Das Gendersternchen wird in den Medien meistens im beliebten Pro-/Kontra-Format abgehandelt, wobei die „Pro“-Position immer „Für’s Gendern“ und die „Kontra“-Position „Gegen das Gendern“ ist. „Gendern“ wird dabei mit dem Gendersternchen (oder manchmal noch dem Genderdoppelpunkt) gleichgesetzt, und es wird so getan, als ginge es bei diesem Thema hauptsächlich um eine Meinungssache.
Das ist aus vielen Gründen ärgerlich, von denen die für das Pro-/Kontra-Format typische „False Balance“ noch der geringste ist. Es ist ärgerlich, weil dadurch die vielen Fragen verdrängt werden, die es im Rahmen der grundlegenden Veränderungen im Sprachgebrauch, die wir im Bereich Gender seit einigen Jahren beobachten, zu stellen und zu diskutieren gäbe.
Eine wichtige Frage ist, ob und wie die verschiedenen Formen, die derzeit praktiziert werden, psycholinguistisch wirken – wie sie also unsere Interpretation des Gesagten beeinflussen. Zu dieser Frage gibt es für das Gendersternchen nun erste Daten, die – soweit ich sehen kann – bisher nicht sehr breit wahrgenommen oder diskutiert worden sind.
Die Studie benutzt eine Version eines Assoziationstest, den die Psychologinnen Dagmar Stahlberg, Sabine Sczesny und Friederike Braun im Jahr 2001 erstmals verwendet haben. Bei diesem Test werden Versuchspersonen gebeten, bekannte Mitglieder bestimmter Personengruppen zu nennen (Musikschaffende, Romanfiguren, schauspielerisch tätige Menschen, Sporttreibende, in der Politik tätige Menschen, Fernsehmoderierende). Entscheidend ist im Forschungsdesign dann, mit welcher Form diese Gruppe präsentiert wird – z.B. im „generischen“ Maskulinum (Musiker), in der Doppelform (Musiker und Musikerin) oder eben auch innovativen Formen. Die Antworten lassen sich dann daraufhin vergleichen, wieviele Männer, Frauen oder non-binäre Personen genannt werden – ein Hinweis darauf, wie die Form interpretiert wurde. (Wer die detaillierte Diskussion der Studien nicht lesen will, kann zum Abschnitt „Diskussion“ springen!)
Stahlberg, Sczesny und Braun testeten in ihrer ersten Studie drei Formen: Maskulina (z.B. Nennen Sie ihren liebsten Romanhelden), geschlechtsneutrale Ausdrücke (heldenhafte Romanfigur) und Doppelformen (Romanheldin oder Romanheld). Es gab sechs solche Fragen.
Die Autorinnen berichten die Ergebnisse in Form von Durchschnittswerten von Antworten, die sich auf weibliche Personen (Musikerinnen, Romanheldinnen usw.) bezogen. Da sechs Fragen gestellt wurden, kann dieser Wert zwischen 0 (es wurde keine Frau genannt) und 6 (es wurden nur Frauen genannt) liegen. Waren die Fragen im „generischen“ Maskulinum gestellt, wurden im Schnitt 0.67 weibliche Personen genannt (11 Prozent), waren die Fragen geschlechtsneutral gestellt, waren es 1.67 (27.8 Prozent) und enthielt die Frage eine Doppelform, waren es 1.68 (28 Prozent). In allen Bedingungen wurden also hauptsächlich männliche Personen genannt (weil Männer eben, auch, wenn sie nicht darauf hingewiesen werden wollen, der gesellschaftliche „Normalfall“ sind). Beim „generischen Maskulinum“ wurden aber signifikant weniger Frauen genannt als bei den anderen beiden Formen. Diese beiden Formen (neutrale Form und Doppelform) unterschieden sich dabei nicht signifikant voneinander.
