern kön­nen. Im Artikel schreibt ihr aber, dass es eine schlechte Idee ist, wenn Eltern, die schlecht deutsch sprechen, sich zu Hause mit ihren Kindern auf deutsch unterhalten.

    Antworten
    1. Susanne Flach

      @Thomas: das ist kein Wider­spruch, weil es sich auf zwei unter­schiedliche Sit­u­a­tio­nen bezieht (bzw. diese ver­mis­cht). Bow­ern spricht von einem Fall, in dem ein englis­ch­er Mut­ter­sprach­ler in den USA sich fragt, ob es in den USA sin­nvoll ist, Taga­log (seine L2) mit seinem Kind zu sprechen, das von der Mut­ter L1-Input in Taga­log bekommt. Das ist etwas anderes, als wenn in der Fam­i­lie von bei­den Eltern­teilen jew­eils nicht-mut­ter­sprach­lich­er Input in der Ziel­sprache (CSU-Vorschlagsprob­lematik) ver­mit­telt wird. Wenn es für diesen Men­schen sin­nvoll ist, L2-Taga­log zu sprechen, dann ste­ht das aber nicht im Wider­spruch zur Prob­lematik, dass es den Spracher­werb erschw­eren kön­nte. Bow­erns Aus­sage, dass Defizite von Kindern raus­ge­filtert wer­den kön­nen, ist nicht unum­strit­ten: Kinder kön­nen Defizite raus­fil­tern, aber eben auch nicht uneingeschränkt und nur zu einem gewis­sen Punkt (weil viele Fak­toren eine Rolle spie­len). Weshalb auch das nicht im Wider­spruch zu unser­er Dar­legung ist, wird klar, wenn man sich verge­gen­wär­tigt, dass es uns um (stark) defiz­itären L2-Input geht, der von bei­den Eltern kom­men würde (CSU-Vorschlag), der wiederum zur Fos­silierung führen kann.

      Antworten
    2. Anatol Stefanowitsch

      @ Thomas: Davon abge­se­hen, dass es im Prinzip egal ist, was Bow­ern sagt, da sie wed­er Exper­tin für Zweit­spracher­werb ist, noch eine Ver­linkung im Blogspek­tro­gramm bedeutet, dass wir uns ihrer Mei­n­ung anschließen: Nein, sie sagt nicht, dass Nichtmuttersprachler/innen „eben­so“ zur sprach­lichen Entwick­lung beitra­gen kön­nen wie Mut­ter­sprach­ler. Sie sagt: „So, Jim, speak to your daugh­ter in what­ev­er lan­guage you want. You won’t be doing her a dis­ser­vice by speak­ing to her in both her lan­guages. In fact, you may even be doing her a favor.“ Es „kön­nte“ (may) ihrer Mei­n­ung nach also pos­i­tiv sein, wenn Nicht-Mut­ter­sprach­ler/in­nen „in ihrer Mut­ter­sprache UND in der Fremd­sprache“ (in both lan­guages) mit ihren Kindern sprechen (und das, wie Frau Flach erk­lärt hat auch nur, wenn die Kinder ander­swo aus­re­ichend kor­rek­ten Sprach­in­put bekom­men). Tat­säch­lich würde ich Bow­ern noch nicht ein­mal in dieser Aus­sage zus­tim­men, da die Forschungslage stark nahelegt, dass es eine eher schlechte Idee ist, wenn ein Eltern­teil mit einem Kind im Spracher­erwerb zwei ver­schiedene Sprachen spricht (es erschw­ert es dem Kind, die Sprachen als zwei ver­schiedene zu erken­nen). Bow­ern ist darüber hin­aus Vertreterin der The­o­rie der „gen­er­a­tiv­en Gram­matik“, die von der Annahme aus­ge­ht, Kinder wür­den mit ein­er „Uni­ver­sal­gram­matik“ im Kopf auf die Welt kom­men und bräucht­en nur ger­ade genug Input, um festzustellen, welche Optio­nen dieser „Uni­ver­sal­gram­matik“ für eine bes­timmte Sprache gel­ten. Diese „The­o­rie“, die nicht wider­leg­bar ist und schon deshalb aus mein­er Sicht in der Wis­senschaft nichts zu suchen hat, geht (ohne irgen­deine empirische Evi­denz) davon aus, dass auch ein stark reduziert­er oder sog­ar unsys­tem­a­tisch falsch­er Input aus­re­ichen kann, um eine Sprache zu erwer­ben; selb­st in dieser The­o­rie darf der Input aber nicht sys­tem­a­tisch falsch sein – was bei fos­sil­isierten lern­er­sprach­lichen Vari­etäten aber der Fall wäre.

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  21. Pingback: #yallaCSU - Deutschpflicht für Ausländer? Ja klar, aber welches Deutsch?

