In den vergangenen Tagen hat das Netz, wie man so schön sagt, viel gelacht, und zwar über einen Text der Fachschaft Gender Studies an der Humboldt-Universität zu Berlin. In dem Text, den Sie zum Verständnis des Folgenden kurz lesen sollten, falls Sie ihn noch nicht kennen, geht es um den Ausschluss eines Mitglieds der Fachschaft aufgrund eines Konflikts, in dem es unter anderem um rassistische Äußerungen und Geschlechtsidentitäten ging. Der Text ist darüber hinaus in einer (relativ abgemilderten) Version einer Sprachvarietät abgefasst, wie sie von einer bestimmten Richtung der Gender Studies und der Critical Whiteness Studies verwendet wird, und die u.a. durch geschlechtsneutrale Formulierungen (z.B. durch die Verwendung von Unterstrichen) und durch explizite Verweise auf Kategorien gekennzeichnet ist, die sich grob als „Geschlechtsidentität/-zuschreibung“ und „ethnische Identität/Zuschreibung“ charakterisieren lassen.
Der Text ist aus zwei verschiedenen Perspektiven kritisiert und/oder belacht worden: erstens aus einer inhaltlichen, in Bezug auf den berichteten Vorfall und den Umgang der Fachschaft mit diesem; zweitens aus einer formalen, in Bezug auf die eben erwähnte Sprachvarietät.
Eine inhaltliche Kritik könnte tatsächlich sehr interessant sein, denn wie der Bericht zeigt, ist es den Beteiligten in diesem konkreten Fall nicht gelungen die Konzepte der „(Selbst-)Positionierung“, der „Definitionsmacht“ und des „Schutzraums“ (oft auch: Safe Space) miteinander in Einklang zu bringen. Das liegt meines Erachtens nicht daran, dass die Beteiligten sich keine Mühe gegeben haben oder dass sie besonders unfähig sind, sondern daran, dass diese Konzepte – so sinnvoll sie jeweils für sich genommen scheinen mögen – nicht miteinander vereinbar sind. Sowohl die Unvereinbarkeit selbst als auch die Tatsache, dass die Beteiligten im Text nicht erkennen lassen, ob sie sich der Widersprüchlichkeit ihres eigenen Handelns bewusst sind, kann man wahlweise interessant, herausfordernd, berührend, traurig, irritierend oder auch komisch finden: Wer seine Handlungen und Überlegungen öffentlich darstellt, muss wohl oder übel damit rechnen, dass sie öffentlich diskutiert werden. ((Obwohl hier der Hinweis erlaubt sei, dass der Text nicht in einem an die Allgemeinheit gerichteten Medium erschienen ist, sondern im Blog einer Fachschaft eines Studiengangs einer Universität. Obwohl es „öffentlich einsehbar“ ist, ist es also nicht wirklich „öffentlich“, sondern wird von der Fachschaft genutzt, um mit den von ihr vertretenen Studierenden zu kommunizieren. Es gäbe also auch die Möglichkeit, es einfach zu ignorieren, wenn man nicht Studierende/r oder sonstiges Mitglied des betreffenden Studiengangs ist. Die Frage, ob alles, was „öffentlich einsehbar“ ist, auch „öffentlich“ ist oder sein sollte ist keineswegs trivial.))
Eine formale Kritik ist dagegen eher uninteressant, vor allem, wenn sie sich (wie in Dutzenden von Tweets und heute dann auch im Feuilleton (Inhaltswarnung: massive selbstverliebte Ignoranz) darauf beschränkt, sich über die (angebliche) Unverständlichkeit des Textes zu beömmeln ohne zu bemerken, dass das ja eigentlich mehr über die Beschränkungen des eigenen Textverständnisses aussagt als über den Text selbst. Würden dieselben Unterstrich-Verächter auch ihr Unverständnis mathematischer Fachtexte so begeistert in die Welt hinausposaunen? Wohl eher nicht. ((Nachtrag: @publictorsten hat mich auf Twitter darauf hingewiesen, dass Pressemitteilungen der Polizei auch wegen ihrer Terminologie verspottet werden. Das ist eine interessante Beobachtung: Es könnte schlicht damit zusammenhängen, dass auch dort nicht verstanden wird, dass die Polizei tatsächlich eine Fachterminologie verwendet; es könnte aber auch sein, dass es in beiden Fällen (auch) darum geht, sich gegen eine (echte oder vermeintliche) Autorität zur Wehr zu setzen (man beachte die häufige Bezeichnung von Feministinnen, Gender-Studies- und Critical-Whiteness-Vertreter/innen als Sprachpolizei, Gesinnungspolizei/-kontrolle usw.) Es wäre sicher lohnenswert, diese Parallele ausführlicher zu beleuchten.)) Wie Antje Schrupp am Wochenende in einem anderen Zusammenhang schrieb:
in Bezug auf feministische Theorie ist Ahnungslosigkeit eben kein Makel, sondern scheint im Gegenteil fast schon eine Art kultureller Code zu sein, mit dem sich Zugehörigkeit zu den „ernst zu nehmenden Kreisen“ der Debatte markieren lässt. Distinktionsgewinn durch demonstratives Zelebrieren von Desinteresse. Es ist schick, von Feminismus keine Ahnung zu haben, das kann man quasi wie einen Orden vor sich hertragen. [Antje Schrupp, 20.9.2015]
Als Sprachwissenschaftler finde ich den Text der Fachschaft (und ähnliche Texte) auf der sprachlichen Ebene vor allem interessant: Auf der einen Seite wird die Kategorie „Geschlecht“ (egal, ob diese biologisch, sozial oder noch anders definiert wird), durch die konsequente Verwendung des Wortes Person weitgehend ausgeblendet (nur an einer Stelle deutet die Abkürzung WoC (Woman of Color) darauf hin, dass eine der Beteiligten weiblich ist). Auf der anderen Seite werden durch Formulierungen wie „eine weiß und trans*-positionierte Person“ oder „ein_e Trans*Inter*GnC (Gender non Conforming) PoC oder Schwarze_r“ die Kategorien in den Vordergrund gestellt, die ich oben mit „ethnische Identität/Zuschreibung“ (weiß/andere) und „Geschlechts-identität/-zuschreibung“ (cis/inter/trans, gender conforming/non conforming) umrissen habe. Diese Kategorien werden nicht nur zur einmaligen Beschreibung der Beteiligten verwendet, sondern sind durch ständige Wiederholung von Adjektiven wie weiß und trans* durchgängig im Text präsent.
Wenn das irritierend ist, dann vor allem deshalb, weil es ungewohnt ist. Und dass es ungewohnt ist, ist das eigentlich interessante: Der Text dreht damit nämlich nur den herkömmlichen Kategorisierungszwang der deutschen Sprache um.
Das Deutsche zwingt uns nämlich einerseits, bei so gut wie jeder Erwähnung einer Person deren Geschlecht zu erwähnen (lexikalisch, durch Wörter wie Mann/Frau, Mädchen/Junge usw., oder morphologisch, durch Endungen wie -in, -ess(e) oder -euse, wie in Studentin/Student, Steward/Stewardess, Friseuse/Friseur usw.). Und auch das nicht nur bei der ersten Erwähnung einer Person, sondern (durch die Pronomen sie und er) durchgängig bei jeder einzelnen Bezugnahme.
Das Deutsche zwingt uns andererseits aber nicht, irgendeine andere Eigenschaft der betreffenden Person (sei es Herkunft, Ethnie, Geschlechtsidentität, Körpertyp, Bildungshintergrund, Haarfarbe, Augenfarbe o.ä.) ständig mit zu erwähnen (tatsächlich macht es uns dies sogar eher schwer, unter anderem, weil kaum neutrales Vokabular und überhaupt keine Grammatik für diese Eigenschaften zur Verfügung steht).
Das führt dazu, dass die Kategorie „Geschlecht“ sprachlich ununterbrochen thematisiert wird und sich in unser Bewusstsein einprägt, dass alle anderen Kategorien aber nur punktuell erwähnt werden und damit tendenziell ausgeblendet und durch stereotypisierte Vorannahmen ersetzt werden. Wenn nicht extra auf etwas gegenteiliges hingewiesen wird, gehen wir implizit davon aus, dass eine Person weiß, heterosexuell, cis, nicht-behindert usw. ist. Wenn das Geschlecht ausnahmsweise nicht erwähnt wird, gehen wir außerdem davon aus, dass es ein Mann ist (das denke ich mir übrigens nicht aus, das ist durch so viele sozialpsychologische Experimente belegt, dass es problemlos als eine Tatsache wie Schwerkraft oder Evolution gelten kann).
Wenn man diese althergebrachte Kategorisierung infrage stellen will (und das wollen die Gender Studies nun einmal, weil Wissenschaft unter anderem darin besteht, Althergebrachtes infrage zu stellen), dann kommt man nicht umhin, einen Sprachgebrauch zu entwickeln, der das erlaubt. Man nennt diesen Sprachgebrauch „Fachterminologie“, und jede Wissenschaft hat ihn. Das bedeutet nicht, dass alle Fachtermini sich auf eine objektive Wirklichkeit beziehen: Sie können auch Hypothetisches bezeichnen. Es bedeutet auch nicht, dass alles, was einen Fachterminus hat, im Fach unumstritten ist: Es kann intensive fachliche Diskussionen darüber geben, wie ein Terminus zu definieren ist und ob er überhaupt sinnvoll ist.
Bei den im Text der Fachschaft verwendeten Begrifflichkeiten ist beides der Fall: In den Gender Studies und in den an ihr beteiligten oder an sie angrenzenden Disziplinen besteht durchaus Uneinigkeit darüber, ob Kategorien wie „trans/cis“, „weiß/PoC“ u.a. überhaupt so definiert werden können, dass sie präzise Einsichten in die (soziale, biologische, psychologische oder physikalische) Wirklichkeit erlauben; vor allem aber gibt es selbstverständlich Diskussionen darüber, wie diese Definitionen denn aussehen müssten. Die Terminologie stammt aus einer bestimmten Richtung der Gender Studies, die ein sehr breites Feld sind und deshalb natürlich auch ganz andere Modelle mit anderen Terminologien haben. Diese Vielfalt und Uneinigkeit macht die Kategorien aber nicht falsch: Wissenschaft ist durch Uneinigkeit gekennzeichnet, und Forschenden in den Gender Studies ist das bewusst.
