Jedes Jahr Anfang Dezember trifft sich die Gesellschaft für Deutsche Sprache, um das „Wort des Jahres“ zu wählen. Und jedes Jahr zeigt sich, dass den Mitgliedern der Jury erst in den Tagen unmittelbar vor diesem Treffen einfällt, dass sie vielleicht mal in eine Zeitung gucken sollten, um herauszufinden, was für Wörter es im Deutschen eigentlich so gibt.
Hastig wählt man dann das erste Wort, das einem bei diesem Blick in die Zeitung auffällt. Das ist mal ein Wort, das Wolfgang Bosbach zufällig ein einziges Mal verwendet hat, wie 2012, als man Rettungsroutine auserkor, und mal eines, das seit Jahren ein unauffälliges Puzzlestückchen im Wortschatz des Deutschen ist, wie 2013, als man sich für GroKo entschied. Oder man nimmt eben ein Wort, das zufällig gerade durch die Medien geistert, wie 2014, als mit Lichtgrenze der Name eines Luftballon-Großevents das Rennen machte.
In diesem Jahr hat man sich offensichtlich für letztere Strategie entschieden: Mit Jamaika-Aus hat man sich für ein Wort entschieden, das gerade mal fünf Tage lang – vom 20. bis zum 25. November 2017 – eine nennenswerte Medienpräsenz hatte und es bei Google insgesamt auf satte 80 Einzel-Treffer bringt, wenn man die paar Hundert abzieht, in denen über das Wort des Jahres berichtet wird.
Damit, so die Jury, thematisiere sie
nicht nur die besonderen Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung, die sich nach der Bundestagswahl 2017 ergaben, sondern lenkt den Blick auch auf eine interessante Wortbildung: Nicht nur hat der Landesname Jamaika eine neue Bedeutung angenommen, sondern auch die Aussprache wurde eingedeutscht: Nachdem die englische Lautung „Dschamäika“ bereits seit langem zu »Dschamaika« geworden war, hört man am Wortanfang anstelle von „Dsch“ heute zunehmend auch ein „J“ wie in „Jahr“. – Mit der Substantivierung das Aus wird umgangssprachlich auf das Ende, das Scheitern von etwas verwiesen; die Zusammensetzung Jamaika-Aus bringt somit prägnant den komplexen Sachverhalt ›Abbruch der Sondierungsgespräche für eine schwarz-gelb-grüne Koalition‹ zum Ausdruck.
Der Landesname Jamaika hat diese „neue Bedeutung“ allerdings schon im Bundestagswahlkampf 2005 angenommen, wo sich das Wort erstmals in den Medien findet, oder spätestens seit 2009, als im Saarland erstmals eine solche Koalition gebildet wurde. Auch die Aussprache mit „J wie Jahr“ ist laut Duden die Standardaussprache für den Landesnamen Jamaika, und so interessant es wäre, zu erfahren, ob sich in den Aussprache-Gewohnheiten Änderungen beobachten lassen, von der Wort-des-Jahres-Jury werden wir es nicht erfahren, denn denen scheint das Wort Ende November zum ersten Mal aufgefallen zu sein.
Schade ist das alles, weil die GfdS tatsächlich ein paar gute Kandidaten auf der Liste hatte – Ehe für Alle (auf Platz 2) und Obergrenze zum Beispiel, die ja die Diskussionen dieses Jahres durchaus geprägt haben. Es hätte allerdings auch schlimmer kommen können: auch covfefe und hyggelig landeten auf den vorderen Plätzen.
Ehe für alle ist ja mein persönliches Hasswort des Jahres, wenn man es der Einfachheit halber mal ein Wort nennen will.
Nicht, weil ich die Bevorzugung von heterosexuellen Partnerschaften fortsetzen will, sondern weil Ehe eh ein Dreckskonzept ist, und weil es nicht mal eine echte Ehe für alle ist.
Aber ja, es wäre besser gewesen als Jamaika-Aus (Was treibt diese Leute? Einmal so drauf sein.), und ich finde sogar, dass covfefe und hyggelig immer noch besser gewesen wären.
Pingback: Umleitung: Rechtsextreme Naturschützer, Schwarz-grün in Hessen, Geheimnisse des Korans, die Suche nach dem Gral und mehr … | zoom
Pingback: Links der Woche – Enno Park