Fernsehkritik

Von Anatol Stefanowitsch

In ein paar Stun­den läuft im WDR der zweite Teil der „Bas­t­ian-Sick-Schau“ — aller­höch­ste Zeit, zu Papi­er zu brin­gen, warum ich mir den nach dem Auf­takt der let­zten Woche nicht mehr anse­hen werde.

Um es vor­wegzunehmen: Ich gebe offen zu, dass ich Sicks Texte noch nie „humor­voll“, „unter­halt­sam“ oder gar „intel­li­gent“ fand. Für mich haben sie besten­falls das Niveau von bil­dungs­bürg­er­lichem Feuil­leton (und damit meine ich nichts Gutes) und schlimm­sten­falls das Niveau von Büt­tenre­den, die sich zufäl­lig nicht reimen. Aber das werfe ich ihm natür­lich nicht ern­sthaft vor: Witz und Unter­halt­samkeit sind sub­jek­tiv. Sick ist nicht verpflichtet, meinen Geschmack zu tre­f­fen (aus kom­merzieller Sicht wäre das ver­mut­lich sog­ar eine sehr schlechte Entschei­dung), und mir ist dur­chaus klar, dass mein inhaltlich­er und rhetorisch­er Stil auch nicht jed­er­manns Sache sind.

Nein, mich stört an Sick etwas Grundle­gen­deres. Zu Beginn seines Auftritts let­zte Woche stellte er seinen Zuschauern einen „Rundgang in den wun­der­samen Irrgarten der deutschen Sprache“ in Aus­sicht, „etwas erzählen über unsere gemein­same Sprache“ wollte er. Wun­der­sames habe ich dann aber nicht ent­deckt, und über die Sprache hat er auch nichts erzählt. Stattdessen hat er Sprache als undurch­schaubar und unerk­lär­lich dargestellt, er hat sich über Men­schen lustig gemacht, die nicht sprechen und schreiben wie er, und er hat den Ein­druck vemit­telt, sprach­liche Regeln seien von nebel­haften Autoritäten vorgegebene Nor­men, die ein­fach befol­gt wer­den müssten.

Ich will nicht seine ganze Sendung besprechen, son­dern für jeden Punkt ein Beispiel herausgreifen.

a) Sprache ist undurch­schaubar und unerklärlich.

Zum Ein­stieg gab es eine Num­mer über unregelmäßige Ver­ben. Nach­dem Sick ein paar regelmäßige und unregelmäßige Ver­ben kon­jugiert hat­te um die Grun­didee zu ver­mit­teln, gab er ein Beispiel für ein Verb, dessen Zeit­for­men regelmäßig oder unregelmäßig gebildet wer­den kön­nen: „Back­en, buk, geback­en oder back­en, back­te, gebackt — oder gar gebäck­en?“. Das Pub­likum kicherte etwas angestrengt. „Warum muss es über­haupt zwei Arten von Ver­ben geben?“, fragte Sick dann und für einen kurzen Augen­blick dachte ich, dass er vielle­icht irgend­wie tat­säch­lich eine Erk­lärung ein­flecht­en würde. Aber seine Frage war nur der Auf­takt zu einem Monolog, dessen WItz darin bestand, dass er regelmäßige Ver­ben in laut­lich­er Analo­gie zu unregelmäßi­gen Ver­ben kon­jugierte: geniest/genossen, brüllen/broll/gebrollen, usw. Nach ein paar Minuten dieses Geblödels sagt er plöt­zlich: „Und wenn Sie sich jet­zt fra­gen, was hat der Sick mit dieser Geschichte bezwack­en, dann haben Sie gut zuge­horen“. Und dann ist der Monolog zu Ende. Was er mit der Geschichte bezweck­en wollte, sagt er nicht, genau­sowenig, wie er die Frage beant­wortet, warum es über­haupt „zwei Arten“ von Ver­ben gibt.

