Im Supermarkt des Shopbloggers hat ein Kunde eine Mitteilung über eine zugelaufene Katze aufgehängt. Der Schreiber der Notiz kündigt an, für den Fall, dass sich der Eigentümer nicht meldet, die “schwarze Kätzin” bei seinem bevorstehenden Umzug nach Süddeutschland mitzunehmen. Nun haben Klugscheißerviren eine kurze Inkubationszeit und so dauert es auch nur bis zum zweiten Kommentar, bis jemandem auffällt, dass die Katze schon feminin ist und Kätzin demnach überflüssig ist.
So weit, so falsch.
Natürlich ist die Katze grammatisch ‘weiblich’, was den Kommentator zu der Aussage verleitet: “Katze IST bereits die weibliche Form”. Seine Logik impliziert aber, dass die weibliche Geisel tautologisch ist und die männliche Person unmöglich. Der Punkt ist: grammatisches Geschlecht und biologisches fallen bei den sogenannten generischen Feminina nicht notwendigerweise zusammen (und müssen sie auch nicht). Das tun sie auch bei generischen Maskulina nicht, aber hier fällt es nicht so auf: aus Bundeskanzler Schröder wurde Bundeskanzlerin Merkel.
Nichts anderes passiert bei die Kätzin. Ich gebe zu, mir war Kätzin im ersten Moment auch aufgefallen — aber nicht, weil ich es für eine nichtmögliche Flektion hielt, sondern weil’s mir schlicht nicht geläufig ist. Wenn Katze [FELINAE] als Oberbegriff bzw. Hyperonym für Katze [FELINAE, WEIBLICH] und Kater [FELINAE, MÄNNLICH] fungiert und das Hyperonym mit einem der Hyponyme zusammenfällt, dann ist Katze eben nicht gleich Katze. Auf Deutsch: nur der Kater ist maximal informativ, die Katze ist es nicht. Der Notizschreiber wollte mit Kätzin eine nicht irrelevante Zusatzinformation liefern, die dem Eigentümer des Tiers eventuell eine Identifikation erleichtert. Das hätte man auch anders ausdrücken können, wie es ja viel häufiger auch gemacht wird: eine weibliche Katze.
Dies ist aber nur eine Alternative und es gibt keinen Grund, weshalb das Anzeigen des biologischen Geschlechts an einem Substantiv durch -in nicht auch bei Katze möglich ist, unabhängig davon, welches grammatische Geschlecht der Oberbegriff hat. Der Hund hat’s da offenbar einfacher: nicht nur, dass er schon männlich ist, er hat sogar noch ein eigenes Wort dafür (Rüde). Der Grund, weshalb wir keine *Personin haben und auch keine *Geiselin liegt mir irgendwie auf der Zunge, will mir aber nicht raus. Ich vermute, das ist so, weil es bei beiden keine Ober-/Unterbegriff-Problematik gibt, bzw. — um meinen Geisteszustand korrekt widerzugeben — keine Hyperonym-/Hyponym-Polysemie.*
Betrachten wir folgende Sätze:
- Ich mag Katzen lieber als Kater.
- I prefer dogs to bitches.
Vom Wortspiel in (2) mal abgesehen, machen beide Sätze nur dann Sinn, wenn Katze und dog in ihrer Bedeutung als Unterbegriff interpretiert werden. Wir haben im Deutschen lediglich einen Fachausdruck für den weiblichen Hund (Fähe), im Englischen gibt es bitch. Zwar ist im Englischen das Problem des grammatischen Geschlechts nicht gegeben, aber auch hier gibt es ein Oberbegriff-/Unterbegriff-Problem, das (mindestens) zwei Lesarten zulässt.
Bei generischen Feminina setzen wir, falls relevant, zur Unterscheidung von Mann und Frau ein geschlechtsanzeigendes Adjektiv ein: so bekommen wir die männliche Geisel oder die weibliche Person. Vermutlich würde in diesen Fällen auch niemand auf die Idee kommen zu antworten: “Person ist schon weiblich, das weiblich ist also überflüssig”. Mehr noch: viele würden hinter der Tat
- Am gestrigen Abend stieg eine Person unbefugterweise in die Wohnung des Bürgermeisters ein. Sie entwendete den Koalitionsvertrag.
ohne zusätzliche Information eine männliche Person vermuten, aus dem Reflex und der Erfahrung heraus, dass Einbrecher meistens Männer sind. Generell aber verbinden wir mit die Person eine geschlechtsneutrale Beschreibung eines Individuums.
Bei Katze scheint es nicht so zu sein — offenbar assoziieren wir mit die Katze zunächst eine weibliche. Und dennoch kann auch ein Katerbesitzer sagen “Ich habe zwei Katzen” ohne zu lügen. Aber die Kombination aus dem generischen Feminimum und der vermuteten intuitiven Assoziation von die Katze als ein biologisch weibliches Tier “blockt” hier offenbar eine höhere Frequenz der ‘logischeren’ linguistischen Variante Kätzin.
