Ta-Ta-ismus im Dschungel

Von Susanne Flach

Wer­bepause? Nicht wegschal­ten, bloß nicht wegschal­ten! Denn der Dschun­gel ist sog­ar für eine sprach­wis­senschaftliche Betra­ch­tung gut, die für alle von uns was bere­i­thält. ALLE! Für die, die den Dschun­gel lieben und für die, die ihn für den Unter­gang des guten Geschmacks hal­ten, für Men­schen, die Entlehnung­sprozesse fasziniert ver­fol­gen und sog­ar für diejeni­gen, die Anglizis­men scheiße find­en („Baha­haw­iepein­lich! Anglizis­mus voll falsch ver­wen­det!“). Seit Wochen – ach, was sage ich: seit Jahren! – ste­ht auf mein­er To-Do-Liste: „Beim näch­sten Dschun­gel: was zu ta schreiben!!DRÖLF!!!“. Denn wir wis­sen ja: Pub­lic­i­ty, Pub­lic­i­ty, Publicity!

Am Ende jed­er Folge ver­ab­schiedet sich Son­ja Ziet­low beim Pub­likum mit einem höherok­tavi­gen „ta!“, bevor sich das Duo umdreht und lästernd von dan­nen zieht. Mit ta meint Ziet­low auf­grund des Kon­texts offen­bar ‚tschüss‘. Ich meine mich zu erin­nern, dass ta als Aus­tral­izis­mus für ‚tschüss‘ in ein­er früheren Staffel kurz the­ma­tisiert wurde – und ich sofort dachte: das stimmt soooo aber nicht. Denn mir selb­st ist ta auss­chließlich als Kurz­formel für ein lock­eres Dankeschön bekan­nt, die vor allem in Großbri­tan­nien und Aus­tralien ver­wen­det wird.

Vom Pub­likum scheint es ein­deutig als „tschüss“ inter­pretiert zu wer­den, denn was anderes macht hier wenig Sinn, auch, weil Tweets mit ta fast nur nach Sendungsende auftauchen:

…oder nach Staffelende:


Klar, wenn ich jeman­den ver­ab­schiede, dann bedanke ich mich immer irgend­wie auch für die gemein­sam ver­brachte Zeit — so ist ta qua­si inhärent ambig (ähn­lich übri­gens wie cheers). Es stellt sich vielle­icht die Frage, bei wem sich #ibes-Twit­ter­er/in­nen bedanken soll­ten? Och, vielle­icht beim #ibes-Twit­ter­ver­sum (wobei @xJaninaGrande generell sehr englisch-mut­ter­sprach­lich twit­tert und ihr die kon­ven­tionelle danke-Ver­wen­dung bekan­nt sein dürfte):

Im Englis­chen wird ta meist ein­deutig im Sinne von danke ver­wen­det, wie diese klaren Beispiele aus dem COW-Kor­pus zeigen, wobei in 600mio Wörter nur gut zwei Dutzend Belege zu find­en waren ((Fast alle Belege stam­men von .uk-Web­seit­en oder aus Foren, die einen starken Bezug zu britis­chen The­men haben; aus dem aus­tralis­chen Englisch oder anderen Vari­etäten sind sehr wenige Dat­en im ENCOW.)):

like i said any help would be great, ta.

Bring us up a cup of tea luv, ta.

Have been wash­ing myself too, im not prude but a young male non nurse type came in and saidf im here to wash you, so my reply was ” no your not il do it my self ta!

ta mate .. even­tu­al­ly … one of those shoes that are just so com­fy and no effort to slip on at all , and look like they will nev­er get dirty either …

Have been going through a fair­ly hor­ren­dous time, so ta for every­one who post­ed links to youtube, the new sav­iour of my sanity!!

Lin­guis­tisch inter­es­sant sind vor allem Ver­wen­dun­gen inner­halb ein­er Aus­sage (Beispiel 5), weil sie in den lin­guis­tis­chen Kon­text einge­bet­tet sind. Das wäre der erste Schritt in der Weit­er­en­twick­lung eines „isolierten“ prag­ma­tis­chen Mark­ers am Ende ein­er Äußerung zu einem eher gram­ma­tis­chen Marker.

