Blogspektrogramm 14/2015

Von Kristin Kopf

Im heutige Spek­tro­gramm gehts um Deutsch als Fremd- und Zweit­sprache, das Wort anstelle, noch ein­mal um den Unter­schied zwis­chen expats und immi­grants, darum, ob fließende Sprach­be­herrschung möglich ist und darum, was can’t even so im Englis­chen macht.

  • Für PROGESS hat Vanes­sa Gaigg ein Inter­view mit İnci Dirim, Pro­fes­sorin für Deutsch als Zweit- und Fremd­sprache, geführt, die sich zum Beispiel zum Ver­bot ander­er Sprachen als Deutsch im Schu­lun­ter­richt oder auf dem Pausen­hof äußert: »Ich denke generell, dass die Pause für Erhol­ung und Gespräche zur Ver­fü­gung ste­ht. Dafür dass alle alle pri­vat­en Gespräche ver­ste­hen, beste­ht keine Notwendigkeit. […] Auch Lehrkräfte im Unter­richt müssen nicht alles ver­ste­hen kön­nen, das wäre ohne­hin auch mit dem alleini­gen Gebrauch des Deutschen nicht möglich – man schreibt sich z.B. Zettel und flüstert sich zu. Zudem gibt es viele gute Möglichkeit­en, die Mehrsprachigkeit für die Bil­dung von Schü­lerin­nen und Schülern einzuset­zen. […] Ein Ver­bot ist keine päd­a­gogis­che Maß­nahme.« (via @JollySea)
  • Mit stiefmüt­ter­lich behan­del­ten Wor­tarten befasst sich Michael Mann im LEXIKOGRAPHIEBLOG: Warum hält der Duden anstelle für eine Prä­po­si­tion und für ein Adverb gle­ichzeit­ig? Und wie logisch ist das?
  • Kür­zlich haben wir hier im Spek­tro­gramm einen kurzen Text zu expats und immi­grants emp­fohlen — Nic Sub­tire­lu hat sich das Ganze auf LINGUISTIC PULSE ein­mal kor­puslin­guis­tisch angeschaut: »If it is accept­able for those we label expats to main­tain their dif­fer­ence from their host coun­tries, then it seems hyp­o­crit­i­cal to sug­gest that those we label immi­grants should cast off their lan­guages, cul­tures, and con­nec­tions to their coun­tries of ori­gin.« (via @replicatedtypo)
  • Fließend Englisch oder Deutsch sprechen — für Mut­ter­sprach­lerIn­nen doch kein Prob­lem? Wohl, find­et Noah Harley auf BABBEL, und mehr noch, das ganze Konzept ist daneben: »No one will ever be com­plete­ly flu­ent in a lan­guage like Eng­lish, which is spo­ken in so many dif­fer­ent ways by so many dif­fer­ent peo­ple, and is used to describe so many dif­fer­ent spheres of activ­i­ty. You may be a native Eng­lish speak­er, but that does not mean you will under­stand an 80-year old bus dri­ver from Scot­land describ­ing the ter­ri­ble weath­er they had 50 sum­mers ago, or a pro­fes­sor in alge­bra­ic topology.«
  • Wie kommt es, dass die umgangssprach­liche englis­che Äußerung I can’t even kein par­al­le­les I can even hat? Gretchen McCul­loch beleuchtet das auf MENTAL FLOSS: »What’s up with these sen­tences? Even, and its friends ever and any, are a type of word known as a Neg­a­tive Polar­i­ty Item (NPI). They work with a sen­tence that’s already got a neg­a­tive in it and make it even more neg­a­tive, but they just don’t sound right in the pos­i­tive ones. You can think of them like the glass-half-emp­ties of grammar.«

5 Gedanken zu „Blogspektrogramm 14/2015

  1. Pingback: Umleitung: Von Bismarck über Haltern nach Griechenland uns dann ins Freibad Neheim | zoom

  2. David

    Ich habe nochmal nachge­se­hen, weil mich inter­essiert hat, ob die Auf­fas­sung, daß “even” ein NPI sei, ander­swo schon vertreten wor­den ist, und bin auf dieses Paper gestoßen: http://www.lingref.com/cpp/wccfl/25/paper1460.pdf

