Am Samstag morgen in Marburg im Café an einem Nachbartisch voller Literaturwissenschaftler gehört:
Des Schwäbsche, des is e Schbraach, die wo man net ernscht nemme kann. Genau wie’s Ostdeutsche.
Ja, wo hätte ich da anfangen sollen?
Am Samstag morgen in Marburg im Café an einem Nachbartisch voller Literaturwissenschaftler gehört:
Des Schwäbsche, des is e Schbraach, die wo man net ernscht nemme kann. Genau wie’s Ostdeutsche.
Ja, wo hätte ich da anfangen sollen?
Haben die tatsächlich “kann” gesagt und nicht “kaa”?
Was machst du denn in Marburg?
Vielleicht damit, zu erklären, warum Literaturwissenschaft keine Wissenschaft ist? 😉
Bier spendieren 😉
Soll man etwa verlangen, daß sich der Volksmund nach der Terminologie der Sprachwissenschaftler richtet?
Bonaventura (#1), ich habe den Satz natürlich aus der Erinnerung zitiert, aber ich glaube, ja: der Satz wurde in einem stark hessisch eingefärbten Hochdeutsch (bzw. in einem mit standarddeutschen Elementen vermischten Hessisch) geäußert.
Mawa (#2), ich war hier und habe über Cognitive Linguistics as a Cognitive Science gesprochen (PDF, 200KB) — natürlich auf Englisch, um mir einen „internationalen Hauch“ zu geben…
A.T. (#3), das habe ich auf der Konferenz selbst dann getan — wir haben dort unter anderem darüber diskutiert, was Linguistik und Literaturwissenschaft tun müss(t)en, um zu Wissenschaften zu werden.
Jan (#4), wir hatten am Abend zuvor bereits eine ausreichende Menge an geistigen Getränken konsumiert.
Thomas Paulwitz (#5), Nein, das verlange ich nicht. Ich verlange aber auch vom „Volksmund“ (es handelte sich, wie gesagt, um Professoren der Literaturwissenschaft) (a) gesunden Menschenverstand oder wenigstens einen Sinn für (dramatische) Ironie und (b) ein Interesse am Fremden oder wenigstens eine Fassade der Toleranz.
Ich hätte aus dem Zitat nicht auf Hessisch geschlossen, sondern auf Schwäbisch. Das hätte eine gewisse Ironie. Und wenn es doch Hessen waren: Wer im Glashaus sitzt… Der Hinweis auf Max Weinrich wäre wahrscheinlich nicht auf fruchtbaren Boden gefallen, oder?
Ach ja: “Wissenschaft” ≠ “science”. Es gibt nicht nur experimentelle Wissenschaften.
Achim (#7), ja, vielleicht habe ich mich bei der Transkription aus dem Gedächtnis vom Schwäbischen beeinflussen lassen. Es klang wohl eher so: „Des Schwäbische, des iss äh Schbraach, wo man ned ähnschd nemme kann.“
Dieser Teil klingt für mich definitiv hessisch: “Des Schwäbische, des iss äh Schbraach”.
Auf Schwäbisch müsste es auf jeden Fall “isch” heißen.
Ostdeutsch? Was ist denn das?
Wer natürlich nur ein oder zwei Sachsen sprechen hörte und nie in Ostdeutschland war, schon gar nicht im Norden, kann aus seiner (bildlich) abgrundtiefen Beschränktheit nicht anders urteilen.
Also ich muß da ja sofort an dieses Video aus extra3 denken.
Ostdeutsch ist halt bei der “Restbevölkerung” mehr oder weniger ein Synonym für Sächsisch. Ist ja aber auch nicht so, als würden nur zwei, drei Leute in Sachsen “so” sprechen.
Harrharr, das erinnert mich an ein Gespräch, das ich vor ein paar Wochen in einem rheinhessischen Zug belauschen durfte. Ich krieg’ es nicht mehr wörtlich zusammen, aber grob gesagt lästerten zwei ältere Damen in tiefstem “Ostdeutsch” (irgendeine Zunge aus dem thüringisch-sächsischen Raum) über den Dialekt der lokalen Bevölkerung. Bayrisch und so, das gehe ja noch, aber dieses hässliche Kauderwelsch hier…
In ihrer zweiten Transkription würde ich aus “man” “mer” machen und die “äh“s zu “ä“s, also verkürzen. Aber Marburg ist weit weg von Mainz, wer weiß, wie die Barbaren da sprechen.