Ist doch nur Unter­hal­tung“, kön­nte man jet­zt sagen. „Da erwartet doch kein­er ern­sthaft einen Vor­trag über indo-europäis­che Sprachgeschichte“. Aber wenn es nicht Sinn und Zweck der Sache ist, etwas über Sprache zu ler­nen, dann gibt es doch bessere Stoffe als das Tem­pussys­tem des Deutschen. Man hätte auch gar keinen lan­gen Vor­trag hal­ten müssen. Ein Hin­weis auf das Tem­pussys­tem des Indoger­man­is­chen, in dem es eine Rei­he von Ver­bklassen gab, die durch Ablaut (also Verän­derung des beton­ten Vokals) gebeugt wur­den, einen Satz zum Entste­hen der heuti­gen „regelmäßi­gen“ Ver­bkon­ju­ga­tion, die ursprünglich Ver­ben vor­be­hal­ten war, die laut­lich nicht in die beste­hen­den Ablautrei­hen passten. Dann ein paar Bemerkun­gen dazu, wie sich die „regelmäßige“ Kon­ju­ga­tion über die Jahrhun­derte immer stärk­er durchge­set­zt hat und zu den Mech­a­nis­men, die dazu geführt haben (Analo­gie, Über­gen­er­al­isierung von Regeln, usw.). Man hätte hier Schaus­piel­er in altertüm­lichen Kostü­men auftreten lassen kön­nen, die Ver­ben, die heute „regelmäßig“ sind, noch „unregelmäßig“ Beu­gen, man hätte hin­reißende Beispiele von Kindern im Spracher­werb zeigen kön­nen, die regelmäßige Ver­ben unregelmäßig bilden und umgekehrt — alles Ein­la­gen mit hohem Unter­hal­tungswert. Dann hätte man zum Abschluss darauf hin­weisen kön­nen, dass einzelne Ver­ben auch von der „regelmäßi­gen“ in eine „unregelmäßige“ Kon­ju­ga­tion gewech­selt haben — verderbt zu ver­dor­ben, gewinkt zu gewunken, usw. Vielle­icht hätte man sog­ar die Rolle von Gebrauchshäu­figkeit erwäh­nen kön­nen — häu­fige Ver­ben sind eher „unregelmäßig“ geblieben als sel­tenere — und hätte das ganze mit einem Satz zu den kog­ni­tiv­en Kosten der Ver­wen­dung von all­ge­meinen Regeln im Ver­gle­ich zum Zugriff auf abge­spe­icherten Lis­ten „unregelmäßiger“ For­men been­den kön­nen. Daraus einen lehrre­ichen und unter­halt­samen Sketch zu basteln ist kein Ding der Unmöglichkeit. Wer sich Jochen Busse leis­ten kann, müsste sich auch ein paar Sprach­wis­senschaftler und Gagschreiber leis­ten kön­nen, die irgend­wie zueinan­der finden.

b) Men­schen, die nicht sprechen, wie wir, sind lächerlich.

Zwei ganze Seg­mente der Show am ver­gan­genen Sam­stag bestanden darin, dass Bas­t­ian Sick sich über falsch geschriebene Wörter in Kleinanzeigen und auf Super­mark­tbeschilderun­gen lustig macht — über Men­schen, die ihr Hausti­er ver­miesen, deren Haustiere sich am gern­sten im Garten aufhal­ten oder die ger­ade renowiren. Nun find­en viele Leute solche Schnitzer lustig und deshalb kön­nte man sie ja dur­chaus in ein­er Fernsehshow ver­wen­den. Nur müsste man sie dann dazu nutzen, Prob­leme in der Buch­staben-Laut-Zuord­nung der deutschen Rechtschrei­bung oder sup­ple­tive Kom­pa­ra­tion zu diskutieren.

Aber es blieb nicht bei Rechtschreibfehlern oder der kreativ­en Erweiterung mor­phol­o­gis­ch­er Regeln. In einem weit­ge­hend komik­freien Sketch, in dem Jochen Busse den anglizis­men­sprühen­den Busi­nesstypen und Susanne Pät­zold seine auf teu­tonis­chem Wortgut behar­rende Tochter (?) spiel­ten (Busses Fig­ur wirk­te dabei übri­gens deut­lich sym­pa­this­ch­er), fand sich fol­gen­des Wortgeplänkel:

Pät­zold: Das ist doch ein­fach nur Gewohn­heit — Für uns klingt ja auch Finnisch wie ein akustis­ch­er Trüm­mer­bruch. Wenn jet­zt der Finne zur Finnin sagt „Höm­pel dödi düm­pel di“, ja, und das heißt Ich liebe dich“

Busse: Ja, dann ver­ste­he ich, warum soviele Finnen depres­siv sind.