Generische Maskulina sind im Deutschen übrigens deutlich in der Mehrheit. Einige sagen, diese seien geschlechtsneutralisierend zu verstehen, andere sehen darin linguistischen Sexismus und den Ausdruck konsequenter Ungleichbehandlung der Frau. An dieser Frage müssen sich aber bis auf weiteres andere versuchen. Ich bleibe fürs Erste und die letzte Prüfung bei lexikalischer Semantik.
*Aber ich behalte im Auge, ob und inwieweit meine Verschlagwortung mit Geiselin und Personin die Googlesuche beeinflusst. Bisher sind auf den ersten oberflächlichen Blick die beiden Begriffe nicht zu finden (außer vielleicht PersonIn im Kontext eines Experiments, das auch PersonOut hervorgebracht hat). Es ist trivialerweise vielleicht noch anzumerken, dass — surprise! — Kätzin im Duden steht, Geiselin und Personin nicht.
“Bei Katze scheint es nicht so zu sein – offenbar assoziieren wir mit die Katze zunächst eine weibliche.”
Da muss ich widersprechen – wenn es um eine einzelne geht, verbinde ich mit “Katze” ein weibliches Tier. (Im Plural nicht.) Vielleicht gelten Katzenbesitzer mit mehr als zwei Tieren (wir haben vier) aber für die Erhebung schon nimmer. 😉
Liegt das Missverständnis jetzt bei dir oder bei mir? Soweit ich es sehe, widersprichst du mir ja nicht, sondern bestätigst die These, dass man bei die Katze (Singular) von einem weiblichen Tier ausgeht, also von einem das die Babys austrägt. Bei die Katzen (Plural) gebe ich dir recht — da ist es wirklich undurchsichtiger, ob’s zwei weibliche oder zwei männliche sind, oder ob’s nicht vielleicht doch n Pärchen ist.
Und Katzenbesitzer zählen hier natürlich ganz besonders, vor allem dann, wenn man feststellt, dass Kätzin besonders in Haustier- und Katzenforen benutzt wird. 😀
Wir nennen unsere Viecher einfach “die Kater”, damit isses dann ja wohl klar.
Und auch wenn dat Vieh in Bremen entlaufen is, isses Diebstahl es einfach so mitzunehmen beim Umzug. Zumindest sollte man vorher das Tierheim informieren.
Das Hamburger Tierheim führt übrigens eine Vermisstenliste, in der Fundtiere, die telefonisch gemeldet werden, gelistet sind.
(Das war jetzt mal in eigener, tierschützerischer Sache ;D )
Und jetzt lass ich die Herren und Damen Sprachgeeks wieder allein. :*
Öhm, ich fürchte, ich hab deinen Satz gestern irgendwie komplett anders gelesen. ::hüstel::
Also, dann deklariere ich jedenfalls mit aller mir als vierfachem Katzenbesitzer (oder nicht eher ‑besessenem? ;)) innewohnenden Autorität, dass mir nie im Leben eingefallen wäre, das Wort “Kätzin” zu prägen.
@Rari: zur Sache in Bremen nehme ich keine Stellung. Du hast aber auch schon Katze benutzt, mir ist das mal aufgefallen :D. Und aus einem Katzenklo wird ja auch kein Katerklo.
@Lukas: in dem Fall bist du aber vermutlich weniger Autorität, fürchte ich, also im Bezug auf die “Gültigkeit” von Kätzin. Das ist ja nur dein Sprachgebrauch 🙂
@Mella: möglich, aber aufgrund der Ober-/Unterbegriff-Polysemie und der daraus resultierenden semantischen Motivation von Kätzin eher unwahrscheinlich. Ich habe Kätzin ja auch noch nicht gehört, aber in meinem Fall wohl eher, weil ich mit Katzen wenig zu tun habe.
@Simop: Rari hat einfach eine perzeptionelle Nähe zu den ursprünglichen Geek-Domains. Da ist alles geekig, oder so. Und wirklich, wir haben eine seltsame Art, unsere generischen Wörter zu verwenden. Muss ich mich mal mit beschäftigen, wenn mein Ruhepuls nicht mehr bei 320 klockt.
“Ich habe eine Katze” impliziert tatsächlich umgangssprachlich eher eine Kätzin (ja, verwende ich in der Regel, obwohl ich weder eine habe noch Katzenforen oder ‑Zeitungen lese) — bei mir kommt das aber eher daher, dass bei meiner Nachfrage “Ach, Kater oder Kätzin?” in der Regel ein “Na, ein Weibchen, habe ich doch gesagt!” bzw. “Wenn sie ein ‘er’ wäre, hätte ich doch Kater gesagt!” ernte und mich daher an den Sprachgebrauch angepasst habe, obwohl mir — ohne die “Sprachgeek”-Begriffe (Rari, der Begriff gefällt mir!) zu kennen — die Verallgemeinerung immer irgendwie sprachlich gegen den Strich geht.
Kätzin. Noch nie gehört.
Ist das irgendwie regional geprägt?
Warum fällt mir gerade ein, dass unser Dekan über einen Spruch für ein Shirt für eine Mädchen-und-Technik-Aktion meinte, der sei kontraproduktiv da zu “geekig”. Wörter verwendet der, tststs… 🙂
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