Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung sieht es, nach eigener Aussage, „als ihre Aufgabe an, die deutsche Literatur und Sprache zu pflegen und, wo es sein muß, zu vertreten, nicht zuletzt neue Entwicklungen aufmerksam und kritisch zu verfolgen, nach Möglichkeit auch zu ermutigen und zu fördern.“ Das klingt wie eine Drohung. Ist es auch, denn es schließt neben der Verleihung von Preisen an Schriftsteller, die das durchaus verdienen mögen, scheinbar auch abstruse Stellungnahmen zu Themen ein, von denen man bei der Akademie ganz offensichtlich nichts versteht:
Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hat davor gewarnt, Kinder zu früh mit Fremdsprachenunterricht zu überfordern. Die Akademie erreichten ständig Klagen, dass Grundschüler nicht mehr des Deutschen mächtig seien. … „In dieser Situation, wo Kinder keine vollständigen Sätze bilden können, noch eine fremde Sprache dazuzusetzen, halte ich für Unfug“, sagte Akademiepräsident Klaus Reichert zur Eröffnung der Herbsttagung am Donnerstagabend in Darmstadt. Oft wird in Grundschulen bereits Englisch unterrichtet. Zu den vielfältigen Gründen für die mangelnden Deutschkenntnisse der Kinder gehöre, dass sie sehr viel Zeit vor Fernseher und Computer verbrächten, sich die Eltern aber durchschnittlich nur sieben Minuten am Tag mit ihnen unterhielten.
Ich will die angeblichen Nachteile und die tatsächlichen Vorteile des frühkindlichen Spracherwerbs hier nicht weiter diskutieren (das habe ich ja hier getan). Stattdessen nur eine kurze Anmerkung: Wenn es stimmt, dass „Grundschüler nicht mehr des Deutschen mächtig“ sind (was ich bei den Klassenkamerad/innen meiner Tochter so pauschal nicht beobachten kann), dann dürfte das zwei Gründe haben. Erstens gibt es unbestreitbar Grundschüler aus Migrantenfamilien, deren Deutschkenntnisse zu wünschen übrig lassen. Was hier geschehen muss, ist klar: sie müssen rechtzeitig in einen deutschsprachigen Kontext eingebunden werden und gegebenenfalls Förderunterricht in der deutschen Sprache und in ihrer Muttersprache erhalten. Ihnen den Englischunterricht wegzunehmen bringt dagegen gar nichts. Zweitens dürfte an Aussagen wie der oben zitierten ein Missverständnis darüber Schuld sein, was es bedeutet, „des Deutschen mächtig“ zu sein:
„Wir sind keine Katastrophenpropheten, die bei jedem falschen Konjunktiv und bei jedem überflüssigen Anglizismus den Untergang des Abendlandes sehen“, sagte Reichert. Gleichzeitig geißelte er die „Schizophrenie“ der Politik, die einerseits den Zerfall des Deutschen beklage, andererseits das Englische als Sprache in Universitäten und Schulen fördere.
Ja, der Konjunktiv. Den gibt es in der deutschen Umgangssprache nun einmal nicht mehr, ebensowenig wie den Genitiv oder die Nebensatzstellung nach der Konjunktion weil oder all die anderen Steckenpferde der Sprachbewahrer. Woher sollten die Grundschüler all diese archaischen Formen also kennen? Natürlich müssen sie sie lernen, um sich auch in der deutschen Schriftsprache sicher zu bewegen. Nur, warum es ihnen helfen sollte, den Englischunterricht zu streichen, bleibt wieder unklar.
Noch trauriger als die fehlende Sachkompetenz der Sprachpfleger ist eine Nachricht, die in der letzten Woche durch die Presse ging. Washoe, der „sprechende“ Schimpanse, ist tot:
Die berühmte Schimpansin Washoe, die in den 1960er Jahren Gebärdensprache gelernt hat, ist tot. Sie galt als erstes nicht-menschliches Wesen, das mit einer menschlichen Sprache kommunizieren konnte. Wie das Chimpanzee and Human Communication Institute der Central Washington University in Ellensburg am Mittwoch mitteilte, starb das 42-jährige Tier am Dienstag, den 30. September, eines natürlichen Todes.
Ob man ernsthaft behaupten kann, Washoe habe in einer „menschlichen Sprache“ kommuniziert, sei dahingestellt. Immerhin beherrschte sie ca. 250 Zeichen und konnte damit ihren Betreuern gegenüber ihre Bedürfnisse ausdrücken und vielleicht sogar ihre Umwelt beschreibend kommentieren. Das ist sicher mehr, als man Schimpansen vorher zugetraut hätte. Und zum Glück gab es keinen schimpansischen Akademiepräsidenten, der gegen Washoes Fremdsprachenunterricht Protest eingelegt hat, etwa mit dem Argument, sie müsse erst lernen, wie man eine Banane schäle. Denn dann hätten wir nie erfahren, wozu Schimpansen in der Lage sind.
Das ist Quark: Hierzulande wird die deutsche Sprache mit dem sächsischen Genitiv am meisten dort misshandelt, wo die Leute die geringste Ahnung vom Englischen haben. Mit dem Deutschen halbwegs sicher umzugehen, habe ich gelernt, als ich die dritte Fremdsprache anpackte (Latein war das damals). Von dort her erschloss sich mir auch endlich die Terminologie der deutschen Grammatik. Es wäre besser, diese Vereinshanseln “büken” auch beim Konjunktiv kleinere Brötchen. Die sind meistens schmackhafter als solch Blähgebäck aus dem redaktionellen Supermarkt …
Erstens gibt es unbestreitbar Grundschüler aus Migrantenfamilien, deren Deutschkenntnisse zu wünschen übrig lassen.
…das möchte ich nicht bestreiten aber mit dieser These wird meistens spekuliert — man verwendet sie (und missbraucht sie) wenn man über Migranten in negativem Kontext berichtet, also belegen möchte, dass die Migrantenfamilien problematisch bzw. „Störfaktor“ im Deutschunterricht sind…
Problem liegt nicht bei den Schülern — Kinder sind fähiger als ihnen zugemutet wird, auf ihre neugierige und spielerische Art erlernen sie sehr schnell was ihnen vermittelt wird — entscheidend ist Wie und Was ihnen von Lehrern (und zuhause von Eltern) beigebracht wird.
Mein Sohn wurde ohne und beide Töchter mit ganz geringen Vorkenntnissen der deutschen Sprachen eingeschult, alle drei lernten Englisch ab der dritten Klasse und zweite bzw. dritte Fremdsprache etwas später, sie hatten nie Probleme gehabt (Förderunterricht war ihnen fremd) und alle drei sind mehrere Sprachen mächtig und studieren zur Zeit.
Wie sagt man ?
Eine Sprache die solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.
Was man am Englischunterricht in der Grundschule wirklich kritisieren kann, ist, dass er (zu) schriftlich stattfindet.