Das Ergebnis war also eindeutig: Das „generische“ Maskulinum lässt uns fast ausschließlich an Männer denken, bei geschlechtsneutralen Wörtern und Doppelformen sind wir wenigstens grundsätzlich in der Lage, uns auch Frauen vorzustellen (dabei gab es noch signifikante Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Versuchspersonen, aber dazu ein andermal mehr).
In einem zweiten Experiment wurden die Versuchspersonen gebeten, jeweils drei Mitglieder der o.g. Personengruppen zu nennen. Hier wurden die Fragen im „generischen“ Maskulinum, in der Doppelform und unter Verwendung des Binnen‑I gestellt (Nennen Sie drei MusikerInnen). Nach drei Personen zu fragen, statt nur nach einer, hat zwei Vorteile: Die Fragen können im Plural gestellt werden, und die Versuchspersonen können ein flexibleres Assoziationsverhalten zeigen. Es gab vier solche Fragen, die Zahl der genannten Frauen konnte also theoretisch zwischen 0 und 12 liegen. In diesem Fall unterschieden sich das „generische“ Maskulinum (mit durchschnittlich 2.37 genannten Frauen, also 19.7 Prozent) und die Doppelform (mit durchschnittlich 2.67 genannten Frauen, also 22.2 Prozent) nicht signifikant voneinander (das „generische“ Maskulinum schnitt etwas besser ab als im ersten Experiment, die Doppelform etwas schlechter). Das Binnen‑I zeigte sich mit durchschnittlich 4.6 genannten Frauen (38.3 Prozent) als am besten geeignet, (binäre) gemischtgeschlechtliche Assoziationen auszulösen.
Kommen wir nun zur oben angekündigten Studie über das Gendersternchen. Von der sind, soweit ich sehen kann, bisher nur die Daten veröffentlicht, die von der Marktforschungsagentur EARS and EYES für eine wissenschaftliche Abschlussarbeit erhoben wurden (wenn ich die Abschlussarbeit finde, werde ich hier darüber berichten).
In der Studie wurde dasselbe grundsätzliche Design verwendet, wie in den früheren Studien. Hier wurden Versuchspersonen gebeten, je zwei Mitglieder aus drei verschiedenen Berufsgruppen zu nennen. Dabei wurde neben dem „generischen“ Maskulinum wieder die Beidnennung untersucht, neu hinzu gekommen ist das Gendersternchen (Nennen Sie zwei Schauspieler*innen, bzw. Musiker*innen, Moderator*innen). Die Ergebnisse werden in Form von Häufigkeiten berichtet – zur Vergleichbarkeit mit der Studie von Stahlberg, Sczesny und Braun habe ich sie in Prozentzahlen (Anteil genannter Frauen) umgerechnet. Beim „generischen“ Maskulinum wurden 18 Prozent Frauen genannt (ein Ergebnis, das gut zu den o.g. Studien passt), bei der Doppelform 28.5 Prozent (also ungefähr wie bei der ersten der o.g. Studien), und beim Gendersternchen 30.5 Prozent. Der Unterschied zwischen dem generischen Maskulinum und den anderen beiden Formen ist dabei statistisch signifikant, der Unterschied zwischen Doppelform und Gendersternchen nicht.
Diskussion
Zusammengefasst: Das „generische“ Maskulinum ist nicht geeignet, uns neben Männern auch an Frauen denken zu lassen (keine Überraschung, das wissen wir schon lange). Außerdem denken wir bei (fast) jeder sprachlichen Form hauptsächlich an Männer (auch das ist schon lange bekannt). Aber: Das Gendersternchen erhöht signifikant die Wahrscheinlichkeit, dass wir auch an Frauen denken – allerdings nicht stärker als die traditionelle Doppelform (und nicht so stark wie das Binnen‑I)!
Wir können also ebensogut weiterhin die Doppelform (Musikerinnen und Musiker) verwenden, um den Effekt des Gendersternchens (Musiker*innen) zu bekommen.
Oder doch nicht? Haben wir da nicht etwas vergessen?
