Zum Feste nichts Neues

Von Anatol Stefanowitsch

Wertkon­ser­v­a­tive deutsche Feuil­leton­is­ten – also deutsche Feuil­leton­is­ten – haben es zunehmend schw­er, die imag­inäre Beschnei­dung ihrer Frei­heit­en zu bekämpfen: Man­gels ern­sthafter Bedro­hun­gen müssen sie sich inzwis­chen damit zufrieden geben, gegen die Ent­fer­nung ras­sis­tis­ch­er Verunglimp­fun­gen aus Kinder­büch­ern oder der Ent­fer­nung männlich­er Pronomen aus Uni­ver­sitätssatzun­gen zu Felde zu zetern. Ihre nor­damerikanis­chen Geis­tesgenossen tun das auch gerne und aus­giebig, aber zusät­zlich kön­nen sie sich ein­mal im Jahr Höherem zuwen­den und zum Kampf gegen die Ent­fer­nung des Chris­ten­tums aus dem Wei­h­nachts­fest blasen. Dabei ste­ht eine per­fide rhetorische Massen­ver­nich­tungswaffe im Zen­trum ihrer Aufmerk­samkeit: die Floskel Hap­py Hol­i­days (zu deutsch etwa: „Schöne Feiertage“), die gerne in Zusam­men­hän­gen ver­wen­det wird, in denen Mer­ry Christ­mas Men­schen auss­chließen würde, die keine Chris­ten sind.

Eigentlich eine gute Sache, und die deutschen Feuil­leton­is­ten haben die „schö­nen Feiertage“ meines Wis­sens nie bean­standet. Aber in Ameri­ka ist man eben wach­sam: „poli­tis­che Kor­rek­theit“ sei das, find­et zum Beispiel der repub­likanis­che Sen­a­tor Dan Brown, die von Kaufhäusern nur aus dem fiesen Grund ver­wen­det würde, „nie­man­den vor den Kopf stoßen zu wollen“. In der Van­cou­ver Post wagt es eine uner­schrock­ene Daphne Bramham gar, das ver­botene Wort auszus­prechen: „Mer­ry Christ­mas. There, I’ve said it, and I intend to keep say­ing it…“ – das wird man ja wohl noch sagen dür­fen! Und im New Jer­sey­er The Record erk­lärt eine Sue Ann Pen­na, dass sich über ein Mer­ry Christ­mas alle freuen, während Hap­py Hol­i­day furcht­bar trüb­sin­nig sei:

Whether or not you cel­e­brate the birth of Christ dur­ing Christ­mas, wish­ing one a “Mer­ry Christ­mas” is a wish of good will, joy, love and hap­pi­ness to all. When did wish­ing some­one good tid­ings become offen­sive? Why does a small minor­i­ty feel so com­pelled to take the joy out of what is a joy­ous time of year?

[Ob man an Wei­h­nacht­en die Geburt Christi feiert oder nicht, mit einem „Fröh­lich­es Wei­h­nacht­en“ wün­scht man allen Wohlwollen, Freude, Liebe und Glück. Wann ist es zu ein­er Belei­di­gung gewor­den, jeman­dem Glück zu wün­schen? Warum fühlt sich eine kleine Min­der­heit berufen, die Freude aus der fröh­lich­sten Zeit des Jahres zu nehmen?]

Ich sehe es auch so – wenn Wei­h­nacht­en gut genug für Jesus war, dann ist es auch gut genug für diejeni­gen, die sich weigern, an ihn zu glauben.

Der Pew Research Cen­ter fand die Frage der bevorzugten Wun­schformel übri­gens wichtig genug, um sie empirisch zu erforschen. Das Ergeb­nis: 42 Prozent der Amerikaner/innen beste­hen auf Mer­ry Christ­mas und 12 Prozent bevorzu­gen Hap­py Hol­i­days. Erfreulichen 46 Prozent ist die Angele­gen­heit völ­lig egal.

In diesem Sinne: Einen geruh­samen Abend. Oder einen aufre­gen­den. Oder einen ganz normalen.

[PS: Über das Schlag­wort Krieg gegen Wei­h­nacht­en find­en Sie alte Beiträge, in denen ich über ver­schiedene Aspek­te des Floskelkriegs berichtet habe, unter anderem über die Idee, dass das „X“ in „X‑Mas“ eben­falls dazu dienen soll, Chris­tus aus Christ­mas zu entfernen.]

3 Gedanken zu „Zum Feste nichts Neues

  1. Opa Hans

    Ich lese in let­zter Zeit häu­figer “sea­sons greet­ings”. Hat das den gle­ichen Hin­ter­grund, oder ist es nur amerikanis­che Find­igkeit, um den gle­ichen Gruß für alles mögliche ver­wen­den zu können?

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  2. Rosamund

    Sea­sons Greet­ings” ist gar nicht neu. Laut Wikipedia stammt das vom Ende der 19. Jh — laengst vor der Zeit der politschen Kor­rek­theit! Mein­er Mei­n­ung nach ist das ein Begriff, der Wei­h­nacht­en u. das Neu­jahr umfasst, zB “Sea­sons Greet­ings for a Mer­ry Christ­mas & a Hap­py New Year” ist schon zu finden.

    Der bedauern­swerteste Beispiel war bei uns die Wei­h­nacht­skarte, die 2 von meinen Kindern von Play­mo­bil bekom­men haben. Da standen wei­h­nachtliche Gruesse in c. 8 europais­chen Sprachen — nur im Englis­chen etwas wie “Warmest greet­ings of the sea­son” oa (habe ich zur Zeit nicht dabei!). Trau­rig — ausser­dem hil­ft das nichts beim Sprachen ler­nen. Auch Englaen­der wuen­schen sich ein fro­hes Weihnachtsfest!

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