Wie die Oxford English Dictionaries wählt auch die American Dialect Society jedes Jahr ein englisches Wort des Jahres. Während erstere in diesem Jahr das eher offensichtliche Selfie zum Sieger kürten, fiel die Wahl der American Dialect Society auf das zunächst befremdliche because. Geehrt wurde das Wort nicht, weil es 2013 neu entstanden oder besonders häufig verwendet worden wäre, sondern, weil es eine interessante grammatische Entwicklung durchläuft.
Because + X
Herkömmlicherweise kann because im Englischen nur in zwei grammatischen Strukturen verwendet werden – als sogenannte „subordinierende Konjunktion“, die einen Nebensatz einleitet (wie in [1]), oder als Teil des präpositionsartigen Wortkomplexes because of (wie in [2]):
- (1) Joe stayed home because she was sick.
- (2) Joe stayed home because of her headache.
Im ersten Fall entspricht because der deutschen Konjunktion weil (vgl. Joe blieb zu hause, weil sie krank war.), ((Oder auch den Konjunktionen da und denn, wobei im Deutschen interessant ist, dass auf da ein Nebensatz und auf denn ein Hauptsatz folgt (da sie krank war vs. denn sie war krank), während weil sowohl mit Hauptsätzen (weil sie war krank) als auch mit Nebensätzen (weil sie krank war) auftreten kann.)) im zweiten Fall würde man im Deutschen typischerweise wegen verwenden (wegen ihrer Kopfschmerzen).
Dass die American Dialect Society because zum Wort des Jahres gewählt hat, liegt daran, dass seine grammatischen Möglichkeiten sich in den letzen Jahren dahingehend verändert haben dass es (vor allem in Online-Sprache) inzwischen auch mit Substantiven (vgl. [3]), Adjektiven (vgl. [4]) und sogar Verben (vgl. [5]) und Interjektionen (vgl. [6]) auftritt:
- (3) I’m going to have hot chocolate because reasons.
- (4) I’m going to have hot chocolate because awesome!
- (5) I’m going to have hot chocolate because want.
- (6) I’m going to have hot chocolate because nom!
Ein solches Sprachwandelphänomen live mitzuerleben, ist für Sprachwissenschaftler/innen natürlich spannend. Heiß diskutiert wird derzeit die Frage, um was für eine Wortart es sich bei dem neuen because handelt. Zu dieser Frage komme ich gleich. Das wird etwas technisch und ist nur etwas für echte Sprachliebhaber/innen – für alle anderen zeige ich deshalb zunächst, dass es das Phänomen auch im Deutschen auch gibt (was ja spannend genug ist).
Weil + X
Wie oben erwähnt kann weil im Deutschen herkömmlicherweise nur als subordinierende Konjunktion verwendet werden, leitet also einen Nebensatz ein. Schon einige Zeit vor der Wahl von because als amerikanisches Wort des Jahres ist mir aber aufgefallen, dass es online immer öfter auch mit Substantiven, Adjektiven und manchmal sogar Interjektionen verwendet wird – sich also eine Entwicklung andeutet, die der von because sehr ähnlich ist.
Ein paar Beispiele für Substantive (dies scheint mir die häufigste neue Verwendung zu sein):
Jetzt will ich mir das PB holen, nur damit ich allen meinen dort erwähnten Blog zeigen kann. (Weil Gründe.) Ach man!
— Shiku (@_shiku_) January 3, 2014
@thenightowl8 ich darf das weil Gründe!11
— Brausemeer (@Meeresbraut) December 31, 2013
@iReviewGER Hahahah:D Ja wahrscheinlich nen iMac oder nen MacBook Pro, bin aber am überlegen, weil Geld und so.…
— Kevin (@realalexsos) January 2, 2014
@FuzzyLeapfrog Nicht da, weil Geld und krank. Keine Kandidatur, weil bessere Kandidaten, als mich
— Cherubim (@Donnerbeutel) January 3, 2014
Das letzte Beispiel ist aus zwei Gründen besonders interessant. Erstens, weil es sowohl ein [weil + SUBSTANTIV] als auch ein [weil + ADJEKTIV] enthält, und zweitens, weil es zeigt, dass ein Substantiv in dieser Struktur auch durch ein Adjektiv modifiziert werden kann, wie in weil bessere Kandidaten. Was aber nicht geht, wäre eine vollständige Nominalphrase mit Artikel (der, die, das) und Substantiv – weil ein besserer Kandidat oder weil der bessere Kandidat wäre ungrammatisch (zumindest klingt es für mich falsch und ich habe entsprechende Beispiele nicht gefunden).
