Heute eine kurze Diskussion eines erstmalig (und vermutlich einfach ein paar Jahre zu früh) nominierten Wortkandidaten für den Anglizismus des Jahres: Gamification, einem klassischen Fall eines Lehnworts, das von einer Sprachgemeinschaft gemeinsam mit der dazugehörigen neuen Idee übernommen wurde.
Englische Vorgeschichte
Das Wort ist auch im Englischen noch sehr neu. Von den großen Wörterbüchern hat nur das Collins Dictionary einen Eintrag für gamify in dem auch das abgeleitete Substantiv gamification erwähnt wird. Definiert wird gamify als to adapt (a task) so that it takes on the form of a game („eine Aufgabe so anpassen, dass sie die Form eines Spiels bekommt“). Die englische Wikipedia sieht den Programmierer Nick Pelling als Schöpfer des Wortes und verweist dabei auf dessen Blog, in dem er berichtet, den Begriff 2002 erfunden zu haben. Allerdings gibt es aus dem Jahr 2002 auch einen Aufsatz des niederländischen Philosophen Johan van Benthem, in dem das Wort vorkommt. Wer es erfunden hat, lässt sich also derzeit nicht mit Sicherheit sagen – da es durch die produktiven Suffixe -ify and -cation von dem Wort game abgeleitet ist, ist das Wort aber auch nicht so außergewöhnlich, dass es nicht mehrfach von verschiedenen Sprecher/innen „erfunden“ worden sein könnte. Breitere Verwendung fand die Methode der gamification laut Wikipedia erst ab 2010, was auch zu den deutschen Verwendungsdaten passt.
Entlehnung ins Deutsche und weitere Entwicklung
Das Wort Gamificationfindet sich auch auf deutschen Webseiten vereinzelt Anfang der 2000er Jahre, aber eine substanzielle Steigerung lässt sich erst ab 2007, und sprunghaft ab 2010 beobachten. Form und Bedeutung des deutschen Lehnworts sind identisch mit der des englischen Originals und als Substantiv fügt sich das Wort auch völlig problemlos in die Grammatik des Deutschen ein.
Interessant sind zwei sprachliche Alternativen, die die deutsche Wikipedia nennt: das halb eingedeutsche Gamifizierung, bei der das englische Wort game mit dem „deutschen“ (bereits deutlich früher aus dem französischen entlehnten) Suffix -ier und dem deutschen Substantivierungssuffix -ung kombiniert wird, und das vollständig eingedeutschte Spielifzierung, bei dem auch der Wortstamm game durch ein deutsches Wort ersetzt wird.
Hier die Häufigkeitsentwicklung der drei Formen auf deutschen Webseiten:
Die Daten zeigen, dass Gamification die häufigste Form ist, dass Gamifizierung aber aufholt und Spielifizierung deutlich abgeschlagen ist. Meine Vermutung wäre, dass sich mittelfristig Gamifizierung durchsetzt, weil diese Form auch nachvollziehbar mit dem Verb gamifizieren in Verbindung steht. Besonders häufig sind alle drei Varianten nicht, von einer Ausbreitung in den allgemeinen Sprachgebrauch kann kaum gesprochen werden.
Die Entwicklung der Suchanfragen für das Wort Gamification zeigt aber einen deutlichen Anstieg seit 2011, der bislang im laufenden Jahr seinen Höhepunkt erreicht. Das könnte zumindest ein Hinweis auf eine zukünftige Ausbreitung des Wortes sein.
Fazit
Gamification ist eigentlich ein solider, wenn auch sprachlich wenig inspirierender Kandidat für den Anglizismus des Jahres: Das Wort besteht aus englischem Sprachmaterial und bereichert den deutschen Wortschatz an einer Stelle, an der eine neue Idee ein neues Wort braucht (Spielifizierung wird sich meiner Einschätzung nach nicht durchsetzen) Dieses Jahr dürfte das aber noch nichts werden, da das Wort nicht häufig genug ist.
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