Das Deutsche hat eine Sprachgemeinschaft mit über 100 Millionen Mitgliedern, von denen die meisten im Alltag nie ernsthaft mit irgendeiner anderen Sprache in Berührung kommen.
Auf deutschen Fernsehkanälen laufen nicht nur den ganzen Tag lang qualitativ zweifelhafte aber unzweifelhaft deutschsprachige Eigenproduktionen, auch Filme und Serien aus dem Ausland werden ausschließlich in deutsch synchronisierten Fassungen gesendet. Kaum noch ein Kino zeigt Filme im Original und seit Online die DVD getötet hat, wird es immer schwerer, Originalfassungen überhaupt noch zu bekommen.
In deutschen Buchläden stehen nicht nur Bücher deutscher Autor/innen, auch die Literatur anderer Länder kommt vornehmlich in übersetzter Form in den Handel.
Deutsche Universitäten sollen zwar internationale Schwergewichte werden, aber kaum eine Veranstaltung außerhalb der fremdsprachlichen Philologien wird in einer anderen Sprache angeboten als Deutsch.
In Kitas, Schulen und Betrieben wird Deutsch gesprochen. In Parks und U‑Bahnen wird Deutsch gesprochen. An deutschen Frühstückstischen reicht man sich deutsche Markenbutter und bedankt sich auf Deutsch. In Debatten um Einwanderung geht es fast ausschließlich um die deutsche Sprache als Schlüssel zur Integration in die deutsche Leitkultur. Nur im Radio läuft Musik mit englischen Texten, die aber niemand versteht, weil eigentlich alle nur Deutsch sprechen. Deutsch, deutsch, deutsch, you get the picture.
Und trotzdem macht der Verein Deutsche Sprache sich große Sorgen um, naja, die deutsche Sprache, halt. Klingt nach einem schweren Fall von sprachlicher Realitätsverweigerung. Klingt tümelig. Klingt einfach komisch. Ist aber so.
Deshalb hat der Verein Deutsche Sprache sich den Tag der, naja, deutschen Sprache, halt, ausgedacht. Ein Tag nur für die deutsche Sprache. Ein Tag, an dem die Deutschen mal so richtig die deutsche Sprache feiern dürfen. Mal ein bisschen Stolz sein dürfen, auf die deutsche Sprache. Und ein bisschen Angst haben dürfen, vor Lehnwörtern. Stolze Angst, natürlich, deutsche Angst. Und morgen, am 14. September, ist es mal wieder so weit (weil es ein ausgedachter Feiertag ist, fällt der Tag der deutschen Sprache leider immer auf einen Samstag – springt also nicht mal ein Feiertag dabei heraus).
Nun liebe ich die deutsche Sprache ja auch und will einer Feier nicht im Weg stehen. Nur, wie feiern wir etwas, das uns an 365 Tagen von morgens bis abends umgibt? Wie feiern wir etwas, das jeden Tag hart für uns arbeitet, das uns zum Lachen und zum Nachdenken bringt, das uns von der Wiege bis ins Grab und vom plappern des Radioweckers bis in unsere Träume begleitet?
Ich finde, am besten feiern wir die deutsche Sprache, indem wir ihr mal einen Tag Pause gönnen. Sie soll sich aufs Sofa setzen, die Beiwörter hochlegen, einfach mal den Sprachgeist baumeln lassen. Schonen wir die deutsche Sprache wenigstens an einem Tag im Jahr, indem wir zum Beispiel Englisch sprechen, twittern und bloggen – oder Russisch, Spanisch, Swahili, Türkisch, Vietnamesisch und all die anderen Sprachen, die sich sonst immer vornehm zurückhalten, wenn in Deutschland kommunikative Arbeit zu erledigen ist. Die deutsche Sprache wird es uns danken!
[Wer sich am Ruhetag der Deutschen Sprache beteiligen oder auf ihn hinweisen will, kann dazu die folgenden Sinnsprüche frei verwenden…
…oder sich einen eigenen ausdenken:
Der korrekte Gruß zum Ruhetag der deutschen Sprache ist übrigens Happy Ruhetag.]
Ja Mensch, ich haette ja gerne mit dem VDS gefeiert, aber in Hamburg gab es zur Feier des Tags der deutschen Sprache leider nur am 2.9. die Verleihung eines Plattdeutsch-Preises in der Geriatrie im Krankenhaus Wandsbek…
Det kan vi väl göra och det skulle bli ganska så roligt, tycker jag. Men jag befara att kretsen av de som skulle förstå det jag twittra på just den dagen skulle tyvärr bli ganska så liten.