Ein weiteres Beispiele mit einem Adjektiv:
@Tobias_Reinwald kann ausschlafen, weil krank-
— Alostrael Venenbaum (@Sinneswandlerin) January 7, 2014
Und eins mit einer Interjektion:
So, Essen gibbet heute a la carte aus der Pompfe. Zeit hat Muttan erst ab morgen früh. Frühestens. Weil Yeah! pic.twitter.com/6GqTqbqa
— Teilzeitmicksche (@MyMiiHere) November 26, 2012
Beispiele mit Interjektionen waren sehr schwer zu finden, diese Verwendung scheint im Deutschen (noch?) recht selten zu sein.
Das Phänomen ist im Deutschen noch so neu, dass ich nicht viel dazu finden konnte – im November hat Guido Berger es in seiner Kolumne Digital am Sonntag erwähnt, da ging es aber vorrangig ums Englische und er überträgt es einfach aufs Deutsche, ohne zu sagen, ob es ihm im Deutschen tatsächlich schon aufgefallen ist (seine deutschen Beispiele klingen für mich aber absolut normal).
Ich vermute übrigens, dass es sich bei der deutschen Entwicklung um eine strukturelle Entlehnung aus dem Englischen handelt, denn der zeitliche Zusammenhang macht eine zufällige parallele Entwicklung ja eher unwahrscheinlich.
Welche Wortart hat das neue because?
So, ab hier wird es jetzt etwas technisch: Die Frage ist, wie die Veränderung im Gebrauch von because (und auch von weil, auf das ich später zurückkomme) systematisch erfasst werden kann. Dabei steht deshalb die Frage im Mittelpunkt, welche Wortart das neue because hat, weil sich aus der Wortart ein großer Teil des grammatischen Verhaltens eines Wortes ableiten lässt.
Wie eingangs erwähnt ist das herkömmliche because eine subordinierende Konjunktion – wobei Konjunktion bedeutet, dass es zwei Sätze miteinander verbindet, und subordinierend bedeutet, dass der Satz, der der Konjunktion folgt, grammatisch und in seiner Bedeutung von einem Hauptsatz abhängt. In (1) liefert because she was sick die Begründung für den unabhängigen Hauptsatz Joe stayed home. ((In moderneren Grammatiktheorien werden viele subordinierende Konjunktionen als Präpositionen mit satzwertigem Komplement betrachtet, eine Sichtweise, die auch ich teile. Terminologisch ist es aber einfacher, wenn wir Präpositionen mit satzwertigem Komplement im folgenden weiterhin als „Konjunktion“ bezeichnen und die Bezeichnung „Präposition“ in ihrer traditionellen Bedeutung verwenden, also für nicht-flektierbare relationale Ausdrücke, die eine Nominalphrase als Komplement erfordern.)) Da die auffälligste Neuerung die Fähigkeit von because ist, statt mit einem Nebensatz mit einem Substantiv aufzutreten, gehen die meisten Linguist/innen, die sich bislang geäußert haben, davon aus, dass because nun (auch) eine Präposition ist. Sehr kategorisch behauptet das zum Beispiel Geoffrey Pullum, Koautor der renommierten Cambridge Grammar of the English Language, im Language Log. Das wäre insofern eine elegante Erklärung, weil es bei vielen anderen Wörtern eine Überschneidung der Funktionen Konjunktion und Präposition gibt, z.B. bei after oder until:
- (7a) Joe had hot chocolate after she had finished her lunch. (Konjunktion)
- (7b) Joe had hot chocolate after lunch. (Präposition)
- (8a) Joe slept until her alarm clock went off. (Konjunktion)
- (8b) Joe slept until dawn. (Präposition)
Die Linguistin Gretchen McCulloch, die sich in ihrem Blog All Things Linguistic schon öfter mit dem Phänomen beschäftigt hat, widerspricht dieser Sichtweise. Sie weist erstens darauf hin, dass das neue because sich in mehrfacher Hinsicht anders verhält als alle anderen Präpositionen:
1. Es kann keine volle Nominalphrase mit Artikel zu sich nehmen (ein Sternchen bedeutet „ungrammatisch“):
- (9a) I’m going to have hot chocolate because reasons.
