Ich war mir erst nicht sicher, ob ich Anatol Stefanowitschs Petition gegen die Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz mitzeichnen sollte. Ich fand die ganze Kampagne von BILD und VDS so albern, dass es mir unnötig erschien, denen noch weitere Aufmerksamkeit in Form von Gegenaktionen zukommen zu lassen.
Dann habe ich die Kommentare gelesen. Und eine Nacht drüber geschlafen. Heute morgen habe ich gleich als erstes unterschrieben.
Es ist skurril, krass, abartig und leider überhaupt nicht überraschend, wie sich die Befürworter der Deutsch-ins-GG-Aktion gebärden. Da haben wir, ganz typisch, den Verweis darauf, dass Anatol Stefanowitsch keinen deutschen Namen habe – was schon mal überhaupt keine Relevanz hat –, daraus resultierend dann der Schluss, dass er kein Deutscher sei, und daraus wird dann abgeleitet, dass er eh nichts zum Thema zu melden habe bzw. dass er ja dann inhärent “gegen” das Deutsche sei. Das kennt man. Bei der StuTS hat Prof. Wiese, die ja Untersuchungen zu Kiezdeutsch macht, von Drohmails erzählt, die sie bekommt. Ein Beispiel waren Aussagen wie “Sie haben zwar einen deutschen Namen, aber wahrscheinlich sind Sie …” und ähnliches. Ein deutscher Name scheint für solche Leute un-glaub-lich wichtig zu sein.
Dann gibt es die Leute, die die Verankerung im Grundgesetz nicht für eine rein symbolische Handlung halten, sondern für eine konkrete Handhabe, z.B. gegen Anglizismen, dagegen, dass Geschäfte ihre Produkte ausschließlich in einer Fremdsprache beschriften (was zumindest für Lebensmittel Unsinn ist), gegen die “Kreolisierung” des Deutschen, oder gar gegen den Sprachtod. Wie A.S. schon gründlich ausgeführt hat, ist das alles entweder absurd oder irrelevant.
Eine Verankerung des Deutschen im Grundgesetz definiert zudem noch lange nicht, was Deutsch eigentlich ist. Wie jede natürliche (und auch die meisten künstlichen) Sprache(n) verändert sich das Deutsche permanent. Meist sind dabei die Dinge, die in der Öffentlichkeit als sehr große Veränderungen wahrgenommen werden, eher irrelevant für das Sprachsystem (z.B. Rechtschreibreform). Aber egal welche Rolle sie für den Sprachwandel spielen: Er ist unaufhaltbar. Und warum sollte man ihn auch aufhalten wollen? Was ist denn so schlimm daran, dass sich eine Sprache verändert? Eine Sprache, die sich nicht mehr verändert, ist tot.
Und: Eine Sprache kann man nicht auf ihren Ausgangszustand zurückführen. Was wäre das denn? Für die Leute, die sich da ereifern, ist in der Regel das Deutsch ihrer Schulzeit das Maß aller Dinge. Bedenkt man aber, dass die alle ganz unterschiedlichen Alters sind, und dass sich auch schon vor langer Zeit Leute derart ereifert haben, wird langsam klar, dass man immer weiter zurückgehen müsste … ins Frühneuhochdeutsche, wo es noch gar keine Standardsprache gab, ins Mittelhochdeutsche, wo die Situation noch uneinheitlicher war, ins Althochdeutsche und dann … dann kommen die Sprachstufen, für die wir keine schriftlichen Quellen haben. Wird schwer, das zu sprechen. (Zumal, komm, schriftliche Quellen als Vorbild für gesprochene Sprache? Haha.)
Ich könnte mich noch weiter ereifern, aber das spare ich mir lieber. Meine Bitte: Schaut euch die Links an, bildet euch eine Meinung und entscheidet euch ganz bewusst, ob ihr die Petition mitzeichen wollt oder nicht. Ich habe es getan, unter anderen als bewusstes Statement gegen diesen ganzen Kommentarmüll.
[Update 25.1.2011: Suz hat einen sehr klugen Beitrag geschrieben, in dem sie die Argumente der Befürworter und Gegner von allen Seiten beleuchtet.]
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Bei Artikeln wie diesem frage ich mich regelmäßig, warum ich das Schplok noch nicht flattrn kann.
Oh, so ein Kommentar ist doch mehr flattering als alles Geld der Welt 😉
Ist flattering ein steigerbares Adjektiv, das nicht mit den sonst üblichen Endungen -er und-[e]st gesteigert werden kann? Wo gibt’s mehr davon?
Ich habe es hier eher als Nominalisierung gebraucht, aber Adjektiv geht natürlich auch. Dann läge die deutsche Nicht-Steigerung am von mir als hoch wahrgenommenen Fremdwortstatus. (Ich hätte dann sogar das englische more übernommen.)
Im Deutschen gibt es zwar Adjektive, die nicht gesteigert werden, aber das sind ganz andere Fälle.
Vielleicht handelt es sich aber doch nicht um einen der ganz anderen Fälle. Immerhin lässt sich flattering als adjektivisch verwendetes Partizip betrachten, das nur in übertragener Bedeutung regelmäßig gesteigert werden darf.
Korrektur:
Vielleicht handelt es sich aber doch
nichtum ……wow, bei diesem ‘kein deutscher Name’-Kommentar weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Im Dialekt meiner Heimat würde man so einen Schreiber wohl als “geistiges Armutschkerl” bezeichnen.
(Was die Deutsch-im-GG-Fans eigentlich von Dialekten halten? Sind ja nicht Standarddeutsch, was kommt dann? Präteritumszwang und Artikel-vor-dem-Namen-Verbot südlich des Mains? Die finden sich ja nicht nur im reinen Dialekt, sondern auch in der dialektal gefärbten Umgangssprache hier.)
Naja, auf jeden Fall hab ich mich jetzt auch zum Unterzeichnen entschieden… fehlt nur noch das Weitersagen. Auf zu Facebook *batmanmusik*
Es ist eine zutiefst verstörende Geisteshaltung, einerseits die Integration von “nicht-Deutschen” (allein dieses Wort bereitet mir tumorgleiche Kopfschmerzen) einzufordern, andererseits einem Deutschen vorzuwerfen, sich nicht zu integrieren. Wenn ich’s mir recht überlege, ist das fast schon lustig, weil so absurd.
Erinnert mich auch ein wenig an einen dümmlichen Versuch von Johannes B. Kerner, die Herkunft des Names Millowitsch “wissenschaftlich” zu erläutern. Die anwesende Mariele Millowitsch reagierte ziemlich erkältet: “Und was tut das zur Sache?”
Ach ja, das wollte ich noch sagen: Wir fordern Integration und fragen uns doch nie, was wir tun (bzw. nicht tun). So wird das nie was mit der “Integration”.
(Ich kaufe mir demnächst einen Gartenzwerg.)
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