Also überleg’ ich’s mir lieber doch noch mal, so verlockend und sympathisch die Idee auch ist… 😉
Wäre es nicht, da wir nicht wissen, ob unser Gegenüber den Ruhetag auch so begeht wie wir, angemessener weil neutraler, “Happy Feiertag” oder noch besser nur “Happy Tag” zu sagen?
Ich bin jedenfalls dabei, falls mir morgen was zum Bloggen einfällt.
Ein schöner Vorschlag, jetzt muss ich nur noch meine Freund*innen überzeugen, haha.
Allerdings habe ich gerade durch die vielen Möglichkeiten des Streamens viel eher den Eindruck, dass Englisch erreichbarer ist als bspw. auf der DVD, und zum Teil eben auch notwendig — wenn es nämlich keine deutsche Version hochgeladen gibt.
Und früher zumindest lief auf MTV — ehe es zum payTV wurde — oft noch das englische Original mit deutschen Untertiteln. Wie das heute ist und wie das bei Sendern wie VIVA ist, weiß ich allerdings nicht.
Trotzdem — und da gebe ich Ihnen Recht — bleibt das Grundgefühl von einem Deutsch, das einfach zu gerne gesprochen und gesendet wird.
“Deutsche Universitäten sollen zwar internationale Schwergewichte werden, aber kaum eine Veranstaltung außerhalb der fremdsprachlichen Philologien wird in einer anderen Sprache angeboten als Deutsch.” — das sehe ich anders, ist aber nur ein subjektiver Eindruck. Kennst du eine seriöse Erhebung dazu?
@Muriel: wie wärs mit “make my day”?
@Lothar Lemnitzer: Gekauft.
@ Lothar Lemnitzer: vor ein paar Monaten hat Susanne Flach hier über Deutsch als Unterrichtssprache gebloggt: http://www.sprachlog.de/2013/01/09/wissenschaftsunterrichtssprache-deutsch/
Übrigens ist auch in Fremdsprachenphilologien — außer Englisch — tendenziell Deutsch die Unterrichtssprache. Schaut man sich die Sprachkompetenzen an, die Studienanfänger mitbringen, ist das zumindest zu Anfang wohl kein Fehler, sonst wäre da praktisch überhaupt keine Vermittlung von Inhalten möglich. Während es wohl kaum anders geht, als italienische/norwegische/tschechische Literatur- und Sprachwissenschaft auf Deutsch zu unterrichten, weil kaum jemand auf der Schule Italienisch/Norwegisch/Tschechisch lernen konnte, so ist es doch bedauerlich, dass auch in Schulsprachen das Niveau oft nicht für akademische Inhalte reicht.
labai ačiu!
Wo der olle Göte auf dem Sofa lümmelt: “Ich verfluche alle negativen Purismen, dass man ein Wort nicht brauchen soll, in welchem eine andere Sprache Vieles oder Zarteres gefasst hat.”
Prachtig stukje, erg geestig!
Der Google-Translator übersetzt “labai ačiu!” auf Deutsch mit “Thank you very much!” (auf Englisch übrigens auch).
Die nehmen das mit dem Ruhetag für Deutsch sehr ernst.
Thank you. I like this blog
Der Autor beschwert sich, dass zu viel deutsch gesprochen wird und 100 Mio. Deutschsprachige kaum mit einer anderen Sprache in Berührung kommen? Erstens ist genau das Gegenteil der Fall und zweitens würde sich nie einer in den USA oder England derart abfällig über die eigene Sprache äußern. Niemals würde sich da einer beschweren, dass alles, wirklich alles ausschließlich in englisch angeboten wird. Ich empfehle den Autor auszuwandern oder zumindest viel im nichtdeutschsprachigen Ausland Urlaub zu machen und uns mit seinen Ausführungen zu verschonen.
Aus dem aktuellen Wahlprogramm der FDP noch dieses: “Hierzu soll, unabhängig von der mittel- bis langfristigen Förderung von Deutsch als Fremdsprache, Englisch als ergänzende Verkehrs- und Arbeitssprache in Bereichen der öffentlichen Verwaltung gefördert und etabliert werden, die für die gezielte Zuwanderung relevant sind.”
Herr Guse, schon mal in den USA oder England* gewesen? Vermutlich nicht. Selbst in einer viel kleineren Region als den USA, sagen wir New York City, finden sie eine ganze Reihe von Sprachen [inkl. verschiedenen deutschen, darunter Yiddish]. In vielen Staaten gibt es sogar mehrere Amtssprachen, von denen nicht immer Amerikanisch die am meisten benutzte ist.
Ich finde die Idee, den Tag der toitschen Sprache zu begehen, wie wir den Muttertag feiern, nicht übel.
