posten [Anglizismus 2012]

Von Susanne Flach

Nachtwerk­er hat uns posten beschert, was zu sein­er „eige­nen Über­raschung“ Runde 1 über­standen hat. Die Skep­sis war nicht unbe­grün­det: „Ach was, viel zu alt!“. Aber eine kon­tinuier­liche Steigerung seit Jahren ist eine Möglichkeit, das Kri­teri­um FREQUENZZUWACHS zu inter­pretieren: Und: posten ist wirk­lich nicht unspannend.

Ursprung & Integration

posten hat einen Ein­trag im Duden (und ste­ht natür­lich auf sonem Anglizis­menin­dex, aber der wächst erfahrungs­gemäß schneller, als Sie fail! sagen kön­nen). Im DUDEN liest man zum Ursprung: „englisch to post, eigentlich = mit der Post ver­schick­en, zu: post < franzö­sisch poste“. Die konzeptuelle und orthografis­che Par­al­lele zur deutschen Post ist nahe­liegend, ety­mol­o­gisch nicht falsch und kön­nte dazu geführt haben, es beson­ders mit schreiben, aber auch den Alter­na­tiv­en senden oder schick­en ein­deutschen zu wollen (die ganz uner­schüt­ter­lichen schla­gen auch schon mal veröf­fentlichen, kom­men­tieren oder ein­stellen vor).

Des Dudens Aussprachehil­fe ist [poʊstn] (mit [oʊ] an nor­damerikanis­che Vari­etäten angelehnt; im britis­chen Englisch ist es [əʊ]). Weil mich das nicht überzeugt hat, habe ich vor der Bib­lio­thek kurz­er­hand zwei hip­pen jun­gen Men­schen [po:stn] aus dem akustis­chen Jute­beu­tel geleiert und nehme das mal als heute gängigere Form an. Im Gegen­satz zur deutschen Post (kurz­er hal­bof­fen­er Vokal) liegt bei posten ein langer hal­bgeschlossen­er Vokal vor. Das ist wenig ver­wun­der­lich: /oʊ/ ist ein Laut (z.b. wie in go, low oder boat), den wir im Deutschen nicht haben und deshalb mit Bor­d­mit­tel erset­zen. Das ist ein nor­maler Vor­gang und ist bei Alt-Anglizis­men wie Koks nicht mehr erkennbar ([ko:ks] statt [kəʊks]). ((Sie sehen, wir näh­ern uns der Fort­set­zung der Keks-Trilo­gie.))

Auch mor­phol­o­gisch fügt sich posten naht­los ins heimis­che Flex­ion­spar­a­dig­ma: ich poste, du postest, sie postet oder er hat gepostetAnders als bei manchen Entlehnun­gen gibt’s bei posten kaum orthografis­che Ver­wirrung: gepostet ist mit über 5 Mil­lio­nen Google-Tre­f­fern deut­lich vor gepost­ed mit etwa ein­er hal­ben Mil­lion. Das kön­nte an der laut­lich bere­its erfol­gten Inte­gra­tion liegen und/oder ist durch das <t> im Stamm von posten begün­stigt (bei adden beispiel­sweise ist das Ver­hält­nis etwa 2:1 für geadded). Auch im Teilko­r­pus „Wikipedia-Diskus­sio­nen 2003–2011“ im DeReKo liegt gepostet mit etwa 1,400 Tre­f­fern klar vor gepost­ed mit 29.

Schreiben? veröffentlichen? Posten!

Wir posten Fotos, Sta­tus­meldun­gen, Videos oder Links auf Face­book, Beiträge auf Blogs oder Kom­mentare und Tipps in Foren und Mail­inglis­ten. Nun kön­nte man auch sagen, dass man einen Blog­beitrag schreibt, Fotos veröf­fentlichtNachricht­en inner­halb ein­er Mail­inglist sendet/verschickt oder in Foren kom­men­tiert. Zu argu­men­tieren, dass wir mit posten ein Wort für all diese Dinge haben, würde diesen Beitrag aber nur unnötig abkürzen und posten aus dem Ren­nen werfen.

Denn wir kön­nen keine Büch­er posten (sehr wohl aber schreibenveröf­fentlichen oder schick­en), Lady Gaga postet keine neue Sin­gle (höch­stens das dazuge­hörige Video), und ob ich einen Kom­men­tar poste oder einen Kom­men­tar kom­men­tiere sind zwei ver­schiedene Dinge. Aber auch hier wäre die Diskus­sion eher langweilig.