Ach ja, richtig: Das Gendersternchen soll ja, anders als die Doppelform, neben Frauen auch nicht-binäre Menschen einschließen, also solche, die sich in die Kategorien „Mann“ und „Frau“ nicht einordnen können oder wollen. Das scheint das Gendersternchen aber empirisch nicht zu tun, und dafür gibt es vermutlich zwei Gründe, die diejenigen, denen es um die sprachliche Inklusion von nicht-binären Menschen geht, im Bewusstsein behalten müssen.
Erstens reicht es nicht aus, eine neue Form zu schaffen und in ein altes System einzufügen. Egal, ob es der Unterstrich, der Genderstern oder der Doppelpunkt ist – diese Interpunktionszeichen bedeuten von sich aus nicht „hier sind nicht-binäre Menschen gemeint“, wenn wir sie in Wörter einfügen, die nach dem Schema „männlicher Wortstamm + weibliche Nachsilbe“ gebildet worden sind. Stattdessen scheinen sie zunächst einfach als Alternative zu traditionellen Sparschreibungen (wie Musiker/-innen) interpretiert zu werden. Das wäre eine Art Reparaturstrategie seitens der Sprachverarbeitung im Gehirn: Sie stößt auf etwas, das (noch) nicht Teil des Systems ist und integriert es, indem sie nach etwas Ähnlichem sucht, das bereits Teil des Systems ist.
Damit das Gendersternchen (oder eine beliebige Alternative) mehr als das werden kann, muss seine Einführung mit einer breiten gesellschaftlichen Diskussion darüber einhergehen, was es bedeuten soll. Und dazu ist es nötig, die Sprachgemeinschaft (oder wenigstens große Teile) davon zu überzeugen, dass es (a) nicht-binäre Menschen gibt, dass diese (b) in den traditionellen Sprachformen nicht sichtbar sind, und dass © das Sternchen ein Versuch ist, das zu ändern. Das sind drei Annahmen, deren Akzeptanz (einzeln oder gemeinsam) nicht einfach vorausgesetzt werden kann.
Zweitens zeigt sich in dem Experiment vermutlich auch der Einfluss einer weiteren Variable: Die meisten Versuchspersonen kennen schlicht keine nicht-binären Musiker*innen, Schauspieler*innen oder Moderator*innen, deshalb können sie sie in einem Experiment nicht nennen. Tatsächlich kennen die meisten Mitglieder der Sprachgemeinschaft wahrscheinlich grundsätzlich keine (oder nur sehr wenige) nicht-binäre Menschen, einfach, weil diese eine sehr kleine Minderheit darstellen – deshalb haben sie auch keine mentale Repräsentation dieser Gruppe, die sie mit dem Gendersternchen verknüpfen könnten.
Auch hier gilt es, die gesellschaftliche Sichtbarkeit und Wahrnehmung der betroffenen Gruppe zu verändern. Das ist bei sehr kleinen Gruppen schwieriger, als bei sehr großen Gruppen (etwa Frauen, die eine Bevölkerungsmehrheit darstellen). Wenn die Sprachgemeinschaft ein mentales Konzept der Kategorie „nicht-binäre Menschen“ haben soll, das mit dem Gendersternchen verknüpft werden kann, müssen hier aber Wege gefunden werden.
Mit anderen Worten: Das Gendersternchen ist nicht die Lösung für das Problem der Unsichtbarkeit nicht-binärer Menschen, es ist nur ein erster Schritt.
Heißt das, dass wir ebensogut darauf verzichten können? Nein, denn mit unserer Sprache bilden wir nicht nur Inhalte ab, wir kommunizieren auch unsere Perspektive (bei Karl Bühler hieß diese Funktion noch „Ausdruck“, im beliebten „Kommunikationsquadrat“ von Schulz von Thun heißt sie „Selbstkundgabe“). Indem wir das Gendersternchen bewusst und aus eigener Entscheidung verwenden, zeigen wir der betroffenen Gruppe wenigstens, dass wir sie wahrnehmen wollen.
