Wie die österreichische Zeitung Der Standard vor einigen Tagen berichtet hat, haben sich SPÖ, ÖVP und Grüne darauf geeinigt, den Sexismus (wenigstens teilweise) aus dem Text der österreichischen „Bundeshymne“ zu entfernen. Die Hymne beginnt wie folgt:
Land der Berge, Land am Strome,
Land der Äcker, Land der Dome,
Land der Hämmer, zukunftsreich!
Heimat bist du großer Söhne,
Volk, begnadet für das Schöne,
Vielgerühmtes Österreich …
Die dritte Zeile soll nun so umgedichtet werden, dass neben den Söhnen auch die Töchter Erwähnung finden. Dabei ist die Möglichkeit Heimat großer Töchter, Söhne ebenso im Gespräch, wie Heimat bist du großer Töchter und großer Söhne (wobei mir nicht klar ist, wie letzteres metrisch eingepasst werden soll).
Da mich schon an der Marginalisierung von Frauen bei Legofiguren störe, dürfte es nicht überraschen, dass ich diesen Schritt begrüßenswert finde, allerdings mit zwei Einschränkungen.
Die erste dieser Einschränkungen hat mit Gender-Fragen nichts zu tun: Ich finde Nationalhymnen überflüssig und einer im guten Sinne globalisierten Welt unwürdig. Was man an den kulturellen Leistungen der europäischen Kultur schätzen kann – und das ist, auch wenn man sich durch viel tödliche koloniale und neoliberale Selbstzufriedenheit wühlen muss, um es zu finden – durchaus einiges, lässt sich keinem einzelnen Land zuordnen. Bestenfalls sollten Nationalhymnen deshalb als eine Art Erkennungsjingle bei Sportveranstaltungen dienen, dazu bräuchten sie aber keinen Text. Denn seien wir ehrlich, wie soll man aus etwas fundamental Verquerem wie nationaler Identität einen guten Text machen?
Die zweite dieser Einschränkungen betrifft den Kern der Gender-Problematik: Warum müssen in einer Nationalhymne Bürger überhaupt über ihr Geschlecht identifiziert werden? „Töchter und Söhne“ ist sicher besser, als nur „Söhne“, aber noch besser wäre es, von „Menschen“ zu reden. Mir ist klar, dass dann der Reim in der nächsten Zeile nicht mehr passt und dass es notorisch schwer ist, einen Reim auf Mensch zu finden, aber wozu gibt es Dichter, wenn nicht, um diese Probleme zu lösen?
Der Änderungsvorschlag hat, wie sollte es anders sein, eine Vielzahl rationaler Diskussionen ausgelöst — oder wie nennt man das noch gleich, wenn Männer sich durch sprachliche Gleichbehandlung benachteiligt fühlen, sich beschweren, dass sie härter arbeiten und früher sterben müssen als Frauen, darüber jammern, dass Frauen gar keine echten Frauen mehr sind und sie keine echten Männer mehr sein dürfen, und uns erklären, dass es ohnehin viel wichtigere Probleme gebe, die alle gelöst werden müssen, bevor wir uns Fragen der Gleichberechtigung zuwenden können (Hartgesottenen empfehle ich den Kommentarbereich des oben verlinkten Artikels).
Mit diesen Argumenten will ich mich ebensowenig auseinandersetzen, wie mit Einwänden, die sich auf die heilige Unveränderlichkeit von Texten stützen (was ich von dieser Unveränderlichkeit halte, habe ich hier dargestellt und wer das Argument in Bezug auf die österreichische Hymne machen will, dem sei empfohlen, sich den ursprünglichen und den aktuellen Text der Hymne anzusehen und festzustellen, dass genau die jetzt zu ändernde Zeile ohnehin nicht mehr dem Original entspricht).
Stattdessen interessiert mich eine Anregung der Zeischrift Emma, auch die deutsche Nationalhymne zu aktualisieren:
[M]al ehrlich: Hierzulande wäre es alles andere als kompliziert, die Nationalhymne für alle umzudichten. Statt „Vaterland“ hieße es dann z.B. Heimatland – und statt „brüderlich“ freundschaftlich. [Emma, 20.7.2011]
Um es gleich zu sagen: Ich wäre dafür. Noch besser wäre es, den Text ganz abzuschaffen (die Tatsache, dass man zwei der drei Strophen des „Deutschlandliedes“ verbieten abschaffen musste, hätte ein Hinweis sein können, dass auch die dritte nicht viel taugt), aber wenn wir schon darauf bestehen, uns „Einigkeit und Recht und Freiheit“ nur für die Deutschen zu wünschen, dann doch bitte wenigstens für alle Deutschen.
Nun liegt der Fall hier natürlich etwas anders als bei der österreichischen Hymne. In der Zeile dort geht es ja tatsächlich um konkrete „Söhne“, also männliche Bürger des Landes. Da sollte es einleuchten, dass man diesen auch konkrete „Töchter“ zur Seite stellen muss. In der deutschen Hymne geht es dagegen mit den Wörtern Vaterland und brüderlich nicht um konkrete „Väter“ oder „Brüder“, sondern die Wörter bedeuten ganz allgemein „Land, aus dem man stammt“ und „einträchtig, für einander sorgend“.
Beim Vaterland war das nicht immer so, es bezeichnete ursprünglich, analog zum lateinischen patria tatsächlich das Land, aus dem der Vater kam (die Grimms spekulieren in ihrem Wörterbuch sogar, dass es das Land bezeichnete, dass der Vater besaß, können aber keine Belege für diese Bedeutung anführen).
Aber diese verallgemeinerte Bedeutung macht die Sache eher schlimmer als besser. Fangen wir mit brüderlich an. Die durch und durch sexistische Idee, dass es speziell Brüder, nicht Geschwister allgemein, sind, die für einander und andere sorgen, ist eine untrennbare Eigenschaft dieses Wortes. Sie findet sich sogar in den Definitionen, die die beiden großen deutschen Wörterbücher liefern: „wie ein guter Bruder handelnd, im Geiste von Brüdern“ (Duden) und „in der Art eines (guten) Bruders“ (Bertelsmann). Das Wort ist damit ein exzellentes Beispiel für einen strukturellen Sexismus, der so tief in unserer Sprache verankert ist, dass wir ihn kaum bemerken. Das macht ihn deutlich gefährlicher als den plumpen Sexismus, der sich in einem Feiern „großer Söhne“ zeigt.
Beim Vaterland gibt es neben dem strukturellen Sexismus, der die Abstammung des Vaters vor die der Mutter setzt, ein weiteres Problem: In einem modernen Deutschland sollten wir Nationalität überhaupt nicht als Abstammungs- sondern als Bekenntnisfrage behandeln. Deutschland ist nicht deshalb mein Heimatland, weil mein Vater von hier stammt (das tut er nicht), oder weil ich hier geboren bin (das bin ich), sondern, weil es sich für mich wie eine Heimat anfühlt. Meine Staatsbürgerschaft reflektiert das nur, sie trägt zu diesem Gefühl nicht konstitutiv bei.
In unserem Land gibt es einen wachsenden Bevölkerungsanteil, der nicht „von hier ist“. Wenn wir wollen, dass dieser Bevölkerungsanteil sich mehrheitlich in Deutschland daheim fühlt (und das sollten wir wollen), dann ist es auch ohne die Genderfrage an der Zeit, den Begriff des vaterländischen auf der Müllhalde der Geschichte zu entsorgen und uns zu einem schönen englischen Sprichwort zu bekennen: Home is where the heart is.