Die Terminologie wird sich also mit Sicherheit weiterentwickeln und wahrscheinlich wird sie auch umstritten bleiben, aber eins ist klar: ohne diese und andere Terminologien ließen sich traditionelle Weltbilder nicht einmal spekulativ-hypothetisch hinterfragen.
Und ich habe das Gefühl, das wäre den Kritikern ((kein generisches Maskulinum)) dieser Terminologien sehr recht.
Vielen Dank für diesen Beitrag!
Ein kleiner Fehler ist mir noch aufgefallen:
“Bei den im Text der Fachschaft ist beides der Fall” Auslassung?
Sonst kann dieser Kommentar gerne gelöscht werden.
[Danke, ist korrigiert! A.S.]
Welche rassistischen Äußerungen hat Lann Hornscheidt denn eigentlich getätigt?
Den Text einer Fachschaft kann man doch nicht in einer Fachsprache verfassen. Das wäre ja als ob die Mathematiker mathematische Beweise benutzen um einen Ausschluss zu rechtfertigen.
Macht Genderterminologie die Sprache und das Denken besser? An dieser Stelle glaube ich das nicht. Ich frage mich, ob die Erwähnung der eigenen “weißen Positionierung” nicht geradezu Okhams Messer zum Opfer fallen sollte, denn im schlimmsten Fall ist sie selbst rassistisch. Gefährlich mutet das Vorverständnis an, Whiteness und strukturelle Definitionsmacht gehören zusammen, da man hier in eine Positivmusfalle läuft.
“ob Kategorien wie „trans/cis“, „weiß/PoC“ u.a. überhaupt so definiert werden können, dass sie präzise Einsichten in die (soziale, biologische, psychologische oder physikalische) Wirklichkeit erlauben”
Exakt. PoC ist in den USA übrigens ein eherrassistischer Terminus. Vielleicht sollte man statt weiss PoP (people of pale) schreiben. Zu Weiss gehört schwarz, respektive zu PoC ein PoP.
@ Chris: Natürlich kann man das, wenn man die verwendeten Begriffe für relevant hält. Was die Erwähnung der eigenen Positionierung betrifft, die soll dazu dienen, die eigene Rolle in den relevanten Machtstrukturen sichtbar zu machen um die eigene Perspektive deutlich zu machen und nicht einfach stillschweigend vorauszusetzen. Dass in unserer Gesellschaft die strukturelle Definitionsmacht bei weißen Menschen liegt, dürfte offensichtlich sein. Und: PoC ist in den USA kein rassistischer Terminus, sondern eine selbst gewählte Bezeichnung, die im politischen und im wissenschaftlichen Diskurs verwendet wird, um rassistische Strukturen aufzuzeigen, die zwischen weißen Menschen (im engeren Sinne, also etwa ohne Hispanics u.ä,) und allen anderen herrschen. Es gibt also die Unterscheidung Schwarz/weiß (wobei letzteres weit gefasst ist) und PoC/weiß (wobei letzteres eng gefasst ist).
Über die in Fußnote 2 erwähnte Parallele würde ich auch sehr gerne mehr wissen, das klingt sehr interessant.
Den Text fand ich auch unverständlich und ich muss zugeben, dass ich es irgendwann aufgegeben habe, ihn verstehen zu wollen, weil zu viele, noch dazu sehr kodiert beschriebene Faktoren vom eigentlichen Inhalt ablenken, oder ihn zumindest nicht klarer machen. Für mich ist die Erwähnung der Hautfarbe als irgendwie relevantes Kriterium, nach der die Aussage eines Menschen gewertet werden könnte (z.B. dass einem weißen Menschen die Qualifikation fehlen würde, sich mit Rassenhass auseinanderzusetzen, als müsste man sich zur sachlichen Auseinanderesetzung mit einem Problem zwingend in der Opferrolle befinden), außerhalb amerikanischer Filme und Serien ziemlich ungewohnt. Ich habe tatsächlich eine Weile geglaubt, der Raum sei weiß gestrichen, wenn da von einem “weißem Raum”, der Schutzraum sein soll, geredet wird. Ehrlich gesagt, bin ich mir immer noch nicht sicher, ob die Wandfarbe gemeint ist.
Ehrlich gesagt bin ich mir gar nicht sooo sicher, dass die Verfassenden des Textes von sich sagen würden, dass sie eine “Fachterminologie” verwenden. Ist es nicht zumindest auch eine “Politische Terminologie” — Zumindest finde ich die Abgrenzung zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen/politischen Forderungen/Haltungen nicht so klar. Insbesondere das es sich um einen Fachschaftstext zu einer politischen Frage handelt. Ich meine, dass das auch daran deutlich wird, dass die Verfassenden andere Terminologien/Positionierungen etc. politisch ablehnen würden und nicht sagen würden “Oh, interessante andere Position, kommt, wir diskutieren.” (Dass Lann Hornscheidt als “rassistisch” empfunden und bezeichnet wird, deutet jedenfalls darauf hin). Im Unterschied zur wissenschaftlichen Terminologie (von der die Wissenschaffenden ja nur verlangen, dass sie im wissenschaftlichen Kontext gebraucht werden möge), wird hier doch verlangt oder wenigstens gewünscht, dass immer in der vorgelebten Art und Weise gesprochen werden möge. Oder?
Im Übrigen finde ich die verfolgten Anliegen und die der Entwicklung und Verwendung der gebrauchten Terminologie, wie der critical whiteness zugrundeliegenden Gedanken sehr ehrenwert und politisch oft sinnvoll. Die konkrete Umsetzung ist aber schlicht ziemlich dumm. Weil sie sich der aufgezeigten Widersprüche, meine ich wenigstens, nicht bewusst ist. Damit wird eine schöne Angriffsfläche für die etwas klügeren Ansätze der Genderforschung geschaffen.
@ Maike: Ob die Verfasser/innen des Textes gerne über verschiedene theoretische Strömungen und deren Terminologie diskutieren, können wir aus dem Text unmöglich herauslesen. Vielleicht ja, vielleicht nein. Es sind halt auch zunächst Studierende und keine Forscher/innen, und die Bandbreite der ihnen vertrauten fachlichen Perspektiven dürfte entsprechend noch begrenzt sein. Dass sie die Terminologie verwenden, die aus ihrer bevorzugten (oder vielleicht aus ihrer Sicht einzigen) Strömung stammt, ist für mich nachvollziehbar. Dass sie versuchen, theoretische Positionen, die sie für richtig halten, auch zu leben, ist nur folgerichtig – das ist eben der Unterschied zwischen Gesellschaftswissenschaften und anderen Disziplinen. Es macht diese Positionen natürlich weder richtig noch falsch; ob die Verfasser/innen die Widersprüche erkennen, die zu der beschriebenen Situation und dem Umgang mit ihr geführt haben und m.E. zwingend führen müssen, will ich nicht beurteilen; der Text lässt es, wie ich ja geschrieben habe, nicht erkennen.
Warum schreibt man eine Stellungnahme in einer Terminologie, die man mit normalen Schuldeutsch wirklich nicht mehr verstehen kann?
Wer (mit Wissenstand Schuldeutsch bis inkl. Abitur) versteht auf Anhieb folgende Begriffe und Satzfragmente?
— cis*?
— trans*?
— Warum steht hinter cis* und trans* jeweils ein Stern? Was bedeuten diese Worte ohne Stern?
— PoC?
— Was ist mit “race- und gender-Positionierungen” gemeint?
— WoC?
— Trans*Inter*GnC PoC?(????????)
Zusammengefasst muss ich gestehen — ich verstehe den fraglichen Text einfach nicht — vermutlich war genau das das Ziel, denn ich habe eine andere Meinung zu diesem Themenkomplex als eben besagte Fachschaft.
Das man mir jedoch nicht zutraut, eine eigene und unabhängige Meinung auf Basis einer neutralen Beschreibung der tatsächlichen Faktenlage in verständlichem (Schul-)Deutsch zu bilden ist aus meiner Sicht eine Diskriminierung an meiner Person und meinem Sprachverständnis. Zudem zeugt es davon, dass die Autoren dieser Stellungnahme sehr wohl wissen, dass der beschriebene Vorfall möglicherweise auch anders verstanden werden könnte und der Ausschluss selbst damit in die Kritik der (universitätsweiten) Öffentlichkeit geraten kann.
@ Ronny: Das, was Sie „neutrale Beschreibung“ und „verständliches Schuldeutsch“ nennen, ist genauso durchideologisiert wie die Sprache, in der der Text verfasst ist. Es erscheint nur „neutral“, weil es auf impliziten Normen beruht und diese nicht infrage stellt (weshalb es sehr umständlich wäre, den Text in dieses „neutrale“ Deutsch zu übersetzen), und es erscheint nur „verständlich“, weil es gewohnt ist. Der Text richtet sich im Übrigen nicht an Menschen mit „Wissenstand Schuldeutsch bis inkl. Abitur“, sondern an Studierende der Gender Studies an der HU, bei denen die verwendete Terminologie als bekannt vorausgesetzt werden kann (unabhängig davon, ob sie sie selbst verwenden würden oder ob sie die dazugehörigen Gesellschafts- und Persönlichkeitsmodelle teilen). Die Bedeutung der von Ihnen aufgelisteten Wörter und Formulierungen lässt sich in kürzester Zeit ergoogeln und das Nachdenken über die Begriffe ist in jedem Fall lohnenswert.
kleiner Nachtrag: Ich weiß immer noch nicht, was N. jetzt tatsächlich vorgeworfen wird, was dann zu seinem Ausschluss geführt hat.
Vielleicht besitzt jemand die Herzensgüte und klärt mich diesbezüglich auf.
Vielen Dank
“Würden dieselben Unterstrich-Verächter auch ihr Unverständnis mathematischer Fachtexte so begeistert in die Welt hinausposaunen?”
Ja, würden sie. Viele Menschen sind stolz darauf, von Mathe keine Ahnung zu haben und geben gern ungefragt zur Kenntnis, dass das ihr liebstes Hassfach war. (Meine subjektive Wahrnehmung.)