Da das Gendersternchen bisher nicht besser darin ist, die Sichtbarkeit von Frauen (die ja auch darin inkludiert sein sollen) zu erhöhen, als die Doppelform, sollten wir außerdem nicht voreilig auf das Binnen‑I verzichten (das viele Institutionen jetzt hastig aus ihren Genderleitfäden streichen). In Zusammenhängen, in denen es vorrangig um die Sichtbarkeit von Frauen geht (und solche Zusammenhänge gibt es ja immer noch viele), ist es eine sehr effektive Form.
Meine anekdotische Erfahrung ist, dass sogar in queeren Diskussionsforen viele Diskutierende gar nicht wissen, dass es bei Genderstern, Unterstrich und Doppelpunkt um nichtbinäre Menschen geht. Das Argument ist dann oft “Ich nenne immer beide Formen [also männliche und weibliche], dann sind doch alle genannt.”
Ich bemerke außerdem schon seit Längerem eine andere Tendenz: Gerade in eigentlich wohlmeinenden Artikeln über Asterisk und Co. wird oft formuliert, dass diese Sonderzeichen angeblich auf trans Menschen oder sogar auf die gesamte LGBTTIQ+-Community aufmerksam machen sollten. Der Grundgedanke scheint zu sein: Es gibt Männer, Frauen und “Sonstige”, und in die letzte Schublade packen wir nicht etwa nur nichtbinäre Menschen, sondern auch schwule Männer, lesbische Frauen, alle trans Männer und trans Frauen und alle intersexuellen Menschen, obwohl sich auch von diesen sehr viele eindeutig binär verorten.
Man kann also tatsächlich so tun, als wäre man ganz vorne auf der avantgardistischen Genderwelle unterwegs, und gleichzeitig mal eben Millionen von binär selbstdefinierten Männern und Frauen ungefragt in einen exotischen Bereich außerhalb des Mann-Frau-Schemas abschieben, nur weil sie nicht exakt den heteronormativen Standards entsprechen. Für mich ist das ein Beispiel dafür, was passiert, wenn sich “virtue signalling” mit inhaltlicher Inkompetenz paart. Dabei kommt leider nichts Gutes heraus.
Kurz gesagt: Es stimmt, wir brauchen unbedingt gleichzeitig mehr Aufklärung darüber, was genau diese Sonderzeichen eigentlich bedeuten sollen und was nicht.
Ich weiß nicht, ob hier Links freigeschaltet werden. Ein aktuelles Beispiel für das, was ich beschrieb, findet sich in der Luzerner Zeitung:
[Die Formulierung “Damen und Herren”] “beschränkt sich auf die konventionellen Geschlechter-Bezeichnungen von Mann und Frau. Personen der LGBTQI+-Gemeinschaft mit unterschiedlicher sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität werden damit nicht berücksichtigt.”
Als könnten Damen und Herren keine verschiedenen sexuellen Orientierungen oder Geschlechtsidentitäten haben.
https://www.luzernerzeitung.ch/wirtschaft/lgbtqi-ladies-and-gentlemen-haben-ausgedient-swiss-wechselt-auf-die-inklusive-sprache-auch-an-bord-ld.2152567
> Indem wir das Gendersternchen bewusst und aus eigener Entscheidung verwenden, zeigen wir der betroffenen Gruppe wenigstens, dass wir sie wahrnehmen _wollen_.
Für manche „wir“ stimmt das sicher. Das Sternchen (oder auch jedes andere Störsignal) wieder aber gerade dadurch entwertet, dass es im (gehobenen) Mainstream angekommen ist und vermehrt unreflektiert verwendet wird.
Andere Frage: gibt es eine Untersuchung dazu, ob es signifikante Unterschiede der mentalen Erstassoziation für die verschiedenen morphologischen Varianten des maskulinen Pseudogenerikums gibt, also nicht nur ‑er/-erin und ‑Ø/-in, sondern ‑er/-e, ‑er/-in, ‑e/-in?