[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Version enthält möglicherweise Korrekturen und Aktualisierungen. Auch die Kommentare wurden möglicherweise nicht vollständig übernommen.]
Verboten ist da gar nichts, als Nationalhymne wurde halt explizit die dritte Strophe gewählt, die beiden anderen werden bei offiziellen Anlässen nicht gesungen [da nicht Teil der Hymne].
Dem schrecklichen Vaterland steht immerhin die liebliche Muttersprache zur Seite.
erste und zweite Strophe
Ein sehr guter Beitrag, dem ich mich voll anschließen kann.
aber kleiner Hinweis:
“die Tatsache, dass man zwei der drei Strophen des „Deutschlandliedes“ verbieten musste”
diese sind nicht verboten.
Bei der Muttersprache gibt es neben dem strukturellen Sexismus, der die Abstammung der Mutter vor die des Vaters setzt …
Es gibt doch so einen schönen Hymnentext von Brecht: http://ingeb.org/Lieder/anmutspa.html — den sollten wir nochmal in Erwägung ziehen.
Dritte Zeile?
“Land der Hämmer, zukunftsreich!”
Das Land, der Hammer, die Zukunft, das Reich.
Ist doch ganz ausgeglichen, finde ich.
😛
@Dierk, „Nadine“
Wo kommt denn in der Nationalhymne das Wort „Muttersprache“ vor? Muss mir entgangen sein.
In der Migrations- und Mehrsprachigkeitsforschung verwendet man das Wort konsequenterweise nicht, man spricht dort von Erst-/Zweit-/Drittsprache, dominanter/n Sprache/n, Hintergrundsprachen, Familiensprachen, usw.
Stimme voll und ganz zu. Noch eine Frage: wie gehen Sie selbst in wissenschaftlichen Texten mit der Genus-Frage um? Verwenden Sie das ‘generische Maskulinum’ oder schreiben Sie “Ärztinnen und Ärzte” oder “ÄrztInnen”? Oder kommen Sie gar nicht in die Verlegenheit, auf Deutsch zu publizieren?
Muttersprache
Der Begriff Muttersprache kommt nicht im Deutschlandlied vor. Darum ging es auch gar nicht: es ist wohl eher als Parodie auf den “Struktursexismus” der Wörter “VAterland” und “brüderlich” zu sehen.
Das Wort findet nicht nur umgangssprachlich, auch in zig Formularen, Verwendung. Und das wird sicher so bleiben…
Allerdings finde ich diese Diskussion unnötig wie ein Kropf: über die Abschaffung einer “nationalhymne” hätte man diskutieren können, ok. Vielleicht die EU-Hymne puschen?
Nett finde ich die Idee, die “Hymnen” als Erkennungsjingle bei Sportveranstaltungen zu nutzen. Und nur da. Allerdings: singen verbindet und der Wunsch sich als Fan-Gesamtheit durch Singen der Zusammengehörigkeit zu versichern ist nicht nur im Fußballstadion weit verbreitet: fast alle KLubs haben “ihr Lied”…
Das mit der Muttersprache war mehr so ans Vaterland gerichtet, nicht an dieses fürchterliche Musikstück.
Poeten an die Front!
(notorische Reimschwierigkeiten mit dem Menschen)
Es war einmal ein Mensch, er
hiess mit Namen Genscher.
Pullover trug der Mensch,
nur selten einen Trench-
coat. Zudem war er hallens’scher
Herkunft, dieser Genscher.
Was den Nutzen dieses Gensch-Menschs
für’n Ösi-Hymnus sehr begränscht
— fänd’sch.
Hymnus
..im übrigen kann ich mir nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass die Frankfurter Nationalhymne eine weibliche Heldin hat — die Fraa Rauscher aus de Klabbergass.
Und im Ernst — ich finde diese Debatte ziemlich überflüssig. Es regt sich ja auch keiner darüber auf, dass die Symbolfiguren mancher Nationen (Marianne, Helvetia, Germania, die römische Wölfin) dezidiert weiblich sind.
Muttersprache usw
@Scai: Ich versuche auch in wissenschaftlichen Texten entweder, neutrale Begriffe zu finden, oder ich verwende den Schrägstrich (z.B. Sprecher/innen). Manchmal wird mir das dann herausredigiert.
@Dierk, MCBuhl: Das Wort Muttersprache hat insofern eine Berechtigung, dass die Mutter im Normalfall im frühen Spracherwerb (um den es bei diesem Wort geht), eine herausgehobene Rolle spielt. Ist es trotzdem strukturell sexistisch? Ja, ist es. Ist es ein notwendiges Wort? Nein, siehe die präziseren Alternativen. Ist es sinnvoll, Kritik an strukturellem Sexismus zu Ungunsten von Frauen durch Beispiele von strukturellen Sexismus zu Ungunsten von Männern zu kontern? Muss jede/r für sich entscheiden.
@Helmut Wicht: Du bist ein wahrer Poet! (Warum hast du dein Twitterkonto gelöscht?).
Ganz toll! Erinnert mich an eine Diskussion von vor Jahren als Feministinnen darüber stritten, daß es gefälligst die Mond und der Sonne heißen solle, weil die Frau mehr im Mond ihre Heimat sieht. Im Französischen sei das auch so. Nach einer Zeit sagte dann eine Frau, wenn wir über so ein Blödsinn streiten, dann geht es uns schon zu gut.
Ich kann solch überflüssige Belanglosigkeiten nicht mehr ertragen. Bald gibt es dann beim Militär neben der Kameradschaft auch noch die KameradINNENschaft.
Zweierlei Mass?
Ich moechte mal dran erinnern, dass derjenige der hier so wehement gegen eine nationale Identitaet zu Felde zieht, vor nicht allzulanger Zeit noch darueber geschrieben hat wie gut er es findet, dass eine Bibliothek ihre Website in Mundart gestaltet. Verstehe das wer will.
“Deutschland ist nicht deshalb mein Heimatland, weil mein Vater von hier stammt (das tut er nicht), oder weil ich hier geboren bin (das bin ich), sondern, weil es sich für mich wie eine Heimat anfühlt.”
Kann “Vaterland” nicht genau dieses Gefühl auch ausdrücken? “Vater” muss ja nicht nur die Person stehen, sondern auch die Gefühle, welche ich für diese Person empfinde. Natürlich ist es nicht immer so, dass man sich bei seinen Eltern “wie zu Hause” fühlt und diesen positives n Gefühle entgegenbringt, aber ich würde “Vaterland” eben auch so verstehen.
Würde “Elternland” oder “Abstammungsland” hier vielleicht besser passen? Geschenkt, wir wollen doch nicht auf VDS-Niveau sinken.
@ A.S. — noch eine Nachfrage
“Mensch” — das wäre (mal von den Reimproblemen abgesehen) wohl die neutralste Lösung. Lästig ist nur, dass — wenn ich die Etymologie recht überschaue — “Mensch” schon wieder von “Mann” abstammt. Also eher “Töchter und Söhne”. Das sind aber Männer und Frauen.
Was macht man dann mit den Ansprüchen jener Gender-Theoretiker, die reklamieren, dass es viele Menschen in einem breiten Zwischenbereich gäbe? (Ich glaube, man nennt die die “Queer”-Denker oder Heteronormativitätskritiker.)