- (9b) *I’m going to have hot chocolate because the reasons.
2. Es kann nicht mit Pronomen auftreten:
- (10a) I’m not going to the party because John.
- (10b) *I’m not going to the party because he/him.
3. Es kann nicht nur mit Substantiven, sondern eben auch mit Adjektiven, Verben und Interjektionen auftreten (siehe Beispiele 4–6 oben).
Zweitens weist sie darauf hin, dass nicht nur because sondern auch eine Reihe anderer Konjunktionen das neue Verhalten zeigen, bei dem sie statt Nebensätzen Substantive usw. einleiten (11 bis 13 sind authentische Beispiele, die McCulloch nennt):
- (11) I was considering going to the party but tired.
- (12) I didn’t bother cooking anything since whatever.
- (13) I didn’t want to talk out loud, thus text messaging.
Besonders interessant ist hier Beispiel (11), weil bei but als sogenannter koordinierende Konjunktion (also Konjunktion, die zwei unabhängige Sätze verbindet) nicht zu erwarten ist, dass sie sich zusätzlich zu einer Präposition entwickelt (zwischen Präpositionen und koordinierenden Konjunktionen gibt es keine Überschneidungen.
McCulloch argumentiert deshalb, dass es sich bei dem neuen because, but, since und thus um eine völlig neuartige sprachliche Struktur handelt. Der entscheidende Hinweis sind für sie die Interjektionen, die typischerweise zum Ausdruck von Emotionen und anderen inneren Zuständen dienen und normalerweise nicht in eine grammatische Struktur integriert werden (außer in Zitaten direkter Rede). McCulloch schlägt vor, das neue Verhalten von because und anderen Konjunktionen als ganz eigene Struktur zu betrachten, bei der der auf eine Konjunktion alle Ausdrücke folgen können, die als Interjektion interpretiert werden – inklusive eben mancher Substantive, Adjektive und Verben, wenn sie innere Zustände ausdrücken.
Diese Analyse passt auch zu der expressiven Funktion des neuen because, auf den die Journalistin Megan Garber schon im November hingewiesen hat (meine Übersetzung):
Wenn ich zum Beispiel sage, „Die Gespräche scheiterten, weil Politik“, dann beschreibe ich nicht nur eine Situation. Ich beschreibe auch eine Kategorie. Ich mache eine umfassende, aber ironisierte Aussage über eine Situation und kommentiere sie gleichzeitig. Ich liefere eine Erklärung und ein gleichzeitiges Augenrollen mit einem einzigen Wort.
Ich stimme zu, dass das because mit Substantiv immer einen expressiven Anteil hat. Wenn ich sage because reasons sage ich gleichzeitig etwas über meine Einstellung zu diesen Gründe – dass ich sie nicht nennen will, dass sie vielleicht nicht nachvollziehbar wären, dass sie eigentlich nicht besonders gut sind, dass ich sie eigentlich gar nicht kenne o.ä.
Pullum widerspricht McCulloch wiederum im Language Log, geht dabei aber nur auf den Punkt mit den formalen Beschränkungen ein. Er liefert einerseits eine Reihe von Beispielen, die seiner Meinung nach zeigen, dass auch andere Präpositionen mit Adjektiven und Interjektionen verwendet werden können. Diese Beispiele sind mittelmäßig überzeugend (bei den Interjektionen handelt es sich in jedem einzelnen Fall um ein Zitat direkter Rede, sie sind also nicht vergleichbar mit denen für because). Die Tatsache, dass keine Artikel und keine Pronomen erlaubt sind, erklärt er damit, dass das Phänomen halt noch im Wandel begriffen sei – das ist sicher richtig, heißt aber in der Konsequenz, dass because eben keine Präposition ist, sondern höchstens dabei sein könnte, eine zu werden. Auf McCullochs zweites Argument – die anderen Konjunktionen, die sich ebenso verhalten – geht er gar nicht ein, ebenso wenig wie auf die pragmatische Funktion.
