Langlebige Studierende

Von Anatol Stefanowitsch

In einem kurzen Anflug von Ver­wal­tungs­frust habe ich gestern nos­tal­gisch fol­gen­den Satz getweet­ed: „Wisst ihr noch, früher, als die Uni­ver­wal­tung für die Lehren­den und Studieren­den gear­beit­et hat?“. Kein bedeut­samer Satz, denn einen kurzen Anflug von Ver­wal­tungs­frust hat jede/r Universitätsmitarbeiter/in (inklu­sive der­er in der Ver­wal­tung) etwa drei Mal pro Minute. Neben viel Zus­tim­mung kam kurz darauf aber auch die Antwort „Früher hießen die auch noch Pro­fes­soren und Stu­den­ten und nicht Lehrende und Studierende.“

Denn nichts löst so zuver­läs­sig Kopf­schüt­teln aus, wie mein Ver­such, möglichst durchgängig eine wenig­stens ober­fläch­lich geschlecht­sneu­trale (oder zumin­d­est geschlecherg­erechte) Sprache zu ver­wen­den. Das ist ja Polit­i­cal Cor­rect­ness, und irgend­wie scheinen viele anson­sten nette und kluge Men­schen der Mei­n­ung zu sein, dass aus­gerech­net diese Art der Kor­rek­theit abzulehnen sei. Weil es doch nur Sprache ist, und man über die Sprache nicht die Welt ändern kann. Und weil die Welt auch gar nicht geän­dert wer­den muss, weil sie doch längst ger­cht ist. Oder eben, weil geschlecht­sneu­trale und/oder geschlechterg­erechte Sprache irgend­wie nicht so ist wie früher, wo alles bess­er war.

Und beson­ders das Wort Studierende ruft regelmäßig Ver­fechter tra­di­tioneller Sprech­weisen auf den Plan, in denen Stu­den­ten eben die Stu­dentin­nen mit­meint, wenn die denn nun schon studieren müssen. Studierende seien etwas ganz anderes als Stu­den­ten, hört man dann oft — es seien qua­si Stu­den­ten, die ger­ade am Studieren sind.

Alles neu­modis­ch­er Gen­derquatsch, also, was ich da getwit­tert habe?

Natür­lich nicht. Die Wörter Studieren­der und Lehren­der haben eine lange Geschichte, deren Wurzeln in ein­er Zeit liegen, als man sich um die Beze­ich­nung weib­lich­er Lehrende oder Studieren­der keine Sor­gen machen musste, weil es weib­liche Lehrende oder Studierende schlicht nicht gab.

Das Wort Lehrende find­et sich zum Beispiel (und es ist wirk­lich nur ein Beispiel unter hun­derten) in „Die Preussis­chen Uni­ver­sitäten: Eine Samm­lung der Verord­nun­gen, welche die Ver­fas­sung und Ver­wal­tung dieser Anstal­ten betr­e­f­fen“, ein­er Samm­lung von 1839. Der Grund für die Exis­tenz dieses Wortes wird dort auch sehr schnell deutlich:

Studierende

Studierende

Lehrende waren schon damals eben nicht nur Pro­fes­sores ver­schieden­ster Art, son­dern auch Pri­vat­dozen­ten, Repe­ten­ten, Sprach­meis­ter und Exerz­izien­meis­ter (let­zere drei Grup­pen dürften grob heuti­gen „Lek­toren“ und „Lehrkräften für beson­dere Auf­gaben“ entsprechen). Für die brauchte und braucht man einen Ober­be­griff, und die Wahl fiel — vielle­icht, weil Lehrer/in schon ander­weit­ig vergeben war — auf das auch heute noch gebräuch­liche Lehrende.

Studierende

Studierende

Auch die Studieren­den (alter­na­tiv auch Studirende geschrieben) gibt es schon sehr, sehr lange. Das Wort ist seit dem 18. Jahrhun­dert abso­lut gebräuch­lich, auch bei der Polit­i­cal Cor­rect­ness abso­lut unverdächti­gen Organ­i­sa­tio­nen wie dem Kön­i­gre­ich Bay­ern (siehe Grafik rechts). Tat­säch­lich ergibt eine ober­fläch­liche Kor­pus­suche auf Google Books, dass das Wort zeitweise sog­ar häu­figer war als die ange­blich so tra­di­tionelle Alter­na­tive Stu­den­ten. Die fol­gende Grafik zeigt die Häu­figkeit­sen­twick­lung der Wörter Studierende/n, Stu­den­ten und Stu­dentin­nen. Sie ist mit etwas Vor­sicht zu genießen; erstens, weil Google Books häu­fig das­selbe Werk mehrfach enthält und manche Büch­er zeitlich falsch zuord­net; zweit­ens, weil keine Groß- und Klein­schrei­bung berück­sichtigt ist, in den Häu­figkeit­en für Studierende/n also auch ein paar adjek­tivis­che Ver­wen­dun­gen (die studieren­den Men­schen) enthal­ten sind; drit­tens, weil Googles Häu­figkeit­en immer etwas undurch­schaubar errech­net werden.

Studierende

Studierende

Es zeigt sich zunächst ein Ver­wen­dungss­max­i­mum für Studierende um die Jahrhun­der­twende zum 19. Jahrhun­dert. Das war, wie gesagt, lange bevor Frauen über­haupt studieren durften — Polit­i­cal Cor­rectnes war hier sich­er nicht der Grund. Das Wort Studierende ist und war eben ganz ein­fach Ergeb­nis eines weltan­schaulich völ­lig neu­tralen Wort­bil­dungsmusters, bei dem das Par­tizip eines Verbs nom­i­nal­isiert wird, um jeman­den zu benen­nen, der die durch das Verb beze­ich­nete Tätigkeit ausübt.

Ein zweites Ver­wen­dungs­max­i­mum find­et sich vor 1900, eben­falls bevor Frauen tat­säch­lich in nen­nenswert­er Anzahl studieren durften. Das war erst ab 1900 der Fall, und hier sinkt die Häu­figkeit des geschlecht­neu­tralen Wortes inter­es­san­ter­weise, während die weib­liche Form Stu­dentin­nen in ihrer Häu­figkeit stetig zunimmt. Die Anwe­sen­heit von Frauen an den Uni­ver­sitäten macht sich also eher durch die explizite Benen­nung durch die fem­i­nine Form bemerk­bar, als durch die über­mäßige Ver­wen­dung von Studierende.