Allerdings wird Sprache eben als Allgemeingut aufgefasst, jeder kennt sie, jeder benutzt sie, es gibt Regeln, nach denen sie funktioniert, und die stehen im Duden. Wenn jemand sich aber über den Duden hinwegsetzt und was Neues erfindet, dann sorgt das für Irritationen. Ich kann das schon verstehen.
Und gerade die Kombination aus dem Laien (z.B. mir) unverständlicher Terminologie und all dem selbstrefereziellen Kreisen um Definitionsmacht, Positionierungen und Schutzräume ist eher dazu angetan, Kopfschütteln auszulösen als das Bedürfnis, dieses offenbar hochkomplizierte Thema zu verstehen. Es ist zu *abgehoben*. Was aber natürlich auch für höhere Mathematik gilt.
@ axaneco: Es ist ein fundamentaler Unterschied, ob ich eine Disziplin, mit der ich mich wenigstens auf Schulniveau auseinandersetzen musste, als „Hassfach“ bezeichne, oder ob ich mich über eine Disziplin lustig mache, von der ich schlicht keine Ahnung habe. Der Stolz, mit dem manche Menschen ihre fehlenden Mathematik-Kenntnisse einbringen, ist mir auch bekannt (ich erlebe ihn regelmäßig unter meinen Studierenden, wenn ich statistische Methoden einführe). Meinem Empfinden nach ist es aber eher ein trotziger, manchmal sogar leicht trotziger Stolz, und er ist auch eher personalisiert: Die Studierenden sagen Dinge wie „Mathe hab ich nie kapiert“, „Von Mathe hab ich keine Ahnung“ oder sogar „Ich hab doch extra angefangen, Anglistik zu studieren, um nichts mehr mit Mathe zu tun zu haben.“ Die Gender-Studies-Hasser sagen aber nicht entsprechend „Von Gender Studies hab ich keine Ahnung“ o.ä., sondern „Haha, was für ein unverständlicher Text, muss ja Unsinn sein“.
@Ronny:
N. wird nichts vorgeworfen; ausgeschlossen wurde ja R.
Und ganz ehrlich: Sooo unverständlich finde ich den Text nicht. Da hatte ich mit Fachtexten aus meinem eigenen Fachbereich schon mehr Probleme.
Das von Antje Schrupp beschriebene Phänomen habe ich auch schon häufiger beobachten können, aber hier war es tatsächlich besonders stark. Der Text ist aus mehreren Kanälen bei mir aufgeschlagen, überwiegend mit dieser stolz präsentierten Ignoranz und der (nach meinem Gefühl überwiegend rhetorischen) Frage, ob das mal jemand übersetzen könne.
Stellenweise haben dann auch einige geduldige Menschen den Text erklärt, aber meistens fehlte bei den Amüsierten der Wille zur Auseinandersetzung mit dem Thema komplett, bzw. vielfach sogar der Wille, auch nur die Möglichkeit anzuerkennen, dass die aufgeworfenen (und sprachlich repräsentierten) Probleme tatsächlich relevant sind.
Als Erklärung dafür helfen mir immer wieder die hier im Blog vorgestellten (http://www.sprachlog.de/2012/08/13/ringen-um-verstaendnis/) Alltagstheorien, die das Erkennen von Diskriminierung behindern. Insofern ein (spätes) Dankeschön für diesen äußerst guten und interessanten Beitrag.
@ Chris:
Person bzw. people of color ein “eher rassistischer Terminus”? Quelle?
Hier ist das, was mir ein paar Minuten bei Google geliefert haben:
PoC ist weit verbreitet als Selbstbezeichnung, so z.B. hier:
http://www.buzzfeed.com/bimadewunmi/coloured-is-not-the-same-as-people-of-colour#.otVzroMw8
http://www.huffingtonpost.com/entry/white-people-i-hate-talking-about-race-as-much-as-you-do_55afd89ee4b0a9b9485354d8
Auch im “Race Reporting Guide” der NPO Race Forward wird people of color als “preferred collective term for referring to non-White racial groups” bezeichnet: https://www.raceforward.org/sites/default/files/Race%20Reporting%20Guide%20by%20Race%20Forward_V1.1.pdf
Der Begriff existiert zwar schon deutlich länger, aber der Ursprung der aktuellen Verwendung wird Martin Luther King (als “citizens of color”) zugeschrieben (http://www.nytimes.com/1988/11/20/magazine/on-language-people-of-color.html).
Weitere (wenngleich unbelegte) Ausführungen zum Begriff WoC findet man auch in einem YouTube-Video einer Aktivistin (beim Link mit Transcript):
http://everydayfeminism.com/2015/03/origin-of-term-woc/
Bonus:
Geoffrey K. Pullum erklärt, warum er eine “aesthetic dispreference” gegen den Ausdruck hegt, grenzt sich aber deutlich von den “haters of ‘political correctness’ ” ab:
http://itre.cis.upenn.edu/~myl/languagelog/archives/004055.html
@alex:
Danke für den Hinweis und wenn du meine Frage offensichtlich doch verstanden hast — sonst hättest du mich nicht korrigieren können — warum antwortest du nicht drauf? 😉
Was ich bis jetzt an dem Text verstanden habe: R. hat N. irgendwelche Fragen gestellt in Zusammenhang mit einer Räumlichkeit in der Uni, und bezeichnete diese Räumlichkeiten als “seine” (ich interpretiere das so, dass er Schlüssel für diesen Raum und damit eine gewisse Verantwortung ähnlich eines Mieters gegenüber seines Vermieters hat). Und die Fachschaft findet, weil ihm die Räume nicht im Wortsinne gehören darf er nicht von “seinen” Räumen reden und darin erst recht N. keine Fragen stellen — deshalb der Ausschluss. Und irgendwie war er dabei diskriminierend gegen irgendjemanden (gegenüber N.?).
Mehr verstehe ich daran nicht (wirklich!). Im Moment muss ich glauben, dass bereits Nachfragen jeglicher Art an die falsche Person ein Ausschlussgrund für die Fachschaft sein können.
Deswegen die Bitte: Was hat R. denn jetzt konkret getan, dass es zum Ausschluss kam?
Mir ist es nicht klar…
@Anatol Stefanowitsch:
Ich habe ihren Blogeintrag durchaus verstanden und auch, dass sie das normale Schuldeutsch bereits als wertende Sprache verstehen (durchideologisiert). Dennoch ist es genau das, was man im allgemeinen an Schulen gelehrt bekommt.
Das war auch gar nicht mein Punkt — mein Punkt war, dass man den Text nicht mehr verstehen kann, außer man beschäftigt sich mit dem Vokabular des Fachbereichs — was sie selbst ja auch noch mal bestätigt haben.
Da es sich hier aber eben um eine organisatorische Stellungnahme handelt und nicht um die Behandlung eines fachlichen Themas kommt man als außenstehender zwangsläufig zu dem Ergebnis, dass sich die Verantwortlichen dieses Textes hinter ihrer Terminologie verstecken.
Ob dieser Eindruck nun der Realität entspricht oder nicht spielt überhaupt keine Rolle, der Eindruck ensteht dennoch zwangsläufig.
Ob die Stellungsnahme an der Stelle wo sie veröffentlicht wurde richtig oder falsch platziert ist, ließe sich vortrefflich streiten. Belassen wir es dabei, dass ich als Außenstehender auf diesen Text aufmerksam wurde und mir daher zwangsläufig eine Meinung dazu bilde. Je weniger ich von dem Text verstehe, desto weiter bin ich dann mit meiner Interpretation von der Realität entfernt. Und ich werde mich jetzt sicher nicht mit den Begrifflichkeiten der Genderstudies beschäftigen — offizielle Statements sollten von sich aus verständlich sein.
Wünsche dennoch allen einen schönen Tag und klinke mich hier jetzt mal aus 🙂
Wenn ein paar bekiffte Studenten Gedankenpolizei spielen wollen, sollen sie doch. Die merken dann in der Hartz IV Schlange beim Sozialamt früh genug, was ihnen ihrer gegenderter Sprachschrott auf dem Arbeitsmarkt bringt. Aber dass Sie als steuerfinanzierter Beamter nichts Besseres zu tun haben, als der Welt dieses Neusprech aufzuzwingen, ist einfach nur traurig. Ich werde an das Präsidium der Humboldt Uni schreiben und nachfragen, ob man dort von der Genderfaschismus Agitation weiß, die Sie in Ihrer Arbeitszeit betreiben.
@ Aurea mediocritas: Jetzt bin ich verwirrt – führt gegenderter Sprachschrott nun in die Hartz-IV-Schlange (die schreibt man übrigens mit Bindestrichen) oder auf eine steuerfinanzierte Beamtenstelle? Ich nehme an, Sie sind nur ein Drive-by-Troll und lassen sich nie wieder hier blicken, aber wenn doch, erklären Sie mir doch bitte, wo die betreffenden Studierenden irgendjemanden wegen seiner/ihrer Gedanken verfolgen oder zurechtweisen.
Was das Neusprech betrifft, das ich der Welt aufzwinge, das ist ein Vorwurf, den ich immer wieder höre und der mich amüsiert aber ratlos zurücklässt. An meinen Texten können Sie unschwer erkennen, dass ich keine besonders ungewöhnlichen Wörter, Strukturen oder orthografischen Mittel verwende, und Sie werden keinen Text von mir finden, in dem ich auch nur jemandem vorschlage dies zu tun.
Haben Sie solche Angst vor feministischer und antirassistischer Sprache, dass Sie schon in meiner unvoreingenommenen Beschäftigung damit einen Zwang auf Sie oder eine allgemeine Genderfaschismus-Agitation (die schreibt man übrigens auch mit Bindestrich) sehen? Dann habe ich Neuigkeiten für Sie: Die Fraktion, die in der Diskussion um gerechte Sprache am lautesten und dauerhaftesten damit beschäftigt ist, Sprachvorschriften zu machen, ist die, der Sie angehören: Für jede/n Vertreter/in der Critical Whiteness oder des Queerfeminismus, der/die Leute wegen ihres Sprachgebrauch zurechtweist (und natürlich gibt es solche Menschen auch dort), gibt es zehn Leute wie Sie, die ständig ungefragt einfordern, dass die deutsche Sprache nur ganz genau so verwendet werden darf, wie Sie das für normal und richtig halten.