Sicks infor­ma­tions­freier Monolog über unregelmäßige Ver­ben hat­te wenig­stens einen gewis­sen gepflegten Blödelfak­tor, aber Höm­pel dödi düm­pel di ist unter­ste Schublade. Wäre es zuviel ver­langt gewe­sen, dreißig Sekun­den zu googeln, um her­auszufind­en, was „Ich liebe dich“ auf Finnisch heißt.?

Ist doch nur Unter­hal­tung“, kön­nte man wieder ein­wen­den. „Höm­pel dödi düm­pel di oder Minä rakas­tan sin­ua — für die Pointe macht das keinen Unter­schied.“ Das ist richtig, aber es sagt mehr über die Pointe als über meine Kri­tik. Wer fremde Sprachen ver­al­bert, indem er Sil­ben­salat pro­duziert, beschwört damit ein Stereo­typ stam­mel­nder, lal­len­der und stumpf­sin­niger Wilder. Stattdessen (und ich bin mir sich­er, dass Bas­t­ian Sick mir da eigentlich sog­ar zus­tim­men würde) soll­ten in ein­er Sendung über den „wun­der­samen Irrgarten der deutschen Sprache“ fremde Sprachen als wun­der­schöne Blüten auf der anderen Seite des Garten­za­uns dargestellt werden.

c) Sprach­liche Nor­men wer­den von Autoritäten vorgegeben.

Zum Abschluss stellt Sick seinem Pub­likum zwei Quizfra­gen. Erste Frage: „Was ist richtig: des Autors oder des Autoren“. Das Pub­likum ist etwas unentschlossen. Sick löst auf und erk­lärt, dass es „des Autors“ heiße und dass das bei lateinis­chstäm­mi­gen Wörtern auf -or immer so sei. Das war übri­gens, wenn mir nichts ent­gan­gen ist, der einzige Punkt in der Sendung, an dem Sick, wenn schon keine Erk­lärung, dann wenig­stens eine Ver­all­ge­meinerung präsen­tiert hat. Dann stellt er die zweite Frage: „Heißt es wohl­gesin­nt oder wohlgeson­nen?“ Das Pub­likum ist hier ein­deutig für wohlgeson­nen. Sick löst auf: das sei falsch. Es müsse wohl­gesin­nt heißen. Das Pub­likum mur­rt etwas, aber Sick bleibt hart: da es kein Verb wohlsin­nen gebe, könne es auch kein Par­tizip wohlgeson­nen geben. Die offen­sichtliche Frage bleibt unbeant­wortet im Raum ste­hen: Wenn Sick Recht hat (und was den sprachgeschichtlichen Ursprung der Form bet­rifft, hat er das), warum kommt uns das Wort wohl­gesin­nt dann falsch vor? Sprache wan­delt sich und Sprech­er verän­dern For­men manch­mal in Analo­gie zu anderen For­men (so ist ja auch unser „regelmäßiges“ Kon­ju­ga­tion­ssys­tem ent­standen und damit hätte sich der argu­men­ta­tive Kreis der Sendung schließen kön­nen). Wohlgeson­nen ist im Sprachge­brauch, wenn man Google glaubt, fast vier­mal so häu­fig wie wohl­gesin­nt. Aber für Sick ist es „falsch“ und das ist alles, was er dazu sagen kann.

Ist doch nur Unter­hal­tung“. Vielle­icht. Aber es ist Unter­hal­tung, die den Zuschauern ver­mit­telt, dass Sprache etwas ver­wirren­des ist, etwas, dem sie hil­f­los aus­geliefert sind und dessen „falsche“ Ver­wen­dung sie der Lächer­lichkeit preis­gibt. Etwas, über das Autoritäten entscheiden.