Neben dem seman­tis­chen Unter­schied, welche nicht-/realen Objek­te ich posten kann oder nicht, liegt eine syn­tak­tis­che Erk­lärung darin, mit welch­er Argu­mentstruk­tur posten über­wiegend assozi­iert ist. Anders als viele poten­tielle Konkur­renten wie schicken/schreiben wird posten meist tran­si­tiv ver­wen­det (das hat es mit veröf­fentlichen gemein), etwa ich poste ein Bild oder er postet seine Mei­n­ung (im Forum); sel­tener intran­si­tiv (sie postet oft nachts) und noch sel­tener ditran­si­tiv. Eine ditran­si­tive Ver­wen­dung würde ein/e Empfänger/in und einen intendierten Trans­fer implizieren und braucht deshalb einen beson­deren Inter­pre­ta­tion­skon­text: ?ich poste dir mor­gen einen Link (auf die Wall) oder ??sie postet ihrem Pro­fil ein Video.

Warum? Weil der Prozess des Postens bzw. das, was wir posten, keine/n lokalisierbare/n, bestimmte/n Empfänger/in hat oder haben muss. Zumin­d­est liegt der Fokus über­haupt nicht darauf, den Trans­fer­vor­gang zu jeman­dem abzuschließen oder zu beto­nen: ich kön­nte mir nen Wolf posten mit Bildern, Sta­tus­meldun­gen, Links, Kom­mentare, Blog­beiträge und Videos — unab­hängig davon, ob’s jemand sieht, hätte ich immer noch Bilder, Sta­tus­meldun­gen, Links, Kom­mentare, Blog­beiträge und Videos gepostet (aber immer noch nicht geschickt).

Damit unter­schei­det sich posten grundle­gend von schreiben oder schick­en (wer hat sich eigentlich und übri­gens diese Alter­na­tiv­en aus welchem Ärmel gezo­gen?), die in ihrer pro­to­typ­is­chen Ver­wen­dung ditran­si­tiv sind und deshalb mit Prozessen von DINGEN/OBJEKTEN > EMPFÄNGER/INNEN assozi­iert sind (ich schreibe dir einen Brief, er schickt mir ein Paket). Weil in tran­si­tiv­en Ver­wen­dun­gen wie bei posten das indi­rek­te Objekt fehlt, fehlt natür­lich auch der Fokus auf den Empfänger/innen.

Und bei schreiben und schick­en (trans.) son­st so? Die Behaup­tung, diese bei­den Alter­na­tiv­en wer­den über­wiegend ditran­si­tiv ver­wen­det, fehlt ein Plau­si­bil­itätskern. Klar, denn sie kön­nen einen Kom­men­tar schreiben, dessen Sig­nale nie­mand wirk­lich empfängt (ich schreibe einen Beitrag). Aber schreiben Sie tat­säch­lich URLs und RAW-Dat­en in Ihre Sta­tuszeile bei Face­book? Eben. Die These wäre dann ja noch zusät­zlich, dass man mit posten üblicher­weise das Ver­bre­it­en von Din­gen und Gedanken beze­ich­net, die gar keinen schreiberischen Charak­ter haben, oder, wenn das bei Sta­tus­meldun­gen doch der Fall ist, der Fokus auf dem Gesamtkunst­werk liegt. Aber selb­st wenn Sie URLs abtip­pen wür­den (nein, nein, es heißt nicht copy & post), beze­ich­nen wir den abgeschlosse­nen oder geplanten Vor­gang mit posten, nicht den Prozess des, äh, Abtippens.

Gepostete Daten

Eine lose Belegsamm­lung aus den Wikipedia-Diskus­sio­nen (DeReKo):

Den Link zum Raub­druck-Ver­lag habe ich gepostet, falls du dir das Heft zum Nach­le­sen kaufen willst. [WDD11/A00.16711]

Sor­ry dass ich anonym poste, aber ich habe mich noch nicht angemeldet. [WDD11/A01.05660]

darf ich jet­zt trotz­dem was posten, auch wenn ich (noch) nicht auf alle argu­mente einge­he? [WDD11/A00.10032]

Ich wäre dir dankbar, wenn Du hier mal zu deinem Males­ta entsprechende Links posten würdest. Vielle­icht wirds dann ja klar­er. [WDD11/A00.16711]

Im übri­gen poste ich Beiträge wenn ich Zeit und Lust dazu habe und nicht wenn du es dir wün­scht. [WDD11/A02.06862]