    Auf Seite 289 erfährt man, daß in der Forschung teil­weise eine Mehrdeutigkeit von “even” angenom­men wurde, nach der es auch ein NPI dieser Form gibt. Der Grund ist, daß in (1a) “John read Ulysses” als unwahrschein­lich­ste Propo­si­tion aus ein­er bes­timmten Alter­na­tiven­men­gen aufge­faßt wer­den muß, in (1b) aber als die wahrscheinlichste. 

    (1)
    a. John even read Ulysses
    b. John did­n’t even read Ulysses

    Man kann das aber auch dadurch erk­lären, daß “even” in (1b) die Nega­tion im Sko­pus haben muß. Wenn p die unwahrschein­lich­ste Propo­si­tion aus ein­er Menge M ist, dann ist es auch die wahrschein­lich­ste aus der Menge {nicht p | pϵM}.

    Die Argu­mente gegen diese The­o­rie, die auf Seite 289 ange­führt wer­den, erscheinen mir nicht schla­gend, und vor allem das Argu­ment daß die nötige LF-Bewe­gung komisch sei, greift nur, wenn man denn über­haupt LF-Bewe­gung annimmt, um Sko­pus­ef­fek­te zu erklären. 

    (Das Paper selb­st ver­tritt zudem wohl auch eine Form der Sko­pus­the­o­rie, aber ich habe es bis jet­zt nicht weit­er gelesen.)

    Ein unzwei­deutiges NPI wie “ever” ist “even” aber auf keinen Fall.

    Antworten
  3. Daniel

    Frau Dirim erweckt den Ein­druck, dass Deutschge­bot sei vor allem einge­führt wor­den, damit alle und nicht zulet­zt die Lehrer alles ver­stün­den. Ich glaube kaum, dass das der Grund war.

    Schon vor zehn Jahren wurde das an der Her­bert-Hoover-Schule in Berlin einge­führt. Der Grund war aber ein ganz ander­er: Die Deutschken­nt­nisse der Schüler zu verbessern, damit sie leichter einen Aus­bil­dungsplatz find­en kön­nen. So neben­bei soll es dort viel friedlich­er gewor­den sein, weil sich die Kinder bess­er untere­inan­der ver­ständi­gen kön­nen. Die Maß­nahme sei gemein­sam mit Eltern- und Schülervertretern beschlossen worden.

    Darüber empört hat­ten sich offen­bar vor allem türkische Zeitun­gen und Organ­i­sa­tio­nen. 2006 bekam die Schule für die Maß­nahme den Nationalpreis.

    Der Artikel http://www.morgenpost.de/politik/inland/article1394881/Wie-die-Tuerken-das-Deutsche-wieder-verlernten.html beleuchtet etwas die The­matik. “Wesentliche Inte­gra­tionser­folge gin­gen wieder ver­loren. Da sich die arbeit­slosen Jugendlichen fast auss­chließlich in der türkischen Par­al­lelge­sellschaft bewegten, schrumpften ihre Deutschken­nt­nisse wieder. Im Jahr 2001 warnte eine Bil­dungsstudie, dass 60 Prozent der Zuwan­der­erkinder nicht ein­mal ein­fach­ste deutsche Sätze verstünden.”

    Inwieweit das die Sit­u­a­tion in Deutsch­land oder Öster­re­ich kor­rekt wider­spiegelt, weiß ich nicht. Ich denke aber, dass man mehr auf die Kinder hören sollte als auf Poli­tik­er, Organ­i­sa­tio­nen und Experten.

    Antworten
  4. Rollo

    Zu “can’t even”: 

    Wie ist das eigentlich mit “ain’t”? Das ist doch eine alter­na­tive Form von “is not” oder? Gibt es eine par­al­lele Form dazu (abge­se­hen von “is”)? Sor­ry, bin kein Fachmann.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.