Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG berichtete vorgestern davon, dass die Svenska Akademien in der neuen Auflage des von ihr herausgegebenen Wörterbuchs der schwedischen Sprache das geschlechtsneutrale Pronomen hen aufnehmen wird, das das Pronominalsystem in der dritten Person Singular neben hon ‚sie‘ und han ‚er‘ ergänzen soll–, nein, ergänzen wird–, hm, ergänzen muss–, ja, was denn nun?
Die Verwirrung um was da genau vermeldet wurde hat einen Grund. Und der liegt im (Un)Verständnis für Zustandekommen und Aufgaben von Lexika, dem Wesen generischer Bezeichnungen und dem Mythos von institutionellen Vorschriften. Verstehen Sie das hier also als kommentierten Hinweis auf einen Artikel, den wir sonst vermutlich im Spektrogramm verlinkt hätten, mit Bauchschmerzen, weil wir sowas nicht unkommentiert lassen wollen.
Der FAZ-Artikel ist mit „Schweden führt geschlechtsneutrales Personalpronomen ein“ betitelt, im Teaser heißt es: ((Nun ist nicht ganz nachzuvollziehen, auf welche Quelle sich FAZ-Autorin Amelie Persson genau beruft, wenn sie schreibt, die Akademie habe „verlauten“ lassen (die Seite der Akademie ließ zuletzt vor drei Wochen verlauten, dass sie zwischen dem 14. Juli und 3. August geschlossen bleibt), edit: laut Quellenverweis in der englischen Wikipedia kam die Verlautbarung per Radiointerview.))
Die schwedischen Sprache erhält neben den Wörtern für „er“ und „sie“ ein geschlechtsneutrales persönliches Fürwort. „Hen“ kann etwa eine transsexuelle Person beschreiben. Doch die Neuerung ist umstritten.
Das — und der Duktus des ganzen Artikels — ist extrem irreführend, passt aber gut ins verzerrte Bild, das die Öffentlichkeit von der Arbeit von Lexikograf/innen hat (oder wer wem was vorschreibt). Schweden „erhält“ hen nicht. Schweden „führt“ hen nicht „ein“. Schwedisch hat es. Denn Wörterbücher bilden den Sprachgebrauch ab, sie schreiben ihn nicht vor (dieser Vorwurf ist unausrottbar). Es ist eben nicht so wie mit Energieabgaben oder Vergnügungssteuern, die gestern nicht da waren und dann heute verpflichtend für alle eingeführt werden. Lexika nehmen Wörter wertungsfrei auf, die im allgemeinen Sprachgebrauch etabliert sind — was also ganz offensichtlich für hen gilt. Deshalb ist es schon fast ironisch, dass FAZ-Autorin Amelie Persson ihren Artikel mit dem Satz beginnt: „Im allgemeinen Sprachgebrauch hat es [hen] sich schon längst durchgesetzt“.
Nun ist es eine Binsenweisheit, dass Zündstoff drinsteckt, wo gerechte Sprache drauf steht. Auch in Schweden wird kontrovers diskutiert und der Chefherausgeber des Wörterbuchs, Sven-Göran Malmgren, Linguist an der Universität Göteborg (aber kein Mitglied der Akademie), wird in THE LOCAL mit der Aussage zitiert, dass die Akdademie bei der Aufnahme „gezögert“ habe. Aber laut Artikel wird die Verwendung eines neutralen Pronomens seit den 1960ern diskutiert, die Frequenz nimmt seit Jahren deutlich zu — ein immer größer werdender Teil der Sprachgemeinschaft wird hen also einfach benutzt und damit verbreitet und gefestigt haben.