Ich freue mich übrigens schon auf die Antwort der Humboldt-Universität bezüglich der Verwendung meiner Arbeitszeit. Da eine gewisse Konkurrenz zwischen der Humboldt-Universität und meiner Arbeitgeberin, der Freien Universität, besteht, wird das HU-Präsidium vermutlich hellauf begeistert sein, dass ich meine Arbeitszeit mit Agitation statt mit Forschung verbringe.
@Ronny:
Da die/der Ausgeschlossene schon in der Überschrift erwäht wird und diese in IMHO unkontroverser Sprache geschrieben ist (“Statement zum Ausschluss von R.”), ging ich fälschlicherweise davon aus, dass Du den Text nicht besonders gründlich gelesen hast, und deshalb eine detailiertere Antwort nicht nötig/sinnvoll gewesen wäre. Dafür möchte ich mich entschuldigen.
Was die eigentlichen Gründe für den Ausschluss angehen, finden die sich meiner Ansicht nach im Abschnitt
und auch den halte ich nicht für besonders schwer verständlich. Im Rest des Textes finden sich die Darstellung der weiteren Umstände sowie die Begründung, warum R.s Verhalten nicht gerechtfertigt war.
Außerdem würde ich “Raum” in diesem Text nicht notwendigerweise als Synonym für “Zimmer” verstehen, sondern abstrakter; insbesondere in Wendungen wie “Schutzraum” und “weißer Raum”. Da mehrere Kommentare hier das anders sehen, kann ich natürlich damit auch falsch liegen.
@ Ronny:
“Das man mir jedoch nicht zutraut, eine eigene und unabhängige Meinung auf Basis einer neutralen Beschreibung der tatsächlichen Faktenlage in verständlichem (Schul-)Deutsch zu bilden ist aus meiner Sicht eine Diskriminierung an meiner Person und meinem Sprachverständnis.”
Na, das finde ich jetzt aber schon ein bisschen weit gegriffen und eine Menge Rumdeuterei in den möglichen Absichten der Verfassenden. Das Statement ist primär an Studierende des Fachbereiches und sekundär an alle Interessierten gerichtet. Dass bei diesem Personenkreis ein gewisser Fachjargon als bekannt angenommen wird, ist m.E. nicht mit Diskriminierung gleichzusetzen.
Und zur Frage, was jetzt eigentlich genau passiert ist: Ohne den ganzen Hergang aufzudröseln dürfte folgender Abschnitt der Stellungnahme auch mit ‘Schuldeutsch’ vollkommen verständlich sein:
“R. verübte massive Grenzüberschreitungen, unter anderem vor allem dadurch, dass N.s ausdrückliche Bitte, keine Mails mehr zu erhalten, nicht respektiert und stattdessen verhöhnt wurde. Vielmehr folgten daraufhin, über mehrere Tage hinweg, über 20 weitere E‑Mails. Dabei gab es sexistisch-rassistische Beleidigungen und Drohungen durch R.”
Gute Güte, was für ein Katastrophentext. Vielleicht sollte man das Diskriminierungsmodell, auf dem er basiert, einer gründlichen Revision unterziehen. Er wirkt nämlich diskriminierender und rassistischer als ein Text im hier vielgescholtenen “Normaldeutsch”, weil ein gewisser Wahn erkennbar ist, alle Menschen in diskriminierungswürdige Kleingrüppchen zu unterteilen.
Weil hier mehrfach über den Begriff des “Schutzraums” gerätselt wurde, hier mal meine Deutung:
R (trans) besucht ein Seminar von Gender-Studies-Professorin Lann Hornscheidt [1]. Dieses Seminar ist wegen seines Themas und der Dozentin gewissermaßen ein geschützter Raum, d.h. R. erwartet in diesem Kontext nicht wegen ihrer Identität kritisiert zu werden. N. und Co. finden Hornscheidt (oder die Uni oder die Räume) rassistisch und haben das Seminar deswegen mit einer “Intervention” gestört. Das fand R. nicht toll, weil hier einfach Leute aus ihrer Fachschaft in ihren Schutzraum eingedrungen sind. Sie fordert deshalb die Anti-Rassismus-Fraktion der Fachschaft auf, vorher die Erlaubnis der Anti-Sexismus-Fraktion einzuholen, bevor sie in deren Schutzräume eindringt. Und wenn keine trans-PoC verfügbar sei, dann solle doch zumindest ein/e trans-Weiße/r gefragt werden.
(Kann ich nachvollziehen — wobei das schon etwas wie aus einem Monty-Python-Sketch klingt)
@Anatol Stefanowitsch: Vielen Dank für Deine Beiträge und Tweets zum Thema — sie haben mich dazu veranlasst, Texte mit Gender-Terminologie weniger voreingenommen zu lesen.
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Lann_Hornscheidt
Nochmal für Ronny und axaneco: Es ist KEINE öffentliche Stellungnahme für Laien sondern eine fachinterne Kommunikation für Studenden des Fachbereichs — mit der entsprechenden Fachterminologie. Da gibt’s jetzt drei Möglichkeiten wie man damit als Nicht-Adressat des Ganzen umgeht:
1) versteh ich nicht und interessiert mich auch nicht
2) interessiert mich, also muss ich mich schlaumachen, um mitreden zu können
3) ärgert mich, weil ich gerne meinen Senf dazugeben will ohne mich weiter damit befassen zu müssen, denn meine Meinung dazu habe ich ja.
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Als ich den Text das erste Mal las, dachte ich es handele sich um eine dieser dümmlichen Satiren von Gender-Studies-Gegnern.
Es tut mir wahnsinnig leid noch mal was dazu zu schreiben (zu wollen/müssen), aber da hier jetzt doch noch mal der Punkt angeprochen wurde:
@DogMan:
Wenn ich eine Stellungnahme für einen definierten Zielkreis veröffentlichen will, schreibe ich es nicht für alle lesbar ins frei erreichbare Internet.
Sowas gehört entweder ins Intranet der Universität (falls vorhanden), als Aushang an der Tür der Fachschaft, als Mail an einen E‑Mailverteiler der Studierenden oder als Artikel in eine Unizeitung.
Wenn jemand etwas ins Internet stellt muss er damit rechnen, dass es unbeteiligte Dritte lesen und auch lesen werden.
Wenn man ein Statement auf diese Weise veröffentlicht, gehört es zum guten Ton das in einer Sprache zu tun, die allgemeinverständlich ist — dass kann z.B. Englisch sein oder eben das Deutsch, dass wir alle auf der Schule gelernt haben.
Das kann man natürlich anders handhaben — und das sei der Fachschaft für Genderstudies auch ungenommen — aber dann ist ein Blogartikel über das Unverständnis der breiten Masse schlicht fehl am Platz, denn die breite Masse kennt die Fachtermini “Gender” nicht und reagiert konsequenterweise mit Unverständnis.
Meine Kritik bezieht sich im Wesentlichen auf genau diesen einen Punkt: Ich kann dieses Statement mit meinen Deutsch-Kenntnissen nur grob nachvollziehen — viele Stellen verstehe ich nicht oder bestensfalls falsch.
Und natürlich mache ich mir Gedanken um das was ich lese und versuche das auch zu verstehen. Je weniger ich dann mangels sprachlichen Mitteln verstanden habe, desto wahrscheinlicher ist ein Missverständnis in einem oder mehreren essentiellen Punkten.
Ich hoffe, jetzt ist es ein wenig klarer, was ich meine.
Gruß und wech
@Anatol Stefanowitsch @DogMan Wahrscheinlich gehöre ich dann eher zur Fraktion “Von Gender Studies hab ich keine Ahnung”, und wenn mir dann eher zufällig ein Text zu diesem Thema in mir unverständlicher Fachterminologie begegnet, den ich auch nach Googeln der Fachbegriffe nicht ausreichend verständlich finde, dann sollte ich wohl mit den Schultern zucken und sagen “Ist ja auch egal.”
Ich hatte bis jetzt verstanden, dass das ganze Genderthema aber nicht nur ein wissenschaftliches, sondern insbesondere auch ein politisches ist. Menschen sollen sensibilisiert, Einstellungen beeinflusst, Umstände geändert und Ungerechtigkeiten abgeschafft werden.
Wenn das alles nur möglich ist unter der Voraussetzung, dass ich mich wissenschaftlich in das Thema einarbeite, weil es in der mir bekannten herkömmlichen Sprache nicht angemessen behandelt werden kann, dann ist zumindest dieses politische Ziel kaum zu erreichen.
Aber das ist nur meine Meinung, die mit meinem beschränkten sprach- und genderwissenschaftlichen Horizont zu tun hat, und das meine ich nicht mal ironisch.
Ronny, das Internet ist frei und jede/r kann da reinschreiben was ihm/ihr/* gefällt.Im Internet werden viele fachbezogene Schriften frei veröffentlicht, gerade durch Universitäten. Die Forderung, dass alle frei zugänglichen Texte auf Abitur Sprach- und Allgemeinbildungsniveau verfasst sein müssten, ist lächerlich, schließlich gilt das Gleiche für Bücher und Zeitschriften. Wenn Sie in eine Bibliothek gehen, werden Sie dort haufenweise Bücher finden, deren Inhalt Ihnen rätselhaft erscheinen dürfte,voller Fachsprache und für jedermann frei zugänglich.
Der Unterschied ist doch jetzt nur das Reizthema Gender, zu dem viele Menschen eine Meinung haben zu müssen scheinen, auch bar jeglicher Fachkenntnis. Denn ganz ehrlich, cis* und trans* sind elementarste Begriffe von Gender Studies, wenn Sie die nicht kenen, dann haben Sie null Ahnung, wovon Sie da reden. Genausogut könnten Sie ein Chemiebuch lesen und sich beklagen, dass Sie nicht verstehen, was diese ganzen H und C und O bedeuten.
