In den sprachlichen Lektüretipps der Woche geht es heute um Sprache als Käfig, die eigentlich ganz einfache Fächerwahl zwischen Latein und einer lebendigen Sprache und Sprachpflege durch Merkbefreitheit.
Das PHILOSOPHIE MAGAZIN hat ein Interview mit dem letzten Monat verstorbenen Philosophen und Semiotiker Umberto Eco aus dem Jahr 2013 wiederveröffentlicht, in dem es auch viel um Sprache geht: „Die Sprache ist kein Käfig, sondern eine permanente Revolution“.
Für viele Schüler/innen steht dieser Tage die Wahl der zweiten Fremdsprache an. Das ruft, wie jedes Jahr, die Latein-Lobby auf den Plan, die mit den immer gleichen Argumenten versucht, eine Lanze für die Sprache des Römischen Reiches zu brechen. Die RHEINISCHE POST hat zwischen diesen immer gleichen Argumenten als Gegenstimme Anatol zu Wort kommen lassen. Der hat übrigens schon 2007 im (Bremer) Sprach(b)log die Argumente der Lateinfans auseinandergenommen.
Die sprachlichen Kleingärtner von der DEUTSCHEN SPRACHWELT haben ihre „Sprachwahrer“ des Jahres bekanntgegeben und dabei wieder einmal keinen Zweifel daran gelassen, worum es ihnen unter dem Vorwand der Sprachpflege wirklich geht: Gewonnen hat ein Student, der seine Hausarbeiten nicht in gendersensibler Sprache abfassen wollte, auf Platz 2 landete ein Nigerianer, der ganz „ unverkrampft“ ein Restaurant mit dem Namen „Zum Mohrenkopf“ betreibt, den dritten Platz belegt Sarah Connor. Die deutsche Sprache wahrt man offenbar am besten mit Sexismus, Rassismus und nichtssagender Musik.
Wer wissen möchte, woher das Wort Ostern kommt, und warum es keinen Singular Oster hat, kann das und mehr in diesem älteren Sprachlog-Beitrag von Kristin erfahren.
Ich habe kurz in den Artikel bei der “Deutschen Sprachwelt” reingelesen — und das ganz schnell wieder bleibenlassen, nachdem dort zustimmend Birgit Kelle zitiert wurde und ich außerdem weiter unten noch das alte Märchen vom “Boykott” deutschsprachiger Musik im Radio lesen durfte — gibt es eigentlich Gegenden in Deutschland, in denen kein Äquivalent zu SWR 4 existiert? Früher oder später entlarvt man sich eben, wenn man nur lange genug redet.
Ich verbringe meinen Osterurlaub auf Malta und habe dort das Wort “lejte” für Ostern gelernt.
Maltesisch ist praktisch ein maghrebinischer Dialekt des Arabischen mit vielen italienischen Worten und ich hätte deshalb ein ähnliches Wort wie “fisih” erwartet.
Wer kann mir dazu die Etymologie erklären?
Bisweilen denke ich, der Sprachblog würde mir noch besser gefallen, wenn er ein bisschen weniger aggro daherkäme.
Das Restaurant zum Mohrenkopf ohne weitere Darlegung “Rassismus” zu nennen, geht mir zu weit — Der Betreiber als (doch wohl) Betroffener hat grössere Freiheiten als wir, mit Tabus und kontaminierten Wörtern zum Thema “Rassismus gegen Afrikaner und ihre Nachkommen” Scherze zu treiben. So wie Alte über Alte, Deutsche über Deutsche, Behinderte über Behinderte anders sprechen können. Finde ich.
Ich weiss nichts über Sarah Connor, vielleicht ist ihre Musik auch wirklich nichtssagend, aber was tut das zum Argument? Ausser, dass es sich irgendwie cool liest, en passant Nasenstüber gegen Zivilisten zu verteilen?
