Großbritannien ist ja im allgemeinen nicht für sein gesteigertes Interesse an Fremdsprachen bekannt — dort sind, anders als in den meisten anderen (europäischen) Ländern für den höchsten Schulabschluss keine Kenntnisse einer Fremdsprache erforderlich. Die Zahl der Schüler/innen, die freiwillig Deutsch, Französisch oder Spanisch lernen und als Prüfungsteil ihres Sekundärabschlusses haben, fällt. Der GUARDIAN hat das jetzt in einem Artikel kommentiert und kritisch — vielleicht auch ein bisschen wehmütig — hinterfragt (Ed West, The long adieu: how Britain gave up learning French, THE GUARDIAN, 22. Januar 2016).
Das interessante daran ist nicht (nur), dass Tony Blair und seiner Bildungspolitik ein „Großteil“ der Schuld zugeschoben wird, sondern vor allem die Einschätzung, dass immer weniger Menschen „die andere historische Sprache“ Englands lernen. Die Rolle des Französischen fürs Englische war zweifelsohne ungewöhnlich ausgeprägt (quasi „historisch“). Und dem Kommentator geht es ja tatsächlich gar nicht um eine grundsätzliche Kritik an der Bildungspolitik, ihrer (un)modernen Ausrichtung oder möglichen Folgen.
Dass die Fremdsprachenpolitik in englischsprachigen Ländern eher stiefmütterlich behandelt wird, ist bekannt und kann in Zeiten der Globalisierung und Europäisierung zurecht kritisiert werden; das tut der Artikel auch gut. Dass der Kommentar aber davon ausgeht, Großbritannien habe zwei historische Sprachen (Englisch und Französisch) — Keltische Sprachen? Sprachen von Migrant/innen? — und das in Beziehung zum kulturellen Erbe und seinem gegenwärtigen Selbstbild gesetzt wird, illustriert unfreiwillig anschaulich das wesentlich größere Drama von der Vorstellung einer monolingualen Gesellschaft. Diese konstruieren wir uns leider — immer wieder — selbst, nicht nur politisch.
Sie schreiben, “Dass der Kommentar aber davon ausgeht, Großbritannien habe zwei historische Sprachen (Englisch und Französisch) — Keltische Sprachen? Sprachen von Migrant/innen? — […]“
Dass Großbritannien zwei historische Sprachen habe, schreibt Ed West nicht.
Er beschränkt diese Aussage auf England. Von Schottland, Wales, Irland wird an der Stelle nichts gesagt.
Und was mit “historisch” gemeint ist, wird durch die Nennung der Jahreszahlen 1215 (Runnymede) und 1858 (Britische Pässe) auch klar.
Eine Missachtung der Rolle der keltischen Sprachen und der Sprachen von Migrant/innen sehe ich da erstmal nicht.
Und dem Nonsens, alle Länder seien (fast) monolingual oder sollten es möglichst sein, tritt Wests Artikel angenehm entgegen.