Wort des Jahres 2017: Jamaika-Aus

Von Anatol Stefanowitsch

Jedes Jahr Anfang Dezem­ber trifft sich die Gesellschaft für Deutsche Sprache, um das „Wort des Jahres“ zu wählen. Und jedes Jahr zeigt sich, dass den Mit­gliedern der Jury erst in den Tagen unmit­tel­bar vor diesem Tre­f­fen ein­fällt, dass sie vielle­icht mal in eine Zeitung guck­en soll­ten, um her­auszufind­en, was für Wörter es im Deutschen eigentlich so gibt.

Hastig wählt man dann das erste Wort, das einem bei diesem Blick in die Zeitung auf­fällt. Das ist mal ein Wort, das Wolf­gang Bos­bach zufäl­lig ein einziges Mal ver­wen­det hat, wie 2012, als man Ret­tungsrou­tine auserkor, und mal eines, das seit Jahren ein unauf­fäl­liges Puz­zlestückchen im Wortschatz des Deutschen ist, wie 2013, als man sich für GroKo entsch­ied. Oder man nimmt eben ein Wort, das zufäl­lig ger­ade durch die Medi­en geis­tert, wie 2014, als mit Licht­gren­ze der Name eines Luft­bal­lon-Großevents das Ren­nen machte.

In diesem Jahr hat man sich offen­sichtlich für let­ztere Strate­gie entsch­ieden: Mit Jamai­ka-Aus hat man sich für ein Wort entsch­ieden, das ger­ade mal fünf Tage lang – vom 20. bis zum 25. Novem­ber 2017 – eine nen­nenswerte Medi­en­präsenz hat­te und es bei Google ins­ge­samt auf sat­te 80 Einzel-Tre­f­fer bringt, wenn man die paar Hun­dert abzieht, in denen über das Wort des Jahres berichtet wird.

Damit, so die Jury, the­ma­tisiere sie

nicht nur die beson­deren Schwierigkeit­en bei der Regierungs­bil­dung, die sich nach der Bun­destagswahl 2017 ergaben, son­dern lenkt den Blick auch auf eine inter­es­sante Wort­bil­dung: Nicht nur hat der Lan­desname Jamai­ka eine neue Bedeu­tung angenom­men, son­dern auch die Aussprache wurde eingedeutscht: Nach­dem die englis­che Lau­tung „Dschamäi­ka“ bere­its seit langem zu »Dschamai­ka« gewor­den war, hört man am Wor­tan­fang anstelle von „Dsch“ heute zunehmend auch ein „J“ wie in „Jahr“. – Mit der Sub­stan­tivierung das Aus wird umgangssprach­lich auf das Ende, das Scheit­ern von etwas ver­wiesen; die Zusam­menset­zung Jamai­ka-Aus bringt somit präg­nant den kom­plex­en Sachver­halt ›Abbruch der Sondierungs­ge­spräche für eine schwarz-gelb-grüne Koali­tion‹ zum Ausdruck.

Der Lan­desname Jamai­ka hat diese „neue Bedeu­tung“ allerd­ings schon im Bun­destagswahlkampf 2005 angenom­men, wo sich das Wort erst­mals in den Medi­en find­et, oder spätestens seit 2009, als im Saar­land erst­mals eine solche Koali­tion gebildet wurde. Auch die Aussprache mit „J wie Jahr“ ist laut Duden die Stan­dar­d­aussprache für den Lan­desna­men Jamai­ka, und so inter­es­sant es wäre, zu erfahren, ob sich in den Aussprache-Gewohn­heit­en Änderun­gen beobacht­en lassen, von der Wort-des-Jahres-Jury wer­den wir es nicht erfahren, denn denen scheint das Wort Ende Novem­ber zum ersten Mal aufge­fall­en zu sein.

Schade ist das alles, weil die GfdS tat­säch­lich ein paar gute Kan­di­dat­en auf der Liste hat­te – Ehe für Alle (auf Platz 2) und Ober­gren­ze zum Beispiel, die ja die Diskus­sio­nen dieses Jahres dur­chaus geprägt haben. Es hätte allerd­ings auch schlim­mer kom­men kön­nen: auch cov­fefe und hyggelig lan­de­ten auf den vorderen Plätzen.

3 Gedanken zu „Wort des Jahres 2017: Jamaika-Aus

  1. Muriel

    Ehe für alle ist ja mein per­sön­lich­es Has­s­wort des Jahres, wenn man es der Ein­fach­heit hal­ber mal ein Wort nen­nen will.
    Nicht, weil ich die Bevorzu­gung von het­ero­sex­uellen Part­ner­schaften fort­set­zen will, son­dern weil Ehe eh ein Dreck­skonzept ist, und weil es nicht mal eine echte Ehe für alle ist.
    Aber ja, es wäre bess­er gewe­sen als Jamai­ka-Aus (Was treibt diese Leute? Ein­mal so drauf sein.), und ich finde sog­ar, dass cov­fefe und hyggelig immer noch bess­er gewe­sen wären.

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