Wenn Thomas Oppermann Dinge beendet, dann tut er das sprachlich etwas raffinierter als Ronald Pofalla. Die Diskussion darum, ob nach dem Rücktritt des CSU-Landwirtschaftsministers Hans-Peter Friedrich auch die SPD personelle Konsequenzen ziehen müsse, beantwortet er so:
Wir werden zur Sacharbeit zurückkehren und nicht Dinge verknüpfen, die nichts miteinander zu tun haben. [NDR.de, 18.2.2014]
Damit bedient er sich einer Redewendung, die so sprichwörtlich ist, dass der Duden sie als Beispiel für die korrekte Verwendung des Wortes Sacharbeit nennt:
nach polemischer Auseinandersetzung zur gemeinsamen Sacharbeit zurückkehren [Duden.de, s.v. Sacharbeit]
Sacharbeit, so der Duden, sei die „sachbezogene, auf sachliche Themen, Probleme o. Ä. gerichtete Arbeit“. In dem (Opper)man(n) fordert, zu dieser zurückzukehren, wird der aktuelle Zustand (der, von dem zur Sacharbeit zurückgekehrt werden soll) automatisch zu etwas anderem als „sachbezogener, auf sachliche Themen, Probleme o. Ä. gerichtete Arbeit“.
In der Sprachwissenschaft nennt man so etwas „Präsupposition“, eine implizite, also nicht ausgesprochene Voraussetzung, die Specher/in und Hörer/in teilen müssen, damit der Satz überhaupt einen Sinn ergibt. Sagt man, dass man zur Sacharbeit zurückkehren werde, präsupponiert das, dass derzeit keine Sacharbeit stattfinde. Das interessante an Präsuppositionen ist, dass sie bei einer Verneinung des Satzes erhalten bleiben: Die Aussage, „Wir werden nicht zur Sacharbeit zurückkehren“ präsupponiert ebenso, dass derzeit keine Sacharbeit stattfindet.
Oppermann sagt hier also – ohne es wirklich zu sagen – dass die Beantwortung der Frage, ob er (oder Sigmar Gabriel) ein Amtsgeheimnis verraten (oder bei dessen Verrat mitgewirkt) haben, keine Sacharbeit ist. Dass also Geheimnisverrat durch hochrangige Politiker/innen kein sachliches Thema ist.
Das kann man sicher so sehen. Ich verstehe nur nicht, wie und warum.
[Siehe auch: Neusprech.org, „Versachlichung“]
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Wenn Oppermann sich sicher ist, keinen Fehler gemacht zu haben, es aber dennoch Vorwürfe, Verdächtigungen, Krisengespräche und Medienwirbel um ihn herum gibt, dann gibt es aus seiner Sicht eben auch nichts auf der Sachebene zu klären. Weshalb er zum Fehlermachen ohne Vorwürfe, Verdächtigungen… äh… also zur Sacharbeit etc. zurückkehren will.
Ich denke, Sie verwenden einfach eine andere Definition von sachliches Thema / Sacharbeit.
Für mich (und, so denke ich, auch für Herrn Oppermann) ist ein politisches Sachthema das, was die Politiker in ein Partei- oder Regierungsprogramm reinschreiben. Geheimnisverrat gehört da nicht dazu.
Liegt das mit der Verneinung nicht einfach an dem Verb “zurückkehren”, das ja immer impliziert, dass man irgendwohin will, wo man gerade nicht ist. Oder eben nicht dahin will. Aber auf jeden Fall nicht da IST.
@ Susanne: Die Präsupposition hängt am Verb zurückkehren, richtig.
Ist eine Präsupposition nicht ein Pleonasmus? Eine Vor-Annahme? Oder sind Annahmen a posteriori nicht etwas unlogisches? Im Nachhinein sollte man nichts mehr annehmen müssen, da sollte Gewissheit herrschen: so war es. Oder bin ich da zu strickt?