Und ist “auseinandergenommen” als sprachpflegerische Version von “analysiert” zu verstehen, oder nicht doch eher als Verbrechersprache für “demoliert”?
Ich habe im Lateinunterricht mehr über Sprachen und Grammatik gelernt als im Deutsch- und Englischunterricht zusammen, was jetzt natürlich kein Argument pro Latein ist, sondern eines contra schlechten Englisch- und Deutschunterricht.
Bei mir im Radio kommen ständig dt. Texte (rd. 1/3), wieso ausgerechnet Sarah “brüh im Lichte” Connor ein Schulterklopfen verdient haben soll, ist mir einfach nur schleierhaft.
Bei den Hausarbeiten im Verkehrswesen frage ich mich allerdings auch, wieso man da wohl überhaupt über Menschen spricht, dass das Thema Gender aufkommt. Radfahrerinnen und Radfahrer kann man mir “R” abkürzen, Fußgängerinnen und Fußgänger mit “F”. Fertig.
Das sehe ich auch so: Im Lateinunterricht ab der 7. Klasse habe ich verstanden, was die verschiedenen farbigen Unterstreichungen bedeuten sollten, die wir in den beiden Schuljahren vorher im Deutschunterricht angefertigt haben. Allerdings sind 13-Jährige vielleicht auch zugänglicher für Kategorien der Nominalmorphologie als 11-Jährige. Und beim Lernen einer Fremdsprache geht man da anders ran als bei der Muttersprache, wo Grammatik manchmal als abgehobene Beschäftigung betrachtet wird, denn man kann die Sprache ja eigentlich schon…
Ich bin ja eigentlich auch ein Sprachnörglernörgler, aber lasst mal den Gedanken zu, dass die Sprachnörgler nicht immer Unrecht haben.
Wenn Sarah Connor in Zukunft auf Deutsch singt, ist das wahrscheinlich zu begrüßen. Ich kenne ihre Musik nicht, aber vieles Englisch gesungene aus den Mündern deutscher Künstlerinnen und Künstler lässt mir die wenigen verbliebenen Haare zu Berge stehen — wenn’s selbst gereimt ist, ist es oft schon lexikalisch oder grammatisch grenzwertig, und wenn man nicht akzentfrei in einer Fremdsprache singen kann, soll man es lassen. Ob sie damit nun die deutsche Sprache rettet — geschenkt.
Nur weil das Lob aus der falschen Ecke kommt, wird es nicht falsch…
Ostern: Ist das ‑n wirklich ein Plural‑n? Im verlinkten Beitrag von 2009 steht dazu nicht viel. Einen Satz wie ‘Dieses Jahr waren Ostern schon im März.’ habe ich noch nicht gehört oder gelesen, immer nur ‘… war Ostern …’ und Ähnliches. Ein n am Ende kann doch auch andere Gründe haben wie in ‘Wochentag’ (Tag der Woche, nicht Tag der Wochen) oder in ’schmeckt wie bei Muttern’ (nur eine Mutter, nicht Mütter). Weihnachten und Pfingsten enden auch auf ‑n; vielleicht aus einem ähnlichen Grund. Ist das eine Art Kasus-Endung? ExpertInnenhilfe gewünscht!!
“Muttern” ist, würd ich sagen, ein normales aus der Mode gekommenes Dativ‑n (“Ich küsse Charlotten”)
“Wochentag” ist wohl ein Scharnier‑n und hat eine analoge (Aussprache-) Funktion wie “y a‑t-il” im Französischen.
Weihnachten und Pfingsten weiss ich nicht. Luther übersetzt allerdings noch “Ich will bei dir die Ostern halten mit meinen Jüngern”. Was nichts heissen muss, aber kann.
Nachtrag: In früheren Zeiten hat die Kirche die hohen Feste noch über mehrere Tage begangen, meines Wissens als Dekaden. Pfingst- und Ostermontag und der zweite Weihnachtstag sind Rudimente davon. Von daher wäre Plural nicht unplausibel.