Lyrisch tät ich dann das Problem quasi Jandl’sch lösen: ich würde von “Söchtern und Töhnen”, wahlweise von “Muben und Bädels” oder “Mau und Frann” schreiben.
Aus dem Blickwinkel des dadaistischen Dichters ist das eigentlich alles hochwillkommen. Dada eben.
Muss man wirklich alles in Frage stellen
@ MCBuhl: haha, wir treiben uns wohl nicht nur auf den gleichen Blogs rum, sondern haben auch dazu die gleiche Meinung! 😉 Muss dir wieder zustimmen!
Ich (weiblich) finde die Diskussion auch unnötig. Noch unnötiger, für die “Korrektur” von Nationalhymnen, etc. auch noch Geld zu verschwenden. Baut damit doch lieber einen Kindergarten, statt ein Quatsch-Gremium zu finanzieren!
Vaterland — Muttersprache – muss man sich als Frau durch sonnen Quatsch wirklich unterdrückt fühlen? Also ich finde das nicht. Mich ärgert es, dass “Feministinnen” immer so generell sprechen, als würde das alle Frauen nerven. Das tut es doch gar nicht. Ich mag meine Sprache, so wie sie ist mit allen Ecken und Kanten. Lasst das doch mal so! Gibt doch echt wichtigeres …
Dada.
Herrlich, Herr Wicht! 🙂
Hymnen und Vaterländer
Ich weiß nicht. Sprache ist nun mal im Laufe der Zeit gewachsen und trägt die Spuren der Zeit mit sich, auch die aus früheren Rollenverteilungen. Wobei die ja gar nicht mal immer so waren, dass das weibliche Geschlecht unterdrückt war; wenn in der Landwirtschaft die Frau das Vieh fütterte, Haus und Hof bestellte und die Waren auf dem Markt verkaufte, dann war sie wohl kaum das unterdrückte Weibchen, auch wenn sie nicht als Soldatin eingezogen wurde.
Aus solcher Zeit stammt u.a. das Wort Vaterland. Ist das jetzt so schlimm? es ist ohnehin ein altbackenes Wort, was wohl kaum jemand im Alltag einsetzt. Wenn es nun in der Hymne vorkommt, dann ist das wahrlich nicht schlimm, Hymnen sind ohnehin selten besonders progressiv (das waren sie früher manchmal).
In der Türkei, wo so viele Frauen ein Kopftuch tragen, gibt es eine Mutterlandspartei. So what?
Wer sich über sowas aufregt, muss es ja furchtbar nötig haben. Ist meine Meinung.
Aber noch eine Spekulation zur Herkunft des Wortes: Früher wurde ein Hof ja in der Regel an den oder die Söhne vererbt, während die Töchter heirateten und wegzogen. (Nicht immer; meine Großmutter beispielsweise hat Anfang des 20. Jahrhunderts den Hof geerbt, und ihr Mann übernahm den mit. Zu ihrem Leidwesen, viel lieber hätte sie einen schicken Städter geheiratet, aber ihr Bruder musste ja vorher versterben.)
Damit war das Land, aus dem der Vater stammte, i.d.R. auch das eigene, denn der Vater als Erbsohn blieb ja auf der Scholle. Die Mutter dagegen konnte auch aus einem anderen Fürstentum oder was auch immer eingeheiratet gewesen sein.
Da heutzutage Töchter beim Erbe nicht mehr gegenüber den Söhnen benachteiligt werden, könnte man das Wort zwar abschaffen — man könnte es aber auch wie viele andere Wörter mit anachronistischer Herkunft im Wortschatz behalten und beherzt verwenden, da ja der ursprünglich gewesene sexistische Umstand nicht mehr besteht.
Am besten gleich ein neuer Text
Man muss eine Hymne immer im Kontext ihrer Zeit sehen. Die Franzosen werfen ja auch nicht ihre von “unreinem Monarchenblut” getränkten Äcker raus, nur weil das heutzutage nicht mehr politisch korrekt ist. Zur Zeit der Französischen Revolution hat es durchaus gepasst.
Und so verhält es sich auch mit der österreichischen Hymne: Mit den “großen Söhnen” von damals (1946) waren die Kriegsgefangenen gemeint, von denen viele nicht nach Hause zurückgekehrt sind. Im historischen Kontext ergeben die großen Töchter also keinen Sinn.
Ode an die Freude
Wo hier die Europa-Hymne erwähnt wurde, was ist eigentlich mit:
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt
Ernst gemeinte Fragen an den Autor:
1. Ist “Brüder” hierbei auch ein “struktureller Sexismus”? Die Bedeutung dieses Wortes ist ja immerhin analog zum oben besprochenen “brüderlich” (“einträchtig, für einander sorgend”) zu verstehen.
2. Falls ja, was ist die Konsequenz daraus? Im Gegensatz zur österreichischen Hymne handelt es sich hierbei ja um den Originalwortlaut, der nicht nur nach Meinung von Germanisten sprachlich und lyrisch in einer anderen Liga spielt. Würden Sie Ihren Schiller trotzdem modernisieren?
3. Lässt sich dieses Beispiel wirklich mit der “Negerprinzessin” aus Pippi Langstrumpf vergleichen? Lindgren hatte gewiss keine rassistische Konnotation im Sinn, für sie war der Begriff neutral-deskriptiv. Ihr Plädoyer zur Änderung des Lindgrenschen Originaltextes fußte darauf, dass sich die Verwendung des Begriffes “Neger” gewandelt hat. Das Wort “brüderlich” wird hingegen heute noch genauso verstanden wie von Schiller intendiert. Wo ist mein Denkfehler?
So lieben wir ihn, unseren heimatlosen Intellektuellen: nirgendwo und überall zuhause, mühelos in mehreren Sprachen parlierend. Ein bisschen schämt man sich schon, deutsch zu sein, deutsch zu sprechen, gar deutsch zu singen — dann lieber doch englisch oder französich, das klingt weltmännisch, ’schuldigung, weltmenschisch. Wozu auch diese Hymnen, eh was für unterbelichtete Spießer. “Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt” — man hört das Blut heraustropfen aus dieser Wichsvorlage für Massenmörder. Klar, dass man sochen Dreck verbieten/abschaffen musste. Und konsequent, dass das zugehörige Volk, wie wir in den letzten Monaten lesen durften, sich gleich mit abschafft.
Hymnen-Reparatur
Oh, ich sehe da ein Artbeitsfeld. Wer bezahlt mich für die Reparatur politisch defekter Hymnen?
Ode an die Freude / “feministische” Version
Freude schöner Götterfunken
Tochter (Original!) aus Elysium
Wir betreten feuertrunken
Himmlische, Dein Heiligtum.
Deine Zauber binden fester
was die Mode streng geteilt.
Alle Brüder werden Schwestern
wo Dein sanfter Flügel weilt.
100 Euro bitte, und einen Platz neben Schiller auf’m Podest.
@ Wicht
“Alle Brüder werden Schwestern”
Du weißt aber schon, daß im Knast die Herren der Schöpfung als Schwestern bezeichnet werden? (jedenfalls, wenn man den Knastfilmen Glauben schenken will)
Ich muß mal schauen, ob mein Zipfel noch in der Hose ist oder ob ich schon der Kastrationsangst zum Opfer fiel…
*grins*
@ Hilsebein
Knastschwestern?
Nein, das wusste ich nicht. Aber der Kommentarbereich hier fängt an, mir Spass zu machen. Ich darf dichten!