Mir konnte leider auf die Schnelle niemand eine Einführung in die Verwendungssystematik und Gebrauchsentwicklung um hen nennen, deshalb müssen wir uns hier vorerst mit den Widersprüchen der Sprachkonservendosenfabrik zufrieden geben (Treffen mit wissenden Menschen im Kommentarzimmer im Anschluss an diesen Beitrag). Der Eindruck ist: die Formulierungen im FAZ-Artikel, dass hen verwendet werden kann, „wenn das Geschlecht des Genannten von keiner Bedeutung ist“ bzw. „als drittes Geschlecht“, sind von den meisten Kommentator/innen als „für Transsexuelle“ interpretiert und, nunja, abgelehnt worden. Naja, hen scheint neben dieser wichtigen Funktion auch das zu sein, was viele Genderskeptiker/innen mit „alle sind mitgemeint“ meinen, wenn sie „generisches Maskulinum“ sagen — nur halt in neutral, as in generisch. Es kann offenbar auch so eingesetzt werden, wie im Englischen das sogenannte singular they, in Situationen, in denen man gar nicht auf irgendwen referenziert („unbekannt“). Es ist etwas, was wir fürs Deutsche bisher nicht zur Verfügung haben, deshalb nicht Gefahr läuft, vom DUDEN vor der „Einführung“ zu stehen oder von einer Institution vorgeschrieben zu werden.
Wie dem auch sei: ich werde das nie verstehen. Beidnennung (er und sie) umständlich, Schrägstrichvarianten (er/sie) unästhetisch, Binnen‑I (StudenInnen) abartig, Partizipformen unsinnig (Studierende) oder kompletter Vollmurks (Zu Fuß Gehende), Pluralformen für Einzelpersonen ungrammatisch (they), Sprach„vorschriften“ voll richtig scheiße. Aber wenn dann eine Sprachgemeinschaft kommt und ohne institutionellen Zwang, aber ganz offensichtlich erfolgreich aus der Mitte der Sprachgemeinschaft eine kurze, neutrale, prägnante, binnenmajuskelfreie, schrägstrichlose und so allgemein-ästhetisch nicht zu beanstandende Lösung für ein sprachliches Gleichstellungsproblem etabliert, wird ihr dafür eine Toleranzneurose ((Kommentar unter dem Artikel)) bescheinigt?
Na klar sind wir alle ja aber schon so irgendwie natürlich eigentlich voll für Gleichberechtigung und so. Nur halt im richtigen Leben.
Eine gewisse Ähnlichkeit zu Pronomen in anderen Germanischen Sprachen ist nicht vorhanden? Ich wundere mich — as in ‘Ich würde gerne wissen’ — wo der Unterschied zum Englischen [he/she/it] oder Deutschen [er/sie/es] liegt und warum das Schwedische bisher keine geschlechlechtslose dritte “Person” kannte.
Oder schlafe ich noch?
@Dierk: völlig geratene Erklärung wäre, dass es bei hen darum geht, nicht han oder hon sagen zu müssen, weniger darum, den/det (3.SG.COM/NEUT) nicht sagen zu können, die auf Unbelebtes referieren. hen ist offenbar vom (vollkommen) genuslosen Finnischen hän inspiriert. So gesehen könnten wir im Deutschen oder Englischen natürlich auch es/it benutzen. Aber ich grüße vom dünnen Eis.
Zu dem Artikel passt dieser Tedx Talk ganz gut. http://www.ted.com/talks/anne_curzan_what_makes_a_word_real
Sehr klug. Vielen Dank. Nur eine Frage: Solle es im ersten Absatz nicht besser “Die Svenska Akademie” heißen?
@Daniel: Ich hab mich an der Bezeichnung in ihrem Logo orientiert.
Hm, was nun ZEIT oder FAZ?
Gruß,
Michael
@Michael: Eieiei — danke!
Das Hamburger Abendblatt ist gestern, wie so oft bei dem Thema Geschlechtergerechtigkeit, mal wieder so richtig über sich hinausgewachsen — zum selben Problem.
“Toleranzneurose” — Mag ich!
Es gäbe ja so viele kreative (und teilweise subversive) Vorschläge, wie man gewisse erkannte Probleme umgehen könnte. Man muss sich nur trauen! Wobei sich manche mit der Zeit ganz von alleine einschleichten und Verbreitung finden. Einfach weil sie praktisch und ökonomisch sind.