Woher ta kommt, dazu gibt es übri­gens einige, meist eher hal­b­gare The­o­rien, die sich alle nicht abschließend bew­erten lassen. Den ersten Beleg gibt das OED mit 1772 an („an infan­tile form of thank-you, now also com­mon­ly in col­loq. adult use“, ‚eine kindliche Form für Danke, heutzu­tage umgangssprach­lich auch von Erwach­se­nen ver­wen­det‘). Ein­deutige Kor­pus­belege, vor allem aus der Ver­gan­gen­heit, sind schw­er zu find­en, weil es ein Phänomen der spon­ta­nen, informellen Inter­ak­tion ist.

Einige behaupten, es käme vom Dänis­chen tak ‚danke‘, andere ver­muten, es sei aus dem Schot­tis­chen Gälis­chen tapadh leibh ‚danke‘ abgeleit­et, wieder andere verorten den Ursprung in der Kinder­sprache, weil Kinder das <th> in thank you schw­er aussprechen kön­nen. Das Prob­lem: keine The­o­rie kann man wirk­lich auss­chließen. Selb­st die – finde ich – unplau­si­bel­ste Ver­mu­tung mit der Entlehnung aus dem Dänis­chen lässt sich natür­lich nicht ganz von der Hand weisen, aber man muss halt gewil­lt sein, in der englis­chen Sprachgeschichte gaaaaaaanz weit zurückzugehen.

Und natür­lich alter­na­tive Erk­lärun­gen auss­chließen: Wörter für Danke begin­nen in vie­len nord­wes­teu­ropäis­chen Sprachen mit [d] oder [t] (u.a. schw. tack, nor./isl. takk, ndl. dank, fries. tank; wal­i­sisch diolch), also auch viele Sprachen, mit denen Englisch in den let­zten 1600 Jahren mehr oder weniger inten­siv in Kon­takt gekom­men ist. Wenn es entlehnt wurde, dann kom­men dafür also mehrere Kan­di­dat­en in Frage, warum sollte es aus­gerech­net Dänisch sein? ((Außer­dem sind [t] und [d] in vie­len mut­ter­sprach­lichen englis­chen Vari­etäten ver­bre­it­ete Vari­anten für die „th“-Laute [θ] und [ð], man braucht schon allein deshalb nicht unbe­d­ingt eine Entlehnung annehmen.)) All­ge­mein plau­si­bel ist die Erk­lärung mit der Kinder­sprache: ein­sil­bige Wörter mit Vokal im Aus­laut sind für Kleinkinder beson­ders ein­fach auszus­prechen und wer­den dann von Erwach­se­nen als „Wort“ erkan­nt und aufge­grif­f­en, beson­ders wenn es statt eines ähn­lich klin­gen­den Worts aus dem all­ge­meinen Lexikon ver­wen­det wird. Das sieht man auch in der (welt)weiten Ver­bre­itung von ma- und pa-/ba-Vari­anten für Mut­ter bzw. Vater. Der Ursprung spielt für die heutige Ver­wen­dung aber nur eine unter­ge­ord­nete Rolle – es scheint sich eben vor allem in der all­ge­meinen Umgangssprache in weit­en Teilen Großbri­tan­niens und später besiedel­ten Überseere­gio­nen (Aus­tralien, Neusee­land, Südafri­ka) etabliert zu haben.

Worüber sich aber zum Beispiel die Kommentator/innen hier (fast) alle einig sind – und das deckt sich mit meinen Erfahrun­gen: die viel sel­tenere Dopplung ta-ta ist eine beson­ders infan­tile Vari­ante für good-bye, ist aber näher an dem dran, was Ziet­low zu meinen scheint.

Es ist sehr schw­er vorstell­bar, dass Ziet­low, die seit 2004 fast jedes Jahr mehrere Wochen in Aus­tralien ist, die kon­ven­tionelle Ver­wen­dung bish­er nicht begeg­net ist. Und vielle­icht ist es genau deshalb so, dass ta! mit­tler­weile bewusst zur Sendung dazuge­hört – wie sone Art Sand­män­nchen­sand für Erwachsene.

Für alle, die sich also Sor­gen machen um die Ver­drän­gung von tschööö! oder tschüüüüss! (wobei…) gibt’s Ent­war­nung: ta wird viel zu sel­ten ver­wen­det und die Suche im Zusam­men­hang mit #ibes gibt nur eine Hand­voll Tweets. Die Ver­wen­dung von ta ist da vielmehr wie eine Tagline für #ibes-Insid­er/in­nen:

In diesem Sinne:

Embrace ta, ta. Ta-ta!