Ich stimme deshalb bis auf weiteres McCulloch zu, dass because (derzeit) keine Präposition, sondern etwas völlig Neues ist. Für das deutsche weil gilt das auf jeden Fall, denn im Deutschen gibt es ein zusätzliches Kriterium, an dem man Präpositionen erkennen kann: Sie erfordern, dass die Nominalphrase, die sie einleiten, einen bestimmten Kasus hat, nämlich entweder den Dativ (wie in 14a), oder den Genitiv (wie in 14b) oder den Akkusativ (wie in 14c), aber nie den Nominativ:
- (14a) Ich beende das Gespräch jetzt mit gutem Grund.
- (14b) Ich beende das Gespräch jetzt wegen eines guten Grundes.
- (14c) Ich beende das Gespräch jetzt ohne guten Grund.
Dagegen kann das neue weil nicht mit dem Dativ (wie in 15a), Genitiv (wie in 15b) oder Akkusativ (wie in 15c) verwendet werden (ein Sternchen vor dem Satz bedeutet auch hier wieder „ungrammatisch“), sondern ausschließlich mit dem Nominativ (wie in 16):
- (15a) *Ich beende das Gespräch jetzt weil gutem Grund.
- (15b) *Ich beende das Gespräch jetzt weil guten Grundes.
- (15c) *Ich beende das Gespräch jetzt weil guten Grund.
- (16) Ich beende das Gespräch jetzt weil guter Grund.
Das behaupte ich nicht nur aufgrund meines Sprachgefühls, sondern es wird dadurch bestätigt, dass ich authentische Beispiele wie die in (15a) bis (15c) nicht finden konnte, wohl aber Beispiele wie (16), z.B.:
- (17a) ich banne dich, weil guter grund 🙂 [Link].
- (17b) kann gut sein, dass da was war, wäre ja eventuell nicht schlimm, weil guter Grund [Link].
Natürlich lässt sich das Argument nicht vom Deutschen auf das Englische übertragen, aber es stärkt McCulloch Argumentation insofern als es zeigt, dass es für eine Konjunktion möglich ist, sich zu etwas zu entwickeln, das eindeutig keine Präposition ist.
Hallo!
Wie schaut es denn mit “aus Gründen” aus? Ist das eine Lehnübertragung von “because reasons” (und noch dazu viel viel populärer als “weil Gründe”) — oder hat das einen ganz anderen Ursprung?
Viele Grüße,
My
Hm, weil + Adjektiv/Adverb kommt mir so um Graz (und Wien?) herum nicht neu vor, sondern sogar ein wenig gestelzt, manchmal ironisch, an antiquierte Amtssprache angelehnt. Hat auch einen Nachrichtensprechertouch. “…, weil befähigt, diesesoderjenes zu tun”, ” …weil undurchführbar”, “…weil kostenintensiv”, “weil minderjährig”, “weil verfassungswidrig” Vielleicht teilt ja jemand den Eindruck oder weiß was darüber? Und falls das stimmt, ob dann die Entlehnung bei den restlichen Wortarten aus dem Englischen hier schneller geht/ging? (Ich glaube, es geht manchmal auch mit Nomen, ohne “neu” zu wirken. “Die Straße ist gesperrt weil Krampuslauf”?)
@FuzzyLeapfrog, den/die zu zitierst, sieht das mit dem Rektionsverhalten von weil aber anscheinend anders, wenn er/sie schreibt:
“Keine Kandidatur, weil bessere Kandidaten, als mich.”
Nach als kommt der gleiche Kasus wie davor. Da dahinter Akkusativ steht, muss “bessere Kandidaten” auch als Akkusativ verstanden sein.
Das ist aber zugegeben auch der erste solche Fall, den ich sehe. Ich hätte gesagt: “Weil bessere Kandidaten als ICH.”