Wisst Ihr beispielsweise was in der Schweiz gemeint ist, wenn eine “LP” (gesprochen: Ellpeh) von ihren “SuS” (gesprochen: Suhs) spricht?
@Dierk: Das schwedische hat schon ein drittes Pronomen (den bzw. det), das aber ausschließlich auf unbelebtes referiert und nicht auf Menschen angewendet wird.
Aufgrund der Nachbarschaft könnte ich mir vorstellen, dass das neue hen in Anlehnung an finnisch hän kreiert wurde, das im Finnischen das einzige Pronomen der 3. Person und somit inhärent geschlechtsneutral ist. Ist aber nur eine Vermutung, die ich nicht belegen kann aus dem Stehgreif.
@Miriam, Dierk: wow. Abgesprochen war das aber nicht…
@Naneo: joa, nur wird ihn halt niemand lesen. Wie so vieles beim Hamburger Abendblatt.
@Susanne: Nicht schlecht, ich staune ob der Parallelität.
Also. Ein paar Hinweise zu den Fragen in den Kommentaren:
1. Svenska Akademien ist natürlich korrrekt (Wörtliche Übersetzung “Die schwedische Akademie”, da der Artikel (i.d.R.) angehängt wird, eben als “(e)n” oder “(e)t”)
2. “es” und “it” sind nicht wirklich vergleichbar zu “hen”, da es sich dabei ja zumeist nicht auf Menschen bezieht (außer: das Mädchen, das Kind, etc.). Ein solches “es” gibt es im Schwedischen. Je nachdem, ob es sich um ein en- oder ett-Wort handelt: den bzw. det (bei Mehrzahl ist es “de” (gesprochen: dom))
3. Problematisch ist weiterhin an “hen”, dass sich meines Wissens nach noch keine Objektform herausgebildet hat (das naheliegende “henne” ist schon die Objektform von “hon”, während das dazu naheliegende “honom” die Objektform zu “han” ist.) Außerdem: Was soll das nicht-reflexive Possessivpronomen zu “hen” sein? (han > hans, hon > hennes, den/det > dess; reflexive sind natürlich sin/sitt/sina, aber das würde jetzt auch zu weit führen.)
4. Die obrigen Probleme könnten durch eine Aufnahme in die SAOL durchaus aufgehoben werden, stehen darin doch für die meisten nicht-fachsprachlichen, nicht-dialektalen Begriffe des Schwedischen genaue Angaben, wie etwa bei Substantiven die Mehrzahl lautet, bei Pronomen die objekt- und reflexivformen, und bei einigen schwierigen Begriffen auch eine kurze Erklärung.
@Susanne , Daniel: Svenska Akademien heisst bereits “Die schwedische Akademie”, der bestimmte Artikel wird im ‑a von Svenska und im ‑n von Akademien geformt. Es stellt sich die Frage, wie man mit dem Gemisch umgehen möchte. Für mich als Schwedischsprechende wäre der deutsche Artikel wegzulassen, weil es ja sonst doppelt gemoppelt ist. Bloss ist Schwedisch nicht so weit verbreitet wie z.B. Englisch und die meisten Leser würden den Artikel wiederum vermissen. Fazit: Ich hätte den ganzen Ausdruck übersetzt und “Die Schwedische Akademie” geschrieben.
Ergänzung: Ich sehe gerade, es wird wohl “henom” (als Mischung aus “honom” und “henne”) als Objektsform diskutiert, aber auch “hen” (“de” und “dem” wird auch beides “dom” ausgesprochen und bisweilen auch so geschrieben). Wird spannend werden, wie sich Svenska Akademien entscheiden wird.
LP und SuS wird in der Schweiz so gebraucht? Wir benutzen das hier oben in Norddeutschland im Kontext eines Forschungsprojekts seit ein paar Monaten. Lustig.
