Während man in Nordamerika versucht, Weihnachten abzuschaffen – wir berichteten – tut die deutsche Presse ihr bestes, aus diesem ja alle Jahre wiederkehrenden und deshalb nicht sehr nachrichtenträchtigen Fest eine Ereignis zu machen. Diese Versuche möchten wir im Sprachlog spontan ehren, indem wir eine „Weihnachtsschlagzeile des Jahres“ küren. Der Spannung halber präsentieren wir sie in aufsteigender Reihenfolge, beginnend mit Platz 3.
Platz 3: Weihnachten in der JVA: O du traurige (Nassauische Neue Presse)
Überzeugt hat uns nicht nur die clevere Verkehrung eines bekannten Weihnatchsliedes, sondern auch die Bebilderung mit zwei angemessen traurig dreinblickenden Insassen der JVA Limburg, die sich, so erfahren wir im dazugehörigen Artikel, zu Weihnachten am liebsten Freiheit wünschen. Die werden sie, so merkt der Beitrag etwas passiv-aggressiv an, aber nicht bekommen.
Platz 2: Föhne Weihnachten! Heute ist es wärmer als an Ostern (Blick.ch)
Die ungewöhnlich milden Temperaturen haben viele Zeitungen als Aufhänger genommen, um über das Weihnachtsfest zu berichten. Überzeugt hat uns an der Schlagzeile des Schweizer „Blick“ das Wortspiel föhne/schöne, das nicht nur die Wetterbedingungen thematisiert, sondern assoziativ an eine Aussprache erinnert, die sich durch einen Mund voller Kekse ergibt.
Platz 1: Rohe iNacht (Berliner Kurier)
Unangefochten und mit großem Abstand auf Platz 1 landet diese Schlagzeile, mit der der Berliner Kurier eine Meldung über einen Einbruch im Berliner Apple-Store betitelte. Grafisch unterstützt durch ein appleförmig gerahmtes Foto vom Einbruchswerkzeug – einem gestohlenen Opel – überzeugt uns der Aufmacher als modernes, und gleichzeitig berlinisch-lakonisches Gesamtkunstwerk von beinahe twitteresker Qualität. Würden andere Zeitungen sich an dieser sprachlichen Kreativität ein Beispiel nehmen, bräuchte es kaum noch Nachrichten, um die Zeitungslektüre zu einem Vergnügen zu machen.
Und damit wünschen wir ihnen einen schönen ersten Weihnachtstag, oder einen ganz normalen Mittwoch – je nachdem, was Ihnen besser passt.
Potsdamer Neueste Nachrichten (vermutlich auch im Tagesspiegel zu finden, da die PNN letztendlich nur eine Außenstelle sind): Stille Nacht, eiserne Nacht
Zur brachialen Einbruchsmethode: Im spanischen heisst eine Schaufensterscheibe ¨luna¨, was gleichzeitig auch Mond bedeutet. Daher wird das Einschlagen von Schaufenstern mit gestohlenen Autos neuerdings oft als ¨alunizaje¨ bezeichnet, was gleichzeitig auch Mondlandung bedeutet. Da zu erwarten ist, dass diese Einbruchmethode auch in Deutschland immer öfter gebraucht wird, wäre es vielleicht nicht schlecht, wenn sich die Journalisten überlegen würden, wie man diese Art der Mondlandung auf Deutsch ausdrücken kann.
Warnung: Sobald es das Wort gibt, wird es sofort von Politikern missbraucht, um auf die Gefahren von Bandenkriminalität hinzuweisen, meistens im Zusammenhang mit Osteuropa und ethnischen Minderheiten. Das Wort sollte also gut gewählt werden, um es den Politikern nicht zu leicht zu machen, Rassismus und Hetze als gesunden Menschenverstand zu präsentieren.