Und das ist falsch. Sprache ist unendlich kom­plex, aber hin­ter dieser Kom­plex­ität ver­birgt sich Poe­sie und wildgewach­sene Logik. Sprache gehört den Sprech­ern und die dür­fen mit ihr so kreativ umge­hen, wie sie wollen. Denn sie sind die einzige Autorität, die es für eine Sprache gibt.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

34 Gedanken zu „Fernsehkritik

  1. DrNI

    Hier zeich­nen sich wieder zwei grundle­gende Betra­ch­tungsweisen ab: Der Sprach­wis­senschaftler ist ganz der Physik­er. Er beschreibt, was er sieht und ver­sucht ein Gesetz zu find­en, dass es vorher­sagt (beschreibend). Sick hinge­gen ist der dik­ta­torische Sprach­staat: Er schreibt ein Gesetz und ächtet die, die nicht danach sprechen (vorschreibend).

    Und ver­mut­lich hat sein Mod­ell Erfolg. Denn was macht der pro­to­typ­is­che Deutsche nicht lieber, als Regeln aufzustellen und sie obrigkeit­shörig zu befol­gen? Ausgenom­men natür­lich im Straßen­verkehr. Der funk­tion­iert so wie die echte Sprache: Jed­er macht, was er will, und die Unfälle ste­hen in der Zeitung.

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  2. ajku

    Das ist doch mal ein Cre­do, der let­zte Abschnitt! 

    Und im Hin­ter­grund — das “quia absur­dum” — läuft auf “arte” der Irrsinn eines Dra­matik­er-Con­tests … oder so.

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  3. mad

    Vie­len Dank für diesen Beitrag. Vor allem für den let­zten Abschnitt, der schon fast als Cre­do für eine Bewe­gung gegen Sprach­nor­ma­tivis­ten steht 🙂

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  4. Klaus Jarchow

    Diese selb­st­gewisse Über­legen­heit zweitk­las­siger Komik­er, das Finnis­che betr­e­f­fend, erin­nert mich an die ollen Griechen, die jeden Fremd­sprach­ler ‘Bar­bar’ nan­nten, weil der, ihren durchs Griechis­che ver­wöh­n­ten Ohren zufolge, immer nur ‘bar, bar, bar, bar’ machte …

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  5. Christine A.

    Ich selb­st hätte es nicht bess­er aus­drück­en kön­nen, obwohl ich mir auf youtube nur den 1. Teil von dreien antat (10 Minuten) — aber den Busse Sketch und die ver­mi­esten Haustiere hab ich mitbekommen.

    Spätestens bei der Finnisch-Ver­al­berung wars dann aber ganz aus. Mit Sprach­stereo­typen um sich wer­fen kann jed­er — abge­se­hen davon dass dieser “Satz” eher deutsch als Finnisch klang..

    Schade um die guten ver­passten Chan­cen — die im Text vorgeschla­ge­nen Verbesserun­gen hät­ten die Sendung um einiges niveau­voller gemacht… (Aber irgend­wie glaub ich, da ist was beim Ver­ständ­nis von “Unter­hal­tung” gehörig was schief gegangen…)

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  6. Dennis M.

    Ich glaube, dass diese Sendung erhe­blich an Unter­hal­tungswert gewin­nen kön­nte, wenn sich die Her­ren Sick und Ste­fanow­itsch gegenüber ste­hen wür­den. Meinetwe­gen darf sich Herr Sick noch einen Vertreter sein­er Wahl des VdS als Sekun­dan­ten aus­suchen. DAS wäre doch mal große Sam­stagaben­dun­ter­hal­tung, hehe. Ich habe es übri­gens nicht gese­hen, mir waren schon die Büch­er zu abwegig. Allerd­ings hat meine Fre­undin die Hör­büch­er, es gibt also offen­sichtlich kein Entrin­nen. Irgend­wann kommt der Mann auf die Idee, einen Pod­cast zu starten.

    (Spon­tane) Anre­gung an Her­rn Ste­fanow­itsch: Podcast!

    Gruß aus F&HH,

    Den­nis M.

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  7. David Marjanović

    Ausgenom­men natür­lich im Straßen­verkehr. Der funk­tion­iert so wie die echte Sprache: Jed­er macht, was er will, und die Unfälle ste­hen in der Zeitung.

    ROTFL!!!

    DAS wäre doch mal große Sam­stagaben­dun­ter­hal­tung, hehe.

    Wir — wollen — Blut — sehen! — Wir — wollen — Blut — sehen! — Wir — wollen — Blut — sehen! –…

    </Volksschule>

    (Spon­tane) Anre­gung an Her­rn Ste­fanow­itsch: Podcast!

