Im September 2012 twitterte @PSchydlowski das vielfach im Internet und in Zeitungen weiterverbreitete Foto eines Schildes mit der Aufschrift:
BITTE HIER IM RESTAURANT DAS ESSEN NICHT INSTAGRAMMEN!
(Diesen Zettel bitte auch nicht!)
Unser Kandidatenwort bezeichnet eine kulturelle Praxis, die, jede Wette, in moderne Benimmratgeber eingehen wird: Das Fotografieren mit einem mobilen Endgerät, verbunden mit dem Teilen des Fotos im Web 2.0. Das scheint besonders häufig Mahlzeiten zu betreffen, aber auch Sonnenuntergänge und Selbstportraits (also Selfies) sind gut mit dabei. Dass das Phänomen einer starken gesellschaftlichen Bewertung unterliegt, zeigen Tumblrs wie Pictures of hipsters taking pictures of food oder die Nickelback-Parodie Look at this Instagram (College Humor).
Das »Instagrammen« ist eine Handlung, die sowohl off- als auch online stattfindet und von der immer nur ein Teil für die Umgebung sichtbar ist: Das Fotografieren selbst oder das Produkt des Fotografierens in Form eines Statusupdates bei Instagram, Twitter, Facebook und wie sie alle heißen.
Das Wort geht zurück auf die App Instagram, die die Nachbearbeitung und das Onlinestellen der Fotos übernimmt. Dabei kommt ein quadratisches Bild heraus, das meist auch in der Farbgebung – gewollterweise – an ein Sofortbildkamerafoto erinnert. (Also anschlussfähig für Hipster (( Für die habe ich auch den schönen Satz ich instagramme instagrammte Bilder und lad sie irgendwo hoch in einem Lied von Mad Maks gefunden. )) .)
In diesem Beitrag will ich der Frage nachgehen, woher das Verb kommt, ob es im Deutschen überhaupt eine nennenswerte Verbreitung erreicht und ob es eine Lücke im Wortschatz stopft.
Instagram, das instant telegram
Ist instagrammen überhaupt ein Anglizismus? Das ist gar nicht so leicht zu beurteilen. Ähnlich wie bei performen stellt sich die Frage, wie das Verb gebildet wurde: Es könnte im Deutschen vom Eigennamen Instagram abgeleitet sein, es könnte aber auch vom englischen to instagram kommen. Die Basis ist allerdings unumstritten: Bei Instagram handelt es sich um den Namen eines US-Onlinedienstes. Woher er kommt, erklärt der auf seiner Internetseite: ((Natürlich muss man bei solchen Gründungsmythen immer etwas skeptisch sein.))
Where does the name come from?
When we were kids we loved playing around with cameras. We loved how different types of old cameras marketed themselves as “instant” — something we take for granted today. We also felt that the snapshots people were taking were kind of like telegrams in that they got sent over the wire to others — so we figured why not combine the two? (Quelle)
Der ganze Name ist also ein Kofferwort aus den beiden englischen Wörtern instant und telegram. Darin steckt das Adjektiv instant ’sofortig’, das in der Kindheit der App-MacherInnen für die Vermarktung von Kleinbildkameras benutzt wurde. Der zweite Bestandteil, -gram, kommt vom Telegramm, weil man das gegenseitige Zusenden ähnlich fand. ((Erscheint mir nicht so durchdacht, weil Instagrams ja weniger verschickt als gepostet werden.))
Die lexikographische Erfassung unseres Kandidaten lässt schon in der Gebersprache zu wünschen übrig: Weder als Substantiv/Eigenname noch als Verb ist instagram im OED verzeichnet. Beim Collins English Dictionary gibt es zwar auch keinen Eintrag, aber dafür einen Vorschlag von NutzerIn rhirji, über den noch entschieden werden muss. Die vorgeschlagene Definition lautet:
1. Popular photography and photo sharing application 2. The act of taking or sharing a photo via Instagram
(1. Beliebte App zum Fotografieren und Teilen von Fotos 2. Ein Foto mit Instagram machen oder teilen)
Wie oft instagrammt man?