Postscript

Uns wurde über Twit­ter (und weit­er unten in den Kom­mentaren) noch dieser Blog­post zu Britishisms zuge­spielt, in dem vor allem in den Kom­mentaren sehr aus­führlich disku­tiert wird.

7 Gedanken zu „Ta-Ta-ismus im Dschungel

  1. Dierk

    Ich habe ‘ta’ von Südenglän­dern [vor 1960 geboren] schon oft als Ver­ab­schiedung gehört und gele­sen. In Kom­mu­nika­tion­ssi­t­u­a­tio­nen, in denen ein­deutig ein lock­eres ‘Cao’ oder ‘Tschüss’ gemeint war, da z.B. ich der­jenige war, der sich bedanken musste [für eine Auskunft].

    Abwägig ist die Ver­wen­dung somit nicht mehr.

    Antworten
    1. Susanne Flach Beitragsautor

      @Dierk: mhm­mm, auf Twit­ter wurde uns noch das hier ver­linkt — auch hier sprechen die Indizien, vor allem der Kom­mentare, gegen eine sys­tem­a­tis­che Ver­bre­itung von ta als bye, auch in Südeng­land. Was man natür­lich nie auss­chließen kann sind lokal oder famil­iär begren­zte Kon­ven­tio­nen. (Die dort mehrfach geäußerte Fest­stel­lung „X has absolute­ly noth­ing to do with Y“ ist mE eine zu absolute Aus­sage — weil sie offen­bar bei­de aus der Kinder­sprache kom­men und prag­ma­tisch sehr ähn­liche, fast ambige Funk­tio­nen haben.)

      Antworten
  2. Merlin van Reboe

    Beim Googeln nach „ta as good­bye” bin ich noch auf diesen mehr jour­nal­is­tis­chen Artikel gestoßen (wo es eigentlich um „ta-ta“ geht): https://britishisms.wordpress.com/2013/09/15/ta-ta/

    Der zweite Kom­men­tar dort, von „Nick L. Tip­per“, erk­lärt vielle­icht, warum Dierk ein südenglis­ches „ta“ als „bye“ zu hören geglaubt hat.

    Antworten
    1. Susanne Flach Beitragsautor

      @Merlin: die Erk­lärung ist zumin­d­est unkon­ven­tionell — und selb­st wenn ta eine Kon­trahierung von ta-ta sein sollte, dann wäre es trotz­dem ta und nicht ta-ta.

      Antworten
  3. Jörn

    Sehr span­nend. Ich habe das bish­er tat­säch­lich immer als Abschieds­formel von “down under” ver­standen. Ich finde es aber auch nicht deplatziert, wenn es bei Twit­ter ver­wen­det wird. Denn es ist ja so, dass man sich dort gemein­schaftlich über die laufende Dschun­gel-Sendung aus­tauscht und — auch wenn das bei anderen Gele­gen­heit­en so nicht passiert — ist doch ein Dank für einen gewis­ser­maßen gemein­sam ver­bracht­en Fernse­habend nicht zwin­gend unange­bracht. Insofern soll­ten wir höch­stens darüber nach­denken, uns noch viel häu­figer auch bei “Schwiegermut­ter gesucht”, “Der Bach­e­lor” oder “Bauer sucht Frau” bei den virtuellen Wohnz­im­mergenossen zu bedanken, wenn es mal wieder beson­ders viel Spaß gemacht hat, gemein­sam zum sel­ben The­ma zu twittern. 😉

    Antworten
  4. Dierk

    @Susanne Schon richtig, das sollte auch keine generelle Kri­tik sein, nur ein Hin­weis, dass etwas im Gange sein könnte.

    Und jet­zt erk­lärt mir jemand, weshalb meine Autoko­r­rek­tur ‘abwägig’ ken­nt. Ich kan­nte das bis heute nicht.

    Antworten
  5. Susanne

    Im Dschun­gel­camp dürfte man noch mehr sprach­liche Eigen­heit­en find­en. Ver­mut­lich sind einige andere, haupt­säch­lich die der “Insassen”, deut­lich erschreckender…

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.