Ich benutze For­men wie Lehrende und Studierende aus Gewohn­heit und aus der Überzeu­gung, dass Stu­den­ten die Stu­dentin­nen, die in meinem Fach die große Mehrheit stellen, eben nicht mit ein­schließt. Aber ich werde mich deswe­gen in Zukun­ft nicht mehr recht­fer­ti­gen, son­dern ein­fach darauf ver­weisen, dass ich eben ein sehr tra­di­tioneller Men­sch bin, der sich dem sprach­lichen Duk­tus des 19. Jahrhun­derts verpflichtet fühlt und für den der alberne Latin­is­mus Stu­den­ten pseudopoli­tischinko­r­rek­te Wichtig­macherei signalisiert.

 

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

55 Gedanken zu „Langlebige Studierende

  1. Michael

    Hehe
    Dass Sie auch immer so einen riesen Artikel raushauen, wenn Sie sich recht­fer­ti­gen wollen 😉

  2. Prof. G.

    Schön!
    Das wird sicher­lich in den Hochschulen hin- und herz­i­tiert wer­den, wenn in den Gremien und Sem­i­naren das The­ma “Studierende und wie man sich beze­ich­net” aufkommt.
    Alle Teil­nehmenden (sic!) in den Lehrver­anstal­tun­gen wer­den aufhorchen, in den Mensen gibt es nach Jäger_in­nen-Schnitzel nun das Jagende-Schnitzel und so manchem Dozieren­den wird es ein Wohlge­fall­en sein. 🙂

  3. Gregor

    Nos­tal­gie?
    Als die Uni­ver­wal­tung noch für die Lehren­den und Studieren­den gear­beit­et hat — wann soll denn das gewe­sen sein? Als ich noch Studieren­der war jeden­falls nicht…
    Vielle­icht im Köngi­gre­ich Bayern?

  4. Wentus

    stu­dio­sus
    Wer weiß schon, warum sich ein Wort durch­set­zt? Vielle­icht hat sich “stu­dens” (Gen. stu­den­tis) ja doch wegen der Geschlecht­sneu­tral­ität gegen “stu­dio­sus” behauptet. Schließlich gab es schon immer Stu­dentin­nen mit Son­der­erlaub­nis oder ein­fach Chuzpe.

  5. Timo

    Ich halte es trotz­dem für Quatsch
    Schauen wir uns doch nur die Grafik an, addieren “Stu­den­ten” und “Stu­dentin­nen” kom­men wir auf einen Anteil von ca. 70% — kon­stant in den ver­gan­genen 40 Jahren. Was — außer der sog. polit­i­cal cor­rect­ness _jetzt_ dazu führt, dass dies geän­dert wer­den muss, habe ich auch nach der Lek­türe Ihres Artikels nicht verstanden.

  6. Helmut Wicht

    Ein Iota noch..
    (Par­tizip Präsens)
    Oha.
    Die Partizip_i_ation als Ausweis der Par­tizipa­tion an der Demon­tage der Patriarchats.
    Isse mir alles schnubbe, ich lass’ mir meine Iotae nicht rauben. Stu­dio­sus und Stu­diosa, Stu­den­ten und Studierende, Can­di­da­ta, Can­di­da­tus — any­thing goes, depends on the cir­cum­stances. Vive la difference!

  7. gnaddrig

    @ Timo re. Quatsch
    Geän­dert muss nichts wer­den. Man muss nach wie vor selb­st entschei­den, ob man Stu­den­ten und Stu­dentin­nen sagt oder Studierende.
    Die zen­trale Mes­sage dieses Artikels scheint mir zu sein, dass „Studierende“ keine aus irgen­dein­er Art von Polit­i­cal Cor­rect­ness geborene Neu­bil­dung ist, son­dern schon seit Jahrhun­derten gebraucht wird und zumin­d­est früher wohl häu­figer als „Stu­dent“ und „Stu­dentin“ war.
    Daraus fol­gt, dass es sach­lich falsch ist, die Ver­wen­dung von „Studierende“ als neu­modis­chen Unsinn beiseitezuwischen.
    Dass heutzu­tage die Ver­wen­dung von „Studierende“ oft aus der Bemühung entspringt, polit­i­cal­ly cor­rect zu sprechen, mag sein, ändert aber nichts daran. Und wer aus Grün­den der Polit­i­cal Cor­rect­ness „Studierende“ sagt statt Stu­den­tenIn­nen, benutzt deshalb immer noch einen seit 300 Jahren gängi­gen Begriff.

  8. Monika Hendlmeier

    Schließt das Wort “Stu­den­ten” die Stu­dentin­nen mit ein?
    Hierzu zwei Beispiele:
    Im Win­terse­mes­ter 2010/2011 gab es in Deutsch­land 1 157 485 Studenten.
    Im Win­terse­mes­ter 2010/2011 gab es in Deutsch­land 2 217 294 Studenten.
    Was ist der Unter­schied zwis­chen bei­den Sätzen?
    Nun, im ersten Fall bezieht sich das Wort “Stu­den­ten” auss­chließlich auf die männlichen Studieren­den. Keine einzige Frau ist in der Zahl 1 157 485 enthalten.
    Im zweit­en Fall bezieht sich das Wort “Stu­den­ten” auf alle Studieren­den. In der Zahl 2 217 294 steck­en 1 059 809 Frauen.

  9. Ralf

    »[…] und aus der Überzeu­gung, dass Stu­den­ten die Stu­dentin­nen […] eben nicht mit einschließt«
    Dann haben Sie doch bes­timmt dazu auch mal was geschrieben, oder? Haben Sie einen Link dazu? Die Argu­mente wür­den mich sehr inter­essieren. Ich selb­st schwanke immer noch ob ich das gener­ische Maskulinum nun sex­is­tisch find­en soll oder finde das ist unnötige Pedanterie.
    @Monika: Bei sprach­lich unein­deuti­gen Worten (wie z.B. bei »Stu­den­ten«) sind einzelne Sätze in der Regel schlecht geeignet für Beispiele, da sich die Bedeu­tung aus dem Zusam­men­hang erschließen sollte.

  10. T

    Was also haben dann die vier Worte über­haupt mit Gen­der zu tun?
    der Stu­dent / die Studentin
    der Studierende / die Studierende
    die Stu­den­ten / die Studierenden
    Ich kann keinen qual­i­ta­tiv­en Unter­schied erken­nen und die Plu­tal­for­men lassen bei­de Geschlechter zu. Dass die Plu­ral­form “Stu­den­ten” mehr Ähn­lichkeit mit der männlichen Form aufweist als mit der weib­lichen, liegt daran, dass es schlichtweg kürz­er ist und damit effek­tiv­er. Aber es ist schon­mal pos­i­tiv zu erwäh­nen, dass nicht Studier_innen gesagt wird.