(Im Text wird u.a. _Held/Heldin_ erwähnt, aber da dürfte die soziohistorische Extension alle anderen Einflüsse überschatten, d.h. es gibt kein annäherndes Gleichverhältnis zwischen bekannten Helden und Heldinnen wie es etwa für berühmte Menschen in der Musik angenommen werden kann.)
Das halte ich für ein kulturelles Artefakt. In der englischsprachigen Welt denkt heute bei “actor”, “police officer” oder “soldier” niemand mehr ausschließlich an Männer. Diesen sprachschonenden Weg sollten wir auch gehen.
Aber klar: Die Deutschen wählen immer die bürokratischste Lösung, auch bei ihrer Sprache.
@ Tim: Das Englische und das Deutsche sind sprachtypologisch grundverschieden, nicht nur, aber auch im Bereich der Versprachlichung von Geschlecht. Das Englische hat das grammatische Geschlecht vor über 500 Jahren durch Lautwandelprozesse komplett verloren, wodurch diese Kategorie für die Sprechenden weitgehend ihre Relevanz verloren hat – mögliche morphologische Geschlechtermarkierungen (-ix in aviatrix, ‑ette in usherette oder ‑ess in waitress) konnten sich danach nicht durchsetzten und blieben auf jeweils eine Handvoll Wörter beschränkt. Nur bei den Pronomen findet sich überhaupt noch eine Unterscheidung nach Geschlechtern. Im Deutschen ist das anders – das grammatische Geschlecht ist hier eine fest verankerte Kategorie, die von alleine nicht so schnell verschwinden wird. Und das grammatische Geschlecht von Wörtern korreliert bei Menschen (und uns vertrauten Tieren) sehr stark mit dem biologischen und/oder sozialen Geschlecht der Bezeichneten. Diese Verbindung lässt sich nicht einfach aufläsen, indem man erklärt, man wolle „den Weg des Englischen gehen“. Sicher, wir könnten das grammatische Geschlecht abschaffen – Wege dahin haben feministische Linguist_innen und andere kreative Menschen immer wieder aufgezeigt. Aber dass sich derartig weitreichende Eingriffe in die Grammatik in einer Sprachgemeinschaft durchsetzen lassen würden, die schon beim Gendersternchen Schnappatmung bekommt, halte ich für ausgeschlossen.
Interessante Beobachtungen! Mir fehlt die zeitliche Dimension im Vergleich von Binnen‑I und Gendersternchen. Möglicherweise liegt die (derzeit!) vergleichsweise höhere Effektivität des Binnen‑I schlicht daran, dass es bereits seit den 1980er Jahren in Gebrauch und daher bekannter ist. Dagegen kam das Gendersternchen im deutschen Sprachraum erst in den 2000er Jahren auf. Nicht von ungefähr ist es in der 2001er Studie von Stahlberg, Sczesny und Braun noch kein Thema.
@ Tim Buktu: Dass das Binnen‑I im Jahr 2001 bekannter war als das Gendersternchen heute, glaube ich eigentlich nicht.
Müssten die Ergebnisse nicht auf den Bias von der Bezeichnung korrigiert werden, auf den gefragt wird? Wenn ich nach CDU-Politiker frage, dann werden die Leute wohl Männer nennen (https://www.ruhrnachrichten.de/bilder/armin-laschet-und-seine-parteikollegen-im-wald-2191597.jpg). Die Frage ist, ob das viel mit Sprache zu tun hat, sondern viel mehr, dass es einfach mehr bekannte CDU-Politiker gibt. Das ist in dem Design ziemlich schwierig weil man ja nach Promis fragt. Hier ist eine Studie, wo danach gefragt wurde, ob man eher an Männer oder Frauen bei einem Beruf denkt: https://core.ac.uk/download/pdf/20662559.pdf
Hier ist Musiker ziemlich ausgeglichen für DE, technische Berufe sind männlich und so was wie Geburtshelfer weiblich. Politiker sind hier eher männlich, was darauf schließen lässt, dass Frauen ausgeschlossen werden in der Politik. Meine Vermutung ist, dass so was nicht durch ein sprachliches Konstrukt gelöst wird, das ist wohl eher virtue signalling. Es braucht verbindliche Quoten, wie das Bild oben klar zeigt.
