Dies ist ein Beitrag, den ich ungefähr ein Jahr lang bewusst nicht geschrieben habe, obwohl es mich manchmal in den Fingern gejuckt hat. Es geht um das Kleine Etymologicum und wie ich darin mit Menschen umgehe. Es geht um Langobardinnen, die auch männlich sein können. Es geht um … (Achtung, Reizwort!) … geschlechtergerechte Sprache.
Viele Leute kennen die Fußnote auf Seite 11, selbst wenn ihnen das Buch offensichtlich unbekannt ist (Achtung, Link geht zur Jungen Freiheit!) — ich rufe kurz in Erinnerung:
Bei generischer Verwendung von Personenbezeichnungen (wenn keine konkreten Individuen gemeint sind) wird in diesem Buch die weibliche oder die männliche Form gebraucht. Die Zuweisung erfolgt per Zufall, über eine randomisierte Liste. Gemeint sind aber immer alle Menschen, egal welchem Geschlecht sie sich zugehörig fühlen (oder ob sie das überhaupt tun). Auch die Fälle, in denen unklar war, ob beide Geschlechter gemeint sind, wurden großzügig den generischen Bezeichnungen zugeschlagen. Sie werden im Folgenden also auf Vorfahrinnen, Griechinnen, Lexikografinnen … stoßen, die alle Nicht-Frauen mitmeinen – und auf Ahnen, Goten und Sprachwissenschaftler, die die Nicht-Männer einschließen.
Für die Reflexempörten aus dem Link schreibe ich nicht — ich schreibe für diejenigen Leserinnen und Leser, die mir in den vergangenen Monaten E‑Mails und Briefe (und erstaunlich oft an E‑Mails angehängte Briefe) geschickt haben. Sehr höfliche Nachrichten waren das, durchgehend, mit vielen interessanten Anmerkungen, viel Lob, gelegentlich mal mit Hinweisen auf Tippfehler (in der vielfach verbesserten 2. Auflage fast alle ausgemerzt, herzlichen Dank!) und am Ende dann gelegentlich mit der Frage, warum ich Passagen wie die folgende geschrieben habe:
Zur Zeit der Völkerwanderung (ungefähr 400 bis 700 nach Christus) siedelten germanische Völker im Römischen Reich. Im späteren Italien waren das die Langobardinnen, die auf Seite 176 noch ihren Auftritt haben werden, in Südengland die Angeln und die Sächsinnen, die dort das spätere Englisch begründeten, und in der Gegend um Worms ließen sich die Burgunderinnen nieder, in deren Mitte, so erzählt uns die Legende, wenig später ein folgenschwerer Streit um Ehre und sozialen Rang ausbricht und in einem Blutbad endet. Möglicherweise haben Sie es erkannt: Es handelt sich um den Stoff des Nibelungenliedes.
Darauf will ich heute endlich antworten.
Warum überhaupt?
Häufig wird vorgeschlagen, doch einfach die männlichen Formen »generisch« zu verwenden, das heißt, mit der Form alle Menschen zu bezeichnen, egal welchen Geschlechts. Dieses generische Maskulinum ist aber trügerisch: Man kann felsenfest davon überzeugt sein, wenn von Lehrern und Rechtsanwälten die Rede ist, auch Frauen vor seinem inneren Auge zu sehen. Überprüft man aber experimentell, was da unbewusst abläuft, wird schnell klar, dass unser Gehirn die Frauen, die in den männlichen Bezeichnungen stecken sollen, quasi immer ignoriert. Das generische Maskulinum funktioniert nicht generisch. Details dazu hat Anatol im Sprachlog immer wieder aufgeschrieben, hier zum Beispiel.
Wenn man ein Sachbuch über Sprache schreibt, lässt es sich kaum umgehen, auch Menschengruppen zu erwähnen — andernfalls entstünde der Eindruck, Sprache sei ein vom Sprechen völlig losgelöstes Phänomen, und das wäre fatal. Man muss also zwangsläufig Position beziehen. Es gibt keine neutrale Lösung, man kann im Deutschen nicht nicht über Geschlecht sprechen: Dadurch, dass zwei Geschlechter (Mann, Frau) an zwei grammatische Kategorien (maskulin, der; feminin, die) gekoppelt sind, muss ich mich permanent entscheiden. ((Um nicht nur, dass ich mich entscheiden muss: Ich habe auch keine Möglichkeit, sprachlich zu markieren, dass die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht gar nicht so zweifelsfrei ist, wie wir im Alltag meist annehmen — dass manche Menschen vielleicht weder als Mann, noch als Frau gesehen werden wollen, oder als beides. Daher in der Fußnote die Formulierung »egal welchem Geschlecht sie sich zugehörig fühlen (oder ob sie das überhaupt tun)« und später Nicht-Frauen und Nicht-Männer statt Männer und Frauen. Eine ganz zufriedenstellende Lösung ist das für mich nicht, aber ich habe keine bessere gefunden.))
Das generische Maskulinum wollte ich also nicht nehmen, weil es nicht funktioniert. Ich habe mir eine Reihe von Möglichkeiten überlegt, zum Beispiel auch LangobardInnen, Langobardinnen und Langobarden oder Langobard_innen.
Warum so? Und was sagt der Verlag dazu?