@lupe ich würde Deutschland heute anders einteilen, nämlich in den Norden (mäcpomm, Brandenburg und wohl auch noch Berlin, Schließfach-Holzbein, Biedersachsen, und natürlich Hamburch), den Westen (na, den Westen, eben), den Osten (Thüringen, Sachsen, S.-Anhalt), den Süden und HESSEN
@Åke Åkeström
Schön und gut; aber wer sagt das nun den Leuten in Marburg am Nachbartisch?
Des Schwäbsche, des is e Schbraach, die wo man net ernscht nemme kann. Genau wie’s Ostdeutsche.
Das soll Hessisch sein?
Wo soll ich da jetzt anfangen?
Vielleicht da:
Es gibt kein “Hessisch”. Was der (realiter nicht existente) Durchschnittsdeutsche unter “Hessisch” versteht, ist die Umgangssprache des Rhein-Main-Gebiets, die stark beeinflusst ist vom Frankfurter Stadtdialekt.
Darüber hinaus gibt es in Hessen völlig unterschiedliche Mundarträume, z.B. hessisches Niederdeutsch, Niederhessisch, Osthessisch, Mittelhessisch und Südhessisch.
Ein Mittelhesse sagt z.B.:
Aich hun Dich gester väir mol oageroufe, awwr es eas kaanr droagange
Ein Frankfurter würde sagen:
Isch hab Disch gestern viermal aagerufe, awwä es is kaanä draagange
Auch Standarddeutsch mit regionaler Färbung klingt in Kassel gänzlich anders als in Frankfurt, Gießen oder Bensheim. Hinzu kommt ein extrem auffälliger Unterschied zwischen Stadt und Land im mittelhessischen Raum.
Nur die wenigsten hessischen Mundarten machen aus “ernst” ein “ernschd” oder etwas Ähnliches. Wenn er “ernschd” gesagt und dennoch für Nordlichter “hessisch” geklungen hat, war er wahrscheinlich Rheinhesse oder Pfälzer.
Der Satz an sich, wonach “Schwäbisch und Ostdeutsch Sprachen seien, die nicht ernstgenommen werden können”, muss natürlich, das hätte Ihnen jeder Literaturwissenschaftler auseinandersetzen können, im Kontext beurteilt werden. Vielleicht handelte es sich um ein Zitat? Vielleicht handelte es sich um eine Bemerkung in einem Gespräch darüber, welche Fehler man bei wissenschaftlichen Vorträgen besser vermeiden sollte (z.B. schwäbeln oder sächseln)?
@dibbedabb
Fühlt sich da jemand in seiner Hessenehre gekränkt? Wenn ja, schlage ich einen Blick ins aktuelle Süddeutsche-Wissen-Spezial vor. Da gibt es irgendwo hinten eine Deutschlandkarte, die in Graustufen die Intelligenz-Verteilung in der BRD aufzeigt. Nordhessen ist da komplett weiß. Dunkelgrau war das Intelligenteste. Keine Ahnung, was die da gemessen haben, aber witzig war es für mich als Rheinhesse allemal. 😀
Aber im Ernst, was Sie für das Hessische erläutern gilt für jeden Dialekt. Im Grunde ist Ihre Einteilung auch noch viel zu pauschal, für eine detaillierte Darstellung müsste man jedes einzelne Kaff abhorchen. Es ist einfach eine methodologische Überlegung, auf welchem Level man “den Strich zieht” und von “das Hessische” spricht.
Und rein aus Interesse: Sagt man nicht auch im südhessischen Raum “ernschd”?
Wow. Da müssen ja Lautverschiebungen passiert sein, von denen ich überhaupt keine Ahnung gehabt habe!
An David (18);
das mit dem „aich“ kenn ich aber aus dem Erzgebrgischen auch:
miːɰ hʌm ɑɪç nɪʃts tsə saːŋ̩
Ja, das heißt euch, nicht ich wie in Kommentar 16. Das ist ja normal.
Im Saarländischen sagt man “aich” für “ich”, ich habe das auch schon von pfälzischen und rheinhessischen Sprechern gehört. Insofern würde es mich nicht wundern, wenn das auch in Hessen zu hören wäre.
Beleg:
http://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Gulden
(Unten im Abschnitt Tonträger: Aich han de Flämm (1979) oder auch Naischt wii Firz em Kòpp (1977))
@Thomas Müller
Nein, ich fühle mich nicht gekränkt.