“Das — und der Duktus des ganzen Artikels — ist extrem irreführend”
Finde ich gar nicht. Den Titel und den Teaser kann man kritisieren, weil irreführend, der FAZ-Artikel selber aber beschreibt sehr neutral, wo das Wort gebraucht wird und wo nicht und zitiert einige Leute zu dem Thema.
Im Gegenteil ist der Artikel so, wie er sein sollte: Er informiert sachlich, bewertet nicht, schlägt sich nicht auf die eine oder andere Seite (unter der Annahme, die Fakten darin stimmen).
@Daniel @Susanne: Svenska Akademien ist die bestimmte Form, also “Die schwedische Akademie”. Bei der bestimmten Form hängt man im Schwedischen den Artikel hinten dran. en hund (ein Hund), hunden (der Hund).
Bei der Übersetzung von solchen Eigennamen ist es gängig, die bestimmte Form ins Deutsche zu über nehmen, z
“LP und SuS wird in der Schweiz so gebraucht?”
Ist m.W. auch in BW völlig üblich.
Ad “Svenska Akademien” …
Die Svenska Akademien würde(n) wohl schlicht und verständlich “schwedische Akademie” bzw. “Schwedische Akademie” schreiben, they do it in english y en Inglés zumindest. Aber was weiß die und erst ich schon 😉
LG aus Graz, CK
Re: finnischem hän, ich hab mal bei einer Muttersprachlerin nachgefragt. Es ist zwar in der Tat geschlechtslos (wie eben die ganze finnische Grammatik), aber kann sich nur auf Menschen beziehen; auch andere belebte Referenten können nicht mit hän bezeichnet werden.
Für Nicht-Menschen gibt es das ’se’, das in der Umgangssprache allerdings dann wiederum das hän ersetzen kann (bzw austauschbar ist, wobei ich nicht weiter nachgefragt hab, ob dafür dann sonstige Regeln existieren; ein Beispiel war ‘Se sanoi, että hän menee’ = ‘Er/sie sagt, dass er/sie geht’).
Die beste Analogie ist also wohl wirklich im Englischen s/he und (singular) they für han/hon und hen, sowie it als den/det — ‘it’ als geschlechtsneutral für Menschen zu bezeichnen, ist für das Englische äußerst problematisch, da es noch viel stärker als im Deutschen entmenschlichend wirkt (und da transgender/transsexuelle Menschen in diesen Diskussionen auch manchmal erwähnt werden: gerade für sie wird ‘it’ im Englischen als absichtlich verachtendes/beleidigendes Pronomen verwendet).
“Wörterbücher bilden den Sprachgebrauch ab, sie schreiben ihn nicht vor (dieser Vorwurf ist unausrottbar)”
Nunja, ist ja noch nicht so lange her, da wurde per gesetzlicher Reform hierzulande beschlossen, wie bestimmte Wörter zu schreiben sind. Der Wettbewerb um ein Gegenteil von “durstig” seitens der Dudenredaktion entsprang auch nicht gerade dem bestehenden, allgemeinen Sprachgebrauch.
Das mag vielleicht in anderen Ländern anders aussehen, aber für Deutschland lehne ich mich vermutlich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, der Duden ist stilprägend, nicht nur stilbeschreibend. Der genannte “unausrottbare Vorwurf” hat also schon eine Berechtigung — oder habe ich da was missverstanden?
@Alex: naja, offenbar beruhen unsere unterschiedlichen Einschätzungen eben genau jenem Missverständnis von der Arbeitsweise und der Funktion von Wöterbüchern. Deshalb noch mal meine, vielleicht in etwas anderer Form: Wenn der DUDEN vorgeben (und nicht abbilden) würde, bräuchte es nicht alle paar Jahre eine neue Auflage. Zu einem gewissen Grad sicherlich richtig ist die Aussage zur „Stilprägung“, das ist nicht von der Hand zu weisen, denn auch der DUDEN gibt Empfehlungen für gewisse Stilebenen, die sich ja an der Hochsprache orientieren. Das hat aber nichts mit Präskriptivismus zu tun, den viele in die Arbeit des DUDEN hineininterpretieren (wollen).