Der sagte gar nichts groß dazu. Ich habe das Thema schon sehr früh angesprochen, weil ich zähe Kämpfe befürchtet hatte — und dann lief das ungefähr so ab:
Ich: »Ich hatte Ihnen ja geschrieben, dass ich gerne irgendeine Art von geschlechtergerechter Sprache verwenden würde und ein paar Vorschläge gemacht, was meinen Sie dazu?«
Lektor: »Ja, also immer beide Formen zu nehmen, das kostet zu viel Platz und ist auch umständlich zu lesen. Das mit dem Binnen‑I finde ich in einem Sachbuch nicht schön, das sieht so nach Gebrauchstext aus und der Unterstrich ist schon sehr speziell.«
Ich: »Hm, ja, kann ich gut nachvollziehen. Ich hatte ja noch als Option, die Formen einfach abzuwechseln …«
Lektor: »Ja, das finde ich eigentlich am besten. Machen wir es doch so!«
Und so haben wir es dann gemacht.
Ich hatte in der Erstfassung übrigens viel weniger Personenbezeichnungen drin — viele Passagen hatte ich abstrakter formuliert, um das Problem ganz zu umgehen (z.B. römische Bevölkerung). Das kam aber beim Korrektorat nicht so gut an, weil es sich zu unpersönlich las — und so sind die Keltinnen und die Römer wieder eingewandert.
Woher soll man denn dann wissen, wann es nur um Frauen geht?
Dass die Formen nun nichts mehr darüber aussagen, ob eine Gruppe aus Männern oder aus Frauen besteht, ist ja nicht neu: So ist ja auch die Idee des generischen Maskulinums. Schauen wir mal den Wikipediatext zum römischen Bürgerrecht an:
Das römische Bürgerrecht (lateinisch civitas Romana) war in der Antike zunächst das Bürgerrecht der Einwohner der Stadt Rom.
Sind das nun generische oder männliche Einwohner? Später im selben Artikel heißt es:
Bürgerrechte wurden im Reich normalerweise durch Geburt (also als Sohn eines römischen Bürgers) oder durch Verleihung vergeben.
Das sieht so aus, als sei wirklich nur von Männern die Rede. Sucht man weiter, dann stellt sich irgendwann raus, dass auch Frauen das Bürgerrecht haben konnten, allerdings nicht dieselben Privilegien. Große Verwirrung!
Im Etymologicum hingegen ist das meist nicht so schwierig: Wenn der Kontext nicht spezifiziert, dass es nur um Frauen oder nur um Männer geht, dann ist es schlicht nicht wichtig — es geht um Menschen. Und der Kontext spezifiziert, wo nötig! Ein beliebiges Beispiel:
In der Folge wendete man sich mit Fräulein außerdem an berufstätige Frauen in der Dienstleistungsbranche, zum Beispiel Telefonistinnen (das Fräulein vom Amt) und Kellnerinnen (Fräulein? Können wir zahlen?) – also Frauen, die besonders oft angesprochen wurden und bei denen man aufgrund ihrer Jugend Fräulein als angemessene Anrede empfand.
Hier kann wirklich niemand darüber in Zweifel geraten, dass Männer nicht mitgemeint sind. Dagegen ist es hier etwas unklar, ob Frauen auch mitmachten:
[…] als Cäsar Gallien eroberte, tat er das nicht als Ein-Mann-Heer, sondern in erster Linie seine Soldaten – eine nicht nur sprachliche Unterschlagung, wie schon Bertolt Brechts lesendem Arbeiter auffiel: »Cäsar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?«
Ich habe die Stelle letztlich, nach einiger Lektüre über das römische Reich, als nicht-generisch gewertet und diese Soldaten nicht in die Zufallszuweisung einbezogen — aber das nicht thematisiert. Das ständige Abwägen und Kompromissefinden wurde beim Schreiben zur zweiten Natur und ist eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte.
Das ganze Buch ist voll davon …
Ich habe die Stelle oben ausgewählt, weil sich die Personenbezeichnungen darin häufen — die meisten Passagen enthalten bedeutend weniger von ihnen, insgesamt kommen grade mal 60 generische Feminina im ganzen Buch vor, plus ca. 60 generische Maskulina. ((Die Maskulina lassen sich mit der Durchsuchen-Funktion nicht so leicht checken, weil die ja nicht auf -in(nen) enden. Es könnten also auch 59 oder 61 sein.)) Von ungefähr 56.800 Wörtern im Textteil. Ziemlich genau ein Promille generische Feminina.
Da stolpert man doch beim Lesen drüber!
Obwohl es zahlenmäßig gar nicht so viele weibliche Formen sind, fallen sie auf und viele von uns stocken beim Lesen kurz. Ich auch.
Das ist aber kein Bug, sondern ein Feature: Es stört die Lesegewohnheiten und macht dadurch darauf aufmerksam, dass es da ein Problem gibt. Ein gesellschaftliches Problem, das sich aber in Sprache so massiv niederschlägt, dass man nicht schreiben kann, ohne dazu Stellung zu beziehen.