@ Till: Es geht jeweils um den Vergleich zwischen den verschiedenen Formen – die Grundhäufigkeit von Männern und Frauen in der bezeichneten Gruppe spielt dabei keine Rolle. Dass unterschiedliche Berufsbezeichnungen mit unterschiedlich starken stereotypen Vorstellungen bezüglich dieser Häufigkeiten belegt sind, ist klar – die grammatische Form hat aber einen stärkeren Effekt als diese stereotypen Vorstellungen, siehe hier: http://www.sprachlog.de/2011/12/14/frauen-natuerlich-ausgenommen/
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hm. Ich nutze * tatsächlich wie Binnen‑I und _ oder auch persönlich gern das °innen etc.
Ich gebe zu dass ich — dadurch dass Männer UND Frauen damit angesprochen werden soll(-t)en — dachte hoffte, dass somit auch non-binäre Personen ähem “mitgemeint” sind. .. (weil das Spektrum zwischen ganz männlich und ganz weiblich wasimmerdasauchist abgedeckt wäre).
aber um das eindeutig zu machen: bleibt wohl momentan eigentlich nur die neutrale Verlaufsform übrig — sehr geehrte Student°innen und Studierende. Sehr geehrte Personen…
oder so…
In den Studien wird kaum beachtet, wie die tatsächliche Verteilung von Männern und Frauen in der betrachteten erfragten Personengruppe ist. Werden z. B. 30% Frauen genannt und unter den, sagen wir bekannten Musikerinnen und Musikern, wären tatsächlich nur 30% Frauen, dann läge das Ergebnis nicht an der sprachlichen Wahrnehmung, sondern wäre objektiv begründet.
Überdies könnte eine Verfälschung des Ergebnisses dadurch entstehen, daß die Befragten aufgrund der Fragestellung irgendwann oder von Anfang an bemerken, daß sie in Wahrheit über das Gendern ausgehorcht werden. Je nach ihrer Einstellung könnten sie dann mit Absicht z. B. nach mehr Frauennamen suchen, was zu einem Frauenanteil von 30% wie im obigen Beispiel sogar dann führen könnte, wenn der tatsächliche Frauenanteil nur 15% betrüge.
Es reicht also nicht, sich nur auf die Ergebnisse irgendeiner Studie einzulassen, sondern man muß die Repräsentativität der Befragten sowie die Art der Fragestellungen im genannten Sinne sehr kritisch überprüfen.
@Manfred Riemer: Zu Ihrem ersten Punkt: Siehe meine Antwort auf den Kommentar von Till weiter oben. Zu Ihrem zweiten Punkt: Glauben Sie wirklich, dass die beteiligten Forscherinnen, begutachtenden Wissenschaftler*innen und Herausgeber*innen der entsprechenden Fachzeitschriften, die jahrelange Erfahrung in der psychologischen Forschung mitbringen, diesen einfachen Punkt übersehen haben, der im Methodenkurs im ersten Semester diskutiert wird?
Ja, das ist sogar anzunehmen, wenn es um ein gewolltes Ergebnis geht, dem eine Denkideologie zu Grunde liegt. Die Psychologie und alle mit ihr verwandten Fächer stehen schon seit Jahren in der Kritik eine unangenehm hohe Anzahl an nicht reproduzierbaren Papern hervorzubringen. Spektrum hatte mal Artikel dazu veröffentlicht, wie oft in der Wissenschaft einfache statistische Basics nicht beherzigt werden. Auch hier der Economist: http://www.chem.ucla.edu/dept/Faculty/merchant/pdf/How_Science_Goes_Wrong.pdf
Fast alle psychologischen Studien (worunter ich auch Psycholinguistik zähle) befragen fast immer nur Studenten. Das ist der Running Gag an der Uni. Die bekommen dafür mitunter sogar Punkte und dann wird das in Psychologie Journals veröffentlicht. Der Standard dort ist sehr niedrig. Und dann sind alle schon glücklich, wenn sie etwas signifikantes nachweisen können ohne überhaupt zu verstehen, das Signifikanz so ziemlich das armseligste Kriterium ist, dass die Wissenschaft zu bieten hat, weil es nichts, aber auch gar nichts über die tatsächliche Wirkung aussagt. Fisher würde sich nur noch im Grab rumdrehen.