Er hat ihn ein­fach nur aus Prinzip gepostet … typ­isch. [WDD11/A02.82922]

Der Fokus liegt hier natür­lich auf der inter­ak­tiv­en Kom­mu­nika­tion zwis­chen Wikipedia-Autor/in­nen mit erhofften Empfänger/innen, aber die tran­si­tive Ver­wen­dung über­wiegt (Links, Quellen, Beiträge, Mei­n­un­gen). Weil nach gut 100 Bele­gen keine ditran­si­tive Ver­wen­dung zu find­en war, habe ich auf Google expliz­it danach gesucht:

Like & ich poste dir was auf die pin­nwand [Quelle]

ich poste dir meinen skype­na­men pri­vat. [aus einem Coach­ing-Forum]

Ich poste dir mal einen trig­ger mit dem man per aufer­ste­hung Helden wieder­bel­ben kann, den musst du prinzip­iell nur noch an deinen anpassen [aus einem Gam­ing-Forum, mit Code]

Im Unter­schied zu kom­men­tieren oder veröf­fentlichen ist die ditran­si­tive Ver­wen­dung aber dur­chaus möglich (bei ?Ich veröf­fentliche ihr was auf die Pin­nwand wär ich skep­tisch). In diesen Beispie­len tritt die Trans­ferbe­deu­tung in den Vorder­grund: Inten­tion und ein Fokus auf Emp­fang und Empfänger/in. Denn entwed­er ist posten in der Bedeu­tung von schicken/emailen zu ver­ste­hen (1 & 2, wobei in 2 eine eher untyp­is­che Ver­wen­dung vor­liegt) oder, wie im let­zten Beispiel, erfüllt das dir eine Funk­tion ‚hab ich mal extra für dich gemacht und eingestellt‘.

Vielle­icht ist es ein quan­ti­ta­tiv wack­liger Ver­such. Aber die Ten­denz ist ein­deutig: posten hat sich seman­tisch und konzeptuell und syn­tak­tisch in genau die Lücke geset­zt, die das Web im deutschen Inven­tar geris­sen hat. Von der Beschränkung auf einen irgend­wie konkreten, aber irgend­wie nicht-physikalis­chen Kon­texts natür­lich ganz zu schweigen. 

Fazit (postende)

Bei son­er Wahl sollte man sich immer über­raschen lassen.

16 Gedanken zu „posten [Anglizismus 2012]

  1. Evanesca Feuerblut

    Posten” — Teil meines Wortschatzes seit mit­tler­weile gut… sieben Jahren.
    Ich dif­feren­ziere dabei immer zwis­chen “Ich schreibe dir eine PN mit dem Link” und “Ich poste den Link mal im Forum”.
    Darum hätte ich “posten” spon­tan auch niemals mit “schick­en” gleichgesetzt 🙂

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  2. Katharina

    Im Schweiz­erdeutschen ste­ht “posten” auch ursp. für “Besorgun­gen machen”, heute eher so für “Einkaufen gehen”, aber ursprünglich war damit wohl der Besuch im Dorf gemeint, ver­bun­den mit dem Gang auf die Post und in den Dor­fladen. Wenn ich heute “posten” gehe, dann gehe ich Nahrungsmit­tel einkaufen.

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  3. Ky

    Das Wort “posten” ist mir ger­ade sehr sym­pa­thisch gewor­den. 🙂 Bish­er hat­te ich es eigentlich nicht hin­ter­fragt. Ich finde den Beitrag inter­es­sant und richtig, kön­nte zudem noch Par­al­le­len anbi­eten: Man kön­nte sagen, Luther hat seine The­sen an die Kirchen­tür gepostet ;). Und ana­log benutzen wir Poster in ganz ähn­lich­er Weise. Und jed­er ken­nt und liebt ja die Pos­tIt-Zettelchen im Büro … Vielle­icht auch Gründe, warum das Wörtchen so gut akzep­tiert wurde.