Man stolpert also sechzigmal. Manche fallen schon beim ersten Mal so böse hin, dass sie vor lauter Aua nicht mehr weiterlesen können — das kann ich ehrlichgesagt nicht ernstnehmen. Manche lesen weiter und empfinden die generischen Feminina als Schönheitsfehler in einem ansonsten lesenswerten Buch — das finde ich schade, und darum dieser Beitrag. Und manche lesen weiter und freuen sich am Stolpern, aber denen muss ich meine Motivation ja nicht mehr erklären.
Ist das nicht Geschichtsrevision?
Immer wieder habe ich Hinweise zu einzelnen Formen bekommen — gab es im 19. Jahrhundert wirklich Lexikografinnen? Wurde England nicht von Männern erobert und beherrscht?
Ja, es gab Lexikografinnen im 19. Jahrhundert. Die deutsche Wikipedia kennt zum Beispiel Henriette Michaelis und Sophie Pataky — und es gab natürlich noch weitere Frauen, die an Wörterbuchprojekten oder Lexika mitgearbeitet haben, aber nicht so bekannt geworden sind. Aus solchen Überlegungen heraus entstand dann der Fußnotensatz
Auch die Fälle, in denen unklar war, ob beide Geschlechter gemeint sind, wurden großzügig den generischen Bezeichnungen zugeschlagen.
Und dennoch habe ich mich verpflichtet gefühlt, den Geschlechterzusammensetzungen bei jeder einzelnen Personenbezeichnung genau nachzugehen — ich habe neben Lexikografinnen im 19. Jahrhundert und vielem mehr auch eine englische Herrscherin im Mittelalter ausgegraben, die nur ein paar Monate an der Macht war, hm, zählt das jetzt oder nicht? Und ist einem Zusammenhang, in dem es bei Herrscherinnen offensichtlich um eine herrschende Schicht geht, nicht sogar egal, welches Geschlecht die oberste Person hatte, weil insgesamt sehr viele offen und verdeckt an Fäden zogen?
Die Tatsache, dass ich überhaupt recherchiert habe, die Tatsache, dass das währenddessen (vom Korrektorat) und im Nachhinein (von LeserInnen ebenso wie von NichtleserInnen) auch immer wieder von mir eingefordert wurde, und die Tatsache, dass dabei jedes Mal die Frage aufkommt, ob die gefundenen Frauen »ausreichen«, ist schon sehr aussagekräftig: Ob Frauen dabei waren, muss erst einmal nachgewiesen werden, vorher gehen wir davon aus, dass Geschichte von Männern gemacht wurde.
Wir wissen, dass die Emanzipation der Frau ein relativ modernes Phänomen ist — und gehen dann automatisch davon aus, dass Frauen davor nie und nirgends eine Rolle gespielt haben. ((Vielleicht mal abgesehen von Johanna von Orléans. Und Kleopatra. Und dann gab es doch noch diesen historischen Roman mit der Päpstin …)) Wenn wir doch irgendwo Frauen entdecken, wundern wir uns. Mich eingeschlossen. Und das finde ich sehr traurig.
Die Römerinnen, die Germaninnen und die Keltinnen, also Bezeichnungen, die ein ganzes Volk umfassen, wirken auf viele Leserinnen und Leser besonders befremdlich, obwohl sie nicht bestreiten, dass hier auch Frauen dazugehören. Ich könnte mir vorstellen, dass das auch daran liegt, wie uns Wissen über diese Zeit normalerweise vermittelt wird. Wie sehen Germanen aus? So. Wikinger? So. Urmenschen? So. Wer lebt in einer Ritterburg? Die hier. Gabs im Mittelalter Frauen? Mhm, die musste man vor Drachen retten.
Muss man das in einem Buch verhandeln, in dem es gar nicht um Geschlechtergerechtigkeit geht?
Für mich führte kein Weg daran vorbei. Nicht weil ich meine Leserschaft ärgern will, oder belehren oder umerziehen oder was auch immer — wobei überzeugen schon cool wäre! –, sondern weil ich persönlich nicht dazu beitragen will, bestimmte Menschengruppen sprachlich unsichtbar zu machen. Das ist etwas, das sich konsequent durch meinen Alltag zieht, etwas, für das ich in jedem Gespräch neue Lösungen suche, um das ich mich mal stärker und mal weniger bemühe, aber nie nicht. Warum sollte ich es also in einem Buch nicht tun? Weil sich jemand daran stören könnte? Dann doch grade!
Ich habe vorhin gesagt, dass ich diesen Beitrag lange Zeit nicht schreiben wollte. Das lag zum einen daran, dass Gespräche über das Thema oft völlig unfruchtbar sind, gerade im Internet. Dass ein Text da oft gar nicht gelesen wird, sondern einfach eine spontan-assoziative Reaktion zum Thema in der Kommentarspalte gepostet wird, vom Tonfall will ich gar nicht erst reden. Darauf hatte ich keine Lust, denn davon habe ich mir für keine der Seiten irgendwelche Erkenntnisse versprochen. Zum anderen wollte ich mich nicht rechtfertigen — das halte ich für unnötig –, und ich wollte das Buch nicht auf diesen Aspekt reduzieren.
Warum habe ich es mir jetzt anders überlegt?
