SPIEGEL ONLINE hat da einen Kolumnisten, Peter Littger, und eigentlich sind seine Kolumnen unter „Fluent English“ recht langweilig. Sie sind im großen Lauf der Sprachdinge sogar ziemlich unerheblich. Littger hat sich auf Pseudoanglizismen spezialisiert und erklärt der Welt regelmäßig, dass es blablalabertion im Englischen eigentlich nicht gibt und „wir“ uns „damit“ bei „Muttersprachlern“ lächerlich machen. Aber zum Glück gibt es dann diese Kolumne, in der sich Littger über die Englischkenntnisse anderer lustig machen kann und wir dann wissen, wie wir „Peinliches Pseudo-Englisch“ vermeiden können.
Nun sind sprachliche Nuancen immer potentiell problematisch, besonders bei interkulturellen Begegnungen. Nur ist die angebliche Lächerlichkeit, der wir uns im Ausland damit aussetzen, sicherlich sehr übertrieben. Die einsprachig englischen Muttersprachler/innen, die ich kennengelernt habe, sind es erstens gewöhnt, mit vielen Nicht-Muttersprachler/innen zu kommunizieren, zweitens sehr kooperativ, was das Verstehen ihrer Gesprächspartner/innen angeht und drittens angesichts ihrer eigenen Einsprachigkeit recht zurückhaltend, was die Abwertung der Sprachfertigkeiten ihres Gegenübers betrifft. Woher diese German Angst des Lächerlichmachens im englischsprachigen Raum kommt, ist mir unbegreiflich.
(Suz, Linguistik!)
Achsojamoment. Laut Bio unter seinen Artikeln beschäftigt sich Littger „mit seinen eigenen sprachlichen Unzulänglichkeiten“. Mir ist jetzt nicht so ganz klar, was das heißen soll. Sei’s drum. Aber weil er (und ich meine: wiederholt) behauptet, dass roundabout wie in roundabout drei Millionen Euro im Englischen nicht „ungefähr“, sondern „Kreisverkehr“ heißt, und das schlicht falsch ist, mache ich mich jetzt einfach mal über sein übersteigertes Fremdsprachenselbstvertrauen lustig. Kurz: dieses German Ego nervt nämlich langsam.
Natürlich heißt roundabout „Kreisverkehr“. Aber eben nicht nur.
Roundabout (‚Kreisverkehr‘) ist ein Nomen, round about (dt. ‚ungefähr‘) ein, nunja, nennen wir es vorübergehend Adjektiv. Littger behauptet, letzteres gäbe es im Englischen nicht. Machen wir’s kurz: natürlich gibt es round about im Englischen und auch genau in dieser Bedeutung.
Dazu hilft ein Blick ins OED, welches zwei große Bedeutungsbereiche liefert, nämlich eine konkret-räumliche und eine abstrakt-metaphorische. In beiden Verwendungen kann round about ‚um X herum‘, also kreisförmige Bezüge herstellen, oder ‚in der Umgebung/Nähe von‘ heißen, wo die Umkreisung des Bezugsobjekts nicht unbedingt „vollzogen“ sein muss.
- RÄUMLICH: (a) All around; in every surrounding direction; on every side. (b) In the vicinity, nearby; in a place or various places nearby.
- METAPHORISCH: (a) With reference to an amount, quantity, etc.: about, approximately; not much above or below; nearly. (b) With reference to time or a period of time: about; at approximately; some time near.
Die Tatsache, dass Kreisverkehr aus diesen möglichen Anwendungsbereichen von round about abgeleitet wurde, heißt im Umkehrschluss natürlich nicht, dass es die einzige Möglichkeit ist, dies zu tun. Jede erdenkliche Ableitung ist im Prinzip möglich, die sich mit ‚ungefähr‘, ‚dadrumrum‘, oder ‚um und bei‘ beschreiben ließe (und das tut round about bereits seit 1350). So ist es nicht besonders erstaunlich, mit round about einen Bezug zwischen zwei Größen herzustellen, wenn das Bezugsobjekt ORT, OBJEKT, UHRZEIT oder GELDBETRAG ist. Deshalb ist die These schon gewagt, dass round about GELDBETRAG eines deutschen Businesskaspers im englischsprachigen Raum nennenswertes Gelächter auslöste (abgesehen vom Geldbetrag vielleicht, der dann im Raum steht).
Beispiele gefällig?