    Hmm­m­m­m­mm. Gute Idee.

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  8. Tim

    > Sprache gehört den Sprech­ern und die dür­fen mit ihr so kreativ umge­hen, wie sie wollen.

    Man muß Bas­t­ian Sick ja nicht lustig find­en, aber hat er je irgend­wo ein Ver­bot für bes­timmte Aus­drucks­for­men gefordert? Die Leute kön­nen natür­lich sprechen, wie sie wollen, aber auch Bas­t­ian Sick darf doch wohl kri­tisieren, wen und was er will.

    So, jet­zt habe ich endlich mal wieder jeman­den kri­tisiert, der jeman­den kri­tisiert, der jeman­den kritisiert.

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  9. Gregor

    Danke für diesen guten Beitrag. So wie Sick/Busse über das Finnis­che lästern, macht man sich in vie­len Län­dern über das Deutsche lustig, das ange­blich auch rauh, hart und unschön klingt. Gibt es eigentlich Erken­nt­nisse darüber, warum manche Sprachen als “hässlich”, andere als “schön” gel­ten”? Mir schint, daß sind ein­fach Klis­chees, die sich am Image der entsprechen­den Nation festmachen.

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  10. Patrick Schulz

    An Gre­gor:

    Ich kann dir sagen, dass es keine Unter­suchugen zur sub­jek­tiv­en Sprach­wahrnehmung gab/gibt, zumin­d­est keine, die ein ver­w­ert­bares Ergeb­nis gebracht hät­ten. Wir hat­ten bei uns let­ztes Semes­ter ein Exper­i­ment ver­sucht, das fest­stellen sollte, inwiefern sich Ortsmerk­male von Kon­so­nan­ten in Kor­re­la­tion mit Sil­ben­struk­turen auf das Empfind­en auswirken um ggf. Rückschlüsse zu ziehen, welche pho­nol­o­gis­chen Eigen­schaften ein­er Sprache dazu beitra­gen, dass diese als “angenehm klin­gend” betra­chtet wer­den. Lei­der führte das Ganze nicht zu irgend­wie brauch­baren Ergeb­nis­sen, warum möchte ich lieber nicht beurteilen.

    Jeden­falls sucht­en wir natür­lich im Vor­feld nach ähn­lichen Exper­i­menten und sind nicht fündig gewor­den, wenn es also Lit­er­atur darüber gibt, dann ist sie gut versteckt.

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  11. wakaranai

    Gegen Teil 2 wirk­te der Auf­takt ja noch sehr inspiri­ert, obwohl ich über Ben­ny gut lachen kon­nte — nur komisch, daß man den doch pass­abel ver­ste­hen kon­nte, obwohl er ja ange­blich kein Deutsch spricht. Dafür extra spät abends die Glotze einzuschal­ten ist aber defin­i­tiv zuviel des Guten, ich werde mir den Rest der Sendung wie auch die zweite Episode eben höch­stens per Stream gönnen.

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  12. Gregor

    An Patrick Schulz

    Danke, das habe ich mir auch so gedacht. Ich habe mal etwas von einem “mut­ter­sprach­lichen Irrtum” oder “mut­ter­sprach­lichen Vorurteil” gehört. Damit soll gesagt wer­den, daß die Men­schen ihre eigene Sprache als “schön­er” empfind­en als andere. Ich ver­mute es gibt auch ein “fremd­sprach­lich­es Vorurteil”, das den Men­schen vor­ma­cht, bes­timmte Sprachen seien beson­ders “ele­gant”, andere “grob” etc. Ich ver­mute, daß das mit der Wahrnehmung des Lan­des ein­herge­ht, also “Frankre­ich = ele­gant”, daher ist Franzö­sisch “schön”, “Land X = zurück­ge­blieben”, daher ist Sprache X “häßlich”. Ich weiß aus dem All­t­ag, z. B. daß Russen Ukrainisch komisch find­en, Polen Tschechisch, was aber für Men­schen, die keine dieser Sprachen sprechen, nur schw­er nachzu­vol­lziehen ist. Das “Komis­che” ist jew­eils das Abwe­ichen von der eige­nen Sprach­norm (Aussprachen, Betonin­gen, Begriffe, die in der eige­nen Sprache ver­al­tet sind etc.)