@axaneco, ich verstehe nicht so recht, wieso gerade dieser eine Text-Zufallsfund für Ihr Verständnis von Gender so ausschlaggebend sein sollte. Lässt man die schwere Lesbarkeit wegen konsequenter Durchgenderung beiseite, geht es darin lediglich um einen Uni-Rausschmiss. Wenn Sie wünschen sensibilisiert zu werden und Ihre Einstellungen zu ändern, sollten Sie nicht mit einem solchen Fachtext beginnen, sondern die im Internet leicht verfügbaren Einstiegstexte zu Rate ziehen. Beispielsweise bietet die Bundeszentrale für politsche Bildung (wie der Name schon sagt) ausreichend Einblick in die von Ihnen in oben genanntem Text vermisste politische Dimension des Ganzen.
Liebe/r @DogMan, ob ich den Text wegen “konsequenter Durchgenderung” oder aus anderen Gründen schwer lesbar finde, werden Sie mir in guter Anwendung des Grundsatzes “Wovon ich mich belastet fühle, entscheide ich selbst und niemand anders” schon allein überlassen müssen.
Ich bin regelmäßiger Leser der Publikationen der bpb, einschließlich derer über Genderthemen.
Die Beiträge der bpb, die ich zum Thema Gender gelesen habe, waren allerdings alle in Abiturdeutsch abgefasst.
Danke für’s Gespräch und gute Nacht.
“Lieber” ist total okay axaneco und ich wollte Ihnen da nicht zu nahe treten, ICH fand ihn deshalb schwer lesbar. Allerding verstehe ich jetzt noch weniger, was Sie eigentlich stört. Sie informieren sich bereits aktiv über Gender und haben trotzdem keine Ahnung? Irgendwie scheint mir da das Problem tatsächlich eher bei Ihnen zu liegen, nix für ungut. Oh und diese “Tschüss und dazu sag ich jetzt nix mehr”-Einstellung finde ich höchst amüsant. 🙂
Lieber @DogMan, ja, ich informiere mich bereits seit Jahren über Gender und ich habe trotzdem keine Ahnung. Dann MUSS das Problem ja bei mir liegen. Weil ich einfach zu blöd bin, die einfachsten Zusammenhänge zu verstehen.
Ich selbst betreibe Dünkel auch gern. Interessanterweise nicht obwohl, sondern WEIL ich intelligent bin (zugegeben nicht intelligent genug, um Genderveröffentlicheungen der bpb richtig einzuordnen, aber sei’s drum). Es ist verlockend. Es hat aber auch seine Gefahren. Ich sag’s Ihnen.
Schlafen Sie gut.
@AS: Ein kleiner Hinweis am Rande. Die Frau, die einem die Haare schneidet etc. ist keine Friseuse. Naja, bei Manta Manta vielleicht, aber sonst heißt sie Friseurin. Der Duden beschreibt den Unterschied noch mit “umgangssprachlich”, in der Regel wird diese Bezeichnung aber eher abwertend verwendet und inbesondere auch so verstanden. Das lässt sich in dem Fall relativ leicht vermeiden.
@ icke: Nicht nur Wörter mit -euse werden abwertend verwendet: das ist eine Tendenz, die sich bei allen weiblichen Personenbezeichnungen zeigt. Besonders deutlich wird das bei -euse (vgl. auch Masseuse), -ess (vgl. auch Hostess) und -esse (z.B. Politesse, Mätresse); aber auch Wörter mit dem neutraleren -in sind nicht immun gegen diese Tendenz (vgl. beispielsweise den Unterschied zwischen einem Sekretär und einer Sekretärin.
[PS. Wenn Sie hier weiter kommentieren wollen, müssen Sie eine gültige E‑Mail-Adresse angeben.]
Der Vergleich mit Mathematik zieht wenig, denn die Mathematik ist immer bemüht Dinge möglichst einfach und kurz auszudrücken, sie wegzulassen. Es wird einmal erklärt “Sei x eine reelle Zahl” und dann wird immer nur noch x verwendet. Zahlen werden in Klassen eingeteilt und die einfachste verwendet. Ist x üblicherweise eine ganze Zahl, darf aber reell sein, heißt es trotzdem “Sei x reell”. Mathematische Beweise bestehen normalerweise geradezu daraus, dass man alles überflüssige weglässt bis das Ergebnis da steht (vereinfacht gesagt).
Was in diesem Artikel aber der interessante neue Einblick ist, an den man zunächst nicht denkt: Es ist die Seite einer Fachschaft.
Ich halte es zwar keinsweges für nicht-öffentlich, aber ich halte es damit doch für eine Spielwiese.
Die Leute machen sich über diese Sprache aus zwei Gründen lustig: Erstens ist es ziemlich absurd für alle, die es nicht quasi als Fremdsprache lernen und zweitens besteht die Angst, dass jemand damit missionieren will (was zumindest bei gewissen Unterstrichschreibweisen oder Ablehnung (und Forderung der Unterlassung) des generischen Maskulinums auch häufig passiert).
Zurück zur Fachschaft. Auch eine Fachschaft Mathematik kann in einer Ankündigung zu etwas mathematische Terminologie verwenden, die Studenten sind darüber amüsiert und sehen es als Insiderwitz. Es bleibt normalerweise für Außenstehende verständlich, wirkt aber komisch. Eigentlich das gleiche. Das tut normalerweise keiner (übertrieben bzw. für Laien schwer verständlich) für die Erstsemestereinführung, aber für anderes dann und wann, warum nicht.
Spanned ist dann natürlich, dass es sich um einen todernsten Artikel handelt und die Frage, ob es ihm nicht gut täte normal geschrieben zu sein. Einerseits, dmait sich eben keiner drüber lustig macht, andererseits, damit er eindeutig lesbar ist und den Punkt herüberbringt statt ein Statement zur Sprache, was an anderer Stelle hingehört (und ja einer der Punkte ist womit sich Genderstudies beschäftigen).
Man kann eventuell sagen, dass das Thema das behandelt wird ein Teil ist, wo die Vorzüge dieser Formulierungen für Insider ausgespielt werden können. Wenn man den Artikel als Übung zum Thema Beschreibung eines Themas mit Terminologie, die in diesem Bereich den Schwerpunkt so beschreibt, dass man kein Statement zum Geschlecht vornimmt sieht ist es natürlich ein sinnvolles Werkzeug. Da aber so ein Ausschluss ggf. auch für außenstehende (z.B. Unimitarbeiter) relevant werden könnte (z.B. Mobbingstelle) ist das Statement so natürlich wieder ungünstiger. Das heißt eventuell bräuchte es dort dann wieder ein klares Statement und das hier ist doch eine Übung. Und die gehört dann wegen eines sehr persönlichen Streits (soweit ich erkennen kann) nicht mit dem Thema ausgeübt.
Soviel dazu und damit verbleibe ich ohne klare Meinung ob dieser Artikel dahin gehört, aber mit dem Statement, dass eine Seite der Fachschaft Genderstudies DER Ort ist wo man sich mit solchen Sprachexperimenten austoben dürfen sollte.
Ich stimme voll und ganz damit überein, dass eine Fachsprache und Terminologie, genau wie in der Mathematik oder Chemie erforderlich ist, um sachliche Inhalte und Zusammenhänge der jeweiligen Wissenschaft mit akzeptablem Aufwand auszudrücken und zu beschreiben. Auch dass nicht jeder (Fachfremde) jede wissenschaftliche Fachsprache verstehen muss und kann, und damit auch nicht jedes Werk und jede Publikation ad-hoc begreifen wird, ist völlig normal.
Ein signifikanter Unterschied zwischen der Mathematik oder Chemie und den sogenannten Genderwissenschaften liegt meiner Ansicht nach darin, dass kein ernsthafter Mathematiker oder Chemiker auf die Idee käme, die *historisch gewachsene* Alltagssprache mit ihrer Fachterminologie zu vergewaltigen und den Normalbürger zu einer eben solchen Ausdrucksweise zu nötigen.
Die Anhänger der Genderideologie – und das macht es in meinen Augen zu einer Ideologie und nicht zu einer Wissenschaft – versuchen ständig und penetrant, der Welt ihr Sprach und Menschenverständnis aufzuzwängen. Ja die Universität Berlin behauptet sogar, die geschlechtsneutrale Formulierung sei inzwischen gesellschaftlicher Konsens und versucht dies allen Studenten aufzuzwingen (Wort Student absichtlich hier gesetzt, da jeder mit gesundem Menschenverstand versteht, dass hier nicht nur Männer gemeint sind, und „Studierende“ einfach grammatikalisch falsch ist!)
@MarcH: In einem haben Sie unfreiwillig recht: der Mathematik und der Chemie sind die strukturellen Diskriminierungen unserer historisch gewachsenen Alltagssprache egal (zumindest fachlich, privat gibt es vielleicht ein paar Vertreter/innen sogar dieser gesellschaftsfernen Disziplinen, die etwas gegen strukturelle Diskriminierung haben). Den Gender Studies können diese strukturellen Diskriminierungen nicht egal sein, denn diese strukturellen Diskriminierungen sind eben ihr Forschungsgegenstand, weshalb sie versuchen müssen, Terminologien und Fachsprachen zu entwickeln, um diese aufzudecken. Das habe ich aber eigentlich in meinem ursprünglichen Beitrag schon ausführlich beschrieben.
Dass Sie glauben, die Fachterminologie der Gender Studies sei eine „Vergewaltigung“ (ein ekelhafter Vergleich, übrigens) der Alltagssprache, zeigt nur, wo Ihre Prioritäten liegen: Sie würden eher die Sprache (ein abstraktes Phänomen ohne Gefühle) von der „Gewalt“ von ein paar Unterstrichen und vor der Form Studierende (die natürlich keineswegs „ungrammatisch“ ist) schützen, als dass Sie die Mitglieder diskriminierter Gruppen vor der Gewalt schützen würden, die in vielen Wörtern und Strukturen unserer historisch gewachsenen Sprache steckt (à propos „historisch gewachsen“ – sehen Sie sich die Historie der deutschen Sprachgemeinschaft doch einmal genauer an, dann sehen Sie, warum „historisch gewachsen“ kein Garant für eine neutrale Sprache ist).