*Da Sie explizit England nennen, gehe ich davon aus, dass ich Ihnen nicht mit unterschiedlichen Gälischformen oder Schottisch** kommen kann, aber auch in England selbst werden mehr Sprachen als Englisch gesprochen.
**Yip, Schottisch, nicht schottisches Gälisch.
In spite of having grown up in German monolingually, studying German at university, and living a largely monolingual everday life, I’m routinely blogging in English if I get to writing something once in a while. I suppose that this way, I occasionally allow the German language some rest already anyway, not just on a single, specially designated day?
http://i44.tinypic.com/10igi9y.png
Хорошая идея! С Праздником Немецкого Языка!
@Carsten Guse: “Das genaue Gegenteil”? Was bitte ist damit gemeint? Dass 100 Millionen Deutschsprachige häufig oder auch nur regelmäßig mit anderen Sprachen in Kontakt kommen?
Außerdem muss man sich schon schwer verrenken, um Herrn Stefanowitschs Einleitung als Verachtung der deutschen Sprache zu verstehen. Hier wird deutlich gemacht, wie eminent sinnlos die Aktivitäten des VDS in Bezug auf den German Language Day wirklich sind, weil an der deutschen Sprache in diesem Land nun wirklich kein Mangel besteht.
Oh, und “dann geh doch”? Sind wir wirklich wieder auf dem Niveau von “geh doch nach drüben” angekommen? Darf man sich hierzulande über nichts mehr aufregen, ohne dass einem sofort die Auswanderung nahegelegt wird? Ich hatte gehofft, diese Zeiten wären vorbei…
Guten Ruhetag.
Ein Zufall hat mich dieses Bloggebilde finden lassen …
Die Alternative zu so vielem anderen Klöterkram.
Dankeschön from Hannover, dem Universum im Norden !
glad i ideen.
@ Carsten Guse: Der Dativ ist nicht so schwierig, wie man denkt.….
Pingback: Muttertag der deutschen Sprache | gnaddrig ad libitum
@Statistiker:
Müsste die drei letzten Wörter nicht heißen “…wem man dankt”?
😉
Die ersten Absätze klingen erstmal so, als müsse man sich dafür schämen, synchronisierte Filme zu gucken.
Im 6. Absatz wird dann zwar klar, daß Du nur die Privilegien aufgezählt hast, über die wir Deutschsprecher froh sein können, aber meine Gedanken fanden vorher schon Begründungen, wieso das stimmen könnte. Und wegen dem “belief perseverance” schäme ich mich jetzt immer noch:
http://www.sueddeutsche.de/wissen/psychologie-des-starrkopfs-was-kuemmern-uns-die-fakten-wenn-wir-eine-meinung-haben‑1.1765779
(Wußtet Ihr, daß J.W.s Beine auf den Bildern da oben viel zu lang sind? Guckt mal genau hin!
Und das letzte Bild benötigt keinen weiteren Text.)
Mein Vorschlag zum Tag der Deutschen Sprache wäre der Jahrestag von Martin Luthers Tintenfaßwurf nach dem Teufel.
Gibt es da Meinugen von Historikern, wann genau das war?
An der Idee, es gäbe “eine” deutsche Sprache, bzw. eine gute und andere schlechte, ist er maßgeblich Mitschuld.
Und die Szene gäbe ein nettes Symbolbild ab.
Als Student eines Masters in Management an einer deutschen Universität kann ich zumindest eine Anekdote gegen die Uni-These hier liefern…ich habe in meinem gesamten Masterstudium bis jetzt exakt einen Kurs auf Deutsch belegt, alle anderen waren auf Englisch. Und ganz ehrlich: Gut so!
Bei der Einleitung fragte ich mich immer wieder, ob das ironisch gemeint sein soll:
Seit der Digitalisierung der Kinos gibt es viel mehr Vorstellungen in OF, vor allem auch von Mainstreampopcornblockbustern (glücklicherweise selten in 3D), während Doku‑, Kunst- und Indiefilme im Programmkino schon immer wie Opern in OmU unter Ausschluss der Öffentlichkeit liefen.
Auf Silberscheibe gibt bzw. gab es oft viele Sprachfassungen im Pauschalpaket, im Netz sind die eher separat und manchmal nur auf grauen Umwegen erhältlich, dafür umfassender.
Ähnliches gilt für Bücher; mangels Preisbindung ist das Original oft sogar billiger runtergeladen.
Bilinguale Kitas boomen, in den meisten anderen ist Deutsch die Fremdsprache.
Im ÖPNV höre ich nur selten eine Unterhaltung auf Hochdeutsch.
Wowereit!