Mit der gesetzlichen Reform hat der DUDEN nur indirekt etwas zu tun. Maßgeblich fürs „Gesetz“ sind die Ergebnisse aus dem „Rat für deutsche Rechtschreibung“, die die amtliche Rechtschreibung vorgeben (also vor allem für offizielle/behördliche Dokumente). Dass der DUDEN sich dann in seinen Empfehlungen daran orientiert, ist nicht verwunderlich — man will den Nutzer/innen von schriftlicher Sprache natürlich auch etwas an die Hand geben. Aber welche Wörter in ein Wörterbuch aufgenommen werden (und vor allem darum ging es hier), hat mit amtlicher Rechtschreibung nichts zu tun.
Zuguterletzt: die Sache mit dem Gegenteil von „durstig“ war eher so ein recht missratener PR-Gag — und sogar ein Ihrer Argumentation widersprechendes Lehrbuchbeispiel dafür, dass der Sprachgemeinschaft meist relativ schnurz ist, wenn man ihr was „vorgibt“.
@alle re „Svenska Akademien“ — es ist ratsam, und daran habe ich mich gehalten, Namen von Institutionen im Original zu belassen, sie also als das zu behandeln, was sie sind (Eigennamen). Dass das hier etwas schräg aussieht, liegt natürlich daran, dass der definite
PluralSingular Akademien aussieht wie ein deutscher Plural (und weniger, weil Schwedischsprecher/innen es als „doppelgemoppelt“ wahrnehmen). Das wiederum wäre aber ein schlechter Grund, den deutschen Artikel wegzulassen (die Svenska Akademien hat…), weil der Eigenname eigentlich schon einen Definitheitsmarker hat (es würde den deutschen Satz ungrammatisch machen). Natürlich wäre Schwedische Akademie auch gegangen.@alle re „han/hän“ und Objektpronomenproblematik: Danke, sehr aufschlussreich! Wegen der Objektpronomen könnte die „Vorgabe“ des SAOL aber genau deshalb problematisch sein, weil solche Vorgaben in der Regel verpuffen, wenn sie keine Entsprechung im Sprachgebrauch haben (sie hätten eine relativ geringe Durchsetzungswahrscheinlichkeit).
@Daniel: Ich habe auch nicht gesagt, dass der Artikel unsachlich oder wertend wäre, sondern, dass er irreführend ist. Und wie irreführend, das zeigt diese Verlinkung (gut, das ist eine ganz spezielle Gruppe von Sprachkonservativen, aber trotzdem — abgesehen natürlich davon, dass der Kommentar zum Link natürlich genau den gleichen Fehler macht, dass da Behörden oder Universitäten was „einführen“, → Sprachgebrauch). Mein Vorwurf deshalb: der Artikel stellt nicht klar genug heraus, dass hen eben nicht nur ein Pronomen für Transsexuelle ist, sondern vor allem auch (und Menschen auf Twitter haben mir das bestätigt, dass das die weit häufigere Verwendung ist) das sprachliche Problem löst, das das „generische Maskulinum“ angeblich lösen will: die Referenz auf Personen, wo Geschlecht „nicht bekannt oder relevant“ ist — aber eben nicht (nur) im Sinne von Transgender, sondern besonders dort, wo wir bei Wenn jemand anruft, sag ihm/ihr, er/sie soll später noch mal anrufen. in pronominale Schwierigkeiten geraten.
@ Alex: Ergänzend zu Susanne möchte ich noch anmerken, dass die Rechtschreibung nicht dasselbe ist wie Sprachgebrauch. Wer Rechtschreibung regelt, schreibt dadurch keinen bestimmten Sprachgebrauch vor. Eine Regelung der Schreibweise dient dazu, Geschriebenes leichter lesbar zu machen. Welche Wörter man aber benutzt, um zu sagen, was man sagen will, wird davon nicht berührt.