Zum einen ist das Buch mittlerweile schon ne ganze Weile raus, und wenn man die Amazonrezensionen liest oder sonstwo rumgoogelt, tauchen die 60 generischen Feminina sofort auf. Viele Leute reduzieren es also sowieso schon. Zum anderen, und das klang eingangs bereits an, will ich den Menschen antworten, die einem solchen Verfahren zum ersten Mal begegnet sind und die sich darüber wundern. Und auf deren Meinung bin ich jetzt auch sehr gespannt!
Ich verwende selbst gern das generische Femininum, wenn es sich anbietet, hier und da schreibe ich auch beide Geschlechter aus, von der Variante mit Binnen‑I ist mir die mit Sternchen am liebsten. Nicht jeder Text ist gleich und ja nach Umfang und Publikum erscheint mir die eine oder andere Variante am passendsten. Die Idee zufällig, aber gleichverteilt, das generische Maskulinum oder Femininum zu verwenden, gefällt mir gut. Es ist nicht so radikal wie ausschließlich das generische Femininum zu verwenden (man stolpert nur halb so oft 😉 ) und bildet die gesellschaftlichen Zahlenverhältnisse besser ab. Danke für die Anregung. 🙂
Der Ansatz ist aus pädagogischen Gründen zwar interessant.
Aber Sprache sollte ein Maximum an Information übertragen, also muss man zwangsläufig angeben, ob man ein einziges Geschlecht meint oder beide.
Wenn also von Gruppen die Rede ist, muss man entsprechende Wörter verwenden: keltische Gruppen, das keltische Volk, keltische Mitglieder, die keltische Einwohnerschaft.
Wir werden uns aus diesem Grunde auch an Partizipien gewöhnen müssen: keltisch Sprechende, keltische Einwandernde, keltische Herrschende.
Was spricht denn dagegen, außer ein bisschen alter Gewohnheit?
Ich finde es grundsätzlich richtig, über Dinge nachzudenken und das, was man als falsch erachtet, versucht zu verbessern. Zu den von Ihnen gebrauchten randomisierten generischen Feminina beschleichen mich Zweifel, und zwar aus folgenden Gründen:
Sie schreiben, das generische Maskulinum funktioniere nicht, und das sei zigmal von Herrn Anatol nachgewiesen. Die verlinkten Untersuchungen haben aber m.E. erhebliche methodische Mängel, zudem ist nirgends untersucht, ob das generische Maskulinum nicht genau deshalb nicht richtig funktioniert, weil seit einiger Zeit die Doppelformen überwiegen.
Ich weiß nicht, ob das generische Femininum (ohne vorherige Erklärung) funktioniert oder ob es dazu anständige Untersuchungen gibt, ich “sehe” bei “Langobardinnen” jedenfalls ausschließlich Frauen und keine Männer (aber gut, ich bin natürlich nur eine sehr kleine Versuchsgruppe), während ich bei “Langobarden” — je nach Zusammenhang — verschieden zusammengesetzte Gruppen sehe, und zwar in etwa abhängig davon, wie ich mir die tatsächlichen Verhältnisse vorstelle. Ist von Kampf die Rede, sehe ich eher Männer, beim Kochen sehe ich eher Frauen, und wenn von Wohnortwechsel die Rede ist, sehe ich Männer, Frauen, Kinder, Hunde, Schafe etc.)
Das generische Maskulinum mag im Deutschen nicht mehr 100%ig funktionieren (in Italien, wo ich lebe, funktioniert z.B. “i signori passageri” noch sehr gut), würde man es aber jeweils im Vorwort erklären, wäre es m.E. weniger stoppelig als Ihre Lösung.
Sie haben irgendwo auch einmal geschrieben, Sie würden sich über Vorschläge freuen, hier ist meiner (wirklich ernst gemeint, auch wenn ich ein “eingeführtes” generisches Maskulinum vorzöge): wie wäre es — analog zu “bei Hempels unterm Sofa” — mit “Langobardens” und “Römers”, und wenn man einen geschlechtsneutralen Singular braucht, sagt man “das Römer”.
Am letzten Freitag war ich bei meinem Verlag und habe es quasi klar gemacht, dass es zu einem Buch kommen wird, das genderkritische Aufsätze in einer Art Sammelband präsentiert. Das meiste — aber nicht alles! — da wird den Lesern und Leserinnen, die die Autorin Kristin Kopf ausdrücklich loben, gar nicht gefallen. Ich möchte diese Kolumne heute nun dazu nutzen, um mich trotz des zu erwartenden Buches als einer outen, der die Technik des fem-mask-Abwechselns als etwas Erfrischendes und Positives empfunden hat. Ich glaub’ halt nur nicht, dass sich das durchsetzt.
@Wentus:
“Aber Sprache sollte ein Maximum an Information übertragen, also muss man zwangsläufig angeben, ob man ein einziges Geschlecht meint oder beide.”
Hier halte ich schon die Prämisse für falsch. Warum “sollte” Sprache das tun?
Und wenn man dann weiterdenkt: Warum ausgerechnet die Information Geschlecht, aber nicht die Information Alter, ethnische Zugehörigkeit, Religion, sexuelle Orientierung, …? Das ist doch Zufall!
