Eine interessante Geschichte findet sich diese Woche in der Online-Ausgabe des Reutlinger General-Anzeigers. Im Prozess gegen den Spediteur Thomas Betz könnte das Geständnis eines wichtigen Zeugen der Anklage möglicherweise für ungültig erklärt werden, weil ein linguistischer Sachverständiger Zweifel an dessen Echtheit geäußert hat:
Der sollte als sachverständiger Zeuge eigentlich das deutsche Hör- und Sprachvermögen des Bulgaren beurteilen — und kam dabei zu kritischen Noten: „Er kennt viele Worte nicht und kann keine flüssige Aussage abgeben.“ Für sein Gutachten hat der Linguist den Osteuropäer auch zu den Vernehmungsprotokollen aus dem Frühjahr 2003 befragt — die stets in flüssigem Deutsch gehalten waren.
Im Geständnis finden sich beispielsweise Sätze wie „Die LKW-Dispositionen bei den ausländischen Tochterfirmen waren fingiert“ — eine ungewöhnliche Wortwahl für einen LKW-Fahrer mit eingeschränkten Deutschkenntnissen, aber völlig normal für den Stil eines Polizeibeamten.
Nun darf man solche Abweichungen nicht gleich als Indiz dafür nehmen, dass das Geständnis von den Polizisten erfunden worden ist. Ich musste selbst vor einiger Zeit eine Aussage bei der Polizei machen, nachdem jemand sein Auto mit Schwung in meins hineingeparkt und dann behauptet hatte, es sei umgekehrt gewesen. Ich sagte dem Polizeibeamten ungefähr: „Ich hab mein Auto gestern abend so um halb zehn rum hier geparkt und da stand das andere Auto noch nicht da. Die Handbremse war angezogen und der Gang war auch drin, ich kann also auch nicht in das Auto reingerollt sein.“
In dem Protokoll, das ich dann unterschreiben musste, stand aber so etwas wie: „Ich habe das Fahrzeug mit dem Kennzeichen XX-XX XXX am XX. XX. 2007 gegen 21:30 abgestellt und ordnungsgemäß gegen Wegrollen und unbefugte Inbetriebnahme gesichert. Das Fahrzeug der Unfallgegnerin mit dem Kennzeichen YY-YY YYY war zu diesem Zeitpunkt nicht am Unfallort abgestellt.“
Dass das ein Polizist formuliert hat, ist klar, auch wenn er die Worte mir zuschreibt („Ich habe…“ und nicht „Der Zeuge sagt aus, er habe…“). Nur beherrsche ich Behördisch wenigstens passiv und so war mir klar, was ich dort unterschreiben sollte. Das war bei der Zeugenaussage im Betz-Prozess anscheinend anders:
Zwar wollen die Vernehmer während der Befragungen für jeden sprachlichen Eingriff das O.K. des Bulgaren eingeholt haben. Ob der das gesamte Protokoll beim Durchlesen aber verstanden habe? »Eher nein«, war der Eindruck des Protokollisten…
Das ist dann schon ein Problem.