  22. Mycroft

    @ Susanne Flach:
    1. nun, das habe ich befürchtet — Sprache ver­hin­dert ihre eigene Funktion.
    2. ob man jeman­den anre­gen oder motivieren muss oder nicht (weil z.B. diese “jemands” motiviert genug sind, oder weil die anzure­gende Sache nicht so wichtig oder nüt­zlich ist, wie behauptet) kann nach meinem Dafürhal­ten nicht maßge­blich dafür sein, wie das Wort inter­pretiert wer­den muss. Son­st hätte auch “Energies­paren” eine andere Bedeu­tung, wenn sich seine Nüt­zlichkeit ändert.
    3. wenn wir jet­zt annehmen, dass die CSU tat­säch­lich Men­schen dazu zwin­gen will, zu hause deutsch zu sprechen (anstatt ein­fach bil­li­gen Wahlkampf zu machen, die CSU jet­zt, nicht die Men­schen zu hause), dann gin­ge das nur mit dem ganz großen Lauschangriff: Woh­nun­gen abhören, und wenn die Abhör­ex­perten nicht ver­ste­hen, was dort gere­det wird, müssen die Bewohn­er ein Ord­nungs­geld zahlen.
    Ergo müsste die Schlagzeile lauten:
    CSU plant Stasimethoden!”
    oder so. Kam komis­cher­weise nicht. Traue ich der CSU nun nicht unbe­d­ingt zu. Deshalb habe ich weit­er­hin meine Zweifel, dass damit wirk­lich ein Zwang gemeint ist. Und nicht die 20 €.
    4. Mir bleibt dann die Lehre, dass das Wort “motivieren” oder “anre­gen” wed­er ver­wen­det wer­den kön­nen, noch durch andere Vok­a­beln erset­zt, wenn es um Migranten geht. Dass das die Fron­ten erhärtet, weil daher Migranten im Unter­schied zu sagen wir Fleis­chessern effek­tiv niemals zu irgen­det­was motiviert wer­den kön­nen, son­dern nur gezwun­gen, ist aber allen klar, oder?

    Antworten
    1. Anatol Stefanowitsch

      @ Mycroft: Es geht nicht um die Bedeu­tung von Wörtern, son­dern um die Bedeu­tung von Aus­sagen, in denen diese Wörter benutzt wer­den. Schon der Orig­i­nal­beitrag macht das deut­lich, und Frau Flach und andere haben es Ihnen aus­führlich erk­lärt. Was Sie der CSU „zutrauen“ oder nicht und welche „Lehre“ Sie daraus ziehen, ist Ihre Sache, es trägt hier aber nichts mehr zur Diskus­sion bei.

      Antworten
  23. Miria

    Im Rah­men des SOEP-Forschung­spro­jek­ts des Deutschen Insti­tut für Wirtschafts­forschung (DIW) erhobene Dat­en zeigen, dass von den­jeni­gen Men­schen mit Migra­tionsh­in­ter­grund, die selb­st oder deren Eltern keine deutschen Muttersprachler/innen sind, 79 Prozent gut bis sehr gut Deutsch sprechen. Weit­ere 16 Prozent sprechen aus­re­ichend Deutsch, und nur etwas über 5 Prozent beherrschen die deutsche Sprache eher schlecht oder gar nicht.”

    Soll das tat­säch­lich ein wis­senschaftlich­er Beleg sein, dass Migranten aus­re­ichend deutsch sprechen?
    Schon in meinem ersten Kom­men­tar habe ich gesagt, dass hier zwei Grup­pen zusam­menge­fasst wer­den, die bewusst das Ergeb­nis in eine bes­timmte Rich­tung bee­in­flussen. Auch wenn die Autoren des Artikels das vielle­icht nicht erwartet haben, sie sind hier nicht die einzi­gen, die sich mit solchen Din­gen ausken­nen! Natür­lich kön­nen 100% der­jeni­gen, die deutsche Mut­ter­sprach­ler sind (auch wenn fet­ten Eltern es nicht sind) die deutsche Sprache. Dass diese hier mit Migran­tinnen zusam­menge­fasst wer­den, die keine deutschen Mut­ter­sprach­ler sind verän­dert die gesamte Prozentzahl und lässt es so erscheinen als kön­nte ein viel größer­er Anteil der Migranten deutsch als es tat­säch­lich der Fall ist! 