Zum Vorschlag, von keltischen Gruppen etc. zu sprechen, habe ich mich im Text geäußert:
“viele Passagen hatte ich abstrakter formuliert, um das Problem ganz zu umgehen (z.B. römische Bevölkerung). Das kam aber beim Korrektorat nicht so gut an, weil es sich zu unpersönlich las”
Dazu kommt ein weiteres Problem: Sobald neutral formuliert wird, sodass der Faktor Geschlecht ganz draußen bleibt, denken wir in Stereotypen, und haben dann wieder Bilder wie auf den Was-ist-Was-Covern im Kopf. Das zeigen z.B. Untersuchungen für das Englische, wo es ja kein Genus gibt. Das Problem wäre also auf der sichtbaren Ebene umgangen, aber nicht gelöst. (Ebenso haben wir das Problem auch mit anderen Faktoren, die wir nicht — oder selten — sprachlich kodieren.)
@Detlef Schnittke:
Zum Thema “nur Frauen sehen”: Das ist ja das, was ich als “Stolpern” bezeichnet habe. Sie lesen das, dann fragen Sie sich, warum denn nur Frauen dasunddas gemacht haben sollen, und dann merken Sie, dass da auch Männer mitgemeint sind. Das funktioniert natürlich nur so lange, wie das generische Femininum nicht etabliert ist. Ich sehe weder das generische Maskulinum noch das generische Femininum als langfristig befriedigende Lösung an — für den Moment klappt das generische Femininum aber als Irritation. Ich selbst sehe da in der ersten Sekunde auch Frauen.
Warum das generische Maskulinum nicht funktioniert, hat sicher mehrere Gründe. Zum einen, klar, ist es total problematisch, Männer und Männer-und-Frauen gemeinsam zu kodieren, das habe ich ja im Text angesprochen, mit dem römischen Bürgerrecht etc.
Wenn wir die Frauen nun nicht nur kognitiv, sondern auch explizit aus den maskulinen Formen “herausnehmen”, beziehen die sich wahrscheinlich schon noch stärker nur auf Männer. Ich weiß aber nicht, ob das so eine dumme Sache ist.
Der Vorschlag mit den Römers etc. wurde in dieser oder ähnlicher Form schon öfter gemacht und ich finde ihn auch bedenkenswert — das wäre aber ein sprachlicher Eingriff gewesen, den der Verlag garantiert nicht akzeptiert hätte.
Ich bin eigentlich eher ein Fan des Gender-Sternchens, aber die (für mich neue) Idee mit der randomisierten Liste ist auch eine schöne Lösung. Wenn man sich ansieht, was für hasserfüllte Reaktionen der teilweise Gebrauch des generischen Femininums auslöst, kann man nur hoffen, dass in Zukunft noch mehr Autor*innen darauf zurückgreifen.
@Wentus: Sprache sollte nicht ein Maximum an Information übertragen, sondern ein Minimum, nämlich gerade so viel wie nötig. Speziell wenn es nicht darauf ankommt, welcherlei Geschlechts die Personen sind, muß im Geiste von Antoine de Saint-Exupéry gelten: „eine Sache ist erst dann perfekt, wenn man nichts mehr weglassen kann”. Wozu also immer wieder die Sätze mit der trivialen Information aufblähen, daß es Männer und Frauen gibt?
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Aber bei “Langobarden” wird doch eine ethnische Herkunft angegeben: “Langobarden”. *g
Abwechselnde Geschlechter, da es ja vorher angekündigt wurde, stellt ja kein Problem dar (für mich jedenfalls); in Fällen, wo eine Aussage über langobardische Männer i.Allg. oder langobardische Frauen i.Allg. gemacht wurde, ist das vermutlich anders kenntlich gemacht worden.
Trotzdem möchte ich einwenden:
Generisches Maskulinum kann höchstens bei generischen Gruppen funktionieren, also, wenn allg. oder abstrakt über Langobarden geredet wird.
(“Die Sozialarbeiter gehen durch den Bahnhof.” ist mMn deshalb _kein_ generisches Maskulinum, weil da wohl eine konkrete Gruppe Sozialarbeiter gemeint ist, und nicht, dass es zu den typischen oder häufigen Tätigkeiten der Sozialarbeit gehöre, durch den (= einen konkreten) Bahnhof zu gehen. Dass das nicht als generisch wahrgenommen wird, beweist nicht die Wirkungslosigkeit des generischen Maskulinums an sich.)
Wenn von “Langobarden” die Rede ist, ist für mich die Frage, ob im Einzelfall bestimmte Langobarden gemeint sind (die ich dann für männlich hielte), oder das langobardische Volk (das ich dann für gemischt hielte).
Ja, da waren auch Frauen, Kinder und Leibeigene dabei, und einige “Langobarden” waren keine langobardischen Muttersprachler oder Vatersprachlerinnen, sondern z.B. Sachsen oder Gepidinnen.
Und einige waren wohl auch alt und/oder (heimlich) homosexuell. Kann man sich teils denken, teils nachlesen.
Um es nicht dem Zusammenhang zu überlassen, ob mit “Langobarden” alle Angehörigen des fraglichen Volkes gemeint seien, oder nur die männlichen (freien, langobardisch-sprechenden, heterosexuellen, katholischen???), oder eine bestimmte Gruppe davon, schlage ich der Einfachheit vor, für generische Zwecke konsequent “das Volk der Langobarden” oder “langobardische Volk” oder dergleichen zu verwenden.