@ Pompeius: Sehr interessant, war mir nicht aufgefallen; klingt für mich persönlich allerdings ebenfalls ungrammatisch. Grundsätzlich würde ich aber erwarten, dass das neue weil, wenn es sich irgendwann zu einer Präposition entwickelt, den Akkusativ erfordern würde, von daher ist es auch nicht völlig merkwürdig.
Pingback: Ins Netz gegangen (10.1.) — »Nächstens mehr.«
Auffällig für “weil” ist zudem, dass die Konjunktion im Sprachgebrauch (in HH) häufig auch in koordinierender Funktion verwendet wird.
“Ich gehe nach Hause, weil mir ist kalt.”
“Ich höre jetzt auf zu lesen, weil ich habe keine Lust mehr.”
Als ich vor vielen Jahren nach Hamburg zog, stolperte ich immer wieder darüber. Inzwischen im mündlichen Sprachgebrauch nicht mehr, ich verwende es vermutlich auch selbst. Schreiben würde ich es nicht. Ob es sich um ein regionales Phänomen handelt und wie verbreitet es ist, habe ich nicht recherchiert.
Weil wird im Deutschen seit hunderten von Jahren auch in koordinierender Funktion verwendet, mit klarem semantischem Unterschied zum subordinierenden weil. Ich empfehle dazu die Einleitung von Peter Eisenbergs „Der Satz“.
Es wäre vielleicht auch interessant, sich nicht nur die Entwicklung von Deutsch „weil“, sondern auch von „wegen“ anzuschauen. Beim Lesen von W. Herrndorfs „Arbeit und Struktur“ bin ich kürzlich auf folgende Textstellen gestoßen. Im ersten Fall wird „wegen“ ungewöhnlicherweise mit einem Adjektiv kombiniert. Im zweiten Fall, hm, mit einem Satz (?), mit einem kasuslosen Nomen (?) …
S. 250: Zwei Seiten Beschimpfungen gelöscht wg. unoriginell.
S. 302: Meine Mutter (68) kündigt an, diesen Winter kein Eishockey spielen zu wollen wegen Arm kaputt.
@ Yvonne Treis: Danke für den Hinweis, wegen total interessant!
Danke dafür, interessante Daten. Eine kleine Bemerkung zum Nominativ bei Präpositionen: Vergleichspartikeln erlauben neben Kasuskongruenz mit dem Bezugswort auch den Nominativ (wenn ich selbst das auch meist ganz schrecklich finde):
Ich mag ihn als guten Freund
Ich mag ihn als guter Freund (https://www.google.de/url?sa=t&source=web&rct=j&ei=D9LPUt2cHoWOtAaqtoD4Bw&url=http://www.gutefrage.net/frage/ich-mag-ihn-als-guter-freund-aber-er-will-mehr-&cd=1&ved=0CC4QFjAA&usg=AFQjCNGSEi0S2DIMfA5J86uzj1oCmyna8Q&sig2=b_wHyBlwzo_8dUIYL-P8ow)
Ziemlich strikt scheint mir der Nominativ außerdem etwa in
Ich verkleide mich als der Papst
Gefordert zu werden (??ich verkleide mich als den Papst).
Die Behauptung, Präpositionen regierten nie den Nominativ, impliziert also, daß Die Vergleichspartikeln keine Präpositionen seien. Das fand ich nie so klar.
Der neue Gebrauch von because erinnert mich an den im spanischen möglichen Gebrauch von ¨porque¨ in ¨porque sí¨, womit man eine Frage nach dem ¨warum¨ abschmettert. Das könnte man mit dem neuen Gebrauch dann als ¨weil ja¨ bzw. ¨weil doch¨ übersetzen; bisher hätte man vemutlich ein umständlicheres ¨weil ich es sage!¨ benutzt. Dieser Gebrauch könnte über die zahlreichen US-Latinos ins englische übernommen worden sein und danach entsprechend erweitert worden. Und das ist gut so, because indeed, it is useful!
Ob ¨weil¨ im deutschen eine Präposition ist, kann ich natürlich nicht entscheiden, aber wenn, wäre es nicht denkbar, dass man argumentiert, dass es durchaus eine Präposition ist, aber eine, die den Kasus Nominativ erfordert? Nach Okhams Messer erscheint es mir einfacher und logischer, einer neuen Präposition einen neuen Kasus zuzuweisen, einer, der bisher nicht vorgesehen war, als eine völlig neue Wortkathegorie zu postulieren.
