Willkommen zum Sonn- und Feiertagsspecial des Spektrogramms! Wir bieten heute das N‑Wort, die Digitalisierung, Sternchen und Binnen‑I, nüchterne AustralierInnen, Metaphern und Kinderfehler:
- Im aktuellen MERKUR gibt’s zwei sprachreflektierende Texte, die wir unserer Leserschaft ans Herz legen wollen (und einen dritten, interessant klingenden, der aber was kostet und daher nicht testgelesen wurde). Matthias Dell denkt über das N‑Wort bei »Hart aber fair« nach (Pdf): »Es gibt, selbst für deutsche Politiker und Journalisten, keine »natürlichen« Situationen, in denen das N‑Wort verwendet werden könnte, es braucht Vorwände, um es wieder und wieder zu sagen. Plasbergs Sendung spielt in dieser Perspektive eine unrühmliche, wenn nicht zynische Rolle, insofern sie den Raum für Herrmanns Fehlleistung einrichtet.« (Via @texttheater)
- Kathrin Passig und Aleks Scholz verfolgen in derselben Ausgabe den Begriff Digitalisierung durch die Zeit (Pdf): »In den sechziger und siebziger Jahren waren Bezeichnungen wie Automation, Automatisierung und Roboterisierung üblich, in den Achtzigern und Neunzigern hieß das Geschehen Computerisierung. Für die Veränderungen der letzten drei Jahrzehnte gibt es nicht genug Begriffe, die auf ‑ung enden: der Übergang von Offline zu Online; der vom Netz als Nachschlagewerk zum Netz, das soziale Beziehungen abbildet; das Verschwinden von physischen Gegenständen als Aufenthaltsorten für Kulturgüter; der Übergang vom stationären zum mobilen Internet; der allmähliche Rückgang der Praxis, an Computern erzeugte Inhalte auf Papier zu drucken und analog weiterzuverwenden; der Umgang mit sehr großen statt nur mittelgroßen Datenmengen, der Übergang von bisher schweigsamen zu kommunizierenden Geräten.«
- Im TAGESSPIEGEL plädiert Anna Dombrowsky für geschlechtergerechte Sprache: »Kein Wunder, dass Gendern noch für Diskussionen sorgt. Ist ja auch unangenehm, dass dich das Lesen eines gegenderten Textes auf die Ungleichheiten im Alltag aufmerksam macht und die Debatte in dein Bewusstsein zurückbringt. Dass du früher oder später noch andere Ungerechtigkeiten erkennst. Das Gute am Gendern: Es kostet nichts und verändert einiges. Nämlich unser Bewusstsein.«
- Diese Woche wurde behauptet, australisches Englisch sei, wie es ist, weil man in Australien immer betrunken war und außerdem stimme da irgendwas im Hirn nicht. FULLY (SIC) knöpft sich diesen journalistischen Unfall vor und zitiert Leute, die sich auskennen: »Deriding differences in how some folk speak Australian English as “speech impediments” is absurd and to suggest they are indicative of “inferior brain functioning” belies a breath-taking level of cultural self-hatred, as does the absolutely astonishing claim that alcohol consumption, historical or otherwise, is somehow implicated.«
(Zum selben Thema auch Clem Bastow im Guardian.) - Metaphern sind überall! Libby Brooks stellt im GUARDIAN ein Projekt vor, das sie für das Englische sammelt: »“[…] metaphorical thinking underlies the way we make sense of the world conceptually. It governs how we think and how we talk about our day-to-day lives.” For example, when we describe a “healthy economy” or a “clear argument”, we are mapping from one domain of experience that is quite concrete, such as medicine or sight, onto another domain that is rather more abstract, in this case finance or perception, and thus benefits from metaphorical explanation. Anderson adds that the main conclusion of the mapping exercise is “just how pervasive metaphor is”.« (Projektseite)
- Auf MENTAL FLOSS hat Arika Okrent Fehler zusammengetragen, die Kinder beim Spracherwerb machen — und erklärt, was dahintersteckt: »Little kids make such cute mistakes when they talk. We know they’re still learning the language, so we tolerate their errors and chuckle at how funny they sound. Behind that chuckle is the assumption that the kids are getting it wrong because they just don’t know the rules yet. In fact, kids’ mistakes show they know a lot more about the rules than we think. The mistakes are evidence of very smart hypotheses the kids are forming from the limited data they’ve been given so far.«