Und zack — ein Krüppelschüttelreim:
Der Globus war ’ne Männerwelt
jetzt wird er weiblich — wenn er hält…
p.c.!! Der _Schüttelreim_ ist ein Krüppel. Er ist gehandikapped. Ge_ha_dikapped. Ihm fehlt ein “h”. Oder ist selbst dieser Krüppel nicht p.c.?
Ach Mutti, Mutti, Mutti
@Michael Kuhlmann
Tja, wo soll man da anfangen, wenn jemand behauptet, dass heutzutage kein “sexistischer Umstand” mehr besteht, nach einer historischen Analyse, in der er sagt, dass bei Frauen, die das Vieh fütterten, Haus und Hof bestellten, aber selber in der Regel kein Land erben konnten, eigentlich auch früher keine Unterdrückung der Frau vorlag?
Da bleibt auch mir nur noch die Flucht ins Humoristische (in diesem Fall zu Funny van Dannen):
“Warum sagen wir Deutschen ‘Mutti’
Von München bis Helgoland?
Ach Mutti, Mutti, Mutti
Was heißt Vaterland?”
(Funny van Dannen: Vaterland)
Andere Länder…
In Australien hat man 1984, als man offiziell eine eigene Nationalhymne einführte, “Australia’s Sons” (stammte von ca. 1880) durch “Australians All” ersetzt, weil es nicht mehr zeitgemäß war.
(Nee, die Rede ist *nicht* von Waltzing Matilda :D)
@ Dietmar Hilsebein
Schlechte Nachrichten, Herr Hilsebein: Wenn Sie nachgucken müssen, ob Ihr Zipfel noch in der Hose ist, SIND Sie bereits der Kastrationsangst zum Opfer gefallen.
@ Juliana
Gott lob ‑er ist noch da. *Angstschweißwegwisch*
Brüder
@ Jim: Ich denke, Sie kommen selbst drauf, wenn Sie ein wenig nachdenken.
@ Matthias: Gute Fragen. 1.) Brüder ist hier in der Tat struktureller Sexismus, aus dem von Ihnen genannten Grund. Dass Herr Wicht und Herr Hilsebein sich so herzlich über die scheinbar abwegige Idee freuen, es durch Schwestern zu ersetzen, zeigt das doch sehr schön.
2.) Da die Europahymne keinen Text hat, brauchen wir keine Konsequenzen aus Schillers Verwendung von Brüder zu ziehen. Wenn Schillers Text Teil der Hymne wäre, wäre ich in der Tat dafür, ihn zu modernisieren.
3.) Dass Lindgren keine rassistischen Konnotationen im Sinn hate, wage ich stark zu bezweifeln. Dass sie sich dessen nicht bewusst war, mag sein.
Dass Brüder/brüderlich so verstanden wird wie z.B. von Schiller, Hoffmann von Fallersleben u.a. intendiert, ist ja genau das Problem: Sie lebten in einer Welt, in der klar war, dass Menschen vor allem Männer sind. Das sollte heute nicht mehr so sein, und der althergebrachte Text einer Nationalhymne ist keine Entschuldigung dafür, diese Tatsache nicht anzuerkennen.
@ die Herrenrunde: Ich danke Ihnen für die im Sinne des Originalbeitrags rationale Diskussion. Wenn sie noch viel rationaler wird, werde ich den Kommentarbereich wohl aus Langeweile schließen müssen.
@ Juliana: Einmal Trolle füttern kostet fünf Euro.
“Der Globus war ’ne Männerwelt
jetzt wird er weiblich — wenn er hält…”
Weißt Du eigentlich was Neues vom Y‑Chromosom? Neulich gab’s ’ne Sendung im Fernsehen. Spermienzahlen und Penisse schrumpfen ‑bei Mensch und Tier. Man nimmt an, daß es an den Weichmachern (irgendeine Hormonvorstufe) oder an den Pestiziden in der Landwirtschaft liegt. Wir sollten die Männer lieben ‑solange es sie noch gibt…
Ein Österreicher
Also wenn ihr die Hymne nicht mehr wollt oder braucht, wir Österreicher nehmen sie gerne zurück. Sie entspricht ja auch der Melodie der alten Kaiserhymne. Unsere derzeitige Hymne ist schrecklich langweilig und ich würde mich stellvertretend für alle Österreicher dafür einsetzen, um dies in die Realität umsetzen zu können.
Mit freundlichen Grüßen aus der kaiserlich royalen Hauptstadt Wien.
An Juliana
Ich habe nicht behauptet, dass Frauen früher nicht unterdrückt waren, sondern nur, dass nicht nicht grundsätzlich immer so war. Eher waren die unteren Schichten grundsätzlich unterdrückt, egal ob Mann oder Frau. Eine tiefergehende Analyse wollte ich jetzt hier aber nicht anstoßen und schon gar nichts verharmlosen, vielleicht hätte ich es auch nicht anstoßen sollen. Es ist für die Beurteilung nicht weiter wichtig.
Das frühere Erbrecht war dagegen durchaus strukturell frauenfeindlich — und in der Form nicht mehr gültig, heute haben weibliche Erben die gleichen Rechte wie die männlichen. Und genau dieser Umstand besteht nicht mehr — wenn Du daraus ableiten willst, ich hätte gesagt, heute bestünde “kein sexistischer Umstand” mehr, dann solltest Du nochmal nachlesen und darauf achten, ob dort “der” oder “kein” steht.
Aber danke, dass Du einem Troll wie mir geantwortet hast! Wobei mich diese Einschätzung Anatols schon enttäuscht. Auf eine persönliche Meinung, wie Anatol sie hier veröffentlicht und explizit als solche deklariert, sollte man doch auch sachlich und mit der eigenen Sicht der Dinge antworten dürfen. Aber vielleicht ist er doch nicht so kritikfähig, wie ich es dachte? Das wäre dann schade, dann werde ich mich in Zukunft halt zurückhalten und mir lieber mein Teil denken.
Speziezistische Hymne?
Elender Speziezist, du! Man sollte von “Organismen” singen! Leben den keine Tiere, Pflanzen, Pilze, Algen, Einzeller, Prokaryoten und Archeen in unserem Land? 😉
Sprachreinigergeist
Ich kann mir nicht helfen, aber der Geist, der in diesem Artikel und in der Diskussion um ihn west, scheint mir ziemlich genau der, den Autor und Kommentatoren doch sonst ganz furchtbar finden: Es ist der der Sprachreiniger, die wir vor 100 Jahren hatten, zumindest ist er ihm eng verwandt. Da wollte man aus Gründen, die dem heutigen Modewahn der political correctness in ihrer Struktur gleichen wie ein Ei dem andern, den Leutnant durch den Leitmann ersetzen, weil ja nicht geduldet werden kann, daß man ein Wort nur leicht verändert aus der Sprache derer übernimmt, die totzuschießen man gerade als höchste patriotische Aufgabe erkannt hatte. Dieser Geist ähnelt dem sehr, der in allen Ecken herumschnüffelt, um alles irgendwie Verdächtige durch das Neusprech der Gutmenschen zu ersetzen – mit den schönsten Blüten, etwa daß man das Fremdwort für Schwarzer durch das deutsche Wort Schwarzer ersetzt und sich damit auf der richtigen Seite fühlt, so wie man sich auch freigesprochen vorkommt, weil man ja nun nicht mehr „Eingeborene“ sagt, sondern „Aborigines“, also „Eingeborne“ in die Sprache derer übersetzt hat, die sie ausrotten wollten.