Nebenbei täuscht eine geschlechtergerechte Formulierung im Falle der Langobarden deutlich mehr Geschlechtergerechtigkeit vor, als tatsächlich vorhanden war. Irgendwie war es damals ja schon Vatertag — die Langobarden sagten, wo es lang ging, und ihre Frauen, Kinder, Leibeigenen, Sklavinnen und Sklaven und Haustiere kamen mit. Traurig genug, aber kein Grund, es sich schönzureden.
Hallo,
ich frage mich, ob “die Männer” kraft Plural nicht überhaupt schon sprachlich feminin sind. Ich bin allerdings kein Sprachwissenschaftler. Weißt Du, woher das Plural-Die kommt?
@Mycroft: Ich weiß leider viel zu wenig über die Gesellschaftsstrukturen in germanischen Völkern, um da vernünftig argumentieren zu können — aber selbst wenn die Frauen “halt mitmussten”, waren sie dabei und benutzten die Wörter, um die es im Buch geht …
@Kai: Mhm, der Punkt wird immer mal wieder aufgebracht — dazu findest Du einige Überlegungen hier.
Ich finde Gendern im Text immer optisch sehr problematisch — Sonderzeichen, Binnen‑I und andere Dinge hauen massiv raus, gerade wenn man sich z.B. in einem Sachbuch ohnehin schon besonders konzentriert.
Immer wieder schreien die Menschen nach Lösungen — das Ganze abwechselnd zu gestalten, ist eine Lösung, die so einfach und plausibel auf mich persönlich wirkt, dass ich staune, wieso man nicht früher darauf gekommen ist.
Gefällt mir als Ansatz eigentlich sehr gut 😀
(Wobei ich mich mit der Genderdebatte und bewussterem Sprechen erst seit vielleicht zwei Jahren befasse und dabei mich im Alltag öfter checke, aber natürlich auch nach ästhetischeren Lösungen für Alltag und Literatur schaue)
Gibt es eigentlich kein deutsches Donotlink? Irgendwie ärgert es mich, dass hier einem Schundblatt wie der “Jungen Freiheit” (dank des Links im Text, auf den ich aus morbider Neugier geklickt habe) Traffic zugeführt wird.
@Ospero: Sorry, habe eine Warnung eingefügt.
@Evanesca: das ist reine Gewöhnungssache. Ich habe auf der Arbeit z.B. seit zwei Jahren angefangen, konsequent die Schrägstrich-Schreibweise zu benutzen und stolpere inzwischen jedesmal drüber, wenn irgendwo was NICHT gegendert ist. Da gewöhnt man sich schnell um.
Frau Kopf, ich verstehe ja Ihre Absicht. Sicher gibt es Menschen, die z.B. bei “Bergleuten” ausschließlich an Männer denken.
Ich möchte nur darauf hinweisen, dass
1.) jemand, der (oder vllt. auch die) es ernsthaft für möglich hält, dass nicht nur ein Berufsstand, sondern ein ganzes Volk nur aus Männern bestehen könnte, mMn derartig weltfremd ist, dass solche subtilen Hinweise daran wohl auch nicht viel ändern. Im Unterschied zu Berufsbezeichnungen wie Lexikografinnen.
und
2.) dass eben eine gleichberechtigte Erwähnung von Männern und Frauen eine tatsächliche Gleichberechtigung suggeriert, was in einigen Fällen ähnlich irreführend ist (oder sein kann) wie eine einseitige Betonung der Männer.
(Und Ihr Wikingerbeispiel ist in der Hinsicht etwas unglücklich.)
Darf man eigentlich “Langobardische” sagen für Leute, die langobardisch sprachen? Die Langobardische, der Langobardische, viele Langobardische?
Danke für den Warnhinweis, das Buch liegt schon auf meinem Nachttisch.
Jetzt kommen mir aber ein paar Fragen: Gehört das generische Maskulinum bei (gemischten) Menschengruppen nicht ebenso zur deutschen Sprache wie das generische Femininum bei (gemischten) Katzengruppen? Ist es nicht “falsch”, wenn man ein Femininum verwendet, obwohl man weiß, dass auch Männer dabei waren? Ich habe mir über diese Problematik nie groß Gedanken gemacht, denn ich habe mich stets auf die Regel verlassen, die ich im Deutsch- und Lateinunterricht gelernt habe: Ist mindestens ein Mann dabei, dann ist die ganze Gruppe männlich. Ich bin eben jemand, der sich lieber an Regeln hält, als sie aus Protest an ihrem Bestehen zu missachten.
Die Regeln der deutschen Sprache basieren zwar auf dem, was ihre Sprecher von sich geben, aber sollte man deshalb in der Standardsprache das Deppenleerzeichen legitimieren? Oder Komparation von Absolutadjektiven? Oder das generische Femininum?
Ich hoffe auch immer noch auf eine gute Lösung dieses Problems, habe aber noch keine gesehen. Binnen‑I und dergleichen stören irgendwie immer meinen Lesefluss, daher begrüße ich den Ansatz mit dem generischen Femininum sehr. Vermutlich keine endgültige Lösung, aber für mich die mit Abstand angenehmste Herangehensweise.
