Auch der oder das Hashtag ist ein Wiedergänger von 2012, ich kann also zunächst einmal auf Susannes letztjährigen Artikel verweisen. ((Außerdem wird das Wort hier noch knapp gestreift.)) Über die Funktion von Hashtags schrieb sie damals:
Mit #Hashtags werden typischerweise Tweets, Posts oder Bilder in sozialen Netzwerken verschlagwortet, um sie einem bestimmten Thema zuzuordnen. […] Auf einer zweiten Ebene werden mit Hashtags aber auch Emotionen, Zustände, Wunschdenken, Kommentare, Zugehörigkeit, Empathie und Ironie markiert (#kaffee, #WirSindLlama oder #fail) oder Meme gestartet (#würstchenfilme). Diese werden als Meta-Schlagworte gesetzt.
Heute will ich den Überlegungen von letztem Jahr zwei Aspekte hinzufügen: Zum einen eine kleine Korpusrecherche in Zeitungen, um die Häufigkeitszunahme des Wortes zu überprüfen, und zum anderen eine bisher noch nicht besprochene Verwendungsweise.
#Frequenz
In den Zeitungskorpora des IdS kommt das Wort zwar selten vor, nimmt aber tatsächlich im Gebrauch zu.
Schaut man sich an, wie es verwendet wird, so erkennt man schnell ein übliches Muster für neue Wörter: Zu Anfang wird Hashtag noch in Klammern hinter eine Erklärung gesetzt, mit Nebensätzen erläutert, mit Anführungszeichen oder dem Zusatz sogenannt als fremd markiert: ((Alle Belege aus dem W‑Archiv.))
- Was sind „Hashtags“? Hashtags werden mit einem #-Zeichen dargestellt und …
- … durch Verwendung eines „Hashtags“, nämlich der Raute #, einem Stichwort wie zum Beispiel …
- Die Spötter im Internet einigten sich auf ein neues Schlagwort (Hashtag): #guttbye.
- Der sogenannte „Hashtag“ lautet #blauenacht.
Diese Erklärungsstrategien haben wir auch bei Paywall gesehen, wo sich das Synonym Bezahlschranke sogar stärker durchgesetzt zu haben scheint als der direkte Anglizismus. Ein solch starkes Synonym hat Hashtag allerdings nicht. Es wird in den Zeitungen häufig erklärend als Schlagwort oder Stichwort bezeichnet, gelegentlich auch als Kürzel, Schlüsselbegriff oder Erkennungszeichen, aber diese Wörter sind recht allgemein, sodass sie die spezifische Praxis nicht alleine beschreiben können.
#Kommentar
Im Dezember habe ich mich mit meinen Studierenden über Jugendsprache unterhalten. Sie sammelten an der Tafel Ausdrücke, die sie als jugendsprachlich einschätzen und selbst auch (noch) verwendeten:
Die Studentin, die die Wörter anschrieb, kannte Hashtag nicht (daher die korrigierte Schreibung auf dem Foto), aber einige andere Studierende schon. Auf meine Nachfrage, ob das wirklich ein jugendsprachliches Wort sei, und nicht einfach generell eine Internetvokabel, erfuhr ich dann für mich Erstaunliches: Die Verschlagwortung von Mitteilungen ist mittlerweile nicht mehr auf schriftliche Kommunikation begrenzt, die Studierenden benutzen Hashtags auch in gesprochener Sprache.
Dabei nutzen sie eine spezifische pragmatische Funktion der Onlinepraxis, nämlich die der emotionalen, oft ironischen Markierung. So kann eine unangenehme Geschichte, die im Freundeskreis erzählt wird, mit Hashtag peinlich! kommentiert werden.
Fürs Deutsche finde ich bisher noch keine Beschreibungen des Phänomens, aber fürs Englische gibt es viele Schaumvormmundkommentare und auch ein paar kluge Worte, letztere von John McWhorter vom Juli 2012: ((Weiteres zum Thema: Hier ein eher klamaukiger Text, der die gesprochene Variante zu lange findet, ebenso hier.))
The new thing, however, is using the word “hashtag” in conversation. Especially if you are under a certain age, you may be catching people saying things like, “I ran into that guy I met—hashtag happy!” or, in response to someone complaining, “My flashlight app isn’t working,” perhaps you have heard the retort, “Hashtag First World problems!” A college student not long ago reported a favorite witticism to be appending observations with: “Hashtag did that just happen?”
[Grob übersetzt:
Das Neue aber ist der Gebrauch des Wortes Hashtag in Gesprächen. Besonders wenn Sie jünger sind, können Sie Leute bei Sätzen wie »Ich bin dem Typen, den ich getroffen habe, über den Weg gelaufen – Hashtag glücklich« ertappen. Als Reaktion auf eine Klage wie »Meine Taschenlampen-App funktioniert nicht« haben Sie vielleicht schon die Erwiederung »Hashtag First World problems« gehört. Ein/e Student/in berichtete vor kurzem, dass es eine beliebte Witzelei sei, an Beobachtungen »Hashtag Ist das (wirklich) grade passiert?« anzuhängen.]
Hinweise auf eine gesprochensprachliche Verwendung im Deutschen sind im geschriebenen Internet natürlich schwierig zu finden, ich konnte nur diesen ausmachen:
Wie benutzt man das Wort Hashtag?
Soweit ich weiß, bezeichnet man mit Hashtag: # Aber in der jugendlichen Sprache verwendet man das Wort einfach so! Meine Frage ist jetzt was für eine Bedeutung das hat wenn ich Hashtag sage [Quelle]
Eine neue Verwendung bildet sich natürlich nicht heraus, ohne dass sie einen kommunikativen Mehrwert hat. McWhorter sieht in der Verwendung von Hashtag + X ein schauspielerisches Element: Man kommentiert sich selbst aus der (ironischen) Entfernung und greift damit typische Mechanismen aus Film und Fernsehn auf.
#Fazit
Mir gefällt Hashtag! Das Wort ist mittlerweile recht gut etabliert, es hat im Jahr 2013 stark an Frequenz zugenommen und wird in Zeitungen zunehmend unkommentiert benutzt, die JournalistInnen gehen also davon aus, dass die Leserschaft es versteht.
Wurde es zunächst als reiner Verschlagwortungsmechanismus betrachtet, so bildeten sich darauf basierend bald Hashtags heraus, die einen Tweet kommentierten (oft mit selbstironischer Distanz) oder in einen Zusammenhang einordneten (»Kontextualisierungshinweise«). Diese pragmatischen Funktionen finden sich nun auch in der gesprochenen Sprache, wo sie dazu dienen, eine Erzählung zu bewerten oder zu rahmen. Wie weit verbreitet das ist, lässt sich aktuell noch nicht feststellen, aber dass sie existiert, zeigt, dass Hashtag auch über das Internet hinausreichen kann.
Hashtag als Anglizismus des Jahres 2013? #dafür
#hellyeah
Pingback: Wortkandidaten 2013: Hashtag | ANGLIZISMUS DES JAHRES