Ja, ja – ich weiß schon, der Inhalt der Ideologie der wilhelminischen Sprachreiniger war ein ganz anderer als der unserer Antirassisten (die aber trotzdem meinen, es gebe „Weiße“ und „Schwarze“ als Naturgegebenheiten) und genderpolitisch Korrekten. Aber Inhalte sind austauschbar, die Struktur macht die Sorte aus. Es ist die gleiche Sorte, die bis vor 20 Jahren im Westen mit Argusaugen darüber wachte, daß ja keiner „Westberlin“ statt korrekt „Berlin-West“ sagt, und die im Osten darüber wachte, daß keiner „Berlin-West“ statt des korrekten „Westberlin“ sagt. Die Unterschiede in den Ideologien halte ich verglichen mit den Übereinstimmungen im Inquisitionsgeist für zweitrangig. Ich möchte nicht, daß solche Leute Einfluß haben.
Um nicht mißverstanden zu werden: Ich habe nichts dagegen, die Sprache ideologiekritisch zu untersuchen. Es ist verdienstvoll, darauf aufmerksam zu machen, daß in „brüderlich“ und in „Herrgott“ Sexismus steckt. Wenn man sich dessen bewußt ist, kann man diese Wörter weiterhin benutzen. Sprachpolitik aber, die aus „brüderlich“ „geschwisterlich“ macht und vorschreibt und aus „Herrgott“ „Gott, der uns Vater und Mutter ist“, ist peinlich wie ein neumodischer evangelischer Pfarrer. Leider gehört es zum Wesen von Peinlichkeiten, daß die, die sie begehen, sie nicht bemerken.
Schön finde ich die Konsequenzen des Vorschlags, die Nationalhymnen nur noch ohne Text für den Gebrauch bei Sportveranstaltungen beizubehalten. Denn ohne Text geht’s nicht, eine Hymne muß gegröhlt werden. Doch dann möchte ich unsere Politkorrektler mal sehen, wenn die Fankurven sich den Text selber machen!
Ich denke, wenn sich niemand Gedanken darüber machen würde, ob eine sprachliche Äußerung, ein Gedanke oder sonst eine Handlung sexistisch/rassistisch/unkorrekt ist, würde es all diese „Probleme“ nicht geben. Wen interessiert es denn, ob das Wort „Mensch“ von „Mann“ kommt? Wenn es für mich geschlechtsneutral ist, verwende ich es entsprechend… Auch „brüderlich“ ist bei mir neutral, auch wenn ein (biologischer) Bruder in der Regel männlichen Geschlechts ist. Wenn mein Gegenüber das genauso sieht, würde es nie zu einem Konflikt zwischen uns deswegen kommen…
Ein Dank an all die Leute um mich herum, die mir immer wieder erzählen, dass es Begriffe gibt, die man diskriminierend finden könnte und mich damit zwingen, mir Gedanken darüber zu machen…
Fragen: Leitet sich “Geschwister” aus “Schwester” her? Falls ja, ist es dann ein (seltenes) Beispiel für eine tradierte Form, in der die Neutralisierung auf der weiblichen Wurzel beruht? Stimmt es, dass auch “Frau” sprachhistorisch aus einer männlichen Wurzel hergeleitet wurde? Folgt daraus irgendwas?
@ A.S.
“Denken Sie immer daran, dass ich nicht gezwungen bin, Ihre Kommentare zu veröffentlichen. Dies ist kein Forum und kein Chatroom, sondern ein Wissenschaftsblog, auf das ich viel Mühe und einen großen Teil meiner knapp bemessenen Freizeit verwende.”
Bitte verzeihen Sie mir. Ich habe mich gehen lassen.
so, nochmal zum Thema Brüderlichkeit
Mag mir jemand erklären, warum der Begriff „brüderlich“ gefährlich ist? Ich meine doch aus der Reihe der Eskimo-Schneewörter-Artikel herausgelesen zu haben, dass der Linguist von heute nicht an eine allzu enge Verknüpfung von Sprache und Denkweise/Handlung der Sprecher glaubt. Wie kann ein Wort denn dann gefährlich sein?
Geschwister, Sprachpurismus
@ Ludwig Trepl: Nein, gerechte Sprache und Sprachpurismus sind zwei völlig unterschiedliche Dinge, siehe meinen Artikel Gerechte Sprache und Sprachpurismus.
@ Mueller: Ja, Geschwister hieß ursprünglich „Schwestern“, analog zu Gebrüder. Es ist eins der wenigen Beispiele im Bedeutungswandel der indoeuropäischen Sprachen, in denen ein Wort für Frauen zu einem geschlechtsneutralen Wort geworden ist. Frau war ursprünglich die feminine Form von frawan („Herr, Herrscher“). Aus keinem dieser Fälle folgt zunächst irgendetwas (vorsicht vor dem etymologischen Fehlschluss).
Kann man auch anders sehen:
Um nicht missverstanden zu werden: Ich habe nichts dagegen, die Sprache kritisch zu untersuchen. Es ist verdienstvoll, darauf aufmerksam zu machen, dass im “Backshop” und in “Call-a-bike” Anglizismen stecken. Wenn man sich dessen bewusst ist, kann man diese Wörter weiterhin benutzen. Sprachpurismus aber, der aus “Sandwich” “Klappstulle” macht und vorschreibt und aus “E‑Mail” “Netzpost”, ist peinlich wie ein neumodischer Pfarrer. Leider gehört es zum Wesen von Peinlichkeiten, dass die, die sie begehen, sie nicht bemerken.
“Spaß” beiseite: Ihr Zitat und meins unterscheiden sich nur in genau der großen Kleinigkeit, wie sie im verlinkten Artikel von A.S. auf den Punkt gebracht wird. Gerechte Sprache will das Bezeichnete (Signifikat) schützen, Sprachpurismus will das Bezeichnende (Signifikant) “schützen”. Und selbst mit “ihrer” Mission (mit Letzterer) liegen Sprachkritiker immer irgendwie daneben.
(Darüber hinaus finde ich es einigermaßen sinnfrei, darüber zu sinnieren, ob etwas, das gar nicht existiert, männlich oder weiblich ist [Richard Dawkins]).
@ Ludwig Trepl
Sie schreiben:
“Schön finde ich die Konsequenzen des Vorschlags, die Nationalhymnen nur noch ohne Text für den Gebrauch bei Sportveranstaltungen beizubehalten. Denn ohne Text geht’s nicht, eine Hymne muß gegröhlt werden. Doch dann möchte ich unsere Politkorrektler mal sehen, wenn die Fankurven sich den Text selber machen!”
Tja, dann hat der amtierende Fußballweltmeister/Fußballeuropameister Spanien aber ein gewaltiges Problem.… Oder doch nicht?
Und wenn Spanien gegen Bosnien spielt, dann wird´s ganz problematisch…
Gender-Problem gelöst
Die Mehrheit der Österreicher möchte nicht, dass die Hymne verändert wird. Abgespielt wird sie meist nur noch bei Sportveranstaltungen, deshalb schlug in den “Salzburger Nachrichten” ein(e) Kommentator(in) vor, anstatt “Heimat bist Du großer Söhne”, doch einfach “Heimat bist Du großer Töne,” zu singen und das Genderproblem wäre gelöst.
Das..
…klingt dann aber doch sehr nach Flatulenz, um ehrlich zu sein…
@Lars Fischer
“…klingt dann aber doch sehr nach Flatulenz, um ehrlich zu sein…”
Aber geh, in Österreich nennt man so etwas an leiwandn Schmäh (einen einwandfreien Spaß).