@Tilly Dö: Ja. „Richtig“ (= grammatikalisch) ist, was von den Sprachnutzenden verwendet/akzeptiert wird.
Beispiele für generische Femina bei Menschen im Deutschen:
“Gebrüder” werden zu “Geschwistern”, wenn auch nur eine weibliche Person dabei ist.
Und “Brautleute” sind nach der weiblichen Person benannt.
Männliche Krankenschwestern heißen unlogischerweise Krankenpfleger.
Für mich war das “Kleine Etymologicum” und die damit verbundene Genderdiskussion der Beweis dafür, wie notwendig die Verwendung der geschlechterspezifischen Sprache wirklich ist.
Allein die Verwirrung, die durch die schon so oft genannten Langobardinnen ausgelöst wurde, spricht für sich. Ich bin auch darüber gestolpert und dachte mir dann: ach, hätte da “Langobarden” gestanden, hätte ich drüber weggelesen. Da sollen dann die weiblichen Vertreter “mitgemeint” sein. Andersrum wird ein Problem draus.
Interessant!
Manchmal ist eben die Umkehrung des gewohnten Sprachgebrauchs sehr verräterisch.
@Tilly Dö: das mit den gemischten Katzengruppen gilt nicht nur für Katzen, sondern auch für Hühner, Enten, oder Säue, wohingegen Löwen generisch maskulin sind, Pferde und Hunde für beide Geschlechter je eine Sonderform (Stute/Hengst, Rüde/Hündin) kennen, und Schlangen scheinen generell alle weiblich zu sein. Woran liegt’s? Ich denke, daß hier der Geschlechts-Dimorphismus eine große Rolle spielt, das jeweils auffälligere Tier (Erpel, Ganter, Eber) wird abweichend bezeichnet. Und das auffälligere Geschlecht der Gattung Mensch ist — na?
Mal ein Blick aus der “anderen” Richtung. während meiner Ausbildung zur Erzieherin habe ich meinen Mann kennengelernt. Einer der wenigen an unserer Schule. Und da es so wenige männliche Erzieher gibt waren die Schulordnung und auch einige wenige Fachtexte ausschließlich in der weiblichen Form gehalten, mit dem Vermerk, das ja überwiegend Frauen die Texte lesen und um die Leserlichkeit zu wahren. Zwar wusste mein Mann beim Lesen, dass er mitgemeint ist, fühlte sich aber dennoch ausgegrenzt.
Mir geht es sogar mit dem binnen I so. Beim Lesen von Texten über ErzieherInnen, denke ich auch nicht an meine männlichen Kollegen.
@Vilinthril: Ganz so einfach ist es dann aber auch wieder nicht. Viele Leute machen oder akzeptieren bspw. Kommafehler, welche daraufhin aber nicht “richtig” werden. Und ich wage mal zu behaupten, dass das generische Femininum auf keine allzu breite Akzeptanz stößt. (Deswegen wir ja auch heftig debattiert, ob es nun richtig oder falsch sei.)
@Segantini: Die Sache mit dem Geschlechts-Dimorphismus scheint mir etwas aus der Luft gegriffen. Was ist an einem Kater auffälliger als an einer Katze? Ich sehe auf Anhieb nicht mal den Unterschied! Außerdem geht es hier ja nicht um Gattungsnamen, sondern um Berufsbezeichnungen usw.
Bah, ich wusste noch gar nichts von der “Jungen Freiheit”. Wie rückwärtsgewandt und idiotisch sind die denn?! Der Autor erfindet allen Ernstes das Wort “Köpfin”, um die geschlechtergerechte Sprache zu kritisieren. Na wenn sowas dafür nötig ist…
Ich habe bisher gute Erfahrungen mit abwechselnder Geschlechtsbezeichung gemacht, vor allem beim Unterrichten. Kann man sich leicht angewöhnen und wurde von meinen Zuhörern nie bemängelt.
Ich fand die Idee großartig und das “Stolpern” hat mir Freude bereitet. So banal, so simpel.
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Als Disclaimer vorneweg: Ich sehe das Problem des generischen Maskulinums vollkommen ein, und finde Ihre Lösung auch nicht unpraktischer als andere oder die klassische.
Was ich mich aber frage (und im Folgenden stelle ich keine rhethorischen Fragen, sondern ernstgemeinte): Besteht der Sexismus nicht eigentlich darin, dass es überhaupt markierte weibliche Formen gibt? Ist die Sexistin nicht eigentlich dadurch definiert, dass er das Geschlecht als Merkmal einer Person notorisch überbewertet?
Und ist nicht der “Skandal” an unserer Sprache (und den meisten, die zu lernen wir je in Gefahr kommen werden), dass es eben keine markierte Form nebst eigenen Pronomina für rothaarige, humorvolle, seeerfahrene oder unmusikalische Individuen gibt, sondern nur für weibliche (völlig unabhängig davon, ob das nun ein Vor- oder Nachteil ist)?
Und ist es (falls das wahr ist) denn zielführend, diese “skandalösen” diskriminierenden Formen für einen Versuch zu benutzen, der Diskriminierung Herr zu werden?
Wird man, solange der Formenbestand so ist wie er ist, das Problem wirklich lösen können?