Ihr Vorwurf, Vertreter/innen der Gender Studies würden „Normalbürger“ (die hoffentlich nur normal und nicht auch besorgt sind) dazu zwingen wollen, die Fachterminologie der Gender Studies zu verwenden, ist in vierfacher Hinsicht falsch: erstens sind es nicht die Gender Studies, die öffentliche Sprachregelungen propagieren, sondern normalerweise Frauen- und/oder Gleichstellungsbeauftragte. Zweitens wollen die Gleichstellungsbeauftragten nicht „Normalbürger“ zwingen, sondern die Mitglieder der Organisationen, für die sie zuständig sind. Drittens wollen sie diese nicht zwingen, sondern ihnen Anregungen geben. Und viertens geht es bei diesen Anregungen nicht um die Terminologie der Gender Studies sondern um geschlechtergerechte und nicht-rassistische Sprache.
Daneben gibt es kleinere Gruppen, die bestimmte Sprachregelungen für sich selbst ausprobieren und verbindlich machen; das geht aber nur diese Gruppen etwas an. Einen Grenzfall solcher Gruppen stellen Lehrstühle dar, die von ihren Studierenden z.B. in Hausarbeiten gerechte Sprache fordern, oder Herausgeber/innen, die dies bei ihren Autor/innen tun. Hier erlebe ich typischerweise, dass der starke Wunsch nach einer solchen Sprache geäußert wird (so mache ich es auch), nicht, dass sie erzwungen wird (ich habe z.B. gerade eine Dissertation angenommen, die nicht nur im generischen Maskulinum abgefasst ist, sondern die sogar die unselige und psycholinguistisch falsche Fußnote enthält, dass Frauen mitgemeint seien). Auch Profx Hornscheidt bittet lediglich darum, x gegenüber aus Respekt bestimmte Sprachformen zu verwenden – x ist sogar großzügig genug, für „Gender-Kritiker“ eine separate E‑Mail-Adresse für Hate-Mail anzubieten.
1. cis/trans kommt schon in Latein und Chemie vor, die Bedeutung in Genderzusammenhängen könnte man mit Abi erraten.
2. Jede Fachsprache hat einerseits die Funktion, Fachspezifisches so präzise wie möglich benennen zu können, andrerseits, Fachpersonal so präzise wie möglich vom Rest der Menschheit abzugrenzen. Je verschwurbelter der Text, desto klarer die Botschaft: “Ihr könnt nicht mitreden.”
3. Wenn Menschen, die in der Schule Mathe hassten, sich über MathematikerInnen lustig machen können, dann können Menschen, die in der Schule Sprachen hassten, sich über SprachwissenschaftlerInnen lustig machen. Die Details der Witze variieren, aber normalerweise geht es um “weltfremde, praxisferne Leute in ihren Türmen aus Elfenbein”.
4. Wieso lautet der eine Gegensatz “cis/trans”, aber der andere “PoC/weiß”? Müsste es aus Symmetriegründen nicht “PoC/PonC” heißen?
5. “PoC trans*inter*GnC Person” ist einerseits doppelt gemoppelt (das “P” in PoC heißt schon “Person”), andrerseits widersprüchlich, da “inter” eine dritte Kategorie neben “cis” und “trans” ist.
Sollte eine Fachsprache nicht innerlich logisch sein? Oder wurde das hier absichtlich unlogisch verwendet?
Auch in Ingenieursbereich hat man oft das Problem das Dinge wie Wörter wie Modul vieldeutig sind und man daher für sein Projekt ein sehr spezifische Bedeutung benötigt und auch neue Wörter erfinden muss.
Allerdings stellt niemand die Forderung auf, das jetzt alle Welt diese Begriffe benutzten sollte. Oder das sie jetzt die neue Bedeutung haben sollten. Ich glaube daher kommt die Erheiterung.
P.S. auch die Bundeswehr hat großes Portfolio an Wortneuschöpfungen, die immer wieder der Erheiterung dienen, aber eben zweckdienlich innerhalb der Truppe sind.
@Mycroft
Zu 3. Die Mathematik-Kritiker*innen mit den Gender-Kritiker*innen zu vergleichen hinkt meines Erachtens. Als Beispiel, weil Lann Hornscheidt gerade erwähnt wurde: Lann Hornscheidt (und andere) machen tatsächlich nur Vorschläge und insbesondere Lann Hornscheidt will niemandem was aufzwingen, sondern äußert (wie es hier ja auch schon gesagt wurde), lediglich einen Wunsch wie Lann Hornscheidt selber angesprochen werden möchte. Ich erwähne das deshalb nochmal, weil diese harmlosen Bedürfnisse in keinem keinem Verhältnis mit dem Hass stehen, der sich über Lann Hornscheidt ergossen hat. Von sowas können Mathelehrerinnen nur träumen. Ich führe es noch mal an, weil sich m. E. was Wichtiges dran belegen lässt — Irgendwas muss an der Sprachkritik und der Genderleute stimmen, sonst müssten sich doch nicht alle so extrem aufregen und so fies werden.
Zu den Punkten 4. und 5. — Ich persönlich würde doch wohlwollend unterstellen, dass sich die Fachschaft bei der Auswahl der Verwendung ihrer Terminologie was gedacht hat. (Vom Gegenteil auszugehen, deutet für mich auf Voreingenommenheit hin) Ich würde beispielsweise vermuten, dass das Adjektiv “weiß” aus historischen/politischen Gründen bewusst beibehalten wurde. (So weit ich weiß gibt es ja auch die “Kritische Weißseins-Forschung”.)
Ob Fachsprache “innerlich logisch” sein muss, weiß ich (keine Sprachwissenschaftlerin) gar nicht. Ich meine, dass sie ihren Gegenstand so beschreiben sollte, dass die Adressat*innen ihn verstehen. Und das dürfte dem Text so meine starke Vermutung, gelungen sein. Denn, schon wieder so ein unnötiger Angriff: Der Text richtet sich ja gerade nicht an eine breitere Öffentlichkeit, sondern an eine sehr kleine (peer)Gruppe.
Ich selber habe viel Kritik an den Vertreter*innen der “Critical Whiteness” — (Und ich würde die Leute, die den Text geschrieben haben, diesem Spektrum zuordnen, mag falsch sein), aber die Gegner*innen sind häufig noch viel unsäglicher. Schade eigentlich.
Wenn Antje Schrupp geschrieben hätte: “in Bezug auf Mathematik ist Ahnungslosigkeit eben kein Makel, sondern scheint im Gegenteil fast schon eine Art kultureller Code zu sein, mit dem sich Zugehörigkeit zu den „ernst zu nehmenden Kreisen“ der Debatte markieren lässt. Distinktionsgewinn durch demonstratives Zelebrieren von Desinteresse. Es ist schick, von Mathematik keine Ahnung zu haben, das kann man quasi wie einen Orden vor sich hertragen”, so wäre der Text auch korrekt obwohl ich Feminismnus durch Mathe ersetzt habe. Finde ich genauso traurig, aber leider sehr häufig (man hätte auch Chemie, Physik… einsetzen können). Schade, aber nicht auf Feminismus beschränkt
@ Ohno: Machen Sie doch mal den Versuch und ersetzen Sie Feminismus durch Antirassismus. Vielleicht merken Sie ja was.
„Mathematische Beweise bestehen normalerweise geradezu daraus, dass man alles überflüssige weglässt bis das Ergebnis da steht (vereinfacht gesagt).“
LOLWTFnope. Echt jetzt, wie kommt man auf diese Sichtweise? O_o
„In einem haben Sie unfreiwillig recht: der Mathematik und der Chemie sind die strukturellen Diskriminierungen unserer historisch gewachsenen Alltagssprache egal (zumindest fachlich, privat gibt es vielleicht ein paar Vertreter/innen sogar dieser gesellschaftsfernen Disziplinen, die etwas gegen strukturelle Diskriminierung haben).“
Gibt’s, gibt’s. 😉 Leider ist das Bewusstsein für strukturelle Diskriminierung, zumindest meinem bisherigen Eindruck aus Wien nach, in unserer Zunft generell ziemlich unterentwickelt …
@max: Na da habe ich ja drauf gewartet dass jemand damit kommt, dass Mathe ganz präzise ist und diese sozialwissenschaftliche Zeugs halt irgendwie schwurbelig, versteht keiner. Jetzt sagen Sie mir dch mal wo der Unterschied zwischen “x ist eine reelle Zahl” und “N. ist eine cis* PoC” ist, außer dass man bei ersterem hoffentlich noch aus der Schule weiß, was das bedeutet und letzteres evtl. nachgoogeln muss.
@ j.: Nein, ich merke nichts. Zur Schau gestellte Ignoranz finde ich so oder so bescheuert, egal, wie oft sie vorgetragen wird, sei es im Bereich Mathe, Feminismus oder Antirassismus. Werfen Sie mir etwas bestimmtes vor? Meinen Sie, meine mathematischen/antirassistischen/feministischen Berechtigungsnachweise seien mangelhaft? Schreck laß nach!
@Maike:
ad 3: auch Menschen, die mit Mathematik ihren Lebensunterhalt verdienen, fordern nicht, dass die übrigen Menschen sich mathematischer Formeln bedienen. Sie machen noch nicht einmal den Vorschlag dazu oder äußern den Wunsch danach. Insofern dringen sie nicht invasiver in deren Komfortzonen ein als Prx. Hornscheidt. (Um der*sen Person es hier nur indirekt geht.) Ergo halte ich den Vergleich für angemessen.
ad 4: da neue Begriffe den Zweck haben sollen, alte traditionelle und historische Denkmodelle hinterfragen und überdenken zu können, dann kann es vllt. einen politischen Grund haben, den einen Begriff beizubehalten, aber keinen historischen. Und den politischen wüsste ich dann schon gerne. 😉
ad 5: Ok, dann frage ich konkret: Es gibt Transfrauen, Transmänner, Intersexuelle und Menschen, die keine herkömmliche Genderrolle annehmen können oder wollen. Kann ein Mensch transsexuell und zugleich intersexuell sein? Oder steht das “*” für ein “oder”? Wenn ja, warum steht da nicht “Trans‑, Inter- oder GnC-PoC”? Mein Verdacht ist nach wie vor, dass es nicht dem gegenseitigen besseren Verständnis dient, sondern dem schlechteren Verständnis bei Außenstehenden.
Vorweg: Ich bin über Umwege von Fefe hierher gekommen.
