Fast hundert Wörter haben Publikum und Jury in diesem Jahr für den Anglizismus des Jahres nominiert – mehr als je zuvor. In den letzten Tagen hat die Jury diese Nominierungen auf ihre Tauglichkeit für den Wettbewerb abgeklopft und eine Shortlist von 16 Wortkandidaten erstellt. Dabei wurden zwölf Wörter streng nach unseren Kriterien ausgewählt; zusätzlich durfte jedes Jurymitglied ein Herzenswort nach Belieben auf die Shortlist setzen, um auch Außernseiterwörtern eine Chance zu geben, sich zu beweisen.
Die sechzehn Wörter werden in den nächsten Wochen hier und in den Blogs der Jurymitglieder ausführlicher besprochen werden, bevor es dann Mitte Januar an die Abstimmung geht. Das Siegerwort wird am 28. Januar 2014 offiziell bekanntgegeben (wir hätten es früher gemacht, aber wir wollten den Kolleg/innen vom „Unwort des Jahres“ nicht dazwischenfunken).
Nun zu den Wörtern.
Besonders interessant: In diesem Jahr haben es gleich drei Affixe auf die Liste geschafft – sprachliche Elemente, die an einen Wortstamm angehängt werden können, um ein neues Wort zu bilden. Ein Wiedergänger ist dabei das Suffix –gate (das 2013 z.B. in Wörtern wie Eierlikörgate, Nipplegate, Dirndl-Gate, Krümelgate, Fähnchen-Gate und Stadtwerke-Gate vorkam. Erstmals nominiert sind die Präfixe Fake– (z.B. in Wörtern wie Fakeschreiber, Fake-Seite, Fake-Account, Fake-Profil, Fake-Foto, Fake-Shop, Fake-Anruf und Fake-Medizin) und Cyber– (z.B. in Cyber-Sicherheit, Cyberattacke, Cyberangriff, Cybermobbing, Cybercrime, Cyberkriminalität, Cyberspionage, Cyber-Experten, Cyberterrorismus, Cyber-Raum, Cyber-Vorfall und Cyber-Betrüger). Interessant an allen drei Affixen ist, dass sie nicht nur mit englischen, sondern auch mit genuin deutschen Wortstämmen kombiniert werden, also im Deutschen produktiv und kreativ eingesetzt werden, um den Wortschatz zu erweitern.
Daneben dominieren wieder Wörter aus dem Bereich Technologie und Netzkultur. In die erste Kategorie fallen Big Data, Gamification, Paywall und (als einziger Hardware-bezogener Wortkandidat) Smartwatch. Die zweite Kategorie ist durch die Substantive Hashtag und Selfie (das Oxford Dictionaries Word of the Year) und die Verben ranten und instagrammen vertreten. Auch der Whistleblower, der schon 2010 unter den Top 3 war und 2013 durch Edward Snowdens Enthüllungen wieder aktuell wurde, gehört in gewisser Weise in diese Kategorie.
Schließlich gibt es noch verschiedene Wortkandidaten aus anderen Bereichen – die Substantive Landgrabbing, Veggie Day und Thigh Gap und das Verb performen, das zwar bereits im Duden steht, aber trotzdem einen Häufigkeitszuwachs verzeichnen konnte, der vielleicht für die Endrunde reicht.
Hier noch einmal die gesamte Liste der Wörter in der Endrunde mit Links zu den Diskussionen im Sprachlog und Lexikografieblog:
- Big Data
- Cyber–
- Fake-
- Gamification
- –gate
- Hashtag
- instagrammen
- Landgrabbing
- Paywall
- performen
- ranten
- Selfie
- Smartwatch
- Thigh Gap
- Veggie Day
- Whistleblower
(Dieser Text ist ein Crosspost von anglizismusdesjahres.de).
Hashtag hätte es mal verdient. Aber erlebt das Anhängsel “Cyber-” nicht schon fast wieder eine Renaissance? Mitte der 90er war doch auch alles cyber, was irgendwie digital war.
Also mein Favorit ist Fake- … Das hat sich gefühlt tatsächlich durchgesetzt (zumindest temporär). Immerhin sind es deutlich weniger Begriffe, die einfach neue Dinge beschreiben (wie Smart Watch), was ich als Titeltrräger immer ungünstig finde. Für Selfie ist es wohl noch zu früh, das dürfte sich in Deutschland (wenn überhaupt) wohl erst in den nächsten Jahren durchsetzen. Ich habs jedenfalls nur im Zusammenhang mit dem Wort des Jahres — Titel gehört.
Ich bin etwas schockiert, dass ich nicht mal alle Wörter auf der Liste kenne, obwohl ich erst mittleren Alters und eifrige Mediennutzerin bin. Was den eigenen Gebrauch angeht, verwende ich selbst nur “Fake” oder noch lieber das schöne Partizip “gefaket”(schreibt man das so?). Das dafür ziemlich häufig. Passt einfach oft so gut;-)
Viele interessante Kandidaten! Ich hoffe nur, es wird nicht Thigh Gap. Das erfüllt zwar die Kriterien in Sachen Neuverbreitung sicher überdurchschnittlich gut, aber unsere Kultur bereichert hat es beim besten Willen nicht.
Wenn ich ein Affix süffixieren darf, dann kriege ich Cyberfake, und wenn daraus jemand einen Skandal spinnt, wird es zum Cyberfakegate.
Von diesen Wörtern sind nach meiner Auffassung genau 2 im allgemeinen Sprachgebrauch: Fake und performen.
Wobei letzteres außerhalb von Muskishows Seltenheitswert hat.
Ich kann es nur nochmals betonen, der englische Sprachgebrauch wird in der Umgangssprache, außerhalb von Medienwelt und hipper Jugendsprache maßlos überschätzt.
Denn tatsächlich stelle ich immer wieder verblüfft fest, dass die Menschen ja gar nicht so viele englische Begriffe verwenden, wie uns durch die Werbung etc. suggeriert wird.
Ich sehe, wir hätten das Wort Filterbubble vielleicht doch in die Endrunde mitnehmen sollen, denn man muss sich in einer ziemlichen Filterblase befinden, um Wörter wie Big Data, Cyber–, –gate, Hashtag, Paywall, Selfie, Smartwatch und Whistleblower nicht mitzubekommen.
Ich wußte nicht, dass der 1000-Seelenort Ranten (Österreich, Bezirk Murau) so prominent ist.
Nun ja, WMS.Nemo, Österreich hat ja immerhin einen Halbanglizismus zum Wort des Jahres gewählt: frankschämen (gesprochen fränkschämen) — dem Parteigründer und Industriellen Frank Stronach gewidmet.
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