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  13. Wolfgang Hömig-Groß

    @Gregor

    Das erk­lärt, warum ich kein­er­lei Prob­leme mit der optis­chen und akustis­chen Ästhetik des Finnis­chen habe: ich finde näm­lich, dass Finn­land das schön­ste Land der Welt ist (naja, von den etwa 40 die ich per­sön­lich kenne). Und von gele­gentlichen Amok­läufen — für die das Finnis­che ja bekan­ntlich kein Wort hat 😉 — mal abge­se­hen, leben dort auch vor­bildliche Men­schen. Sog­ar der spez­i­fis­che Akzent, mit dem dem Finnen deutsch sprechen, gefällt mir aus­nehmend gut, weil darin “irgend­wie” Echos ihrer eige­nen Sprache zu vernehmen sind. Beson­ders faszinierend finde ich, dass in der Sprache die vie­len Dop­pel­vokale (z.B. in baari) und Dop­pelkon­so­nan­ten (z.B. in lak­ka oder in Mart­ti) tat­säch­lich auch klingen.

    Nicht nur wegen dieser mein­er Nei­gung finde ich das weit ver­bre­it­ete Rumge­tram­pel auf dem Finnis­chen degoutant — es erin­nert mich an die Negerwitze, die zu Zeit­en mein­er Kind­heit als lustig gal­ten. Diese Her­ren (und Frau Rein­hardt) soll­ten sich mal lieber an der vor­bildlichen Pflege aufgeilen, die die Finnen ihrer Sprache angedei­hen lassen.

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  14. mus

    Mein “edu­cat­ed guess”: Ich würde eben­falls argu­men­tieren, dass die Perzep­tion des Lan­des im All­gmeinen, bzw. sein­er Kul­tur im Speziellen, das Empfind­en über die jew­eilige Lan­dessprache in hohem Maße mitbestimmt.

    Das würde zumin­d­est teil­weise erk­lären, warum z.B. den Deutschen ger­ade Ital­ienisch (wurde im 18./19. Jahrhun­dert als DIE Kul­tur­na­tion ange­se­hen — siehe z.B. Goethes Reise­bericht) und Franzö­sisch als beson­ders melodiös und “schön” vorkom­men, vie­len Leuten aber die Sprachen unser­er östlichen Nach­barn eher “hart” und “kantig” vorkom­men — man ver­gle­iche dies mit den Argu­men­ta­tio­nen Wil­helm Jor­dans zur deutschen “Kul­tur­na­tion” und ihrer “zivil­isatorischen Leis­tun­gen” im Osten in der NAtion­alver­samm­lung von 1848/49.

    Hinzu kom­men m.M.n. ein­fach bes­timmte Lautkom­bi­na­tio­nen, die uns unver­traut sind, bzw. Wörter/Schreibweisen die uns komisch vorkom­men — ich als Deutsch­er finde z.B. das Wort “brom­fi­ets”, wörtlich “Brumm­fahrrad” (d: “Moped”) ziem­lich erheiternd.

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  15. P.Frasa

    @#14: Polen machen sich soweit ich weiß gerne über Tschechen lustig, weil diese so viele Diminu­tive brauchen (die natür­lich schon einen neuen seman­tis­chen Gehalt haben usw.).

    Kommt wohl daher, daß man die andere Sprache aus Sicht der eige­nen beurteilt, nicht aus der Logik eben­jen­er Sprache selbst.

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  16. Wolfgang Hömig-Groß

    Ich habe soeben in der aktuellen Titan­ic (Sparte “Humorkri­tik”) den zweit­en Teil ein­er Auseinan­der­set­zung der Titan­ic mit Leben und Werk von Georg Schwidet­zky (1875–1952) gele­sen, seines Zeichens Affen­forsch­er und Tier­lin­guist. Bei­des betrieb er mit recht steilen The­sen und Ansätzen. So behauptete er (lt. Titan­ic, aber das wird schon stim­men), die Wurzeln men­schlich­er Sprache in der Affen­sprache nachgewiesen zu haben, inkl. Entwick­lung über mehrere Affe­narten. Hier schreibe ich das, weil er (wiederum lt. Titan­ic), beim Hören von Pol­nisch auf die Idee gekom­men ist, dass die men­schliche Sprache sich aus der Affen­sprache entwick­elt hat. Was nicht alles im Ohr des Hör­ers liegt …