Hm. Ein, zwei ungeordnete Gedanken zu WEIL + X:
Konstruktionen wie “weil schon anderswo gesehen”, “weil nicht mehr aktuell” oder “weil zu teuer” sind mir völlig vertraut und lassen sich auch entsprechend häufig in Online-Texten finden. Sie fühlen sich wie einfache Ellipsen an — im Gegensatz zu “weil Gründe” oder “weil Yeah!”, die etwas Ungrammatisches (weil nicht einfach zu Vervollständigendes) an sich zu haben scheinen.
Mir kommt aus den gleichen Gründen auch ein Satz wie “X gewann die Wahl, weil von Anfang an der bessere Kandidat” überhaupt nicht ungrammatisch vor, höchtens etwas mündlich/informell.
Insgesamt scheint “weil” in dieser Art der Verwendung ähnlich wie andere Konjunktionen zu funktionieren, z. B. “obwohl nicht länger im Amt”, “sofern überhaupt möglich”, “wenn auch erst morgen”, “obschon ständiger Beobachter”.
Gedankenspiel zur weiteren Kategorisierung: Das neue “weil” ist ein Boolescher Operator (wie AND, OR, NOT). Dafür spricht, wie es zuerst und hauptsächlich verwendet wurde: schriftlich, als Verkürzung v.a. in den knappen Eingabefeldern sozialer Netzwerke. Die Aufnahme in gesprochene Sprache ist möglicherweise weil hip. –> 2013, das Jahr, in dem Mensch go Robosprech?
Lässt sich das (ich muss das laienhaft ausdrücken) vielleicht so deuten, dass hinter dem neuen “weil” oft eine Art Sprech‑, Denk- oder Tublase steht? Dafür würde sprechen, dass dort auch ein Inflektiv (Erikativ) stehen kann:
“Tja, das kann man so oder so machen, weil schulterzuck.”
Es haben schon viele vor mir darauf hingewiesen, dass “weil + X” in leicht anderer Form bereits häufiger benutzt wurde.
Ich kenne aus meiner Umgebung seit sehr vielen Jahren die umgangssprachliche Antwort “weil halt”, um auszudrücken, dass kein Interesse besteht eine Frage ausführlich zu beantworten.
Weil + X, wobei X ein Grund ist, empfinde ich als Weiterentwicklung dieser Floskel.
Ich bin kein Sprachwissenschaftler, insofern weiß ich nicht ob ich dazu überhaupt ne sinnvolle Meinung hab. Ich schreibse mal trotzdem. 😉 Für mich klingen beide (englisch wie deutsche) Konstruktionen einfach nach einer umgangssprachlichen Auslassung. (Wie bei “is’ mir Recht” wo ein “es/das” vermeintlich fehlt.)
Da es sich maßgeblich um ein “IT-Phänomen” handelt, würde ich da auch den Ursprung suchen, den ich in der IF THEN Konstruktion früher Programiersprachen sehe. Quasi IF that THEN this (im Sinne von “if that happens, then this happens”). THEN zu BECAUSE…und dann als eine Art “false friend” (weil einfach als Entlehnung wörtlich übersetzt ohne eigenen Entwicklungsauslöser) zu WEIL. jm2c
weil + NP haben wir damals — so vor 25–30 Jahren — gerne verwendet; mag allerdings ein gruppenspezifisches Phänomen gewesen sein, anders als ‘weil is nicht’, das mir in HH schon oft untergekommen ist [mglw. in einem seltsamen Soziolekt der Gymnasiasten westlich gelegener Schulen].
Ist 10b wirklich falsch? Mir würde es nicht auffallen.