  11. poppy

    Neben­frage
    Heißt das jet­zt “getweet­ed” oder “getwit­tert”; “gegoogled” oder “gegooglet”?

  12. gnaddrig

    @T re. Studenten
    Aber anders als Studierende ist der Plur­al Stu­den­ten rein maskulin. Stu­dentin hat einen eige­nen Plur­al: Studentinnen.
    Die Anrede “Liebe Studierende und Studierendin­nen” ist mir in den 90er Jahren gele­gentlich begeg­net, als Ver­al­berung der manch­mal sehr bemüht klin­gen­den geschlecht­sneu­tralen Aus­druck­sweise, die damals bei Behör­den usw. üblich wurde.

  13. Feathers McGraw

    Plur­al
    Lieber T,
    der Plur­al von “Stu­dentin” ist “Stu­dentin­nen” und von Stu­dent ist “Stu­den­ten” — “Studierende” ist sowohl im Sin­gu­lar als auch im Plur­al gle­ich und wird nur im Sin­gu­lar am Artikel unter­schieden. Im Plur­al ist es also für bei­de Geschlechter iden­tisch, daher für geschlecht­sneu­trale Ver­wen­dung ger­adezu ideal.
    Schauen sie mal, war doch gar nicht so schwer.

  14. Nota bene:

    Jen­seits gen­der-poli­tis­ch­er Posi­tio­nen und rein objek­tiv nach seinen Buch­staben schließt das Wort »Stu­den­ten« die Stu­dentin­nen natür­lich nicht mit ein. Umgekehrt aber sind den Buch­staben nach die Stu­den­ten in den Stu­dentin­nen dur­chaus enthalten.

  15. Carsten

    Haben Sie dem VDS schon vorgeschla­gen, das unnötige “Dozent” durch “Lehren­der” zu ersetzen? 😉
    Wenn man “die Lehren­den” benutzt, was in dem Tweet oben offen­sichtlich zutr­e­f­fend­er ist als “Pro­fes­soren”, dann kann man par­al­lel dazu auch “die Studieren­den” bilden. Ganz ohne das Gen­derei notwendig wäre.

  16. Klausi

    uni­ver­si­ty student
    Da es bei uns immer mehr uni­ver­si­ty und nicht mehr Uni­ver­sität heißt, wird es auch nicht mehr lange dauern, bis wir keine Stu­den­ten und Stu­dentin­nen mehr ken­nen, son­dern nur noch stu­dents.
    Dann hat sich auch dieses Prob­lem erledigt und A.S. müsste nicht mehr so viel guggeln.
    Allerd­ings tut sich dann ein neues Prob­lem auf. Während in Deutsch­land nur der­jenige als Stu­dent beze­ich­net wird, der an ein­er Uni­ver­sität oder Hochschule studiert, ist im Englis­chen stu­dent ein Ober­be­griff für so ziem­lich jeden, der lernt, behauptet jeden­falls Wikipedia: http://en.wikipedia.org/wiki/Student#United_States
    Wom­it sich ein weit­eres Prob­lem auftäte, das wiederum an der verzwick­ten deutschen Sprache liegt. Ein männlich­er stu­dent ist ein learn­er — eine weib­liche stu­dent ist eine learn­er, oder müsste es heißen, eine stu­dentin ist eine learner­in? Man weiß es nicht, man weiß es nicht.
    Vielle­icht geht es mit einem Artikel davor, der stu­dent, die stu­dent? Oder wir sagen geschlecht­sneu­tral zukün­ftig das stu­dent, was ich für eine sehr ele­gante Lösung hielte.

  17. jupp

    @Poppy
    Der grüne Duden stellt auf Seite 65 fest: “Ein Par­tizip II wird gele­gentlich in der englis­chen Form über­nom­men und erst später orthografisch inte­gri­ert. S. relaxed/relaxt.” 🙂

  18. Achim

    Nun ja
    Ich weiß auch nicht, wann dieses “früher” war, als die Ver­wal­tung für die Studieren­den gear­beit­et haben soll. War das damals Mitte der 80er, als man sich in lange Schlangen stellte, um sich per­sön­lich zum neuen Semes­ter zurück­zumelden, und doof ange­blafft wurde, wenn der Über­weisungs­be­leg nicht ordentlich auf dem For­mu­lar klebte?

  19. Patrick Schulz

    Soll doch jed­er Sprechen, wie er lustig ist, solange er ver­standen wird… Ich sage Stu­den­ten weil ich das irgend­wann mal in meinem Lexikon gespe­ichert habe, mit Genus- zwar, aber ohne Sexus-Merk­male. Und ich werde meine Sprechge­wohn­heit­en nicht ändern, nur weil sich irgendw­er dadurch ange­grif­f­en fühlen kön­nte. Ich werde weit­er­hin fluchen, wenn was nicht klappt, ich werde weit­er­hin „es ist um zwei“ sagen, wenn es 14:00 Uhr ist und ich werde weit­er­hin „Stu­den­ten“ ver­wen­den, auch wenn ich eine gemis­cht­geschlechtliche Gruppe vor mir habe.
    Trotz­dem halte ich einen Zusam­men­hang zwis­chen gram­ma­tis­chen Geschlecht und ein­er wie auch immer geart­eten Sexus-bezo­ge­nen Diskri­m­inierung immer noch für ein Märchen, zumal ich nicht glaube, dass es in den Sprachkreisen, die über keine oder nur wenige Möglichkeit­en zur sexus­be­zo­ge­nen Spez­i­fizierung ver­fü­gen (z.B. Sprech­er des Englis­chen), weniger Ungle­ich­berech­ti­gung gibt, als bei uns.
    Das einzige, was bei uns anders ist, sind die Auf­schrei­he, wenn tat­säch­lich noch jemand das gener­ische Maskulinum benutzt und irgend­wo jemand unter den Zuhör­ern ist, der meint, alles wörtlich nehmen zu müssen. Aber in der tat­säch­lichen Ungle­ich­be­hald­lung von gibt es kaum spür­bare Unter­schiede. Oder irre ich? Sind die Amis ein tol­er­an­teres Völkchen weil sie kein ‑innen haben?

  20. gnaddrig

    @ Patrick Schulz
    Lassen Sie uns nicht von der Ungle­ich­be­hand­lung anfan­gen, son­st sprengt das hier den Rahmen. 

  21. Harald Weiche

    das
    Also wenn schon, denn schon. Nicht die Worte wech­seln, son­dern das Aufas­sung des Geschlechts. Es macht inhaltlich kein Sinn, das Berge männlich sind, das Sonne weib­lich. Man nehme fol­glich bei alle Dinge ohne Geschlecht das säch­liche und drücke mit die Men­sch und der Pferd, die Frau und den Hengst aus. Was allerd­ings mit, “des Frau bestes Fre­und ist das Hund”, sehr putzig wird. — Oder man lasse alles wie es ist.

