Heute im Spektrogramm: Migration, Flüchtlings»wellen«, Kevin, Chantal und Lilly, Ms und Mx, Hä? und Huh? und warum ein Mensch und eine Flasche sich gar nicht so sehr unterscheiden.
- Für den STANDARD.AT hat Anatol eine kleine Sprachkritik zu wertenden und potenziell neutralen Wörtern für Menschen, die in Europa Asyl beantragen, geschrieben: »Die Beleidigung liegt natürlich nur im Auge des Betrachters, der zwischen legitimen und illegitimen, erwünschten und unerwünschten, zu uns gehörigen und fremden Flüchtlingen unterscheiden möchte. Wir könnten von dieser Unterscheidung ablassen und akzeptieren, dass Menschen das selbstverständliche Recht haben, frei von Angst, Hunger, Krieg und Verfolgung zu leben, und dass sie dieses Recht unter anderem durch Ortswechsel zu erreichen versuchen. Aus dieser Sicht würde es sich vielleicht anbieten, das Wort “Migrant” als neutrale Bezeichnung zurückzuerobern.«
- Wenn er mit Medien redet, dann gründlich, also gab es diese Woche auch ein Interview mit BAYERN 2 zur Materie, mit einer wunderbaren Zusammenstellung von O‑Tönen am Anfang: »Das Problem ist ja, dass das Wort Flüchtlingskrise so sehr stark die Krisenhaftigkeit der Gruppe, die dort nach Europa drängt, anlastet. Man könnte ja auch von einer Schlecht-vorbereitet-sein-Krise sprechen, das wäre vielleicht objektiv richtiger […]«
- Anfang der Woche fand außerdem die alljährliche Mainzer Namentagung statt, diesmal ein Crossover von Namenforschung und Soziologie. Mit der FAZ sprach Damaris Nübling in diesem Zusammenhang allgemein über Vornamen und ihre soziale Bedeutung, bei der SZ geht sie etwas weiter in die Tiefe.
- Wir haben ja schon vor zwei Wochen verlinkt, dass OxfordDictionaries.com einen Eintrag für Mx angelegt hat, einer geschlechtsneutralen Anredeform. Laurie Penny zieht im NEW STATESMAN Parallelen zur Einführung von Ms in den 70ern und ruft dann zum Gebrauch der neuen Form auf: »We can only become what we can imagine and we can only imagine what we can articulate. That’s why language matters to our lives; that’s why little changes in grammar and vocabulary can affect the entire architecture of our political imagination. Today, signing “Mx” on an application form or an electricity bill is an act of linguistic rebellion but, tomorrow, it could be ordinary. And that is how you change the world.«
- Einen der diesjährigen Ig Nobel-Preise haben drei Linguisten bekommen: Für Forschung zu Hä? und seinen Äquivalenten in anderen Sprachen. Zum Thema gibts übrigens eine schön gemachte Internetseite (Englisch) und einen schon älteren Artikel von Arika Okrent (Englisch).
- Und zum Schluss noch was zu Gucken: THE LING SPACE erklärt im Video (Englisch), wie Tonwellen entstehen — und dass ein Mensch sich gar nicht so sehr von einer Flasche unterscheidet.