Sicher ist die “Söhne”-Liedzeile diskriminierend. Ob das auch für die Floskel “brüderlich” (die mit der Wirklichkeit eh wenig zu tun hat) gilt, ist nicht so leicht zu sagen, denn eine sexistische Wurzel bedeutet eben nicht zwangsläufig auch eine ebensolche Gegenwart — ansonsten sind wir schnell bei jenem etymologischen Fehlschluss, wegen dem konservative Sprachkritiker hier so gerne in die Pfanne gehauen werden. Wenn “Frau” auf eine männliche Wurzel zurückgeht — danke für die Bestätigung -, heißt das eben nicht, dass der Begriff heute noch weibliche Personen diskriminiert. Wenn “brüderlich” — was nicht zu bestreiten ist — historisch eine männerbündische Komponente hat — bedeutet das nicht, dass es auch heute noch so sein muss. Das müsste man schon aus dem Sprachgebrauch der Gegenwart herleiten.
Es kann übrigens auch ein Ausdruck von emanzipatorischer Souveränität sein, wenn man überkommene Rituale wie das Absingen nicht selten dümmlicher, fast immer altbackener Hymnentexte als historische Reminiszenz auf sich beruhen lässt — möge sie singen, wer will, solange mich keiner dazu zwingt. Aus den gleichen Gründen leisten sich die Engländer auch ihren Hof — von dieser Art britischer Gelassenheit könnte man durchaus auch hierzulande auch etwas lernen.
Gleichstellung oder Gleichmacherei
Zuerst: Auch wenn Sie das gern ausgeblendet sähen, gibt es in der Tat wichtigere Probleme. Wer einen Hinweis darauf grundsätzlich als Polemik abkanzelt, sollte seine Wahrnehmung sehr kritisch hinterfragen. Allerdings folgt aus dieser Tatsache nicht, daß sprachliche Gleichstellung völliger Humbug ist und daß es keine Gründe gibt, sich über die Gleichstellung allgemein Gedanken zu machen — hier und anderswo.
Dann: Es gibt grundlegende Unterschiede zwischen den Geschlechtern — zum Glück. Ab und an beschleicht mich das unangenehme Gefühl, daß so mancher die unterstützenswerten Anliegen Gleichstellung (in Bereichen, in denen die Geschlechter tatsächlich keine Rolle spielen) und Gleichberechtigung in eine die natürlichen Gegebenheiten verleugnende Gleichmacherei verkehrt. Aber auch das möchten Sie hier nicht thematisiert wissen, was ich wegen der drohenden Uferlosigkeit nachvollziehen kann. (Verzeihung, daß ich mich dennoch nicht ganz beherrschen konnte.)
Sie haben Ihren Twitter-Account mit dem Wahlspruch “Alle Sprachgewalt geht vom Volke aus.” versehen. Trotzdem befürworten Sie hier eine “von oben” verordnete “sprachliche Gleichstellung”.
Kommt dabei nur mir allein die Rechtschreibreform in den Sinn?
Da ich der Meinung bin, daß nicht nur das Denken die Sprache formt, sondern auch die Sprache das Denken, halte ich den Ansatz, über die Sprache gesellschaftspolitische Ziele zu fördern, eigentlich für einen fruchtbaren. Einerseits. Andererseits wähne ich mich bei einem Titel wie “Marginalisierung von Frauen bei Legofiguren” auf einem Satire-Blog. (Nein, ich habe den Artikel nicht gelesen.) Mir fällt dazu “die Kirche im Dorf lassen” ein.
@ Andre P. (Gleichmacherei)
Eine solche Forderung kann ich in dem Artikel nicht finden. Was da vorgeschlagen wird, ist, dass der Staat vielleicht mit gutem Beispiel vorangehen und im Text der Nationalhymne (die ja auch eine Art Symbol für den Staat ist und dessen Selbstverständnis darstellt) möglichst ohne auch nur latent sexistische Formulierungen auskommen sollte.
Der Artikel über die Legofiguren ist leider keine Satire. Kurz für Sie zusammengefasst: Es gab 2009 anscheinend genau drei weibliche Legomännchen und gefühlt 999 männliche. Alle coolen Figuren, die wichtige, spannende, interessante Dinge tun, waren männlich. Die weiblichen Figuren waren spießig, zahm oder kitschig verklärt. Welches Bild von der Welt wird unseren Kindern da implizit vermittelt?
Legofiguren und Ausdrucksweisen wie „brüderlich“, „großer Söhne Heimat“ usw. mögen für sich genommen nicht so schlimm sein. Aber steter Tropfen höhlt den Stein, und wenn immer und immer wieder allüberall implizit ausgesagt wird, Menschen seien im Wesentlichen Männer, Frauen seien „irgendwie mitgemeint“ (meistens jedenfalls, außer wenn es um wirklich interessante Dinge geht), Jungs dürfen die interessanten Sachen machen, Mädchen sollen Hausfrauchen spielen und den Jungs nicht im Weg stehen – dann formt das die Art, wie wir die Welt wahrnehmen und uns selbst in ihr verhalten. Das geben wir natürlich – meistens unreflektiert – eins zu eins an unsere Kinder weiter, und die machen sich das – wie wir selbst früher – ganz unbewusst zu eigen.
Warum sind denn Mädchen in Mathe und Physik besser, wenn sie in reinen Mädchengruppen unterrichtet werden, und schlechter, wenn der Unterricht in gemischten Gruppen stattfindet? Genau, weil „wir alle wissen“, dass „Mädchen kein Mathe können“ und „Jungs in sowas besser sind“. Komisch, dass das nicht mehr stimmt, wenn keine Jungen dabei sind.
Und das sollte Grund genug sein, darüber nachzudenken, wie man diese allgegenwärtige Gehirnwäsche zumindest abschwächen kann, wenn man sie in absehbarer Zeit schon nicht ganz wird abschaffen können. Sich darüber lustig zu machen ist letztlich menschenverachtend.
@ gnaddrig
Die Sache mit den Leistungen in Mathe und Physik ist natürlich interessant, aber wodurch kommt denn dieses Bild, dass Frauen in diesen Bereichen schlechter wären, zustande? Etwa durch unsere Sprache? Ich wüsste nicht, dass es in unserem Sprachgebrauch rund um den Bereich Mathe und Physik besonders viele „sexistische“ Begriffe gibt.
Wenn unsere so abwertende Sprache tatsächlich Einfluss auf Selbstbewusstsein und Leistungen der Frauen hat, müsste dieses Klischee doch auch für alle andere Schulfächer zutreffen.
Töchtersöhne
Wenn das hier, eine Glosse, schmunzeln lässt, dann …
… Die Frau galt in Österreich nicht viel, sie gewann aber an Statur und Frische, sobald sie sich dem Mann unterhakte und mit ihm dezent grüßend die Ringstraße rauf und runter lief. Manche Frauen schrieben zwar auch Gedichte und Theaterstücke, das waren aber dann keine richtigen Frauen, sondern Kunstfrauen, die auch immer irgendetwas mit Deutschland zu schaffen hatten. So kam es natürlich, dass von der Frau in Österreich nicht viel die Rede war, und die Frauen selbst waren ja auch zufrieden mit ihrem aparten Leben, das in der alljährlichen Ballsaison aufblühte und ansonsten einem genügsamen Glück verpflichtet war … die Bundeshymne, welche das Land Österreich wahrheitsgemäß als Heimat großer Söhne feierte … Nun haben drei Parlamentarierinnen erreicht, dass in der Hymne neben den großen Söhnen auch die großen Töchter zur Geltung kommen sollen – aber das hört sich jetzt vielleicht blöd an. Früher hieß es: „Heimat bist du großer Söhne.“ Ab Januar singt die Österreicherin: „Heimat großer Töchter, Söhne“. Heimat großer Töchtersöhne? Da werden ja am Ende doch wieder nur die Männer besungen…
SZ, Streiflicht, 15.7.2011; Seite 1
Scherz beiseite: Wird man — bei rein akustischer Rezeption — tatsächlich die Lesart “Töchtersöhne” heraushören. Und wenn nein, warum nicht?