  22. Christian S.

    Hihi. 🙂 Sehr schön.
    (Was übri­gens skur­ril ist: Frauen, die sich selb­st als “His­torik­er” oder “Ger­man­ist” oder “Lehrer” beze­ich­nen und darauf auch noch nach Hin­weis behar­ren. Noja.)

  23. Martin

    Inter­es­san­ter­weise find­et man diese Wen­dun­gen fast nur in der hochof­fiziellen und/oder geschriebe­nen Sprache. Die meis­ten Studenten/Studierenden wür­den nie “Wir als Studierende” sagen, son­dern eher “Wir als Studenten”.
    Aus mein­er Sicht ist das ein Nebenkriegss­chau­platz, auf dem man sich etwas aus­to­bt, ohne auf den wirk­lich tiefge­hen­deren Teil einzuge­hen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich jemand ern­sthaft an “Stu­den­ten” stört.

  24. Mona

    Was übri­gens skur­ril ist: Frauen, die sich selb­st als “His­torik­er” oder “Ger­man­ist” oder “Lehrer” beze­ich­nen und darauf auch noch nach Hin­weis beharren.”
    Nach dem Mauer­fall wun­derte ich mich oft, wenn sich Frauen aus der ehe­ma­li­gen DDR mit männlichen Berufs­beze­ich­nun­gen vorstell­ten. Dazu habe ich hier einen inter­es­san­ten Beitrag gefunden:
    http://www.stuts.de/…tuTS/a‑proceeding_just.html

  25. Christoph Päper

    Studierende und Studenten
    Ich finde, studierende hört sich doof an, und bevorzuge studi­um­sende (nicht stu­di­enende); wenn’s dif­feren­ziert­er sein soll, abschluss und abbruch. Was stu­den­ten ange­ht, ist das sehr wohl die all­ge­meine und gle­ichzeit­ig die weib­liche Form, denn die männliche ist schließlich stud­er­pel.
    Was das ganze mit Profs, Doks, Wimis und Stud­is zu tun haben soll, habe ich nicht ver­standen, vielle­icht kann mir das ja eine Bach­e­lorette, Mas­tress, Mag­is­tra oder Ph.D.va verklickern.

  26. Christoph Päper

    Grup­pen­be­griffe
    PS: Das Pro­fes­so­ri­um bildet mit dem Mit­tel­bau den Lehrkör­p­er und BaMas (mit den übrigge­bliebe­nen MAs und Dipls), also die Stud…schaft, entsprechend den Lernkör­p­er. Da aber heute Teach­ing by Learn­ing und Learn­ing by Teach­ing mod­ern ist, sollte man kor­rek­ter­weise von Lehrlernkör­p­er und Lern­lehrkör­p­er sprechen – oder umgekehrt?!

  27. Michael Blume

    Sehr schön!
    Lieber Ana­tol, dieser Blog­post ist richtig Klasse und wird sich­er auch oft zitiert und ver­linkt wer­den. Wie schön, dass Du die PC-Has­s­er mal mit ihren eige­nen Waf­fen geschla­gen hast! 🙂 Bit­tebitte mehr davon!
    Frage & Anre­gung: Weißt Du, was es mit der Wortschöp­fung “Gut­men­sch” auf sich hat? Diese wurde m.W. schon von den Nazis ver­wen­det und drückt ja eigentlich eben­falls eine Her­ab­set­zung gewach­sen­er Moralvorstel­lun­gen aus, oder?

  28. NörglerIn

    Daß das Wort „Studiere­nende®“ rel­a­tiv alt ist, ist sicher­lich ein tre­f­fend­es Argu­ment gegen die ver­fehlte Annahme, „Studieren­der“ könne nur den­jeni­gen beze­ich­nen, der ger­ade in diesem Augen­blick „am studieren“ ist.
    Bedarf es aber dazu wirk­lich des Rück­griffs auf ein zeitweise (im 18. und 19. Jahrhun­dert) im Schwange gewe­senes Wort?
    Adelung sagt zu „Stu­dent“:
    „Es hat das Wort durch den häu­fi­gen Gebrauch etwas Alltäglich­es bekom­men, daher man in der edlern Sprachart einen solchen den Wis­senschaften sich wid­menden Jüngling lieber einen Studieren­den oder Stu­dio­sum nen­nt, dage­gen in der ver­traulichen Sprechart auf Uni­ver­sitäten das Wort Bursch am üblich­sten ist.“
    Danach war „Stu­dent“ die ursprüngliche Beze­ich­nung, die zeit- und teil­weise durch das Mod­e­wort „Studieren­der“ ver­drängt wurde. Spätestens im 20. Jahrhun­dert war „Stu­dent“ wieder die weitaus häu­figere Beze­ich­nung. Wer also heute von „Studieren­den“ spricht, benutzt diesen alber­nen Latin­is­mus nicht wegen der „edlern Sprachart“, son­dern bewußt aus pseudopoli­tis­chko­r­rek­ter Wichtigmacherei.
    Wäre ich ein Anhänger pseudopoli­tis­ch­er Kor­rek­theit, würde ich allerd­ings aus sprachökonomis­chen Grün­den auch lieber von „Studieren­den“ als von „Stu­dentin­nen und Stu­den­ten“ sprechen.
    Warum sollte man sich eigentlich die Mühe mit ange­blich „geschlecht­sneu­traler“ oder „geschlechterg­erechter“ Sprache (was immer das auch sei) machen, wenn man nicht Anhänger von Hum­boldt-Sapir-Whorf ist?
    Inter­es­sant finde ich die Fest­stel­lung, daß die Stu­dentin­nen im Fach Lin­guis­tik die „große Mehrheit stellen“. Was sagt das über die Stu­dentin­nen ein­er­seits, über die Lin­guis­tik ander­er­seits aus?
    Sollte es tat­säch­lich so sein, daß die Stu­dentin­nen die „soft sci­ences“ den „hard sci­ences“ vorziehen?

  29. Dierk

    Daß das Wort „Studiere­nende®“ rel­a­tiv alt ist, ist sicher­lich ein tre­f­fend­es Argu­ment gegen die ver­fehlte Annahme, „Studieren­der“ könne nur den­jeni­gen beze­ich­nen, der ger­ade in diesem Augen­blick „am studieren“ ist.
    Bedarf es aber dazu wirk­lich des Rück­griffs auf ein zeitweise (im 18. und 19. Jahrhun­dert) im Schwange gewe­senes Wort?