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  4. klappnase

    Ehrlich gesagt, mich über­rascht es auch, dass “posten” es in die Endrunde geschafft hat, für mein Empfind­en ist der Begriff viel zu alt. Ich finde auch, dass die ver­link­te Google-Trends-Grafik die Nominierung für 2012 nicht stützt, wenn man nach der geht wäre es eher ein heiss­er Kan­di­dat für den AdM Feb. 2006 gewesen 😉

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  5. klappnase

    @Evanesca:
    Wahrschein­lich nicht, ich ver­mute, der erste Ein­trag war: “Posten, posten, posten und nochmals posten” * 10^6 ?? 😉

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  6. Klaus

    @Leo Kor­rekt, das posten kommt aus dem USENET. Dort wur­den die Artikel im Englis­chen als “post­ing” bezeichnet.
    Die dama­lige News-Soft­ware (b‑news von 1985) bein­hal­tete auch das Pro­gramm “post­news”. Dazu habe ich auch die Man­page eines Unix-V8 gefun­den, bei der das Sys­tem mit­geliefert wurde: http://man.cat‑v.org/unix_8th/1/postnews

    Daraus leit­et sich dann auch wieder die beliebte “Emi­ly Post­news” (Ver­ball­hor­nung von Emi­ly Post, ein­er Autorin von Ben­imm­büch­ern) ab.

    Daher wird sich auch das Posten als Veröf­fentlichung von Artikel einge­bürg­ert haben. Die Leute ver­wen­de­ten ja auch “post­news” um ihre Artikel zu senden.

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  7. Leo

    @Klaus, @All

    Nach­dem sich der Zeit­punkt der Ein­führung des Smi­leys in die Kom­mu­nika­tion rel­a­tiv genau bes­tim­men läßt fände ich es span­nend zu erfahren wann “posten/gepostet” erst­mals in einem deutschsprachi­gen (!) Artikel auf­taucht. Die früh­sten Ein­träge die ich finde datieren Mitte 1989. Gibt es noch frühere? 

    P.S: Meine erste Inter­net/Usenet-Erfahrung und damit ver­mut­lich mein erste Begeg­nung mit dem Wort stammt aus dem Jahr ~1994. 😉

    Antworten
  8. Klaus

    @Leo ver­mut­lich nicht. Vor der Hier­ar­chie de.* gab es zwei mit deutschsprachige Hierarchien:

    1) sub.* des sub-Net e.V. in dem Pri­vatleute damals über UUCP (nicht Inter­net) ihre News bezo­gen und
    2) dnet.* der Uni­ver­sität Dort­mund, welche für Uni­ver­sitäten und Gewer­be­treibende (zu hor­ren­den Preisen) Inter­net und UUCP anbot.

    Der sub-Net e.V. ist erst 1989 gegrün­det wor­den. Auch die Uni Dort­mund hat erst 1988 ihre Verbindung zum Inter­net aufgenom­men. Da gab es natür­lich erst ein­mal keine deutschsprachi­gen Grup­pen. Der ersten Artikel in dnet.* bei Google ist von Dezem­ber 1988 und der ist in Englisch geschrieben.

    Daher dürfte 1989 genau das Jahr sein, ab dem gepostet wurde.

    Antworten
  9. Leo

    @Klaus

    Vie­len Dank! Ich hätte gedacht die deutschsprachi­gen Teile von sub.* und dnet.* (die Zusam­men­le­gung zu de.* im Jahr 1992 hat­te ich der Wikipedia ent­nom­men ‚-)) sind noch älter und ggf. nicht in dem Archiv vorhanden.

    In “Ref­eren­zko­r­pus” Google-News­group-Archiv finde ich gepostet/geposted BIS 2003 im Ver­hält­nis 101.000/11.000 (9:1) und zwis­chen 2010 — 2013 im Ver­hält­nis 30:1. Hier lässt sich sehr schön eine Entwick­lung ausmachen.

    Ich bin zwar kein Sprach­wis­senschaftler aber ich denke, dass das News­group-Archiv ein Riesen­fun­dus für die Erforschung von Sprachen­twick­lung ist. Vor allem weil es sehr viel näher an der Alltagssprache/Umgangssprache ist als der DeReKo, der doch eher “Press­esprache” repräsen­tiert und in dem sich Entwick­lun­gen oft erst Jahre später manifestieren.

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  10. naddy

    Ursprung: „englisch to post, eigentlich = mit der Post verschicken”

    Mooo­ment. Diese Ety­molo­gie ist falsch. Für diejeni­gen, die das Wort schon seit den Anfän­gen des (deutschen) Usenet ken­nen, ist die ursprüngliche Kon­no­ta­tion “to post a notice”, eine Notiz an einem virtuellen Brett ANSCHLAGEN. Ver­gle­iche auch die Bul­letin Board Sys­tems, wo eben­falls die Meta­pher des Anschla­gens von Mit­teilun­gen an einem öffentlichen Notizbrett ver­wen­det wurde.

    Diese Bedeu­tung von engl. “to post” leit­et sich von “post”, Pfos­ten, Pfahl, ab und nicht von der Post.

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