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I think he said he was taking a trip down to the Orne bridges round about mid-day, and would like you to accompany him. [BNC]
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It was Elsie all right — the police seemed convinced of that — but she had died round about 1970, not 1934. [BNC]
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got Nimbus off the ground with an initial ‘joint development’ investment round about $1.5m. [BNC]
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there was a chantry priest worth £40 and two more with £20 each; their incomes were normal — round about £6 a year. [BNC]
Also selbst wenn die Verwendung von round about mit Geldbeträgen nicht üblich wäre, die Tatsache, dass es räumlich verwendet wird, ermöglicht die metaphorisch-zeitliche Verwendung. Dann ist es zur metaphorischen Verwendung mit (heute meist abstrakten) Geldbergen wirklich nicht weit. Die kognitive Distanz hingegen, die Muttersprachler/innen zurücklegen müssten, um von Deutschen bei roundabout einen „Kreisverkehr“ rauszuhören, ist relativ groß (abgesehen davon, dass es wegen der Wortklassen unplausibel ist). Dafür wären selbst peinlichkeitssuchende Muttersprachler/innen zu faul.
Typisches Pattern der Sprachbevormunder.
Ich erinnere mich an einen “Experten” im Fernsehen, der sich auf den “Chat” eingeschossen hatte und versuchte das Wort “Chatroom” a la Philipp von Zesen durch deutschtümelndes gewäsch wie “Plauderstube” zu ersetzen. Jedenfalls hatte sich der gute Mann in den Kopf gesetzt, dass wir Deutschen ™ das nun auch falsch aussprechen würden, weil bioenglisch sage man “schatt” und die “tschätt”.
Das englischsprachige Muttersprachler sich nicht über sowas lustig machen kann ich nur bestätigen. Zwischen Australien, Kanada, USA und GB gibt es so viele Idiome, dass sich kaum ein Englisch-Sprecher zu harte Urteile bei Fremden erlaubt.
“Jedenfalls hatte sich der gute Mann in den Kopf gesetzt, dass wir Deutschen™ das nun auch falsch aussprechen würden, weil bioenglisch sage man “schatt” und die “tschätt”.”
What
Wo sagt man “um und bei”? Mir ist das noch nie untergekommen.
@David:
Keine Ahnung, wo man “Bei” sagt (vielleicht im Pott?), aber hier in Bremen sagt man “um” und “umzu” und redet damit völlig normal.
Um’n Pudding = um den Block gehen, o.s.ä. und
Um Ulm umzu
http://www.bremen.de/einmal-umn-pudding-927848
http://de.wikipedia.org/wiki/Bremer_Dialekt
@David, Rolleau: Packung kostet um und bei 5 Euro, klingt für mich nicht regional gefärbt, anders als umzu in dieser Wendung mit Ulm da.
Bei Geldbeträgen völlig normal. Bei “um’n Kreisel umzu” höre ich Heimatschnack raus. 🙂
A ROUNDABOUT WAY OF MISSING THE POINT
Ihr Geschmacksurteil, meine Kolumnen http://www.spiegel.de/fluentenglish seien langweilig, ist Ihnen unbenommen. Wobei Sie damit die Latte für sich selbst recht hoch hängen. Was Sie schreiben, ist alles richtig, aber setzt sich gar nicht mit meiner Kritik auseinander, da ich von den Missverständnissen beschreibe, wenn man “roundabout” in einem Wort ausspricht. Sie hingegen schreiben über “round about”, also über 2 Wörter. Darüber habe ich mich nie nicht geäußert. Your text is a roundabout (kompliziert) way of missing the point, also: Pseudo Sprachkritik Kritik.
@Peter: Das Argument mit der Orthografie ist ein besonders schwaches — oder wie sprechen Sie round about in einem Wort aus? Ein „dargestelltes Leerzeichen“? Woher wissen Sie, ob Ihre — vermutlich gesprochenen — Quelle bei round_about ein Leerzeichen hatte? Wenn man diese Argumentation weiterverfolgt, messen Sie den Leerzeichen eine Bedeutung zu. Die Tatsache, dass roundabout (‚Kreisverkehr‘) zusammengeschrieben wird, ist nur ein Indikator dafür, dass es als semantische Einheit, als ein Lexem wahrgenommen wird; beim adverbisch verwendeten round about ist die orthografische Konvention die, es auseinander zu schreiben. So gesehen hab ich mich nur mit diesem Punkt nicht auseinandergesetzt, weil er bei Sprachgebrauch, Struktur und Bedeutung keine Rolle spielt. (Abgesehen davon: Menschen, die den Gebrauch von englischem Lehngut im Deutschen kritisieren und/oder den Sprachverfall des Deutschen beklagen, mögen die Tendenz der Getrenntschreibung überhaupt nicht. In diesem Fall, wenn also roundabout zusammengeschrieben wird, soll es plötzlich anders sein?)