An Daten zu kommen, ist auch fürs Deutsche schwierig. Wörterbucheinträge hat das Wort keine. Auch im DeReKo, also einer Auswahl deutschsprachiger Zeitungen, ist es nicht belegt. (( Das Substantiv Instagram tritt dort 2011 zum ersten Mal auf, allerdings ausschließlich als Eigenname, in Bezug auf die Firma oder die App. Die meisten Eigennamenverwendungen kommen in der Berichterstattung über die Facebook-Übernahme und die kurzfristig geänderten AGBs vor, also 2012. Davor quasi nichts, danach bedeutend weniger. Eine Verwendung in der Bedeutung ‘mit dem Smartphone gemachtes quadratisches Foto, das in sozialen Netzwerken geteilt wird’ ist darunter nicht zu finden – im Netz gibt es das aber durchaus:
@Quiddjes und ursprünglich ist die @zauberfrau Schuld. Die hat da was gekauft und ein Instagram gemacht,dann musste ich auch da einkaufen 😉
— Christine Dingler (@punktefrau) July 11, 2012
Essen im Bauch. War zu hungrig um ein Instagram zu machen.
— Klausen van Flausen (@vanflausen) December 17, 2013
))
Treffer für instagrammen gibt es nur im Netz, wo ich sie nicht systematisch auswerten kann. Für einen Zeitraum von insgesamt zwei Wochen im Dezember habe ich einmal alle Tweets gesammelt, die <instagrammen> enthielten – von 190 Treffern waren nur 29 brauchbar. Der Rest bestand aus niederländischen oder skandinavischen Tweets. Also auch sehr mager – meist spricht man bei Twitter eben nicht über Instagramfotos, sondern setzt einfach einen Link rein.
Die Integration ins deutsche Verbalsystem verläuft erwartbar: Flektierte Formen tauchen auf (( Gesucht wurde nach <instagram(m)e>, <instagram(m)st>, <instagram(m)t>, <geinstagram(m)t>: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11 )) und werden mit den normalen Endungen schwacher Verben versehen. Ein notorischer Zweifelsfall ist die Form des Partizip II:
@schnee_vic_chen nur die eine Fuhre, die ich instagramt habe.
— roine abattu|distraught quing|bestürtzer königin (@PjotrPetka) December 18, 2013
@oneandonlyemmi ich auch nicht, irgendwer hat ein bild von ihr geinstagramt und jetzt heulen alle rum
— rapline’s slut (@samxbeh) December 13, 2013
Bei instagrammt verhält sich die Form wie telefoniert (nicht getelefoniert), designt (nicht gedesignt) und viele weitere – daneben gibt es aber auch geinstagrammt, wie gerufen und gebookmarkt. Die dritte denkbare Variante, instagegrammt, wie angerufen und downgeloaded, habe ich nicht gefunden, insta- wird also, etymologisch zurecht, nicht als trennbare Partikel wahrgenommen.
Ein Lückenfüller?
Eigentlich eignet sich instagrammen, ähnlich wie twittern, sehr gut als Verb: Es beschreibt einen im Gegensatz zu Bildungen wie facebooken relativ klar zu fassenden Vorgang, der die Nutzung eines sehr populären Internetdienstes beschreibt. Dabei ist das Instragrammen auch über das Internet hinaus sichtbar – wenn man es kennt. Andernfalls sieht es nach ganz normalem Fotografieren aus. (( Natürlich kann man sich als BeobachterIn nie ganz sicher sein, ob das Foto auch online gestellt wird. )) Gegenüber dem Twittern hat das Instagrammen den Nachteil, dass es keine Nachrichtenquelle darstellt, seine Erwähnung in Printmedien also schon deshalb unwahrscheinlicher ist.