Daher ist jede Methodenkritik, gerade bei politischen Themen mehr als angebracht, gerade wenn die Effekte überschaubar sind und gerade auch bei Leuten, die sich schon seit Jahren in einem Gebiet bewegen, weil da der Erfolgsdruck noch viel größer ist (Stichwort p‑Hacking). Und die Einseitigkeit, in der in Medien zitierte Studien die empirisch analysierten Daten diskutieren, zeigt gerade in der feministischen Sprachwissenschaft einen massiven Confirmation Bias, der jeden kleinen Zweig packt und es wie einen Baum aussehen lassen möchte und Kritik daran als reaktionär zurück weist.
@Sebastian Hupfer: Ein Wirtschaftswissenschaftler, der die „Psychologie und alle verwandten Fächer“ für deren Methoden kritisiert und als Beleg ein nicht namentlich gekennzeichnetes Editorial aus dem Economist zitiert und dann auch noch den angeblichen „Confirmation Bias“ einer anderen Disziplin kritisiert – das eröffnet völlig neue Antworten auf die Frage „Was darf Satire?“
Wenn Sie speziell die in diesem Beitrag zitierten Studien methodisch kritisieren wollen, sollten Sie sie vielleicht vorher lesen: erstens wurden dort nicht „immer nur Studenten“ befragt, sondern Stichproben mit einer breiten Streuung bezüglich Alter und Bildungshintergrund; zweitens wurden dort die „statistischen Basics“ durchaus beherzigt; drittens sind die Ergebnisse durch unterschiedliche Studien bestätigt worden.
@ Tim: “In der englischsprachigen Welt denkt heute bei “actor”, “police officer” oder “soldier” niemand mehr ausschließlich an Männer.”
Ich habe starke Zweifel an der Zulässigkeit des Wörtchens “niemand” in dieser Aussage und behaupte im Gegenteil, dass eine durchaus messbare Teilpopulation der englischsprachigen Menschen hier ebenfalls zu einem kulturell induzierten Urteil kommt: Natürlich sind “police officers” und “soldiers” harte Kerle. Und da es neben “actor” auch “actress” gibt, sollte dieses Beispiel ähnlich wie im Deutschen funktionieren. Daher die Frage: Gibt es dazu Untersuchungen, in der Art wie die im Artikel beschriebenen?
Vielleicht denkt man nicht ausschliesslich an Männer, aber doch überwiegend. Auch im Englischen.
https://youtu.be/qv8VZVP5csA
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»muss seine Einführung mit einer breiten gesellschaftlichen Diskussion darüber einhergehen,« – unter Menschen, die schon beim Gendersternchen Schnappatmung bekommen.
Das heißt, wir haben eine gewisse Quantität an Menschen, die durch einen Stern gekennzeichnet werden, die es aber noch erklärt bekommen müssen.
Auf anderen Seite eine um Größenordnung größere Anzahl von Menschen mit der Schnappatmung; sagen wir, mit einem mehr oder minder Unbehagen ggü. den Sternchen.
Wenn wir nun so oder so erklären müssen, warum erklären wir dann nicht, dass Formen wie »die Lehrer« oder »die Schüler«, Bäcker etc. alle einschließen, die irgendwie in Frage kommen, ohne über ungeklärte Geschlechter forschen zu müssen. Das hätte den Vorteil, dass viele die Sprache schon so benuten. Die anderen gewöhnen sich dran.