Der Text der Fachschaft ist zwar schwierig zu lesen, aber völlig ratlos sollte einen das nicht zurück lassen. Amüsant finde ich aber, dass Fefe (und andere) diesen Text kopfschüttelnd bewerten, aber kein Problem mit Absätzen wie
“Jetzt haben sie Brotli offiziell veröffentlicht, das ist der Algorithmus, den sie schon in WOFF2 verwendet haben. Sie sagen, der sei grob so schnell wie deflate von zlib, aber komprimiert geringfügig besser als LZMA und bzip2 beim Canterbury corpus (ein Standardkorpus aus verschiedenen Text- und Binärdateien).” (Fefe)
haben. Für den “Normalbürger” dürfte dies zu ähnlichem Kopfschütteln und amüsierten Schnauben führen. Die gesamte Informatik bietet doch ein breites Spektrum an Kürzeln und Fachbegriffen, mit denen man Texte unverständlich machen kann.
Ähnlich im Gaming-Bereich. Wenn sich da 2 versierte Spieler über LoL, Battlefield, CoD, WoW, CS, … unterhalten, verstehen die Nicht-Eingeweihten doch auch nur noch Bahnhof.
Man kann über Gender Studies bestimmt streiten, aber wenn die Kritik sich auf die Terminologie beschränkt, dann ist es mit den Argumenten nicht so weit her.
@ Chris: Fefe kann sich vor allem eins nicht vorstellen: Dass Feminist/innen gerade die extremeren Varianten geschlechtergerechter und/oder geschlechtsneutraler Sprache oft überhaupt nur öffentlich verwenden, um unsere Medienkompetenz zu steigern.
> LOLWTFnope. Echt jetzt, wie kommt man auf diese Sichtweise? O_o
Wenn wir hier über Mathematik, nicht rechnen reden, ist es meistens so, dass man auf zwei Seiten eines Gleichzeichens (mal den einfachen Fall genommen) etwas kompliziertes stehen hat. Nun nimmt man Regeln die man anwenden darf und hofft auf etwas bekanntes hinaus zu kommen. Wenn beide Seiten in sich zusammenfallen bis “0=0” dort steht hat man gezeigt, dass auch der komplizierte Ausdruck stimmt.
> Mathe ganz präzise ist und diese sozialwissenschaftliche Zeugs halt irgendwie schwurbelig
Dies ist nicht meine Aussage.
> der Unterschied zwischen “x ist eine reelle Zahl” und “N. ist eine cis* PoC
Der Vergleich wäre: “x ist eine nicht-negative gerade Zahl, die den Teiler drei enthält” vs “N. ist ein cis*PoC” oder umgekehrt “x sei eine reelle Zahl” vs. “N. ist ein Mensch”.
Aber interessant, wie hier nur auf den Teil der Mathematik Bezug genommen wird, statt auf das Thema des Artikels. Ja, der Artikel hat einen Mathevergleich gezogen der nicht ganz passt, aber nach dem Hinweis war es damit eigentlich auch gut.
Die Kernfrage ist doch:
— Für welche Zielgruppe ist der Artikel bestimmt (wer soll es lesen können)
— Sollte so etwas online ausgetragen werden? Es ist erst einmal eine einseitige Sicht publiziert (es gibt keine Gegendarstellung), unabhängig von der Sprache
— Wird die gendergerechte Sprache in diesem Ausmaße genutzt weil es die Fachschaft genderini ist (demonstrativ), weil die Schreiber diese Sprache konsequent immer benutzen, oder vielleicht weil die Schreiber meinen die Sprache die sie gut beherrschen wäre besonderns geeignet um diesen Konflikt genderneutral zu beschreiben?
— Wenn sich eine andere Zielgruppe einfindet, wird darauf reagiert? Gab es Anfragen von Lesern, mit Verständnisproblemen? Wurde überlegt den Artikel kurz zu erläutern? Oder sollte vielleicht ein Hinweis angebracht werden, dass es eine interne Sache ist? Oder ein Hinweis, dass man auf der Fachschaftsseite eine solche Sprache zu erwarten hat?
— Wie wurden überhaupt so viele Externe darauf aufmerksam?
— Kann man die Gelegenheit vielleicht nutzen um ein paar Missverständnisse zu klären?
Alles Fragen die deutlich länger relevant bleiben. Zumal wir hier im Sprachlog sind, nicht bei scienceblogs oder so sonst man gerne Dinge in mathematischer Notation ausdrücken kann und jeder sie (bzw. den Insidergag darin) versteht.
„Wenn wir hier über Mathematik, nicht rechnen reden, ist es meistens so, dass man auf zwei Seiten eines Gleichzeichens (mal den einfachen Fall genommen) etwas kompliziertes stehen hat. Nun nimmt man Regeln die man anwenden darf und hofft auf etwas bekanntes hinaus zu kommen. Wenn beide Seiten in sich zusammenfallen bis “0=0” dort steht hat man gezeigt, dass auch der komplizierte Ausdruck stimmt.“
Ähm, nein. Das hat mit 98% der modernen Mathematik nichts zu tun, sondern eben mit Rechnen. (Eh auch nett, aber halt nicht Mathematik.)
Übrigens interessant zur Meinungsbildung: Einfach mal weiter scrollen im Blog. Die anderen Artikel sind nicht annähernd in einer so stark gegenderten Sprache geschrieben, es scheint sich also um ein Statement zu handeln.
Vilinthril: Du greifst ja schon wieder nur den Punkt der Mathematik auf. Ich äußere mich dazu hier jetzt nicht weiter, aber findest du nicht, dass die Diskussion darüber langsam “off topic” wird?
Eben weil ich mich in dem Bereich auskenne und hierzu immer enorm wenig mit der Realität, insbesondere mit der modernen Praxis der Mathematik, zu tun habende Vergleiche gezogen werden, hake ich dort ein. Aber wir müssen das auch nicht bis zum Ende ausdiskutieren, es stimmt jedenfalls schlicht nicht; auch die Mathematik ist in der Praxis (ab einem gewissen Mindestabstraktionsniveau aufwärts) keineswegs so präzise und unfehlbar, wie auch wir Mathematikerinnen gerne manchmal behaupten (eben grad, weil sie von Menschen für Menschen betrieben wird und, automatisches Beweisen hin oder her, ganz und gar nicht auf das von dir beschriebene „alles Überflüssige weglassen“ reduzierbar ist).
Aber sei’s drum.
@ max: (– Wie wurden überhaupt so viele Externe darauf aufmerksam?)
Ein, zwei Multiplikatoren reichen, besonders natürlich die weithin gelesenen. (Wie z.B. Fefes Blog, wo — schreibt er — ein Link bei ihm schon mal den verlinkten Server in die Knie zwingt).
@mycroft
Ich bin doch nicht Ihr Erklärbär. Ich bitte Sie doch auch nicht darum, mir in einer Blogkommentarspalte Grundlagen der Mathematik zu erläutern. Wobei ich auch vermute, dass es sowieso vergebene Liebesmüh wäre, da ich Sie als voreingenommen empfinde. (Da kann ich mich natürlich täuschen, die begrenzten Möglichkeiten so einer Kommentarfunktion erschweren einen vertiefteren Austausch ja manchmal).
Pingback: F/LASH.BACK Feminismus und Gender Studies | Regina Weber
AS schriebt: “Das Deutsche zwingt uns andererseits aber nicht, irgendeine andere Eigenschaft der betreffenden Person (sei es Herkunft, Ethnie, Geschlechtsidentität, Körpertyp, Bildungshintergrund, Haarfarbe, Augenfarbe o.ä.) ständig mit zu erwähnen (tatsächlich macht es uns dies sogar eher schwer, unter anderem, weil kaum neutrales Vokabular und überhaupt keine Grammatik für diese Eigenschaften zur Verfügung steht).”
Liegt darin nicht gerade die Chance, abgesehen von der Geschlechtlichkeit, dass Aspekte wie Ethnie, Haarfarbe etc. damit gar nicht erst als Differenzierungsmerkmale und somit wohl immer auch Diskriminierungsmerkmale in die Sprache gelangen?
AS schreibt: “Wenn nicht extra auf etwas gegenteiliges hingewiesen wird, gehen wir implizit davon aus, dass eine Person weiß, heterosexuell, cis, nicht-behindert usw. ist.”
Das geht wahrscheinlich den meisten Leuten so. Aber ich kann aus Erfahrung sagen, dass sich das abhängig davon ändern kann, wo (geographisch) und in welchen Kreisen man sich bewegt, sei es beruflich und/ oder privat.
Das ist mE der positive Ausblick zum Thema.
@Maike: die Fragen, die ich stellte, waren auch nicht an sie persönlich gerichtet. Weiterhin heißt dieser Blog “Sprachlog”. Wenn Sie nicht mein Erklärbär sein wollen, ist das Ihr gutes Recht, aber ich weise darauf hin, dass Sie weiter oben freiwillig den Versuch unternahmen, mir etwas erklären zu wollen. Insofern beschweren Sie sich bitte anderswo.
Achso, die mathematische Fachschaftserklärung (leider ohne Symbole, deshalb viel länger als nötig):
Für jedes Element m (Mitglied) der Menge F (Fachschaft) soll gelten:
m ist nicht rassistisch und nicht sexistisch und nicht unkollegial.
Für Element R. gilt: R. ist rassistisch und sexistisch und unkollegial,
daraus folgt:
R. ist nicht Element von F
q.e.d.
Funktioniert so nicht. Da das keine bekannten Termini sind, musst du zumindest noch die Prädikate „rassistisch“, „sexistisch“ und „unkollegial“ mathematisch definieren. Have fun.
(Abgesehen von der Unschärfe „soll gelten“. Mathematisch gesehen: Ist das ein Postulat bei der Definition von F? Oder ist das ein geltendes Lemma über F?)
(Und zusätzlich noch die Unschärfe „m nicht rassistisch und nicht sexistisch und nicht unkollegial“ – heißt das, m ∈ F darf nicht (R und S und U) sein, oder m ∈ F darf kein einziges davon sein?)