    Ja.
    Um zu beweisen, dass ein Wort alt ist, muss ich tat­säch­lich zurück blick­en und es in alten Tex­ten finden.
    Eine andere Frage — die allerd­ings in Her­rn Ste­fanow­itschs Artikel nur en pas­sant auf­taucht — ist, ob der aktuelle Ver­wen­dungswert eines Begriffes durch sein Alter ange­hoben wird. Der Artikel beant­wortet doch nur die Frage, ob ‘Studierende’ eine Neuschöp­fung ist, die möglicher­weise aus dem äußerst vage definierten Bere­ich der polit­i­cal cor­rect­ness stammt.
    Nein, das ist das Wort nicht, es stammt noch aus ein­er Zeit, als die Men­schen von Höflichkeit sprachen, wenn sie ungeschriebene Nor­men anerkan­nten, die halfen, andere nicht zu beleidigen.
    PS: Ich bin mir nicht ein­mal sich­er, ob die Dame, durch deren Tweet Herr Ste­fanow­itsch sich angestoßen fühlte, diesen Artikel zu schreiben, PC unter­stellen wollte.

  30. Studierendenfutter

    Daß das Wort „Studiere­nende®“ rel­a­tiv alt ist, ist sicher­lich ein tre­f­fend­es Argu­ment gegen die ver­fehlte Annahme, „Studieren­der“ könne nur den­jeni­gen beze­ich­nen, der ger­ade in diesem Augen­blick „am studieren“ ist.

    nö, es nur ein beleg dafür, dass auch anno tobak bere­its unsinn gere­det wurde.

  31. Studierendenfutter

    Daß das Wort „Studiere­nende®“ rel­a­tiv alt ist, ist sicher­lich ein tre­f­fend­es Argu­ment gegen die ver­fehlte Annahme, „Studieren­der“ könne nur den­jeni­gen beze­ich­nen, der ger­ade in diesem Augen­blick „am studieren“ ist.

    nö, es nur ein beleg dafür, dass auch anno tobak bere­its unsinn gere­det wurde.

  32. Helmut Wicht

    @ Studieren­den­fut­ter
    “Nö, es nur ein beleg dafür, dass auch anno tobak bere­its unsinn gere­det wurde.”
    D’accord.
    Anti­quar­isch­er Fehlschluss: Nur weil’s alt ist, ist es nicht notwendig klug.

  33. Dus

    Ich wage zu behaupten, dass sich sämtliche Argu­mente für PC ihrer­seits mit exakt densel­ben Argu­menten wider­legen lassen. Ihre Recht­fer­ti­gung, dass “Studierende” ja schon vor hun­dert Jahren zum Beispiel ähnelt der Argu­men­ta­tion eines Andreas Busch (Die unverbesser­liche Seichtigkeit der Sprach­nör­gler), die auch nicht richtiger wird, wenn Sie sie anwen­den. Dass das Wort anno Tobak ver­wen­det wurde, ändert nichts daran, dass es eben nicht dem natür­lichen Sprachge­brauch heute entspricht.
    Denn PC ist kein natür­lich­er Sprach­wan­del, son­dern ein verord­neter, wie ihn auch der VDS anstrebt. Zudem hat sie etwas heuch­lerisches. Die Rechte der Schwarzen in Ameri­ka in Ameri­ka haben sich nicht dadurch verbessert, dass man nicht mehr Nig­ger sagen durfte. Dadurch hat es lediglich als Belei­di­gung an Macht gewon­nen. Man ver­mei­det Nicht-PC-Begriffe, weil man Angst hat, sich als Rassist/Sexist/XYZist zu out­en. Der Begriff Euphemis­mus-Tret­müh­le sollte kein­er weit­eren Erk­lärung bedür­fen. Alter­na­tiv sollte man einen Blick auf die Schwu­len­szene wer­fen, die es (zumin­d­est im englis­chen Sprachraum) geschafft hat, die Belei­di­gung ‘gay’ selb­st­be­wusst pos­i­tiv zu verwenden.
    Ich wage zu behaupten, dass (so gut wie) nie­mand, den Begriff ‘Stu­den­ten’ ver­wen­det, weil er oder sie Frauen für schlechtere Men­schen hält, son­dern weil das gener­ische Maskulinum schlicht (immer noch) üblich und auch kürz­er ist. Poli­tis­che Kor­rek­theit erre­icht vor allem, dass Men­schen, die sich nicht auf Befehl an die neue Spra­chord­nung gewöh­nen, unter dem Gen­er­alver­dacht ste­hen, Sex­is­ten bzw. Ras­sis­ten zu sein, was in den meis­ten Fällen Unsinn ist. Zudem ver­liert das gener­ische Maskulinum so tat­säch­lich die gener­ische Funk­tion, da einem ja einge­bläut wird, es hätte sie nie gehabt. Im Rus­sis­chen, das auch über 3 Geschlechter ver­fügt, wird die gener­ische (der masku­li­nen Form entsprechende) Form auch benutzt, wenn es sich um die Berufs­beze­ich­nung ein­er einzel­nen weib­lichen Per­son han­delt, es sei denn, das Geschlecht spielt tat­säch­lich eine Rolle. Und in Rus­s­land war die Beruf­stätigkeit der Frau schon zu Sow­jet­zeit­en dur­chaus gebräuchlich.
    Solche Nebenkriegsplätze tun der Gle­ich­berech­ti­gung keinen Gefall­en, sie schaden ihr. Genau wie manch andere Exzesse des Feminismus.
    Kern der Aus­sage: Es ist schlicht nicht nachvol­lziehbar, sich in diesem Punkt aus fehlgeleit­eten poli­tis­chen Grün­den für eine kün­stliche Sprach­s­teuerung einzuschätzen. Denn der Zweck heiligt nicht die Mit­tel, ins­beson­dere, wenn dieser mit den Mit­teln gar nicht erre­icht wer­den kann. 😛

  34. Michael Allers

    Zus­tim­mung und Kopfschütteln
    @Dus: Volle Zustimmung!
    @A.S.:
    1. ‘Lehrende’ als Ober­be­griff ist sin­nvoll, da ‘Lehrer’ schon ander­weit­ig, spez­i­fis­ch­er beset­zt ist.
    2. ‘Studierende’ dage­gen ist zwar nicht falsch, aber auch nicht nötig. Klar kön­nen Studierende auch ger­ade in der Kneipe sitzen — die Ver­laufs­form ist nicht das Prob­lem. Wann das Wort ‘Studierende’ ent­stand, ist m.E. egal.
    Allerd­ings wird mein Ver­ständ­nis der Lin­guis­tik regelmäßig auf eine harte Probe gestellt, wenn ich solche Beiträge lese. Da wer­den “anson­sten nette und kluge” und vor allem deskrip­tive Lin­guis­ten / Lin­guistin­nen / Lin­guistierende (?) m.E. dur­chaus präskriptiv.
    Warum schauen Sie hier nicht dem Volk aufs Maul bzw. aufs Google?
    Die Bildersuche
    stu­den­ten ‑stu­dentin­nen
    zeigt doch — unter Auss­chluss der For­mulierung ‘Stu­den­ten und Stu­dentin­nen’ — ganz klar, dass ‘Stu­den­ten’ in den let­zten Jahrzehn­ten einen Bedeu­tungswan­del erfahren hat, d.h. bei­de biol­o­gis­chen Geschlechter umfasst. Wie kann jemand, der son­st Bedeu­tungswan­del zu Recht als ganz nor­mal deklar­i­ert, ihn in solchen Fällen hart­näck­ig ignorieren?