    Des Weit­eren sollte Ihnen als Sprach­wis­senschaftler auch bekan­nt sein, dass nicht nur der Kon­text und der Absender ein­er Aus­sage Ein­fluss darauf haben wie diese zu ver­ste­hen ist, son­dern auch der per­sön­liche Fil­ter des Empfängers. Und hier ist klar zu erken­nen, dass dieser Artikel von Men­schen geschrieben wurde, die der CDU all­ge­mein eher neg­a­tiv gegenüber ste­hen, ob das berechtigt ist und vielle­icht gute Gründe hat, Tor dabei nichts zur Sache!
    Weit­er­hin sollte klar sein, dass in poli­tis­chen Anträ­gen niemals nur das enthal­ten ist, was eigentlich beantragt wird, son­dern immer weitre­ichende Ergänzun­gen und Erk­lärun­gen, son­st wären diese Anträge häu­fig zwei statt zwanzig und mehr Seit­en lang. Die Behaup­tung also, dass so ein Satz nicht in einem Antrag aufgenom­men wer­den würde, wenn es nicht um Zwang gin­ge ist so gese­hen ger­adezu lächer­lich. Und wenn diejeni­gen, die hier die Mei­n­ung vertreten, es gehe der CDU um Zwang, Zuhause deutsch zu sprechen, die tat­säch­lich selb­st glauben wür­den, wür­den sie viel mehr sich darüber empören wie die wohl in Zukun­ft zu kon­trol­lieren wäre (Stasi). Aber anscheinend geht es mehr darum Stim­mung gegrün­det eine Par­ty zu machen und dies mit ver­meintlich wis­senschaftlichen Stu­di­energeb­nis­sen zu bestäti­gen. Und jet­zt brauche ich auch keine Erk­lärung, dass die Studie und deren Ergeb­nisse wis­senschaftlich kor­rekt sind — stimmt wahrschein­lich, ist aber auf das hier besproch­ene The­ma wenig aussagekräftig. 

    Und zum Schluss noch was zum The­ma “per­sön­liche Anek­doten”: Ich scheine Ihnen gegenüber einem großen Vorteil zu haben, da ich neben den Zahlen und Stu­di­en auch die Real­itäten der Men­schen kenne, die hin­ter den Zahlen ste­hen. Und ich finde jed­er einzelne Men­sch und dessen Schick­sal ist wichtiger als die sta­tis­tis­che Aus­sage, sind ja nur fünf Prozent, die kein Deutsch kön­nen, darum gibt’s das Prob­lem nicht. Für diese Men­schen ist es aber ein Problem!

    Antworten
    1. Anatol Stefanowitsch

      @ Miria, natür­lich kön­nen Sie sich die Gruppe der Migrant/innen so zurecht definieren, wie Sie wollen, und dabei zum Beispiel deutsche Muttersprachler/innen auss­chließen. Sie kön­nten den Begriff „Migrant/in“ sog­ar auf Leute beschränken, die gar kein Deutsch kön­nen, das würde zu schlagzeilen­trächti­gen Aus­sagen führen, wie „100 Prozent der Migrant/innen sprechen kein Deutsch“. Nur entspricht das dann halt, anders als die Def­i­n­i­tion des SOEP, kein­er irgend­wo anders ver­wen­de­ten Def­i­n­i­tion – passt aber wun­der­bar zu dem Klis­chee, das die CSU in ihrem Antrag voraussetzt.

      Die Prozentzahl der Migrant/innen, die die deutsche Sprache beherrschen, berech­net sich nun ein­mal wis­senschaftlich aus dem Anteil der Migrant/innen, die die deutsche Sprache beherrschen. Dass Sie das nicht ver­ste­hen, haben wir ver­standen, es trägt zur Diskus­sion hier aber nicht bei.

      Ob die Autor/innen dieses Beitrags der CDU (oder bess­er der CSU, um die es ja geht) neg­a­tiv gegenüber­ste­hen, kön­nen Sie nicht beurteilen und es tut auch nichts zur Sache, denn der Beitrag stützt sich auss­chließlich auf Zahlen aus ver­lässlichen, all­ge­mein anerkan­nten Quellen. Hier gibt es keinen „Fil­ter“ irgen­dein­er Art.

      Und zum Schluss noch etwas zum The­ma „per­sön­liche Anek­doten“: Ich ziehe ja ungern die Betrof­fe­nenkarte, aber sehen Sie sich doch die Nach­na­men der Autor/innen des Beitrags noch ein­mal an. Vielle­icht fällt Ihnen etwas zum The­ma „Men­schen, die hin­ter den Zahlen ste­hen“ auf.

      Weit­ere Kom­mentare von Ihnen wer­den hier nur noch freigeschal­tet, wenn sie etwas Inhaltlich­es zur Diskus­sion beitragen.

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  24. Statistiker

    @ Miria: Sie machen den gle­ichen Fehler wie Eso­terik­er. Sie ver­wech­seln Wis­senschaft mit Anek­doten und behaupten, mit Ihren Anek­doten die Wis­senschaft wider­legen zu können.

    Mir haben die Glauboli aber auch geholfen!!!!!einself!!!!

    Wie sagte ein türkisch­er Junge namens Gökay in mein­er Hand­ball-C-Jugend: “Wir fahren jedes Jahr drei Wochen in die Türkei. Ich weiß gar nicht, was das soll, ich kann doch kein Wort Türkisch.…”

    Auch ne Anekdote.…..

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