Pingback: Sprachlog: Das Netz kann alles, außer Gender
@Vilinthril:
es gäbe bestimmt eine Definition von “rassistisch”, “sexistisch” und “unkollegial”, die irgendwo in der Fachschaft aushängt und auf die sich bezogen werden kann. Ansonsten nimmt man die Definition der Genderstudienfachschaft. Die hat ja offensichtlich eine. Und soweit ich weiß, können Mathematiker auch über rote, grüne und blaue Kugeln nachdenken, ohne jedesmal die Physiker nebenan zu fragen, welche Wellenlängen als rotes, grünes oder blaues Licht gelten. 😉
In einer idealen Welt wären “nichtrassistisch”, “nichtsexistisch” _und_ “kollegial” natürlich notwendige Kriterien für jedes m ∈ F.
“Und”, nicht “oder”.
Aber Sie haben natürlich recht: die Fachschaft muss sich überlegen, ob jedes gebrochene Kriterium alleine für den Rausschmiss reicht (“oder”-Verknüpfung), oder ob alle drei gebrochen werden müssten (“und”-Verknüpfung), oder ob mindestens zwei beliebige gebrochen sein müssen. Da hier aber offenbar alle drei gebrochen sind, kann sich die Fachschaft in diesem Fall eine Aussage sparen.
Eine Frage an den Sprachforscher: Wie Sie richtig festgestellt habe: “Das Deutsche zwingt uns nämlich einerseits, bei so gut wie jeder Erwähnung einer Person deren Geschlecht zu erwähnen […] aber nicht, irgendeine andere Eigenschaft der betreffenden Person”
Das ist ja auch bei anderen Sprachen wie Französisch oder Englisch so. Ist das eine Eigenschaft aller natürlichen Sprachen und wie siehts mit künstlichen wie Volapük, Solresol oder Esperanto aus?
“in Bezug auf feministische Theorie ist Ahnungslosigkeit eben kein Makel, … Distinktionsgewinn durch demonstratives Zelebrieren von Desinteresse. Es ist schick, von Feminismus keine Ahnung zu haben, das kann man quasi wie einen Orden vor sich hertragen.” (Schrupp)
Frau Schrupp schreibt einmal von Ahnungslosigkeit, dann von Desinteresse, dann wieder von Ahnungslosigkeit. Es wird nicht klar, was sie nun meint. Ich habe es noch nie gesehen, dass sich jemand damit brüstet, nichts vom Feminismus zu verstehen. Ich habe es aber schon gesehen, dass Leute (auch Frauen) gegen den (Nicht-Equity-)Feminismus sind, der Frauen immer als diskriminiert, Opfer, das Gute an sich und Männer immer als privilegiert, Täter, schädlich für die Gesellschaft ansieht. Und nein, das sind keine Frauenhasser.
“und das wollen die Gender Studies nun einmal, weil Wissenschaft unter anderem darin besteht, Althergebrachtes infrage zu stellen”
Das ist sicher richtig, kein Zweifel. Insbesondere althergebrachte Theorien muss Wissenschaft infrage stellen. Ob sie auch “althergebrachte Kategorisierung” durch die Leute infrage stellen muss oder soll, ist eine andere Frage. Vielleicht reicht auch einfach die Beobachtung und es würde zur Politik, wenn man das Verhalten der Menschen infrage stellt?
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Weiß eigentlich jemand, was L. Hornscheidt rassistisches von sich gab?
Erst einmal Danke an Anatol, der hier versucht, einen schwer verdaulichen Artikel begreifbar zu machen. Auch wenn dies nur partiell gelingt.
Zum Antje-Schrupp-Zitat: Wenn ich einen Text nicht verstehe, dann will ich keinen Orden, sondern wünsche mir weitere Erklärung. Das ist jetzt nicht spezifisch für die Geschlechterforschung)
Und wenn nicht extra auf etwas gegenteiliges hingewiesen wird, gehe ich implizit davon aus, dass diese Person ein Mensch ist (und grenze diese Person auch klar ab gegenüber bspw. Haustieren oder juristischen Personen). Es mag nun Studien geben, dass viele Menschen mehr Eigenschaften implizit annehmen. Da werdet ihr sicher viele Belege finden. Ich stimme euch da auch zu: das ist nicht schön. Aber wollen wir dieses Problem direkt lösen — oder erst einmal eine geschwurbelte Sprache erfinden? Wenn ich bspw. zu jemand sage, dass eine Gruppe Rentner vorm Seniorenheim für mehr Rente demonstriert hat und mein Gegenüber schließt dabei aus, dass keine Rentnerinnen, farbige Rentner und behinderte Rentner oder Rentner mit (echter) Glatze dabei waren, so muss ich meinen Gegenüber eben noch mal drauf hinweisen, dass die einzige Selektion in dem Satz das Alter war (ok, thematisch bedingt könnten noch die Bonzen-Rentner ausgeschlossen sein)
Wenn ich von einer “cis*-positionierte Fachschaft” lese, denke ich als Musiker, dass diese Leute wohl ihren Grundton gefunden haben. Nun gibt es da ein Sternchen, nur diese Fußnote wird nicht erklärt.
Zu DogMan und andere:
Die Erklärung zum Rauswurf ist keine fachinterne (inhaltlich) Kommunikation, sondern allenfalls eine fachbereichsinterne (organisatorisch). Würde eine Chemie-Fachschaft jemand rausschmeißen, der im Labor Mist gemacht hat, sollte auch nicht geschrieben stehen, dass er mit irgendwelchen H, C und O hantiert hat, sondern ohne Arbeitsschutz mit ätzenden, leicht entzündbaren Substanzen. Und dann hast du 4. vergessen:
4) Ich bin nun irgendwie drauf gestoßen. Nun würde ich gerne den Konflikt verstehen. Und nein, ich lerne kein Semester Grundlagenkurs in einer Fantasiesprache. Und ja, ich kann alle Fremdbegriffe ergoogeln, dann komme ich beim Lesen nicht voran.
zu Thomas K.: Das mit der Satire kann ich gut verstehen.
zu Anatol: das mit dem Sekretär ist nun wirklich ein sehr spezielles Beispiel. Bei einem generischen Sekretär kann, wenn nichts weiter dazu steht, ein männlicher Sekretär, ein weiblicher Sekretär und ein Möbelstück gemeint sein, bei der weiblichen Form ist das Möbelstück ausgeschlossen.
zu Maike: “sondern äußert [..], lediglich einen Wunsch wie Lann Hornscheidt selber angesprochen werden möchte.”. Kann er doch. Aber das hat nichts mit Wissenschaft zu tun.
zu Chris: der Fefe-Text ist für außenstehende auch wirr. Aber er ist fachlich. Und nicht organisatorisch.
* ich mache das mal mit der Fußnoten. Das Sternchen hat nichts zu bedeuten.
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Karl Popper trifft hier — in einem anderen Zusammenhang, aber dennoch — ganz gut, wenn er schreibt: „Jeder Intellektuelle hat eine ganz besondere Verantwortung. Er hatte das Privileg und die Gelegenheit, zu studieren; dafür schuldet er es seinen Mitmenschen (oder „der Gesellschaft“), die Ergebnisse seiner Studien in der einfachsten und klarsten und verständlichsten Form darzustellen. Das Schlimmste – die Sünde gegen den heiligen Geist – ist, wenn die Intellektuellen versuchen, sich ihren Mitmenschen gegenüber als große Propheten aufzuspielen und sie mit orakelnden Philosophien zu beeindrucken. Wer’s nicht einfach und klar sagen kann, der soll schweigen und weiterarbeiten, bis er’s klar sagen kann. […] Was ich oben (Punkt 1) die Sünde gegen den heiligen Geist genannt habe – die Anmaßung des dreiviertel Gebildeten –, das ist das Phrasendreschen, das Vorgeben einer Weisheit, die wir nicht besitzen. Das Kochrezept ist: Tautologien und Trivialitäten gewürzt mit paradoxem Unsinn. Ein anderes Kochrezept ist: Schreibe schwer verständlichen Schwulst und füge von Zeit zu Zeit Trivialitäten hinzu. Das schmeckt dem Leser, der geschmeichelt ist, in einem so ‚tiefen‘ Buch Gedanken zu finden, die er selbst schon mal gedacht hat.”
Ja, der Karl Popper wäre sicher gerne ein echter Wissenschaftler geworden…
Tja, hätte er gegendert, wäre er ein Wissenschaftler geblieben.
Warum fühlen Sie sich denn so angegriffen? Ich halte das Argument, dass hier eine Fachsprache verwendet wurde, schlichtweg nicht für konsistent. Hier wurde kein akademischer Streit ausgetragen, sondern letztlich ein persönlicher. Mich ficht das nicht an, nur wenn daraus ein Politikum erwächst, betrifft mich das früher oder später. Und das ist ja auch die Vorgabe an die Gender Studies. Das politische Ziel ist Gleichstellung — u.a. in der Sprache. Und mit was Sie sich in der Kommentarspalte zu Ihren Artikeln meist auseinandersetzen (müssen), ist der Widerwillen gegen eine gegenderte Sprache in der vorgeschlagenen Form (1) ausgehend von einer entsprechenden These (2), jedoch kein Widerwillen gegen die Gleichstellung (3) an sich. Ich vermag zwar keine Gedanken lesen und kann daher nicht ausschließen, dass mancher sexistische Einstellungen hat. Die Genderwissenschaftler aber auch nicht. Und da beginnt spätestens das Orakeln. Oder man verdächtigt eben einfach jeden.
‘Die Terminologie wird sich also mit Sicherheit weiterentwickeln und wahrscheinlich wird sie auch umstritten bleiben, aber eins ist klar: ohne diese und andere Terminologien ließen sich traditionelle Weltbilder nicht einmal spekulativ-hypothetisch hinterfragen.
Und ich habe das Gefühl, das wäre den Kritikern dieser Terminologien sehr recht.’
Was wollen Sie bitte ‘hinterfragen’ wenn es doch ’nichts außerhalb des Diskurses’ (Derrida) gibt? Sie können das Haus der Sprache nicht verlassen und Quasi von Außen betrachten. Alles was Sie tun können, ist den Innenräumen quasi ein Update zu verschaffen — aber das Gemeinte bleibt immer noch das gleiche, egal welche Worte sie benutzen.
Schwul/lesbisch heißt dann eben Queee und Definitionsmacht ist ein Euphemismus für althergebrachten Autoritarismus?