Oder wird, wenn man eine Ungerechtigkeit hingebogen hat, nicht immer wieder der Sprache ihre Frau lässig aus der Ackerfurche grüssen und flöten “Ick bün all schon hier”?
@Drago: Ja, genau. Wir bräuchten halt wirklich neutrale Formen — die Explizitmachung beider Geschlechter kann nur eine Übergangslösung sein. So lange wir aber gesellschaftliche Ungleichheit haben, ist sie ganz praktisch, um uns immer wieder darauf hinzuweisen.
Mycroft hat am 3. März einen richtigen Hinweis gebracht: bei Völkern und ähnlichen Gruppen kann der Umweg über die Adjektivierung oft zu geschlechtsneutralen Substantiven führen. Schriftlich funktioniert das durch den großen Anfangsbuchstaben, mündlich fällt halt das folgende „Menschen“, „Personen“ o.ä. in die Ellipse.
Das Deutsche(!) macht es ja ausgerechnet mit den Deutschen vor: der/die/eine Deutsche, nur ein Deutscher. Analog ginge eben der/die/eine Langobardische, auch wenn das dem Lektorat (noch) nicht gefällt.
Ich finde die Idee mit der zufälligen Verteilung von männlichen und weiblichen Formen ziemlich gut (kenne sie auch so schon z.B. aus dem DSA 4‑Regelwerk), habe mich auch schon öfer gefragt, warum man das nicht öfter macht.
Eine kritische Anmerkung hätte ich aber (falls Ihnen das bereits jemand mitgeteilt hat, ziehe ich den Einwand natürlich zurück): Ich hatte in letzter Zeit des Öfteren Kontakt mit Historikern, die die sog. Völkerwanderung erforschen und bin dabei auf die mittlerweile verbreitete Ansicht gestoßen, dass es sich bei den “wanderenden Völkern” eigentlich um Kriegergruppen, teilweise gar um regelrechte militärische Einheiten gehandelt hat. Da Sie bei (antiken) Soldaten bewusst das Maskulin verwenden, frage ich mich, ob es bei den “Langobardinnen” nicht auch akurater wäre, aus dem gleichen Grund das Maskulin zu verwenden. Ich bin nun keiner der oben genannten Historiker, sondern habe ihnen nur zugehört, daher meine Frage: Haben Sie evtl. nähere Informationen, inwiefern es sich bei den in Italien einfallenden langobardischen Personen um ein Volk, das nun auch Frauen beinhaltet, handelte, oder eben um eine oben erwähnte Kriegergruppe?
Erstmal ein großes Lob an Kristin Kopf. Sprachherkunft/-entwicklung interessiert mich, aber neben neuen Erkenntnissen gefiel mir besonders die Erzählweise. So wünsche ich viel mehr Bücher durch ihre Feder.
Die Abwechslung der Formen (Langobardinnen, Römer, etc.) verdutzte mich aber. Das unerwartete Parallelthema war für mich und andere völlig neu.
Ich empfand im Deutschen die generische Anwendung (sog. generisches Maskulinum)immer als einen Fortschritt, als ein Zusammenschmelzen, eine sprachliche Gleichstellung und eine notwendige Vereinfachung. Vor über 100 Jahren war der generische Sprachgebrauch nicht so manifestiert, die verbreiteten männlichen Formen schlossen weibliche schlicht aus: eine Reflektion der Gesellschaft. War von Frauen jedoch die Rede, benutzte man sehr konsequent weibliche Formen. Bei uns in Bayern sagt man teilweise noch z.B. „die Huberin“, auch wenn ihre Weiblichkeit geradezu Wurst ist.
Die Doppel- oder hier die abwechselnde Benennung ist nach meiner kognitiven Wahrnehmung der Gegenpol des generischen Gebrauchs, also die Rückkehr in ältere Zeiten und eine Abkehr von der Entwicklung einer neutralen Form. So habe ich in diesem Buch, wenn von Langobardinnen die Rede ist, eine Horde von grazilen Amazonen im Kopf (teilweise auch breite, bewaffnete Brunhilden). Und wenn im Buch von Römern die Rede ist, habe ich nur noch männliche Legionäre im Kopf (angetrunken, testosterongefüllt, fast stereotyp auf das Geschlecht reduziert). Insofern wäre da die absolut konsequent durchgezogene Doppelbenennung besser gewesen.
Konsequenterweise müsste mir auch ein generisches Femininum im kleinen Etymologicum entgegenkommen. Nun, hier fehlt mir die Erfahrung, ich kann mir aber vorstellen, dass ich die Personenbezeichnungen, zumindest ab einem gewissen Punkt, nicht mehr Geschlechtern zuordne sondern einfach generisch betrachte.
Vielleicht liegt es an mir: Ich bin im Anglophonen aufgewachsen, dort wollen Frauen lieber nicht „actress“ sondern einfach „actor“, „lecturer“, „pilot“, etc. sein. Die sprachliche Emanzipation geht diesbezüglich genau in die andere Richtung wie im modernen Deutschland.
Symbole wie * und _, geringfügiger auch das Binnen‑I, empfinde ich als hemmende, unsympatische Kuriositäten. Trotzdem ziehe ich die vielfältige, deutsche Sprache dem Englischen vor.
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