Und nochmal nein, das gilt zwar für jeden Dialekt, aber besonders für’s “Hessische”, weil “Hessisch” keine dialektgeographische Einheit ist wie z.B. Bairisch (nicht “Bayerisch”) oder Pfälzisch. “Hessisch” ist wie “Nordrhein-Westfälisch” oder “Rheinland-Pfälzisch” eine Bezeichnung, die, auf Mundarten angewandt, völlig sinnlos ist.
@David Marjanovic:
Ja, unsere Landbevölkerung hat so ihre rustikalen Eigenheiten.
Da in den mittelhessischen Dialekten Vokale vor ch meist gedehnt werden, kann man auch Diphthongierungen antreffen, die man sonst nicht erwarten würde. Ich = aich; Dich = Daich; mich = maich. Zusammen mit der Diphthongierung von langem u zu ou, langem i zu äi und langem ü zu oi, sowie der Verwandlung von intervokalischem d und t zu r kann das Mittelhessische beim Uneingeweihten zu größeren Verwirrungen, um nicht zu sagen: Verstörungen führen.
dibbedabb (#22),
Sie haben natürlich Recht: die Sprachwissenschaft sollte sich bei der Benennung ihrer Forschungsgegenstände nach Ihren Vorstellungen von Sinnhaftigkeit richten. Ich werde bei meinen Kollegen daraufhinwirken, dass man Sie in Zukunft fragt, bevor man Fachbegriffe festlegt. Bis es soweit ist, hilft Ihnen vielleicht diese Karte der westmitteldeutschen Dialekte dabei, die sinnlosen Bezeichnungen für die betreffenden Mundarten wenigstens passiv zu verstehen.
(Quelle: dtv-Atlas Deutsche Sprache (14. Aufl. 2004), S. 230–31. © 1978, 2004 Deutscher Taschenbuchverlag, http://www.dtv.de. Ich zitiere diesen Bildausschnitt unter Berufung auf das UrhG, §51, Abs. 2.)
Da sind Sie sicher ganz stolz auf sich, Herr Stefanowitsch, dass Sie ein einziges mal nicht ex cathedra urteilen sonder tatsächlich einen Beleg beibringen können.
Weiter so, dann klappt’s vielleicht auch mit dem Nörglernörgeln.
@dibbedepp: Ein einziges Mal? Selbst, wenn das stimmen würde, wäre das einmal mehr als bei dem Dummfug, den du hier seit Wochen absonderst. Junge, es ist nicht immer gut, das letzte Wort zu behalten – manchmal ist es besser, einzusehen, dass man nichts drauf hat.
Sicher nicht so stolz wie Sie, dass Sie es dem Blogherren jetzt aber mal so richtig gegeben haben.
Tut mir leid, mit einem Kommentar wie diesem präsentieren Sie sich nur als vorlautes Früchtchen, dem es halt doch nicht um die Diskussion geht, sondern ums pure Dagegenmaulen, und nehmen einem jeden Grund, sich ernsthaft mit Ihren anderen Beiträgen auseinanderzusetzen. Naja, auch was gewonnen.
*kicher* Argumentum ad hominem, dibbedab, Sie sind raus!
Bin beeindruckt.
Also für mich klingt das nicht “hessisch” sondern badenserisch.
Und was das “es gibt kein Hessisch” angeht: dann dürfte es auch kein “Schwäbisch” geben, denn das kann je nach Region auch sehr unterschiedlich klingen.
Also, badenserisch ist ja wohl nicht wahr. Wenn’s Mittelbadisch wäre, müsst’s ja schon mal heißen: “Des Schwäbsche, des is e Schbrch, die wo man net ernscht nemme kann. Genau wie’s Ostdeutsche.” Mich erinnert’s an meine Tante Mina, die zu meinem Cousin Kurt, der aus Aidlingen stammte, nach einer seiner launig-schwäbischen Äußerungen konzis replizierte: “Schwetz doch deitsch, kerle, schwetz doch deitsch!”
Viel interessanter als alle dialektalen Fragen sind jedoch die pejorativen Charakterisierungen “Nachbartisch voller Literaturwissenschaftler” und “Ja, wo hätte ich da anfangen sollen?” Da fällt mir nur Simon Boccanegra ein: “Adria e Liguria hanno patria comune”.