  35. D.A.

    Dito Michael Allers und Patrick Schulz
    Volle Zus­tim­mung mein­er­seits an Michael Allers und auch Patrick Schulz.
    Trotz­dem noch ein eigen­er Gedanke: Selb­stver­ständlich soll jed­er sprechen kön­nen, wie er oder sie will. Wer “Studierende” aus welchen Grün­den auch immer für bess­er hält, soll es ver­wen­den. Auch ich sehe dur­chaus, dass es einige Vorzüge hat (z. B. eben, nicht missver­standen zu wer­den von jeman­dem, der glaubt, “Stu­den­ten” schließe weib­liche Ref­er­enten aus), aber diese ständi­ge impliz­it mitschwin­gende Unter­stel­lung, dass jemand, der “Stu­den­ten” für nicht-sexus­markiert hält, doch irgen­det­was gegen Frauen haben müsste, gefällt mir ganz und gar nicht, und das halte ich ein­er wis­senschaftlichen Herange­hensweise auch für unwürdig.
    Es ist immer wieder inter­es­sant, wie sehr und schnell sich beim The­ma Gen­der die Gemüter erhitzen (sieht man, das Beispiel fällt mir ger­ade ein, etwa auch bei Bericht­en über die Piraten­partei). M. E. wäre schon damit viel geholfen, wenn man an das The­ma ruhig, unvor­ein­genom­men und ohne Schaum vorm Mund herange­hen würde.
    (Dis­claimer, falls man mich mit meinem Kom­men­tar in eine gewisse Ecke stellen will: PC-Has­s­er finde ich furchtbar.)

  36. strawbeard

    Par­tizip
    [quote]Das Wort Studierende ist und war eben ganz ein­fach Ergeb­nis eines weltan­schaulich völ­lig neu­tralen Wort­bil­dungsmusters, bei dem das Par­tizip eines Verbs nom­i­nal­isiert wird, um jeman­den zu benen­nen, der die durch das Verb beze­ich­nete Tätigkeit ausübt.[/quote]
    Mit den [b]Studierenden [/b]und [b]Lehrenden [/b]habe ich keine Prob­leme. Aber ab und zu stört mich der Gebrauch des [b]Partizips[/b].
    Beispiel: In der Schweiz gibt es den “Mieter- und Mieterin­nen­ver­band Deutschschweiz”, der “Mieterin­nen und Mieter” (oder “MieterIn­nen”) gerne als “Mietende” beze­ich­net. Da gibt es mir immer einen Stich! Warum eigentlich? Ich denke, die Tätigkeit des Mietens zielt auf den Abschluss eines Mietver­trags; danach wohnt man ein­fach (“zur Miete”), aber man mietet nicht(s) mehr. “Mietende” wären dem­nach dauernd auf Woh­nungssuche und unter­schrieben einen Mietver­trag nach dem andern.:=>
    Ab und zu weicht man auf “die Mieter­schaft” aus, was so anheimel­nd amts­deutsch klingt, wie die “Täter­schaft” im Polizeibericht. Beim natür­lichen Feind, den Haus­be­sitzern und ‑ver­wal­tern, gibt man sich weniger Mühe,und beze­ich­net sie bei unbekan­ntem Geschlecht schlicht als “Ver­mi­eter”. Der böse Wolf muss wohl ein Rüde sein. Last, not least, will man die Web­sitebe­such­er nicht ver­wirren und bleibt bei der URL http://www.mieterverband.ch.

  37. Studierendenfutter

    Es ist immer wieder inter­es­sant, wie sehr und schnell sich beim The­ma Gen­der die Gemüter erhitzen (sieht man, das Beispiel fällt mir ger­ade ein, etwa auch bei Bericht­en über die Piraten­partei). M. E. wäre schon damit viel geholfen, wenn man an das The­ma ruhig, unvor­ein­genom­men und ohne Schaum vorm Mund herange­hen würde.

    Das funk­tion­iert erfahrungs­gemäß nie bei ide­olo­giebasierten bzw. Glauben­s­the­men. Wo es an Beweisen man­gelt, entste­ht schnell ein Wet­tbe­werb um das Richtige und noch Richtigere, der in ein­er Spi­rale eifer­n­der Fröm­mer­lei mündet.

  38. Thomas K.

    Lan­glebige Studierende
    “Pro­fes­soren und Stu­den­ten” ist schon mal viel anschaulich­er als “Lehrende und Studierende”. Und man kann die Wörter “Pro­fes­sor” oder “Stu­dent” dur­chaus als Neu­tra auf­fassen. Ich glaube, dass dies in vie­len anderen Sprachen so gehand­habt wird. Nur wenn eine geschlechtsspez­i­fis­che Unter­schei­dung das Ver­ständ­nis erle­ichtert, heißt es bspw. im Englis­chen “woman pro­fes­sor” oder “male stu­dent”. Was spricht denn dage­gen, das bei uns genau­so zu prak­tizieren? “Stu­den­ten” wäre dann die Gesamt­menge von “männlichen Stu­den­ten” und “weib­lichen Stu­den­ten” — und solche Band­wurm­sätze wie “Liebe Pro­fes­sorin­nen und Pro­fes­soren, liebe Stu­dentin­nen und Stu­den­ten …” kön­nte man sich sparen. Vielle­icht gäbe es dann auch eine “männliche Hebamme” statt Geburtshelfern. Würde das einen emanzip­ierten Mann stören?