Studien dieser Art haben einen behavioristischen Ansatz. Das heißt, die TeilnehmerInnen kriegen einen Input, geben einen Output und letzterer wird dann ausgewertet bzw. auf bestimmte Zusammenhänge geprüft. Daraus will man Rückschlüsse darüber ziehen, was zwischen Input und Output passiert ist. In diesem Fall also will ableiten, welche Assoziationen oder Gedanken bei den TeilnehmerInnen ausgelöst wurden. Ich sehe in diesem Ansatz ein grundsätzliches Problem. Mal angenommen, man setzt als Prämisse (die man prüfen will), dass das generische Maskulinum keinen gedanklichen Bias für gewisse Geschlechter hervorruft. Beispielsweise bedeutet das, wenn ich das Wort “Lehrer” lese, dann denke ich möglicherweise an eine geschlechtlich undefinierte (gewissermaßen “generische”) Gruppe von Menschen. Oder das Geschlecht hat in meinen Gedanken eher eine untergeordnete Rolle. Ich denke z.B. vorrangig an andere Merkmale von Lehrern, deren Aufenthaltsort (Schule) oder Tätigkeit (Schreiben an eine Tafel).
In den genannten Studien wird nun beispielsweise verlangt, konkrete Personen aufzuschreiben, die zu einer solchen Gruppe gehören. Die Antworten werden dann auf Geschlechterzugehörigkeit geprüft. Natürlich lassen sich diese Antworten zu Mann, Frau, oder anderen (z.B. nicht-binäre) Kategorien zuordnen, denn es gibt ja keine konkret existierenden “generischen” Menschen. Das ist sogar dann der Fall, wenn ich die mir die Gruppe “Lehrer” zuvor als “generische” Gruppe (wie oben veranschaulicht) vorgestellt habe, denn ich musste mich ja entscheiden. Damit wird quasi äußerlich (durch die Art des Tests) herbeigeführt, dass man Geschlechterunterscheidungen in den Antworten findet, egal ob diese in den ersten Gedanken so vorkamen. Aber beantwortet so ein Test die Frage, woran die TeilnehmerInnen bei einem Wort im generischen Maskulinum denken? (Das gleiche Problem tritt auch bei der Art von Studie auf, bei denen ein Satz fortgeführt oder ein Abschlusssatz zugeordnet werden soll. Eine Entscheidung für ein bestimmtes Geschlecht wird durch die Art der Fragestellung herbeigeführt.)
Die Methodik und gewissermaßen die Philosophie hinter solchen Tests ist ausgesprochen entscheidend, egal wie präzise und genau gearbeitet wurde. Gedankenlesen ist (noch) nicht möglich und mir fallen leider auf Anhieb auch keine besseren Alternativtests ein. Aber umso mehr sollte man kritisch prüfen, was solche Ansätze überhaupt eindeutig überprüfen können und welche Interpretationen schlüssig sind.
@Mark: Die Interpretation der Ergebnisse beruht nicht darauf, dass in den Antworten Geschlechterunterscheidungen gefunden wurden, sondern darauf, wie sich das Geschlechterverhältnis in den Antworten bei unterschiedlichen sprachlichen Formen im Stimulus unterscheidet. Wenn Sie für diese Unterschiede eine bessere Erklärung haben als die, dass die betreffenden Formen eben zu unterschiedlichen mentalen Repräsentationen führen, benennen Sie diese gerne; es ließen sich dann sicher Experimente entwerfen, in denen die Stichhaltigkeit der unterschiedlichen Erklärungen untersucht werden kann. Wissenschaftliche Ergebnisse sind immer vorläufig, aber Hypothesen, die mehrere Dutzend Experimente überstanden haben, ohne dabei falsifiziert zu werden, zählen nun einmal mehr als eine vage Andeutung, dass alles auch ganz anders sein könnte.
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Ich denke wir brauchen keine Gendersternchen sondern eine männliche Nachsilbe. Dann könnte frau/man wenn nach Männern gefragt wird z.B. der Lehrerit heißen, bei Frauen wie immer die Lehrerin und wenn alle gemeint sind das Lehrer.