Als Spezialform des Fotografierens kann die erste Bedeutungskomponente von instagrammen auch mit dem entsprechenden Vokabular bezeichnet werden: knipsen, fotografieren, ein Bild/Foto machen/schießen, einen Schnappschuss machen. Wenn man für eine größere Öffentlichkeit schreibt, die mit der App nicht vertraut ist, vermitteln die Foto-Wörter einen besseren Eindruck des Vorgangs, und entsprechend finden sie sich auch in journalistischen Texten. Der zweite Bestandteil, das Onlinestellen, kommt darin allerdings nicht zum Ausdruck und wird daher umschrieben:
In einem Restaurant wird mir vom Betreiber untersagt, Fotos vom Essen zu schießen und anschließend im Internet zum Beispiel bei Instagram zu posten. Ist das rechtens? (Der Tagesspiegel)
So wie die Frau im Restaurant fotografieren derzeit viele Menschen ihre Mahlzeiten. Die Bilder stellen sie in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und Instagram online, um sie mit der Internetgemeinde zu teilen. (Mittelbayerische)
Eine derartiger Aufwand lohnt sich dann, wenn man explizit über das Phänomen des Instagrammens berichtet und davon ausgehen muss, dass es der Leserschaft fremd ist. Genau das scheinen die Kontexte zu sein, in denen aktuell über die Nutzung von Instagram berichtet wird.
Der nächste Schritt, die Übernahme des Verbs mit Fremdmarkierung (Typ immer mehr Menschen »instagrammen« ihre Haustiere oder das sogenannte Instagrammen greift an Schulen um sich), ist noch nicht erreicht und von einer ganz unmarkierten Verwendung, wie sie im Internet schon auftaucht, ist erst recht nichts zu bemerken. Ob sich das ändern wird, vermag ich nicht zu beurteilen – wir sollten in ein paar Jahren noch einmal nachschauen. Wenn es die App (oder eine vergleichbare) dann noch gibt, sehe ich Chancen. Dieses Mal ist es für instagrammen aber noch zu früh.
Herzlichen Dank an den edlen Spender der Instagrambilder!
Ist ein bisschen off-topic, aber es geht mir gerade nicht mehr aus dem Kopf: Haben Sie sich hier im Blog irgendwo mal mit dem Wort “teilen” (als Übersetzung des englischen Worts “share” beschäftigt)? Das ist ja inzwischen überall im deutschsprachigen Web zu finden.
Mich stört es intuitiv (auch wenn ich sonst nichts gegen Anglizismen habe), weil ich bei “Bild teilen” oder “Beitrag teilen” instinktiv immer eine Schere vor Augen sehe… und das ist ja nicht gemeint. Bilder “mit anderen Usern teilen” stört mich da weniger, denn da ist klar, dass wohl niemand das Foto in der Mitte durchschneiden wird. “Ein Bild sharen” wäre mir persönlich sympathischer, aber das scheint sich nicht durchzusetzen.
Oops, sorry, das hat sich erledigt, denn es wurde ja alles hier
http://texttheater.net/sharen-anglizismus-2012
schon beantwortet…
Instagrammen … hab ich noch nie gehört, vill. weil ich nicht zur Hipster-Kultur gehöre?
Wenn man hier™ irgendwie Bilder “teilt”, dann idr. mit WhatsApp “Ich schick es per WhatsApp rum” e.t.c. — und das idr. durch alle Altersstufen mit denen ich zu tun habe (ca. 16 bis 60)
Teilen find ich eigentlich eine super Übersetzung, man “teilt” sich ja auch ein mal, ganz ohne eine Schere anzusetzen, oder man nimmt an den Problemen von jemand teil, auch hier ganz ohne Schere oder das man irgendetwas mit den Problemen macht.
Pingback: Wortkandidaten 2013: instagrammen | ANGLIZISMUS DES JAHRES
Pingback: Neues Verb instagrammen | better media - The Quality Content Company