  39. Michael Allers

    Ich geb’s auf
    ich hat­te hier einen lan­gen, kri­tisch-ver­söhn­lichen Kom­men­tar geschrieben. Quin­tes­senz: Nie­mand muss sich für seinen Sprachge­brauch recht­fer­ti­gen, egal ob er / sie weibl. + männl. Hochschu­la­b­sol­ven­ten nun Studierende oder Stu­den­ten nennt.
    Aber die Mehrheit des Volkes, von dem doch alle Sprachge­walt aus­ge­ht, sagt nun mal Stu­den­ten (Google!), ohne sich deshalb den impliziten Vor­wurf der Frauen­feindlichkeit gefall­en lassen zu müssen!
    Fehler-Report:
    Beim Abschick­en war der Auth.-Code ver­al­tet -> entspr. Fehler­mel­dung. Nach Klick auf ‘zurück’ war die Kom­mentareingabe ver­schwun­den. Auch diverse Brows­er-Back-Aktio­nen bracht­en sie nicht zurück. 🙁

  40. amfenster

    Zus­tim­mung nun wiederum an D.A.
    So ehren­wert ich das Anliegen eines gen­der-sen­si­tiv­en Sprachge­brauchs erachte (und so unprob­lema­tisch ich “Lehrende” und “Studierende” finde, die nach meinem Sprachempfind­en sog­ar dur­chaus ihre Domäne haben, in der sie nicht ohne Weit­eres durch “Dozen­ten” und “Stu­den­ten” erset­zbar sind), so wenig nachvol­lziehbar sind mir bis­lang die Argu­mente, die dafür vorge­bracht wer­den. Ich habe kein­er­lei Prob­leme, so etwas wie ein gener­isches Maskulinum für exis­tent zu eracht­en — und vom Gegen­teil kon­nte ich noch nicht überzeugt werden.
    Es scheint let­ztlich wohl doch eine Glaubens­frage zu sein, der argu­men­ta­tiv kaum beizukom­men ist — auf bei­den Seiten.

  41. Susanne Peyronnet

    Ich war diejenige welche
    Wenn ich gewusst hätte, dass man Tweet „Früher hießen die auch noch Pro­fes­soren und Stu­den­ten und nicht Lehrende und Studierende.“ so viel Diskus­sio­nen aus­löst, hätte ich ihn schon viel früher los­ge­lassen. Alle, die ver­mutet haben, ich hätte mich damit gar vielle­icht nicht gegen die PC gewen­det, haben Recht. Mir geht es nur um schlichte Sprache, um gängige Begriffe, und viele haben hier meine Ein­schätzung bestätigt, dass der Begriff Stu­den­ten auch heute noch gängig ist. Ob Studierende nun alt ist oder nicht, ist zwar inter­es­sant, aber für die heutige Ver­wen­dung nicht von so großer Bedeutung.
    Was kor­rek­te Beze­ich­nun­gen von Män­ner und Frauen in ihren Funk­tio­nen bet­rifft, plädiere ich bei großen Grup­pen für das gener­ische Maskulinum und habe damit auch über­haupt kein Prob­lem, füh­le mich als Frau nicht aus­geschlossen. Ganz anders bei einzel­nen Per­so­n­en. Die Vorstel­lung dama­liger DDR-Bürg­erin­nen, die berichteten, sie seien Inge­nieur oder Sach­bear­beit­er, hat mich damals sehr irri­tiert. Jede Sach­bear­bei­t­erin hat das Recht, mit der weib­lichen Endung beze­ich­net zu wer­den. Bei 200 davon würde ich immer Sach­bear­beit­er sagen und schreiben, nie Sach­bear­beit­er und Sach­bear­bei­t­erin­nen und auch nicht Sach­bear­beit­ern­den oder so.

  42. Michael Allers

    Zus­tim­mung und let­zte Frage
    @Susanne Peyronnet:
    So prag­ma­tisch wie Sie hal­ten es wohl die meis­ten — aus mein­er Erfahrung auch die meis­ten Frauen. Eine Min­der­heit meint, aus dem gram­ma­tis­chen Genus (des Sin­gu­lars, denn dem Plur­al sieht man das Genus doch gar nicht an) bei Sam­mel­beze­ich­nun­gen ein Prob­lem machen zu müssen. Hmmm … muss Mann sich also bei ‘die Per­so­n­en’, ‘die Bevölkerung’ usw. nun auch diskri­m­iniert vorkommen?
    Egal, ich sage weit­er­hin ‘Stu­den­ten’. Let­zte Frage dazu:
    Warum sollte dies ein “alberne® Latin­is­mus” sein, ‘Studierende’ mit dem­sel­ben latienis­chen Wort­stamm dage­gen nicht?

  43. Dierk

    Gewöh­nung
    Alles eine Frage der Gewöh­nung; Wörter mögen uns nichts ans Herz wach­sen, aber ins Ohr. Wenn wir über [junge] Jahre immer ‘Neger’, ‘Stu­dent’, ‘Karl-Muck-Platz’* gehört und ohne weit­eren Gedanken an Wort­geschichte o.ä. ver­wen­det haben, dann wer­den wir Schwierigkeit­en haben, uns an Ersatzwörter zu gewöh­nen. Da die meis­ten von uns eher keine offe­nen Ras­sis­ten oder Sex­is­ten sind, son­dern nur harm­los den gesellschaftlichen Fortschritt wider­spiegeln, wer­den wir unsere harm­lose Ver­wen­dung überkommen­er Begriffe dur­chaus mit Zäh­nen und Klauen vertei­di­gen. Schließlich ‘ist ja nichts Schlimmes dran’.
    Seman­tisch lässt sich ‘Studierende’ kaum ablehnen, mor­phol­o­gisch hat es den Vorteil, dem Einzel­nen recht natür­lich ein Geschlecht zuzus­prechen, in der Mehrzahl aber neu­tral zu sein.**
    Alles in allem bin ich allerd­ings auch der Ansicht, dass — im All­ge­meinen — das gram­ma­tis­che Geschlecht und das biol­o­gis­che höch­stens zufäl­lige Verbindun­gen aufweisen. Bekan­nteste Beispiele sind Sonne und Mond, die z.B. im Franzö­sis­chen geschlechtlich ander­sherum daste­hen als im Deutschen. Die gesellschaftliche Kom­po­nente wird deut­lich beim Wort­paar Sekretär-Sekretärin — der Beruf war bis zu WK1 männlich geprägt, wurde dann weib­lich, ist heute kaum noch männlich vorstell­bar. Wird die männliche Beze­ich­nung benutzt, denken die meis­ten ver­mut­lich eher an ein Möbelstück.
    *Das Ersatz­wort für ‘Karl-Muck-Platz’ lautet ‘Johannes-Brahms-Platz’.
    **Studierende und Studieren­der vs. Stu­dentin und Student.