[Anm.: Das Vollzitat, das hier ursprünglich stand, dürfte gegen das Urheberrecht verstoßen. Ich habe deshalb so gekürzt, dass nur die hier kommentierten Teile stehen bleiben. — A.S.]
Fortschritt?
Na gut, dann sind die Weiber jetzt also auch mit von der Partie. So schlimm ist das nicht. Das Problem ist nur, dass das schwierig zum Singen wird. Schließlich kommt jetzt mehr Text auf die gleiche Melodiestelle. Das wird für manch einen zu holprig werden…
Von Frauen und Hymnen @willi wamser
Ich finde die Glosse in der SZ zwar auch recht nett, aber so arme Hascherln waren die österreichischen Frauen nun doch nicht. Immerhin gab es da mal eine berühmte Kaiserin (Maria Theresia), eine berühmte Psychoanalytikerin (Anne Freud), eine Atomphysikerin (Lise Meitner), eine Komponistin (Alma Mahler-Werfel) und natürlich auch etliche bekannte Schriftstellerinnen, wie z.B. Ingeborg Bachmann. Und auch wenn es hier noch niemand erwähnt hat, die Dichterin der österreichischen Bundeshymne war ebenfalls eine Frau, sie hieß Paula von Preradovic.
Im Übrigen hat in Österreich jedes Bundesland seine eigene Hymne, hier sind die Texte:
http://www.verwaltung.steiermark.at/…6779799/DE/
@ A.S. Geschwister, Sprachpurismus 21.07
Lieber Herr Stefanowitsch,
Sie raten mir, ihren Artikel „Gerechte Sprache und Sprachpurismus“ zu lesen, da hätten Sie gezeigt, daß „gerechte Sprache und Sprachpurismus zwei völlig unterschiedliche Dinge“ seien. Ich hab’s getan, er hat mich aber nicht überzeugt. Ich werde vielleicht in meinem eigenen Blog darauf antworten. Hier nur zwei Punkte:
(1) Gerechte Sprache und Sprachpurismus sind natürlich zwei völlig unterschiedliche Dinge, das eine ist eine Sprache, das andere nicht. Auch die Anhänger beider Sorten von Sprachpolitik unterscheiden sich, das schrieb ich ja auch, sehr, nämlich in den Inhalten ihrer politischen Weltanschauungen. Aber in der Art, wie sie Sprachpolitik betreiben, unterscheiden sie sich kaum. Beide wollen eine künstliche, von allem, was ihnen politisch nicht paßt, gereinigte Sprache schaffen. Die einen wollen die Sprache wie auch die gesamte Kultur von allem Fremden reinigen, weil sie darin aus Gründen, die mir nicht verständlich sind, ein großes Übel sehen, die anderen wollen sie von Diskriminierungen und Lügen, die sich seit Jahrzehnten oder Jahrtausenden in sie eingefressen haben, reinigen. Modisch ist gerade, auf rassistische und sexistische Diskriminierungen zu schauen, während der neoliberale Zeitgeist es erfolgreich verhindert, die Diskriminierung, die in den Neusprech-Wörtern Orwell’scher Qualität „Arbeitnehmer“ und „Arbeitgeber“ steckt, auch nur zu bemerken. – Daß mir politisch die Auffassungen der Gerechte-Sprache-Puristen näher stehen als die der nationalistischen Sprachpuristen, muß ich hoffentlich nicht betonen, aber das ist eine andere Sache.
(2) Sie schreiben: „Den ästhetischen Gegnern politisch korrekter Sprache“ – also mir, obwohl mir selten die Neuwörter angloamerikanischen Herkunft Unbehagen dieser Art bereiten, sondern meist nur die Sprecher – „kann ich dagegen nur freundlich raten, noch einmal in sich zu gehen und zu überlegen, ob ihr ästhetisches Empfinden schwerer wiegt als ihr Bedürfnis, auch Menschen, die nicht weiß, männlich, heterosexuell und im mittleren Alter sind, sprachlich gerecht zu behandeln.“
Sie sind nicht alt genug, um das aus eigener Erfahrung zu kennen, aber mich amüsiert es sehr, zu sehen, an welchen Ecken dieses Argumentationsmuster heute wieder auftaucht. Weg mit anspruchsvoller Kunst – für Revolutionskitsch, denn der ist viel wirksamer im Dienste der guten Sache; „alles andere ist Krampf, im Klassenkampf“ (Degenhard, glaub ich). – Jetzt sagen Sie bloß nicht, hier gehe es doch gar nicht um Kunst.
Pippi
Lieber Herr Stefanowitsch,
Sie empfehlen im obigen Artikel einen anderen, in dem Sie über Pippi Langstrumpf und die Art, wie sie dieses Buch Ihrer Tochter vorgelesen haben. Ich habe ihn gelesen und unter
http://deutsche-sprak.blogspot.com/…nzessin.html
kommentiert.
Um mal jemanden, der sich mit der Sache tatsächlich eingehend auseinandergesetzt hat, zu Wort kommen zu lassen, dieser Beitrag:
http://sprachforschung.org/…show=news&id=577
Ist zwar ein schon etwas älterer Beitrag, aber die Welt scheint in den Jahren danach nicht viel klüger geworden zu sein. Und noch etwas: Da betreibt doch tatsächlich der Duden, der sich doch vorgeblich nicht in die Sprachentwicklung einmischen will, auf einmal moralisierende Spracherziehung. Was Schlimmeres, meiner lieber A.S., als die Moralkeule zu schwingen, kann man mir nicht antun. Aber ich habe Sie Gutmensch, Weltverbesserer und Pippi-Langstrumpf-Umschreiber trotzdem immer noch lieb.
@ suz Klappstulle
“Sprachpurismus aber, der aus “Sandwich” “Klappstulle” macht …”
Klappstulle ist keine Erfindung von Sprachpuristen wie beispielsweise “Anschrift”, sondern ein deutsches Dialektwort. Klappstulle ist auch kein Synonym für Sandwich. Ein Sandwich kann man kaufen, eine Klappstulle schmiert die Mutter. Eine Klappstulle ist auch dann eine Klappstulle, wenn gar nichts weiter drauf ist als Butter, und sie muß eine Stulle sein, aus einer Schrippe kann man keine Klappstulle machen, ein Sandwich aber schon.
@ Daniel
Sexistischer Sprachgebrauch ist nicht alles. Es gibt noch viel mehr Faktoren, die unsere Weltsicht prägen und beeinflussen. Es gibt in den allerwenigsten Fällen „die eine Ursache“, fast immer wirken viele verschiedene Faktoren zusammen, so auch hier.
