Blogspektrogramm 35/2017

Von Kristin Kopf

Das Spek­tro­gramm lebt! Die aktuellen Links sind nicht mehr durchge­hend taufrisch, aber Spaß kann man daran dur­chaus noch haben. Es geht heute um die Ehe für alle, Von­golisch, die ver­meintliche Sprache des Volkes, scary Englisch in Berlin und darum, was ein Hochbauin­ge­nieur mit Hochdeutsch zu tun hat:

  • Ste­fan Nigge­meier ist für ÜBERMEDIEN dem Ursprung der Beze­ich­nung Ehe für alle und ihrem Ver­hält­nis zur Homoe­he nachge­gan­gen: »Natür­lich hing der Kampf für die Gle­ich­stel­lung nicht nur an der Durch­set­zung eines Hash­tags. Aber der Begriff „Ehe für alle“ half sehr, das Anliegen sym­pa­thisch, pos­i­tiv und all­ge­mein wirken zu lassen, nicht speziell und vor allem nicht sex­uell. „Viele Leute sprechen das Wort ‚Homo‘ nicht gerne aus“, sagt der Ini­tia­tor Sören Land­mann. „Das ist schade, aber das ist Real­ität.“ […] Dass man plöt­zlich über die „Ehe für alle“ reden kon­nte, habe auch dafür gesorgt, dass sich mehr Men­schen über­haupt zu dem The­ma äußerten.«
  • Vong Sprache her hat sich im let­zten Jahr auch 1 biss­chen was getan und es gibt Stre­it darüber, wem das zu ver­danken ist. Für die SÜDDEUTSCHE hat sich Jan Strem­mel die Sache genauer ange­se­hen: »30 Mil­lio­nen Deutsche sind aktuell bei Face­book. Und weil man sich dort vor allem schriftlich mit­teilt, ist kor­rek­te Sprache heute ein wichtigeres Dis­tink­tion­s­merk­mal denn je. Wer in seinen Post­ings “seid” und “seit” ver­wech­selt, zu viele Aus­rufeze­ichen oder falsche Kom­ma­ta set­zt, gilt umge­hend als Trot­tel, egal was er zu sagen hat. […] Insofern war die absichtlich hirn­lose Witzsprache in ihren Anfangsta­gen qua­si Punkrock. Aber das ist lange vorbei.«
  • Schon im März hat Ana­tol Ste­fanow­itsch der SÜDDEUTSCHEN ein Inter­view zu Poli­tik und Pop­ulis­mus gegeben: »Ich glaube, dass die Idee, dass man mit dem Volk sprechen kann, schon in sich pop­ulis­tisch ist. Weil sie davon aus­ge­ht, dass es irgend­wo ein Volk gibt, das eine bes­timmte Sprache spricht, die man nur tre­f­fen muss. Wir leben aber in ein­er kom­plex­en Gesellschaft, die ins­ge­samt sehr gebildet ist. “Der kleine Mann auf der Straße” ver­ste­ht im Zweifels­fall wesentlich kom­plexere Dinge, als es in diesem pop­ulis­tis­chen Zer­rbild dargestellt wird. Der Pop­ulis­mus macht diesen soge­nan­nten kleinen Mann viel naiv­er und unin­formiert­er als er ist.«
  • Fat­ma Aydemir trollt Jens Spahn in der TAZ»Don’t get me wrong, Spahn möchte nicht das Easy­Jet-Prekari­at in Schöne­feld abfan­gen, um es in Inte­gra­tions­camps zu steck­en. Es geht ihm viel mehr „um uns Deutsche selb­st“ und um eine dro­hende „kul­turelle Gle­ich­schal­tung“. […] Dabei ist es nicht so, dass ich es kein biss­chen sad finde, wenn sich Jens’Mom in Berlin-Mitte keinen Flat White bestellen kann, weil die Baris­tas nur noch Englisch sprechen. Zu Recht geht das Spah­ni­boy ziem­lich „auf den Zwirn“ (= es turnt ihn ab). Oben­drein ist er als amtieren­der Staatssekretär für Finanzen dahin­tergekom­men, dass mit­tel­ständis­che Ger­man-speak­ing Enter­pris­es im Schwarzwald mehr Asche machen als die ange­blich so boomende Start-up-Szene in der Haupt­stadt. In short: Das Hip­ster­busi­ness bringt nicht mal richtig Cash. Wieso sollte er die also supporten?«
  • In Sven Regen­ers Betra­ch­tung des Tief­bauin­ge­nieurberufs für die FAZ ver­birgt sich auch ein wenig Sprach­wis­senschaft»„Es ist ja so“, nimmt er mit ein­er weg­wis­chen­den Hand­be­we­gung plöt­zlich den Faden wieder auf, „dass man zwar Begriffe mit ‚hoch‘ beim ersten Hin­hören pos­i­tiv­er kon­notiert find­et als Begriffe mit ‚tief‘ oder ‚nieder‘, dass man damit aber eben oft auch falschliegt, nur dass das kein­er merkt. […] Die meis­ten Leute glauben zum Beispiel, und da wird es eben jet­zt mal einen Moment lang ger­man­is­tisch, dass mit dem Begriff Hochdeutsch eine höher­ste­hende, in höheren Kreisen und so weit­er entwick­elte Sprache gemeint sei, manche sagen auch Hochsprache, weil sie denken, es gäbe so etwas, und da sei ein Zusam­men­hang, dabei wis­sen sie bloß nicht, dass es Hochdeutsch heißt, weil es das Süd­deutsche oder Oberdeutsche ist, die also einst in den höher gele­ge­nen deutschen Gebi­eten gesproch­ene Sprache, dass also die hochdeutschen Dialek­te eben das Bairische, Ale­man­nis­che, Säch­sis­che und Fränkische sind, im Gegen­satz zum Niederdeutschen, das so heißt, weil es in den nord­deutschen, tiefer gele­ge­nen Land­schaften gesprochen wurde und sowieso eine ganz andere Sprache ist und das schon seit dem acht­en, neun­ten Jahrhun­dert, als sich südlich der Ben­rather Lin­ie das Hochdeutsche entwick­elte, und nie­mand weiß, warum. Da kön­nen Sie schon mal sehen, wie sehr der Zusatz ‚hoch‘ in die Irre führen kann, teu­flisch“, sagt der Tief­bauin­ge­nieur und beruhigt sich erst ein­mal mit einem Schluck aus dem Deck­el sein­er Thermoskanne.«

2 Gedanken zu „Blogspektrogramm 35/2017

  1. Muriel

    Ich finde den Begriff “Ehe für alle“ hoch prob­lema­tisch, weil er ger­ad keine Ehe für alle beschreibt, son­dern nur eine Ehe für ein paar mehr.
    Das ist vielle­icht auch schon nett, aber dafür auch extra unfair gegenüber denen, die weit­er draußen bleiben müssen.

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