  44. Jg

    Das gener­ische Maskulinum im Test?
    Hier wird so nach­drück­lich behauptet, alle hät­ten das gener­ische Maskulinum fest verin­ner­licht, wo von “Stu­den­ten” gesprochen wird und damit selb­stver­ständlich “Stu­dentin­nen” nicht aus­geschlossen wer­den sollen.
    Das kön­nte man doch mal ver­suchen zu testen. Etwa indem man eine Zeich­nung mit einem Grup­pen­bild von ver­schieden gek­lei­de­ten Leuten präsen­tiert und manchen Proban­den die Auf­gabe stellt a) “markiere alle Stu­den­ten!”, anderen b) “…Stu­dentin­nen und Stu­den­ten”, anderen c) “…Studieren­den”.
    Vielle­icht kön­nte man auch Inter­es­santes her­aus­bekom­men, wenn man die emo­tionale Ein­stel­lung zum Wort “Studierende” und den Ergeb­nis­sen eines solchen Markiertests in Beziehung setzt.
    Keine Ahnung, ich kenn mich mit empirisch­er Forschung nicht aus, aber vielle­icht wäre etwas in diese Rich­tung ja seminararbeitstauglich…

  45. Studierendenfutter

    Nein, Jg, so ein­fach ist das nicht. Sobald eine Fragestelle­ung auf konkrete Per­so­n­en, die in deinem Beispiel zu markieren wären, abzielt, kor­re­liert das sprach­liche Geschlecht dur­chaus mit dem kör­per­lichen. Überdies darf man nicht ver­nach­läs­si­gen, dass Dop­pel­nen­nun­gen und andere Sprachg­y­n­mas­tik den gener­ischen Charak­ter des Maskulinums abgeschwächt haben. War es früher egal, ob ein Physik­er männl. oder weibl. war – alle Men­schen kon­nten ohne Bezug auf ihr Geschlecht ein­fach Physik­er sein – so ist das heute nicht mehr möglich. Eine Frau kann nie und nim­mer Physik­er sein. Sie ist in jedem Fall Physik­erin und nicht das gle­iche wie ein Physik­er. Damit wird nicht nur das Geschlecht der Frau an unpassender Stelle the­ma­tisiert und “sicht­bar gemacht”, die Frau wird auch – wieder ein­mal – als das Andere markiert. Sie ist nicht ein­fach Physik­er, son­dern Obacht: FRAU und Physik­erIN. Alle neg­a­tiv­en Zuschrei­bun­gen, mit denen Frauen bedacht wer­den, kom­men ihr nun auch zu in ihrer Rolle als Physik­erIN. Auf diese Weise wird Sex­is­mus in der Sprache etabliert, da die Geschlechter nicht mehr neu­tral und ohne geschlechtlichen Bezug ein­fach Physik­er sein kön­nen, son­dern Frauen wieder die Anderen sind, die eine extra Nen­nung benöti­gen. Das ist sprach­liche Geschlechtersegregation.

  46. Ludwig Trepl

    Katholizis­mus
    @Studierendenfutter hat weit­er oben (19.11.) die Behaup­tung des Beitrags tre­f­fend so kommentiert:
    “nö, es nur ein beleg dafür, dass auch anno tobak bere­its unsinn gere­det wurde.”
    @Helmut Wicht hat von einem “anti­quar­ischen Fehlschluß” gesprochen.
    Ich möchte stattdessen die Beze­ich­nung “katholis­ch­er Fehlschluß” vorschla­gen. Die Begrün­dung ste­ht hier:
    http://deutsche-sprak.blogspot.com/…erende.html.

  47. Joachim

    @Studierendenfutter
    “War es früher egal, ob ein Physik­er männl. oder weibl. war – alle Men­schen kon­nten ohne Bezug auf ihr Geschlecht ein­fach Physik­er sein – so ist das heute nicht mehr möglich.”
    Und mit “früher” meinen sie wann und wo genau? Haben sie belege für diese Behauptung?

  48. Jg

    @Studierendenfutter
    Ja, genau, ich glaube eben den Kom­men­ta­toren nicht, die — wenn ich das richtig ver­ste­he . sagen wollen, dass für sie “Stu­den­ten” die Stu­dentin­nen mit ein­schließt. Und ich über­lege, wie man diese innere Ein­stel­lung testen könnte.
    Die Idee ist: Wenn der Verteter des gener­ischen Maskulinums etwa sagt: “Es waren viele Stu­den­ten auf der Feier.” und damit nach eigen­em Bekun­den die Stu­dentin­nen ein­schließt, müsste er nicht kon­se­quenter­weise, wenn ihm ein Wim­mel­bild von der Feier gezeigt wird und er gebeten wird, alle Stu­den­ten zu markieren, die Stu­dentin­nen mit markieren?
    Oder, wenn er sagt: “Alle Stu­den­ten sind faul.” und ihm dann Fotos von Stu­den­ten und Stu­dentin­nen zeigt, würde er seinen Satz unter­schied­s­los auf bei­de anwen­den: A (männl.) ist faul, B (weibl.) ist faul usw.

  49. Michael Allers

    @Jg:
    Warum glauben Sie Ihren Mit­men­schen — ‘tschuldigung — Mit­men­schen­den nicht?
    Ich empfehle nochmals die Google-Bildersuche:
    stu­den­ten ‑stu­dentin­nen
    .
    Was sehen Sie???

  50. Studierendenfutter

    Ja, genau, ich glaube eben den Kom­men­ta­toren nicht, die — wenn ich das richtig ver­ste­he . sagen wollen, dass für sie “Stu­den­ten” die Stu­dentin­nen mit ein­schließt. Und ich über­lege, wie man diese innere Ein­stel­lung testen könnte.

    Man kann z.b fra­gen, wer alles in einem Stu­den­ten­wohn­heim wohnt oder eine Stu­den­tenkneipe besucht. Oder man bit­tet die Proban­den, Texte aus Tageszeitun­gen zu inter­pretieren, die nur den Begriff Stu­den­ten ver­wen­den. Allerd­ings, ich schrieb es schon, ist der neu­trale Charak­ter durch die Dop­pel­nen­nung lei­der etwas abhan­den gekom­men. Die Stu­dentin­nen in den neuen Bun­deslän­dern beze­ich­nen sich allerd­ings noch heute selb­st als Stu­den­ten. Viel Frauen sprechen von ihrer Stu­den­ten­zeit, ihrer Stu­den­ten­bude und ihrem Studentenleben.
    Übri­gens beste­ht beim Wort “Fre­unde” fast die gle­iche Prob­lematik. Viele Men­schen sagen, sie hat­ten Fre­unde zu Besuch, waren mit Fre­un­den unter­wegs. Ich wüsste nie­man­den, der da nur an männliche Fre­unde denkt.

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