Mädchen sind in gemischten Gruppen sicher nicht deshalb meistens schlechter in Mathematik usw. als Jungen, weil unsere Sprache stellenweise sexistisch ist, sondern weil das Klischee verbreitet ist, das Mädchen kein Mathe können. Woher dieses Klischee kommt, weiß ich nicht. Es ist aber doch so, dass Mädchen bis ins 20. Jh. hinein kaum Chancen hatten, mehr als die Volksschule zu absolvieren (die brauchten nicht so viel Bildung, weil sie ja nur Kinder kriegen, Dielen bohnern und Kühe melken sollten). Natürlich waren dann die Wissenschaften, darunter prominent Mathematik und Physik, Domänen der Männerwelt, wo Frauen sich nicht auskannten. Also entstand das Klischee, Mädchen könnten kein Mathe und seien – auch wenn man’s meist anders ausgedrückt hat – schlicht zu dumm dafür.
(Ein ähnlicher Mechanismus dürfte das Klischee vom verschlagenen, geldgierigen Juden geschaffen haben: Juden durften in Europa jahrhundertelang keinen ehrenwerten Beruf ausüben. Was ihnen blieb waren die Pfandleiherei und in gewissen Grenzen der Handel. Also gingen überproportional viele Juden diesen Berufen nach und hatten berufsmäßig mit Geld zu tun. Irgendwann fiel jemandem auf, dass Juden ständig mit Geld umgingen und fast irgendwie versessen auf Geld zu sein schienen. Und schon hatte eine antisemitische Gesellschaftsordnung ein antisemitisches Klischee hervorgebracht, das dann natürlich auch wieder zur weiteren Diskriminierung von Juden verwendet wurde.)
Das hat mit sexistischer Sprache zunächst nichts zu tun. Der sexistische Sprachgebrauch schlägt aber in dieselbe Kerbe, verstärkt solche Klischees und Vorurteile eher als sie abzuschwächen. Eine Umstellung auf eine neutrale Sprache würde nicht sofort alle diese Misstände abschaffen. Eine nicht sexistische Sprache würde sie aber nicht weiter begünstigen. Die Wirkung mag winzig und noch auf Jahrzehnte kaum messbar sein. Aber „Kleinvieh macht auch Mist“, hat meine ostpreußische Oma immer gesagt, und mit vielen kleinen Schritten kommt man letztlich auch voran. Langsam zwar, aber immerhin.
@ gnaddrig
„Die Wirkung mag winzig und noch auf Jahrzehnte kaum messbar sein.“
Tja, so ungefähr sieht auch meine unqualifizierte Einschätzung aus.
Und für diese neutrale Sprache (naja, wenn einem eingeredet wird, dass mit dem Wort „Wissenschaftler“ ab jetzt nur noch Männer gemeint sind, finde ich sie auch nicht besonders neutral) lohnt es sich, das Deutsche derart umzukrempeln (→ http://www.bruehlmeier.info/sprachfeminismus.htm )? Ach, ich weiß ja nicht.
@ Daniel
Ich weiß nicht, wie sehr man das Deutsche umkrempeln müsste. Ich weiß auch nicht, ob man Deutsch überhaupt durchgehend genderneutral sprechen kann. Und wenn, dann wäre das sehr gewöhnungsbedürftig. Aber deshalb kann man das Thema Sexismus in der Sprache (“brüderlich”, “Mannschaft”, “selbst ist der Mann” usw.) doch nicht einfach unter “kann man eh nichts machen” abhaken. Zumindest die Feststellung, dass unsere Sprache und unser Sprachgebrauch in vieler Hinsicht sexistisch sind, ist kaum von der Hand zu weisen (egal wie Sie, ich und der Rest der Welt das nun im Einzelnen bewerten). Und die Überlegung, ob man etwas dagegen unternehmen sollte, ergibt sich dann eigentlich wie von selbst. Außer natürlich, man stellt sich auf den Standpunkt, dass die Frauen sich nicht wieder so anstellen sollen. (Argumentation ungefähr so: “Die dürfen jetzt wählen, sich — fast — nach Belieben Kerle ins Bett holen und manchmal sogar Vorstand von Dax-Unternehmen werden, was wollen die noch?. Wenn die sich bei Arzt, Lehrer und Schiedsrichter nicht mitgemeint fühlen und (böswillig) auf Ärztin, Lehrerin und Schiesrichterin bestehen, ist denen auch nicht mehr zu helfen, wie kleinlich kann man denn sein?”)
Eines ist aber sicher: Vorschreiben kann man sowas nicht. Jeder muss selbst entscheiden, ob und inwieweit er seinen eigenen Sprachgebrauch ändert und bestimmte Formulierungen vermeidet, wo es geht. Das kann ganz einfach damit anfangen, dass man keine Frauenwitze mehr macht, sich Sprüche wie “Ein Mann — ein Wort, eine Frau — ein Wörterbuch” spart (genauso, wie man es sich auch angewöhnt, die gängigen Witze und Sprüche mit rassistischem oder homophoben Hintergrund zu vermeiden, Hautfarbe, sexuelle Orientierung und Behinderung nicht mehr in Beschimpfungen einzubauen usw.). Da gibt es unheimlich viel sexistischen (und rassistischen und homophoben usw.) Ballast, den man ganz unbewusst in der ganz normalen Umgangssprache mit sich herumschleppt. Sich das abzugewöhnen geht ganz ohne Umkrempeln der Sprache selbst, und das ist schon ein großer Schritt.
Was man darüberhinaus tatsächlich unternimmt, um z.B. genderneutraler zu sprechen, ist eine ganz andere Frage. Da bin ich selbst auch ratlos. Ich mag keine Xyz/innen-Formulierungen, und viele genderneutrale Ausdrücke sind zunächst sehr gewollt und unnatürlich. Aber mir ist auch nicht wohl dabei, das ganze so einfach auf sich beruhen zu lassen. Das ist alles nicht so einfach, wie Sie es sich zu machen scheinen.
Eine Frage
Gibt es empirische Studien dazu, ob “struktureller Sexismus” in der Sprache (gerade solch sublimer wie “Vaterland”) tatsächlich das Wohlbefinden von Frauen in irgendeiner Weise beeinträchtigen?
Hat er Folgen für die Arbeitsplatzsuche? Lenkt er die Wahrnehmungen hinweg von den Frauen auf die Männer? Oder fühlen sich Frauen nachweisbar schlechter, wenn im Alltag solche Begriffe verwendet werden? Oder ist das alles ein Wert an sich, muss Gerechtigkeit in der Sprache einfach um ihrer selbst willen geschaffen werden?
.“My heart” … in nationalen Puschen?
“Home is where the heart is”, für diesen schönen Spruch gibt es noch keine passende, ansprechende, mitreißende Übersetzung. Kann es sie denn geben, ohne piefig der trivial zu wirkeln?
Sonst sind mir mit dem Herzen leicht auf der Zunge. Aber mehr beim kreuzelenden Volkslied Zweiter Teil, der seit Freddie-Schnulzen sich auf deutschen Plattentellern, in deutschen Lautsprechen und Fernseh-Boxen
The Englisch meaning : “One’s own home is preferable to all others”… verhilft uns auch nicht aus den vorgewärmten, nationalen, wenn nicht gar regionalen Puschen.
Wie lautete doch die Kinder‑, ich nenn’ sie die EU-Hymne von Bert Brecht “Anmut sparet nicht noch Mühe…“ – und wozu könnte sie uns verpflichten, als Deutsche in Europa (vorerst)?