Außerdem zwingt der Duden niemanden, sich an die Regeln zu halten. Das tun hochstens andere, Behörden etwa für ihren offiziellen Schriftverkehr (man kann immer noch falschgeschriebene Eingaben machen, die werden trotzdem bearbeitet!).
Danke für die Erklärung, aber ich habe den Eindruck, Sie übertreiben etwas. Wenn man will, kann man alles falsch verstehen, auch ohne dass es (extrem) irreführend wäre. Der Artikel beschreibt rudimentär, wie hen gebraucht wird. Ich kann darin nichts Irreführendes erkennen.
Nach meiner Erfahrung ist es gar nicht möglich, absichtliche Missverständnisse zu vermeiden. Wer missverstehen will, findet immer eine Möglichkeit.
(Der Teaser wurde übrigens geändert.)
@Daniel: jetzt missverstehen Sie mich aber auch willentlich (QED1). Und ja, absichtliche Missverständnisse lassen sich nie vermeiden. QED2, lesen Sie sich mal die Kommentare unter dem Artikel durch. Das war mein primäres Anliegen, das habe ich offensichtlich selbst nicht klar genug gemacht (lässt sich nachträglich aber ganz gut durch den letzten Absatz illustrieren).
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Ich glaube, ich verstehe die ganze Aufregung sowieso nicht. Wenn sich “hen” im Sprachgebrauch ohnehin schon durchgesetzt hat, was ja wohl an verschiedenen Stellen bestätigt wird, ist doch die Aufnahme in ein Wörterbuch nicht mehr der Rede wert, oder?
Mein Stiefsohn, Student an der Universität Stockholm und gerade hier zu Besuch, sagte auf Nachfrage (hey, eine Quelle, eine echte!) das “hen” eine Wortschöpfung aus der feministischen Ecke sein, durchaus schon älter und bekannt aber eher belächelt. Niemand benutze es. Er ist 22 Jahre alt, wusste sofort von was ich spreche als ich ihn um Auskunft über eine schwedische Wortschöpfung bat ( ” “hen”, oder?”)…
Bissi OT, da nicht schwedisch und kein Zeitungsbezug:
Wir haben zuhause bisher nur gute Erfahrungen mit “sier” fürs Deutsche gemacht.
“Wenn jemand anruft, sag siem, sier soll später noch mal anrufen. Wir treffen sien dann morgen.”
Nur der Possesiv/Genitiv ist unklar “sien/sienes” vs “sein/seines”.
In Büro/Kiga/Schule ist das Verständnis erwartungsgemäß arg beschränkt, sodaß wir die “alten” Formen benutzen.
@Dierk und allgemein über Schweden:
Bei SFI (Svenska för invandare) wurde mir beigebracht dass das Schwedische bereits vier Pronomia für die dritte Person Singular hätte:
‑hon (sie)
‑han (er)
‑den (der/die)
‑det (das)
Das mir den und det von meiner Lehrerin als pronomia angeboten wurden hat wohl damit zu tun dass sie zwar Artikel sind aber nur selten gebraucht werden und meist durch eine Endung ersetzt werden.
Die meisten Menschen die ich getroffen habe haben übrigens kein Problem mit hen.
Zu den etymologischen hintergründen:
es gibt eine Ähnlichkeit zum Deutschen. Man sagt zwar oft geschlechtseindeutig “hans hund” (sein Hund) oder “hennes hund” (ihr Hund) man kann aber auch “sin” (ihr/sein) verwenden.
“Emma gick hem igen, eftersom hon hade glömt sina nycklar.” (Emma gingen wieder heim, weil sie ihre Schlüssel vergessen hatte.)
@Tom: den/det sind keine Artikel, das sind schon Pronomina, die aber nur im Verweis auf Unbelebtes verwendet werdet (wie im Deutschen es), siehe die vorherigen Kommentare & Erklärungen.
Der Satz „Hen“ kann etwa eine transsexuelle Person beschreiben. wurde aus dem Teaser gestrichen.