Ego an Ego: Ich argumentiere nicht mit der Orthografie, sondern mit der Aussprache. Meine Kritik bezieht sich auf Menschen, die “roundabout” sagen, nicht “round” – Pause – “about” sagen wollen. Z.B. a “roundabout invest”. Das ist lustig, nicht dramatisch — und schon gar kein Grund für einen Streit!
Sorry, Sie machen die Aussprache aber an der Orthografie fest. Sie behaupten aufgrund der Schreibung, dass da eine Pause ist. Und dass Sie dann daraus schließen, dass das „lustig“ ist, entbehrt halt jeder Grundlage. Übrigens: Sie haben mich deshalb Stupid genannt. Das finde ich lustig.
Was mich wirklich an den Sprachnoerglerkolumnen stoert: Sie stellen “Fehlervermeidung” als wichtigsten Teil des Erwerbs der Fremdsprache dar. Und das ist einfach nur daneben. Selbst im beruflichen Umfeld ist es eben vollkommen egal ob hier oder da ein “he don’t” durchrutscht und auch mal “chef” statt “boss” erscheint. Das ist so egal. Das wichtigste ist, dass die Leute sich trauen miteinander zu sprechen und eben notfalls versuchen Dinge 3 mal zu erklaeren (statt verschreckt lieber garnichts zu sagen). In zweiter Linie ist es vielleicht noch praktisch wenn man sich ein paar kultureller Unterschiede bewusst ist (konventionen/hoeflichkeit).
Man erlebt immer wieder Leute, die im Abitur Shakespear gelesen haben, und eine grobe Vorstellung haben wie “whom” zu benutzen ist, aber sich nicht trauen nach der Rechnung zu fragen. Das ist das Problem.
Was die frage von round about und “roundabout” angeht: Meinem laienhaften Verstaendnis nach gibts in der Englischen Aussprache da keinen relevanten Unterschied. Englische und Deutsche Aussprache unterscheiden sich unter anderem im Luftfluss. D.h. wenn ich sage “rund umher” hab ich da zwischen den Worten eine Pause. Im Englischen (zumindest im kanadischen, dass ich kenne) eher nicht. Die Sache mit der Atmung ist auch dass, was die wenigsten Deutschen auch nach Jahren im englischsprachigen Ausland auf die Reihe bekommen. Th, Wortschatz, Satzbau ist alles noch recht gut erlernbar. Luftfluss/Melodie hapert oft, auch noch nach Jahren (zumindest bei mir, sagen meine Bekannten).
“Round about” “mit Leerzeichen” auszusprechen ist sicherlich abwegig, aber es scheint einen Unterschied in der Betonung zu geben. “roundabout” ist erstsilbenbetont, “round about” hat den Hauptakzent auf der letzten Silbe, jedenfalls wenn man dict.cc glaubt. Das war mir vorher tatsächlich nicht bewußt und ich hätte mir das aus der bloßen Schreibung auch nicht erschließen können, die Information wäre also durchaus interessant gewesen. Aber für Littger und die Leser seiner Kolumne ist sowas ja sicherlich offensichtlich.
Fies, diese Schreibungsache — die verleitet uns ja ziemlich oft dazu, Unterschiede zu hören, wo keine sind.
Normalerweise machen Leerzeichen im Englischen keinerlei Unterschied: Ob man jetzt per cent oder percent schreibt, ausgesprochen und benutzt wird das gleich.
In unserem Fall haben wir jetzt zwei Wortarten, Substantiv und Adverb/Präposition. Das Leerzeichen kann kein Grund für eine andere Aussprache sein — aber der andere kategoriale Status vielleicht schon. Wenn ich Peter Littger auf Twitter richtig verstanden habe, sieht er einen Unterschied im Akzentmuster, es könnte der sein, auf den David auch grade schon hingewiesen hat: róundabout (‘Kreisverkehr’) vs. roundabóut (‘ungefähr’). So steht das auch im OED, zum Beispiel. Ob es dem tatsächlichen Sprachgebrauch entspricht, weiß ich nicht, hier sind auch erstbetonte Adverben (oder die SprecherInnen haben das Wort für das Substantiv gehalten).
Ob die “Businesskasper”, von denen der Beleg stammt (ist er wörtlich oder ungefähr nachempfunden?) diesen Unterschied machen, lässt sich leider so schnell nicht herausfinden. Selbst wenn sie den Akzent aber anders setzen würden, hieße das nicht, dass sie von Kreisverkehren sprächen, sondern dass sie eben Nicht-MuttersprachlerInnen sind und eben mal den ein oder anderen Aussprache“fehler” machen.
Ihnen dann direkt zu unterstellen, sie sprächen von Kreisverkehren, finde ich etwas billig — der Kontext klärt ja in den meisten Fällen eindeutig, dass es um eine Schätzung geht. Ich vermute, dass das auch den meisten einsprachig englischen GesprächspartnerInnen klar ist — man will einander ja selten absichtlich missverstehen.