Ich — als reiner Sprachbenutzer ohne wissenschaftlichen Hintergrund — habe das “because reasons” aus englischen Texten wegen seiner grummelig-pragmatischen Kürze (und dem zwinkernden Auges ausgedrückten Missfallen, das darin deutlich fühlbar mitschwingt) sofort geliebt und war mir bis eben gar nicht im Klaren darüber, dass es sich beinahe um eine neue Wortart handelt. Dafür habe ich versucht, diese mir so sympathische Ausdrucksweise ins Deutsche zu übertragen — allerdings bin ich wohl zu alt und erschöpft, neue Sprache zu schöpfen, und so schrob ich nicht allzu wörtlich dieses “weil Gründe”, sondern ein meinem verdörrten Wortbrunnen besser herauspumpbares “aus Gründen”. Dies gern auch als immer wieder einmal als einen “Satz”, etwa in “S/M ist meine Abk. für ’social media’. Aus Gründen.”…
Und ja, das Vorbild für meine Ausdrucksweise ist “because reasons”, es handelte sich in meinem Fall um eine bewusste Kopie.
Auch ich bin kein Sprachwissenschaftler aber ich sehe es ähnlich wie David.
Abgesehen von “weil Gründe” sind so Sachen wie “weil krank” oder “weil müde” einfach Verkürzungen. Die, so wie ich das sehe, eine Weitere Form der der Abkürzungen sind. Das ist ja doch recht populär, sei es weil schreibfaul 😉 oder sei es technisch bedingt wie bei Twitter. Bevor ich schreibe: “Ich ging heute nicht in die Schule, weil ich mir eine starke Erkältung eingefangen habe.” kann ich auch schreiben “Heute nicht in Schule weil krank.” Der Informationsgehalt ist annähernd gleich, mit der ca. der Hälfte der Zeichen.
Ich denke das ist der Hauptgrund warum sich das etabliert hat, wobei es sicher auch eine Korrelation mit dem Englischen gibt. Aber auch dort ist z.B. Twitter ja verbreitet, womit man da mal schauen müsste ab wann es diese Formulierung häufiger gibt und ob das unter Twitternutzern verbreiteter ist als im Rest der Bevölkerung.
@batman: Das Gefühl, diese Konstruktionen wären mir nicht unbekannt, hatte ich beim Lesen auch.
Ich hab meinen Eltern, aufgewachsen Nähe Graz bzw Weiz, einige solche Sätze vorgelegt ( zB “Das hat man nicht mehr nachvollziehen können, weil schlecht dokumentiert”, “Mit der Person wurde soundso umgegangen, weil minderjährig”, “Die straße war gesperrt, weil Krampuslauf”) — spontan beim Abendessen, ohne irgendwelche Sorgfalt — und die fraßen mich förmlich für die Impertinenz, überhaupt in Erwägung zu ziehen, das könnte richtig sein. “Das ist nicht Deutsch” fiel mehrere Male.
Beim 4. solchen Satz meinte meinten sie dann allerdings, es wäre “Amtssprache”, nach weiterem Nachfragen, es wäre “pseudogebildet” oder “halbgebildet” und das, was sie von einem Dorfpolizisten erwarten würden, der einen Bericht über eine Schlägerei schreibt.
…immerhin scheint es vorzukommen. Und dass Amtssprache in Österreich anders sein kann als in Deutschland erklärt eigentlich schon, dass es uns im Gegensatz zu anderen hier nicht “neu” vorkommt.
Lieber Herr Stefanowitsch,
mit Freude lese und höre ich immer wieder an verschiedenen Orten ihre Beiträge zur Sprache. Danke!
Die verworrene Komplexität dieser Sache hier zeigt mir allerdings, dass es nicht angemessen ist zu versuchen, mit der alten akademischen, sowieso nicht zur deutschen Sprache passenden Grammatik ein neues Sprachfänomen zu “fassen”. Weil geht nicht. 🙂 Es wäre doch an der Zeit, endlich eine Grammatik zu beschreiben, die der Sprache entspricht. Grammatik ist ja nichts Normatives und generiert vor allem nie Sprache, auch wenn die Schulen bis heute so tun, vor allem im Fremdsprachenuntericht.
Dass Sie hier ganz außer Acht lassen, wie und wo dieses “weil” schon seit Jahren gesprochen wird, bevor es auf Twitter usw. freudig zum ironisch-intellektuellen, schnellen Gedankenaustausch aufgegriffen wurde, zeigt die Notwendigkeit einer neuen Grammatik umso mehr, nicht nur für das Deutsche.