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  17. Achim

    mus (#16): Ja brom­fi­ets ist nicht schlecht. Eine andere europäis­che Sprache hält dafür das noch schönere, weil laut­ma­lerische knallert bereit…

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  18. David Marjanović

    Polen machen sich soweit ich weiß gerne über Tschechen lustig, weil diese so viele Diminu­tive brauchen

    Ich war in Polen, gemein­sam mit mehreren Tschechen, und man hat uns so einen Witz vorgetragen:

    DARTH VADER: Ja sam tvoj tatiček.

    LUKE SKYWALKER (hält sich den Kopf): Joooooo!

    Die erste Zeile kann man ger­ade noch über­set­zen: “Ich bin dein Papaleinchen.” Wieso Luke dann allerd­ings “ja” statt “nein” klagt, weiß ich nicht.

    (die natür­lich schon einen neuen seman­tis­chen Gehalt haben usw.).

    Viel öfter einen emo­tionalen. Wenn die Polen selb­st den Tee verklein­ern (herba­ta –> herbat­ka), deutet das nicht z. B. auf eine kleinere Menge hin — genau­so wenig wie ein deutsches Bierchen oder ein Wiener Kaf­feetscherl (in welchem man den tschechis­chen Ein­fluss beachte).

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  19. ralfdh

    Ich weiß, daß (der Bloom­field­sche Struk­tu­ral­is­mus recht hat und) Gebrauch das ober­ste Kri­teri­um sein sollte. 

    Ich will auch über­haupt nix gegen die Umgangssprache von wem auch immer sagen.

    Der Spaß hört auf beim üblichen anal­pha­betis­chen Gesabbel von über­bezahlten Kulturindustriellen.

    Wer “gewunken” sagt, gehört schlicht und ein­fach ent­lassen und wer keinen Nachricht­en­satz ver­brechen kann ohne 3 Kasus­fehler zu machen erschossen.

    Über­haupt erscheint mich die geme­in­ste Unfähigkeit den Kausal­nexus zwis­chen Dek­li­na­tion und Syn­tax auch nur zu ver­muten schon lange bizar.

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  20. Benno Schirrmeister

    @#23: Und was soll dann mit den Men­schen geschehen, die das Wörtchen bizarr nicht unfall­frei tip­pen kön­nen? Oder jenen, die nicht wis­sen wo Kom­ma­ta anzubrin­gen ange­bracht wäre?

    Für mich per­sön­lich hört der Spaß bei Gewalt­fan­tasien übereifriger Sprach­nör­gler auf.

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  21. sarah

    ich finde, dass Sick sich so viel über sprach­liche Phänomene lustig machen kann, wie er will. 

    Aber ein kleines Stückchen weit wün­sche ich mir dann doch eine Erk­lärung für eben diese Pähnomene. 

    WARUM nehmen wir so viele Wörter aus dem Englis­chen? (–> Pres­tige, Mode-Sprache)

    WARUM sagen wir “Das macht Sinn?” (–> “Sinn ergeben” ist nicht so grif­fig, “machen” ist gebräuch­lich­er, “ergeben” dage­gen etwas ver­al­tet. Andere Erk­lärung: “Loan Trans­la­tion”, die wortwörtliche Über­set­zung aus ein­er anderen Sprache, to make sense)

    WARUM sagen wir “das einzig­ste” statt “das einzige”? (weil wir eine analoge Endung beim Mor­phe­men wollen [logisch-for­male Gründe]) 

    Mit ein wenig sprach­wis­senschaftlichem Ver­ständ­nis für Beze­ich­nungswan­del lassen sich so manche Entwick­lun­gen erk­lären! Das ver­misse ich bei Sick.

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  22. Mister Bernie

    Über­haupt erscheint mich die geme­in­ste Unfähigkeit den Kausal­nexus zwis­chen Dek­li­na­tion und Syn­tax auch nur zu ver­muten schon lange bizar.

    Vor den gesamten Satz gehört ein­fach ein Asterisk. 