@wirrbel: Das dürfte der Glottisverschlusslaut sein, ein kleines Knacken, dass wir vor betonten Vokalen einfügen. Wenn jemand Deutschsprachiges round about liest und dann sehr genau aussprechen will, könnte es passieren, dass sie den Laut vor dem a einfügt. Das ist tatsächlich eine kurze Unterbrechung des Luftstroms (so wie bei t oder p).
Es gibt wohl doch mehr. Anscheinend werden die Wörter unterschiedlich silbifiziert: “roundabout” als “roun-dabout” und “round about” als “round-about”. Diese Silbifizierung scheint hier auch beim Beispiel “round about eight” vorzuliegen, das interessanterweise keine Endsilbenbetonung aufweist.
Die Silbifizierung läßt sich aber nicht eindeutig am Leerzeichen ablesen, auch wenn sie in diesem Fall gut dazu paßt, vgl. etwa die Aussprache von “wood ants” hier. Trotz des Leerzeichens scheint mir die Silbenstruktur dort “woo-dants” zu sein.
Noch als Hinweis: meine Ausführungen zu “round( )about” beziehen sich nur auf die Sprachbeispiele bei dict.cc. Ob die in ihrer Isolation den tatsächlichen Sprachgebrauch reflektieren, ist völlig unklar.
@Kristin: Danke für den Fachbegriff!
Die Aussprachevarietäten sind sicher interessant, ich glaube aber nicht, dass diese in der Kolumne gemeint waren.
Vermutlich sagen deutsche Muttersprachler und Vatersprachlerinnen “rounT about”, wenn sie’s zweiwörtrig aussprechen. Um das “d” richtig hinzukriegen, wäre die Aussprache “roun-da-bout” vorzuziehen. Doofe Entlautverhärtunk.
Ich stimme Ihnen insofern zu, dass das bei englischen Muttersprachlerinnen und Vatersprachlern vermutlich nicht zu Verwechslungen führt. Ob die sich trotzdem darüber lustig machen oder nicht, sobald sie unter sich sind, können Sie aber nicht wissen. Da es englischsprachige Comics gibt, in denen ein deutscher Akzent u.a. dadurch gekennzeichnet wird, dass das “w” durch “v” ersetzt wird, vermute ich mal, dass einige Englischsprachige einfach nur zu höflich sind, anderen ins Gesicht zu lachen.
“Ob die sich trotzdem darüber lustig machen oder nicht, sobald sie unter sich sind, können Sie aber nicht wissen.”
Ich könnte gelegentlich die Verwandtschaft fragen.
Ich muss auch immer über Leute lachen, die statt Spiegel SPIEGEL sagen.
Warum auch nicht, Lachen ist ja gesund.
“Packung kostet um und bei 5 Euro” — als deutscher Muttersprachler, der sein ganzes Leben im Ruhrpott gewohnt hat, möchte ich einwerfen dass ich diese Formulierung auch noch nie gehört habe und wohl als Fehler des Schreibers aufgefasst hätte. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich ohne den Kontext des Artikels die intendierte Bedeutung verstanden hätte. (Das “bei” löst in mir intuitiv eine Frage nach dem “wo” aus — bei Aldi? bei Rewe? oder wo?)
Weiß zufällig jemand genauer, wo das herkommt? Würde mich interessieren.
@Marcel: Ich hab mal im COW-Korpus nachgesehen. Die Beispiele, die es da gibt, lassen vorsichtig einen nord/nordwestdeutschen Schwerpunkt vermuten — um und bei, wie meine Flensburger Freunde zu sagen pflegen, für uns Nordlichter z.B. wäre NRW so um und bei 6 Stunden einfache Strecke — es gibt aber auch ein (vermutlich) Foreneintrag, wo jemand seinen Wohnort als um und bei Köln angibt (was nicht heißen muss, dass die Person auch aus NRW kommt). Wenn ich Zeit habe, schreibe ich da heute oder morgen noch was zu.
“wo jemand seinen Wohnort als um und bei Köln angibt (was nicht heißen muss, dass die Person auch aus NRW kommt).”
Vielleicht ein Pendler, der seine Freizeit auf dem Autobahnring verbringt?
Fragt die Holländer mal: die sagen ‘om en nabij’ für ‘ungefähr’. Wenn ich den Preis eines Gebrauchtwagens nicht genau kenne Sage ich ‚die kost om en nabij de 4000 Euro’.
Ah, ein fernwestliches Merkmal! Das wirds sein, danke! 🙂
Er schreibt nicht für den Spiegel, sondern für Spiegel Online.
[Danke, ist korrigiert. SF.]