Ihr Sprachgefühl und dann vielleicht auch Erklärungsmuster würden sich schnell ändern, wenn sie zur besseren Vorbereitung einer neuen Grammatik einmal ein Jahr lang z.B. in Freiburg/Weingarten mit Jugendlichen arbeiten würden.
Und ich jetzt Bett weil müde und Buch wartet.
@ Erhard Maria Steiner: Ich weiß nicht, was Sie mit „alter“ Grammatik meinen, aber mit der „akademischen“ Grammatik lassen sich neue Sprachphänomene selbstverständlich erfassen. Dass es dabei zunächst Unsicherheit oder abweichende Meinungen darüber gibt, wie das zu geschehen hat, liegt im Wesen der Wissenschaft.
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Das Stichwort “Wegen” kam mir auch sofort in den Sinn, noch bevor ich den Kommentar von Yvonne Treis gelesen hatte. Ich bin übrigens keine Sprachwissenschaftlerin, arbeite aber beruflich mit Sprache, deswegen 😉 vermutlich für diese Dinge sensibilisiert.
Umgangssprachlich würde ich möglicherweise auch sagen “Ich beende das Gespräch jetzt wegen Arbeit”, “wegen muss noch arbeiten” oder sogar “wegen weil muss arbeiten” (Konservative werden sich an dieser Stelle bestimmt schütteln).
Die ironische Wendung “wegen weil” war übrigens in meinem Umfeld mal eine Zeitlang sehr populär (bin heute Mitte 30), aber womöglich war das ein eher isoliertes Phänomen.
Liest denn keiner mehr Max Frisch? Der hat dieses weil schon in den 50ern in all seinen Variationen intensiv verwendet. Wenn die Amis das gleiche Machen, ist es natürlich etwas anderes. Weil cool oder awesome oder so.
Ich finde diese Entwicklung sehr interessant und die lingustische Beschreibung gut fundiert. Ich sehe aber auch eine bisher anscheinend nicht berücksichtigte eventuelle Verbindung zur Ausdrucksweise türkischer Jugendlicher im Deutschen, die diese ausdrucksvollen Konstruktionen oft zu verwenden scheinen. Wie steht es mit einem möglichen Einfluß auf die deutsche Umgangssprache, besonders von Jugendlichen oder vice versa?
@batman — mir kommt das auch Bayern auch altbekannt vor. Meine Mutter hat schon vor 30 Jahren ewige wieso-Fragen mit “weil halt” und Bettgeh-Diskussionen mit “weil Schule” abgeschmettert. Ich hab so eine dumpfe Erinnerung an Karl Valentin und Kottan ermittelt im Kopf, das würde auch zur These “veräppelte Amtssprache” passen.
Siehe auch Scot W. Stevenson: Eine neue Präposition im Englischen, weil Internet, Link: http://usaerklaert.wordpress.com/2013/11/20/eine-neue-praposition-im-englischen-weil-internet/
Ich habe die zahlreichen Kommentare nur überflogen und durchsucht, nicht gelesen, aber es scheint ein Aspekt gerade zu weil Gründe zu fehlen, obwohl von „T30“ angedeutet: In computeraffinen Foren aller Art gibt es schon lange das Phänomen der Pseudovariablen. Dazu bedient man sich der Syntax einer im Kontext hinreichend bekannten Programmiersprache, um ein Wort oder eine Wortgruppe als zu füllende bzw. an impliziter oder hypothetischer Stelle deklarierte Variable zu kennzeichnen. Das sieht dann bspw. so aus: Ich banne dich, weil $guteGruende. Das ist so wegen &Bla;.
Würde das gern nochmal aufgreifen. Was mich bei meinen Kindern irritiert, ist die Verwendung von ‘wegen’ als Konjunktion (wo eigentlich ‘weil-V2’ bzw. ‘denn’ hingehört): “… wegen er hat keine Zeit”. Sie scheint sehr weit verbreitet zu sein. Wenn ‘weil’ jetzt eine Präposition wird, wird ‘wegen’ die Konjunktion? Oder nähern sie sich nur beide an? Und warum zum Teufel brauchen wir _noch mehr_ Kausalkonnektoren…