    Aber das ist ja eines der Geset­ze des Inter­nets, dass Leute, die Gram­matik oder Orthogra­phie eines anderen kri­tisieren, zwangsläu­fig selb­st ganz, ganz grobe Fehler bei ihrem eige­nen Getippse machen.

    Antworten
  23. David Marjanović

    Erscheint mich”? Haben wir hier einen hyper­ko­r­rek­tivieren­den Berliner?

    Und was soll dann mit den Men­schen geschehen, die das Wörtchen bizarr nicht unfall­frei tip­pen kön­nen? Oder jenen, die nicht wis­sen[,] wo Kom­ma­ta anzubrin­gen ange­bracht wäre?

    Öffentlich aus­peitschen!!!

    Aber das ist ja eines der Geset­ze des Inter­nets, dass Leute, die Gram­matik oder Orthogra­phie eines anderen kri­tisieren, zwangsläu­fig selb­st ganz, ganz grobe Fehler bei ihrem eige­nen Getippse machen.

    The Bierce-Hart­man-McK­ean-Skitt Law of Pre­scrip­tivist Retal­i­a­tion states that any arti­cle or state­ment about cor­rect gram­mar, punc­tu­a­tion, or spelling is bound to con­tain at least one eror.

    Sinn ergeben” ist nicht so grif­fig, “machen” ist gebräuch­lich­er, “ergeben” dage­gen etwas veraltet.

    Da gibts große regionale Unter­schiede. “Sinn machen” dürfte haupt­säch­lich nord­deutsch sein… wahrschein­lich ist es nicht englisch, son­dern schlicht und ergreifend plattdeutsch, aber da kenne ich mich nicht aus.

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  24. P.Frasa

    Also wenn, dann höch­stens ursprünglich mal. “Sinn machen” läßt sich zumin­d­est in der Schweiz ganz sich­er finden.

    Und noch mal — jed­er darf alles lustig find­en und per­sön­lich kri­tisieren. Ich mag gewisse Wörter auch nicht und “Spaget­ti” find ich ein­fach furcht­bar. Aber es ist ein­fach unglaublich falsch, das so darzustellen, als würde das irgen­deinen Ver­fall der Sprache her­beiführen. Darum geht es doch let­zten Endes.

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  25. sarah

    genau!

    Das Deutsche ver­fällt ja nicht, son­dern wird angere­ichert durch die Veränderungen. 

    Im Englis­chen wurde mal gaaanz viel aus Old Norse über­nom­men, später aus dem Franzö­sis­chen, weil es Pres­tige-Sprachen waren. Und? Das hat NICHT den Ver­fall der englis­chen Sprache bedeutet, oder? 😉

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  26. Achim

    sarah (#29): Natür­lich ist das Englis­che, dieser ger­mano-roman­is­che Bas­tard, nur noch ein Schat­ten sein­er selb­st. Lassen wir die Quellen sprechen:

    Her æþel­stan cyn­ing, eor­la dryhten,

    beor­na beahgi­fa, and his broþor eac,

    Ead­mund æþel­ing, eal­dor­langne tir

    ges­l­o­gon æt sæc­ce swe­or­da ecgum 

    Und da soll kein Ver­fall stattge­fun­den haben?

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  27. Urmel aus dem Eis

    Wenn jet­zt der Finne zur Finnin sagt „Höm­pel dödi düm­pel di“, ja, und das heißt Ich liebe dich

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  28. Urmel aus dem Eis

    Es fehlt in meinem Kom­men­tar aus unerfind­lichen Grün­den lei­der das einge­fügte Video zum Jodeldiplom. Warum man hier keine Videos ein­stellen darf, ist mir unerklärlich.

    Dann also als Link. Dödel­di.

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  29. Christine A.

    Auch wenn das hier sehr sehr ver­spätet ist, möchte ich an dieser Stelle noch kurz auf Folge 18 von fernsehkritik.tv aufmerk­sam machen, wo ein Kom­mili­tone von mir als Gast­beitrag Her­rn Sicks Sendung auseinandernimmt.

    Aber wie heißt es so schön: Bess­er spät als nie. Also, viel Spaß beim Ansehen. 🙂

    http://fernsehkritik.tv/folge-18/

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